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  1. Wolfgang Krege, der unter den Hoch-Nerds recht umstrittene Neuübersetzer des Herrn der Ringe schreibt im „Handbuch der Weisen von Mittelerde“ über die Elben, daß der Geschlechtstrieb bei ihnen keinerlei Rolle spielt. Ich teile diese Einschätzung und würde mich sogar zu der These aufschwingen, daß Sexualität in Tolkiens Welt generell keine Rolle spielt. Es handelt sich hierbei meiner Meinung nach weder um eine prüde Tabuïsierung, noch um ignorante Vernachlässigung eines bestimmten Lebensaspektes, sondern vielmehr um ein bewußt eingesetztes Stilmittel, das konstituïerend ist für den poëtischen Charakter des Werks. Wie es sich für ein anständiges Märchenland gehört, erfüllen Liebe und Schönheit in Mittelerde keinen biologischen Zweck. Sie dienen eher als Inspirationsquelle für Lyrik und Kunst, als dem Ziel der Fortpflanzung. An zahlreichen Beispielen (Galadriël und Celeborn, Elrond und Celebrian) sehen wir, daß elbische Ehepaare Jahrhundertelang getrennt voneinander leben können, ohne den körperlichen Kontakt zueinander großartig zu vermissen. Der einzige Anflug von Lust, den ich bei Tolkien je andeutetet fand, ist Morgoths Begierde beim Anblick der tanzenden Lúthien in seinem Thronsaal in Angband. Und der wird mehr oder weniger klar als Perversion verurteilt. Mich würde interessieren, was Ihr darüber denkt. Warum blendet Tolkien die Sphäre der Sexualität völlig aus?
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  2. "...dann schlußfolgert er dies wohl aus dem Fehlen von Hinweisen, die die gegenteilige Annahme zulassen, was so nicht geht."
 Unser Bild von der Wirklichkeit in Mittelerde ist nachhaltiger von fehlenden Dingen geprägt, als Du denkst. Wenn Du recht hättest, sollten wir annähmen, daß Tag und Nacht Autos über die Highways von Eriador brettern, denn es wird ja nirgendwo im Herrn der Ringe explizit gesagt, daß es keine Autos gibt.* Aber durch Deinen Einwand ist mir klar geworden, daß es genau diese Informationslücke ist, die mich auf das Thema einer asexuëllen Mittelerde gebracht hat: Was in geradezu weltfremder Weise bei Tolkien fehlt, ist Ehebruch. Fremdgehen gibt es weder bei den Elben, noch bei irgendwelchen anderen Völkern.** Mit einem Anspruch literarischer Keuschheit kann das nichts mehr zu tun haben. Selbst die Artussage kennt Ehebruch. Ehebruch ist das narrative Thema, das die Notwendigkeit eines Sexualtriebs voraussetzt. Ohne Sex fehlt der intime Überschreitungsmoment, der die Begegnung erst zum Affront macht. Daher ist Kreges Beobachtung auch auf der zweiten und dritten Ebene noch sehr scharfsinnig. Ich will nicht leugnen, daß Elrond Celebrian vermißt, aber sie fehlt ihm nicht in sexuëller Hinsicht, sonst hätte er sich eine Konkubine genommen. Die Bewohner Mittelerdes brauchen keinen Sex, daher kommen sie auch nicht in Versuchung die entsprechenden Verhaltensregeln zu brechen. Stolz, Hochmut, Eifersucht, Feigheit und Machtgier. Es gibt in Tolkiens Welt genug Möglichkeiten Schuld auf sich zu laden. Aber der Wollust oder Unzucht kann man offenbar nicht angeklagt werden. Diese moralische Dimension existiert einfach nicht. Entsprechend aussichtslos ist es im Gegenzug, sich durch Enthaltsamkeit als besonders tugendhaft und rein profilieren zu wollen. Das Prinzip der Monogamie zieht sich von den höchsten Velar bis ins Tierreich durch und ist so dermaßen sakrosankt, daß nicht mal die übelsten Schufte es in Frage stellen würden. Ich fürchte, Celebrian hat während ihrer Gefangenschaft einiges ertragen müssen, aber auf sexuëlle Belästigung sind die Orks wohl einfach nicht gekommen. Tolkien hat hier eines der wichtigsten Handlungsmotive unserer Welt einfach gestrichen und darin sehe ich die bereits erwähnte, poëtische Idealisierung seiner Welt. * Auch wenn die Elben keine Räder mögen. ** Auch wenn der Fall des Pseudowitwers Finwë leicht bigame Züge aufweist.
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