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Ich glaube, diese mehr oder weniger kriegsverherrlichenden Szenen sind von Tolkien ganz bewusst so differenziert eingebaut worden, dass man sowohl ihre Stärken als auch ihre Schwächen erkennen kann. Das hat einen ganz einfachen Grund: Er sah in der hier wiedergespiegelten Einstellung den "northern heroic spirit" verwirklicht, den er unglaublich schätzte, und dessen Wert er zu kommunizieren versuchte. Im Beowulf fand er die Auseinandersetzung mit einem Thema, das auch sein eigenes Werk stark prägt: "That man, each man and all men, and all their works shall die." Die überwältigenden, monströsen Mächte, denen der Mensch ausgeliefert ist, die ihn existenziell bedrohen, die um so vieles größer sind als er selbst, und die letztlich den Sieg davontragen werden - das Böse, Leid, Ungerechtigkeit, Tod etc. - werden in der mythischen und fantastischen Literatur von Ungeheuern und Monstern verkörpert. Diese Ungeheuer haben, auch das hat Tolkien betont - eine externe und eine interne Ebene, sprich: sie symbolisieren sowohl die Ungerechtigkeiten, denen der Mensch in der Welt ausgesetzt ist und denen er gegenübersteht, gleichzeitig aber auch seine eigenen inneren Schattenseiten, denn "in a sense the foe is always both within and without; the fortress must fall through treachery as well as by assault. [...] For it is true of man, maker of myths, that [the monsters], in their lust, greed, and malice, have a part in him." Die Stärke der nordischen Mythologie liegt in Tolkiens Augen darin, dass sie diesen Zusammenhang so deutlich hervorhebt und auf diesem Hintergrund den Menschen zeigt, der trotz allem nicht der Verzweiflung verfällt, sondern gegen diese Mächte rebelliert, aufbegehrt, in die Dunkelheit hinaustritt und sich ihnen im Kampf stellt. In Tolkiens Worten: Der nordische Mythos "put the monsters in the centre, gave hem victory but no honour, and found a potent but terrible solution in naked will and courage." Eben diese "terrible solution" (schon diese Klassifizierung sagt einiges aus!) taucht bei Tolkien immer wieder auf. In ihrer Reinform sicher im Beorhtnoth: "Will shall be the sterner, heart the bolder, spirit the greater, as our strength lessens." Tolkien sah in diesen Worten "the finest expression of the northern heroic spirit, Norse or English; the clearest statement of the doctrine of uttermost endurance in the service of indomitable will." In Reinform, so Tolkien, könnte dieser Heldenmut einen Menschen sogar dazu führen, selbst den Tod unnachgiebig zu ertragen, "when death may help the achievement of some object of will, or when life can only be purchased by denial of what one stands for." Hier wird es kritisch. Denn militärisch verstanden ist dieses Konzept mit Vorsicht zu genießen. Als Rechtfertigung für einen ideologisch motivierten Kreuzzug, einen Heiligen Krieg, ein aktiv gesuchtes Märtyrertum würde man es missbrauchen. Hitler hat dieses Konzept zur selben Zeit in Kombination mit seiner Rassentheorie für seine Eroberungsfeldzüge missbraucht, in der Tolkien dessen Wert aufzeigen wollte. Nicht ohne Grund schreibt Tolkien: "I have [...] a burning private grudge [...] against that ruddy little ignoramus Adolf Hitler [...]. Ruining, perverting, misapplying, and making forever accursed, that noble northern spirit, a supreme contribution to Europe, which I have ever loved, and tried to present in its true light." Denn es geht hier um Widerstand, um Ausharren in einer gegebenen, nicht veränderbaren, schrecklichen Situation, nicht um Macht- oder Besitzgelüste (gegen die der Widerstand ja unter anderem gerichtet ist!). EDIT: Eine ähnliche Problematik stellt sich im sogenannten "Heiligen Krieg" des Islam, dem Djihad, der ebenfalls oft militaristisch-terroristisch missbraucht wird, obwohl damit - fast Eins-zu-Eins korrespondierend zum nordischen Heldenmut - eine Widerstandshaltung gegen die dunklen Mächte außerhalb des und besonders im Menschen selbst gemeint ist, niemals jedoch ein wirklicher "Heiliger Krieg" (ein Widerspruch in sich im Islam). Um ein klares Bild des in Tolkiens Augen richtigen Verständnisses dieses nordischen Heldenmutes zu bekommen lohnt sich ein Blick auf Sam im Herrn der Ringe, als ihm in der Einöde Mordors klar wird, dass die Vorräte bestenfalls bis zum Ziel, nicht aber für den Rückweg ausreichen: „[W]hen the task was done, there they would come to an end, alone, houseless, foodless in the midst of a terrible desert. There could be no return. […] But even as hope died in Sam, or seemed to die, it was turned to a new strength. Sam’s plain hobbit-face grew stern, almost grim, as the will hardened in him”. Der geistige Kampf, die innere Haltung ist entscheidend. Willensstärke, Heldenmut, nacktes Ausharren im Angesicht der dunklen Seiten des Lebens, im Angesicht des Todes, im Angesicht von Zielen und Werten, die das handelnde Subjekt höher bewertet als das eigene Leben. Ich denke, in diesem Horizont ist auch das Auftauchen der Rohirrim auf dem Pelennor zu beurteilen - und zwar sowohl was die Stärken als auch die Schwächen dieses Konzeptes angeht. Natürlich kommt das Kriegsgeschrei der Rohirrim auf den ersten Blick kriegsverherrlichend rüber, natürlich sieht hier alles nach Militarismus aus. Aber was genau bedeutet denn der Schrei "Tooooood!"? Die Rohirrim sind in der Unterzahl, ihre Stärke ist wesentlich kleiner als ursprünglich beabsichtigt. Der Anblick der Übermacht und der Zerstörung auf dem Pelennor überwältigt Theoden (im Film entsprechend Eowyn und Merry) und lässt ihn um ein Haar umkehren und Minas Tirith sich selbst überlassen. Als die Rohirrim schließlich doch in die Schlacht reiten (die Explosion der Zerstörung des Stadttores hat die gleiche Wirkung wie Sams Einsicht, dass die Vorräte nicht reichen werden) , sind sie sich darüber im Klaren, dass sie keine Chance haben und in den sicheren Tod reiten - aber eben diesem Tod trotzen sie mit nacktem Willen und blankem Mut, was sich - im Flm - in ihrem gewaltigen "Tooood!"-Schrei ausdrückt. Das mag kriegsverherrlichend klingen, aber - und das kommt im Buch in Theodens Lied deutlicher herüber - es geht hier nicht um Eroberung oder Zerstörung, sondern um nackten, hoffnungslosen Widerstand gegen die dunklen Mächte der Welt, einen Widerstand gegen Mächte, denen sich der Mensch nicht unterwerfen darf oder will, und in deren Angesicht es gerade die Poesie ist, die dem Menschen Hoffnung und Kraft geben kann: "Blessed are the legend-makers with their rhyme / of things not found within recorded time. / It is not they that have forgot the Night, / or bid us flee to organised delight, [...] / They have seen Death and ultimate defeat, / and yet they would not in despair retreat, / but oft to victory have turned the lyre / and kindled hearts with legendary fire, / illuminating Now and dark Hath-been / with light of suns as yet by no man seen."1 Punkt
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