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In Fantasy-Welten, im Herrn der Ringe und vielen Rollenspielen spielt der Kampf unserer Helden eine wichtige Rolle. In meiner Jugend fieberte ich mit oder versetzte mich selbst in die Rolle eines Streiters, Magiers oder Kundschafters. Irgendwann wollte ich es wissen und herausfinden, ob ich nicht auch real so ein Krieger sein könnte... Hier mein Senf dazu... Kämpfer oder Krieger Wohin mit der Kraft, Jungs? Vielleicht habt ihr euch das auch schon mal gefragt, wenn das Adrenalin mal wieder in euch hochkocht. Ich möchte euch dazu einmal meine ganz persönliche Erfahrung schildern. Als ich 2006 mit Wing Tsun anfing (unterbrochen von Babypausen), fragte mich mein Si-fu bei einer Einzelstunde einmal, ob ich den Unterschied zwischen einem Kämpfer und einem Krieger kenne. Zu dieser Zeit war ich Mitglied eines internationalen Motorrad Clubs, hatte aber auch schon davor immer irgendwie mit meinem Ego zu kämpfen. Ich hatte mich aus Spaß an der Gemeinschaft, am gemeinsamen Motorradfahren, an Parties, aus Abenteuerlust und nicht zuletzt um meiner Angst vor Aggression entgegenzutreten dem Club angeschlossen. Sifu Hage hatte wohl intuitiv ein Gespür für mein Dilemma: Einerseits wollte ich mich mit Kampf und Aggression vertaut machen, um meine Angst davor zu besiegen, andererseits aber habe ich eine tiefe Abneigung gegen Aggression und Gewalt. Er erklärte mir, dass der Kämpfer um des Kämpfens Willen kämpft. Er perfektioniert seinen Kampfstil, um der Beste zu werden. Krieger hingegen seien in erster Linie Bauern, Handwerker, Familienväter, die wenn das eigene Leben, die Lebensgrundlage und die Familie bedroht waren, zu den Waffen griffen, um sie mit aller Kraft zu verteidigen. Wenn die Gefahr beseitigt war, legten sie die Waffen nieder und gingen wieder ihrem Tagewerk nach. Tatsächlich läßt sich im Internet recherchieren, dass in manchen Kulturen, die auf einer Stammes-, Familien- oder Clanstruktur ohne Standesunterschiede aufgebaut waren und Ackerbau und Viehzucht betrieben, Mitglieder dieser Gemeinschaften obiger Beschreibung eines Kriegers am ehesten entsprechen. Als Beispiele finden sich die ursprünglichen schottischen Clans oder die slawischen Stämme. Ganz egal, wie es auch immer wirklich gewesen sein mag, mir gefällt diese einfache Einteilung. Ich kann mir etwas bildlich darunter vorstellen. Vielleicht habt ihr da auch gleich ein (Vor-)Bild im Kopf. Will ich Kämpfer werden oder Krieger sein? Was macht einen Kämpfer aus? Ein Kämpfer kämpft. Er übt nicht bloß, er kämpft gegen Andere. Um den Umgang mit Aggression und Gewalt zu üben, begann ich zusätzlich zum Wing Tsun-Untericht mit Sparring. Ich weiß, das ist nicht mit einem echten Kampf vergleichbar. Der Adrenalinschub ist dabei weitaus stärker und schwerer zu kontrollieren - wenn es überhaupt gelingt - und ob man mit heiler Haut davon kommt ist nie sicher. Aber es führte mich, soweit es für mich möglich erschien, näher an echte Kampfsituationen heran. Was wäre danach der nächstgrößere Schritt zum Kämpfer? Mir einen Gegner für einen echten Kampf sucht? Die große Mehrheit von Möchtegern-Kämpfern würde sicherlich instinktiv ein Opfer suchen, bei dem ein Sieg sicher ist. Wohl kaum einer sucht sich allein auf der Strasse oder in der Kneipe bewusst stärkere und vor allem wachsame Gegner, wenn es einfachere Ziele mit besseren Siegchancen und geringerem eigenen Risiko gibt. Aber was würde ich dadurch gewinnen? Würde ich mich selbst achten, auf Kosten irgendeines armen Kerls, nur weil mir mein Ego dafür anerkennend auf die Schulter klopft, daß ich gegen mein persönliches Problem gekämpft habe? Wenn ich darüber nachdachte, bekam ich ein ganz mieses Gefühl. Auf meiner Suche nach Antworten auf die Fragen „Wer möchte ich sein und wie kann ich so werden“ stieß ich auf die Bücher „Dead or Alive“, „Hunting the Shadow“ und insbesondere „Warrior“ von Geoff Thompson. Durch sie wurde mir erst wirklich bewusst, daß Kampf allein um des Kämpfens Willen, um das Ego zu befriedigen, letztendlich auch nur eine Flucht vor den eigenen Schwächen in anderen Lebensbereichen ist. Gehört haben wir dieses Klischee schon unzählige Male, aber nun bekam es für mich Sinn. Wenn du unzufrieden bist mit dir selbst, deiner Arbeit, deiner Beziehung, Geldsorgen hast oder dir die Politik nicht passt, dann setzt diese Unzufriedenheit viel Energie - also Kraft - frei, die du in den Kampf stecken kannst, um ihr ein Ventil - eine Richtung - zu geben. Wenn du nur Kampf und Aggression im Kopf hast, trägst du das immer mit dir und wirst auch in Jedem, dem du begegnest einen potentiellen Gegner sehen und alles was du hörst, könnte eine Drohung, Beleidigung oder Herausforderung sein. Wenn du dann deinem Ego nachgibst, bist du vielleicht ein gefürcheter Schläger, aber das löst nicht alle anderen Probleme. So übernimmt man keine Verantwortung für seine anderen Lebensbereiche. Statt dessen verbirgt man seine Schwäche, nicht die richtigen Antworten auf alle Lebenssituationen geben zu können, hinter der Maske des Kämpfers auf Kosten irgendeines armen Opfers. Das wäre aber nicht wirklich ich und irgendwie war ich auch Stolz auf mich, dass ich mir eine gewisse Anständigkeit, die ich früher für meine Schwäche gehalten hatte, bewahrt hatte. Dann wollte ich doch lieber wie der oben beschriebene Krieger sein. Alle Aspekte im Leben erfordern, so schreibt Thompson, eine Kriegermentalität. Das heisst Verantwortung für sein gesamtes Leben übernehmen, Job, Familie, Gesundheit, Lebenseinstellung, Erfolg und Selbstachtung. Das erste Kraftprinzip des Wing Tsun besagt frei übersetzt: „Mache dich frei von deiner Kraft“. Kraft verstehe ich hier im Sinne von Druck oder unerwünschter Energie im Kampf und generell in allen unangenehmen Lebenssituationen. Wie äussert sich diese unerwünschte Energie im Alltag: Es ist der Schlag auf die Tastatur, weil ich meinen Job hasse, es ist die Schreierei zu Hause, weil ich mich wieder um alles kümmern muss, es ist das Saufen bis Oberkante Unterkiefer, das ich brauche, um mal abzuschalten, es ist die miese Laune, die ich bekomme, wenn ich die Nachrichten sehe, es ist der Neid und das Selbstmitleid, wenn ich sehe, welchen Wagen der Nachbar fährt und so weiter und so weiter. Verantwortung für mein Handeln übernehmen Ich verwende meine Energie nun anders. Ich investiere sie in berufliche Weiterbildung, bringe meine Finanzen auf Vordermann, kümmere mich mehr um meine Familie und gehe regelmässiger ins WT-Training. Ich will das Ruder selbst in die Hand nehmen und versuche mich nicht durch meine „Schatten“, wie sie Thompson bezeichnet, steuern zu lassen, die mir einflüstern wollen „die Regierung, das Finanzamt, mein Chef, meine Kinder etc. haben Schuld an meiner Situation und ich kann ja doch nichts dagegen machen. Alle legen dich auf’s Kreuz, wenn du nicht aufpasst. Den Nächsten, der mir dumm kommt, hau ich weg...“. Und das Beste ist, es funktioniert. Ich erkannte für mich, dass mich ein Sieg im Kampf allein nicht zu dem Mensch machen konnte, der ich sein wollte. Als ich ein Jahr später dann auch noch meinen Club aus familiären Gründen verlies, weil sich meine Prioritäten verschoben hatten und sich mein Umfeld, in dem Kämpfen als Teil der menschlichen Natur akzeptiert wurde, änderte, spielte plötzlich Kämpfen und Aggression nicht mehr eine so große Rolle. Meine Ansichten und Einstellungen änderten sich. Ich begegne nun Menschen anders und sie begegnen mir anders. Ich habe das Gefühl, daß Erfolg in vielen anderen Lebensbereichen möglich ist. Mein Leben ist vielseitiger. Natürlich bin ich weit davon entfernt frei von Angst oder Aggression zu sein. Es ist sehr leicht in bestimmten Situationen schnell in alte Denkweisen und Verhaltensmuster zu verfallen, aber ich versuche sie Stück für Stück durch Neue zu ersetzen. Dachte ich früher zum Beispiel in brenzligen Verkehrsituationen: „Warum schneidet mich dieser Typ, mit seinem Angeberschlitten?! Sucht der Streit?! Will der mich von der Autobahn schiessen? Dem zeig’ ich’s!“, so denke ich heute eher: „Na der hat’s wohl nötig. Ich rege mich jetzt nicht auf. Bringt mir nichts. Wenn ich dem jetzt hinterher rase, verblase ich nur meinen teuren Sprit. Und was, wenn ich ihn einhole...soll ich ihn mit einer Stunt-Einlage ausbremsen? Das macht keinen Sinn. Es ist ja nichts passiert und er hat mich nicht persönlich gemeint, denn wir kennen uns ja nicht.“ Der Mittlere Weg Doch nicht ohne Grund gibt es noch drei weitere Kraftprinzipien im Wing Tsun. Sie berücksichtigen die Kraft des Gegners, die gegen uns gerichtet wird, ob wir wollen oder nicht, aber auf die wir nur indirekt Einfluß haben. Was ist, wenn uns persönlich jemand trotz unserer Gelassenheit das Leben schwer macht? Wo ist die Grenze, damit nicht aus „Nicht-alles-persönlich-nehmen“ keine Selbstverleugnung aus Harmoniesucht und aus Selbstverteidigung nicht das Recht des Stärkeren aus übertriebenen Ego wird? Wie bei allem im Leben kommt es auch hier auf die Balance, den Mittleren Weg an. Dieser Mittlere Weg zwischen den beiden Extremen von schwachem und übertriebenem Ego ist ein gesunden Selbstwertgefühl und dazu gehört nach Nathaniel Branden, einem namhaften Psychologen, die oben beschriebene Eigenverantwortlichkeit, persönliche Integrität und Selbstbehauptung. Genau dafür trainiere ich die eigene Position unmißverständlich klarzumachen, wenn es ums eigene Leben und Gesundheit oder das der Familie und Freunde geht. Aber auch in Situation, bei denen es um persönliche Freiheit geht ist Selbstbehauptung wichtig. Du musst es dir natürlich nicht gefallen lassen, daß du dich nicht frei und entspannend bewegen kann. Das Beispiel von Problemen Jugendlicher mit Schulhofschlägern liegt auf der Hand. Du musst täglich in die Schule, ein Schulwechsel ist nicht ohne weiteres möglich, also kann man dem Problem nicht wirklich aus dem Weg gehen. Du willst dich ja auch nicht in jeder Pause auf dem Klo verstecken müssen. Ein anderes Beispiel ist der klassische Rempler in der Kneipe oder auf einem Volksfest, bei dem du einem angetrunkenen Fremden versehentlich Bier überschüttest. Sofort geht das Geschrei los und der Fremde droht dir eine reinzuhauen. Wenn man sich aus dieser Situation entschliessen würde, in Zukunft möglichem Stress aus dem Weg zu gehen und keine Kneipen oder Volksfeste mehr zu besuchen, so würde man auf sein Recht auf persönliche Freiheit verzichten. Allerdings ist persönliche Freiheit ist immer subjektiv. Sie muss jeder für sich selbst definieren und liegt in der eigenen Verantwortung. Ich zum Beispiel sehe keinen Sinn darin, für mein Recht zu kämpfen in einer miesen Spelunke voll betrunkener Spinner zu sitzen, die Streit mit mir suchen, wenn es mir anderswo viel besser gefällt und ich gern gesehen bin. Andererseits habe ich Spaß daran, mit meiner Familie Volksfeste zu besuchen. Dieses Recht lasse ich mir nicht nehmen und bin mir auch bewusst, daß dort mit manchen Zeitgenossen, speziell bei einem gewissen Alkoholpegel, auch mal Stress aufkommen kann. Ich habe aber nun die Erfahrung gemacht, daß ich mit einer entspannten, freundlichen Grundeinstellung auf solchen Festen weit weniger Stress anziehe als zuvor mit abweisendem Blick, voller Adrenalin und ständig auf der Suche nach potenziellen Stressmachern aufgrund meiner eigenen Ego-Probleme. Es verhält sich ganz im Sinne der selbsterfüllenden Prophezeiung: Erwartest du Aggression, wirst du dich auf Kampf einstellen und dich entsprechend – bewusst oder unbewusst – bewegen und verhalten. Andere reagieren nun – bewusst oder unbewusst – auf dein Verhalten, fühlen sich durch deine „Kraft“ bedroht und werden dadurch ihrerseits eher aggressiv. Macht man sich statt dessen frei von seiner Kraft und tritt mit gesundem Selbstwertgefühl auf, kann diese Spirale unterbrochen werden. Viele Grüße Valgard/Mathias1 Punkt
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