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  1. Woher der Traum kommt ist eine gute und oft gestellte Frage. Manche Leser führen den Traum auf Tom Bombadils Einfluss zurück, manche auf den Einfluss des Rings, andere meinen, Gandalf (oder gar einer der Valar) hätte Frodo diesen Traum geschickt. Ob es auf diese Frage wirklich eine Antwort gibt weiß ich nicht. Zumindest sollte man nicht vergessen, dass dies nicht der einzige derartige Traum im "Herrn der Ringe" ist. Der Traum der Brüder Boromir und Faramir ist ähnlich gelagert, insofern er Dinge enthält, die nicht einfach dem Unterbewusstsein der Beiden entsprungen sein kann. Zumindest bei diesem Traum kann ich mir gut vorstellen, dass er von Gandalf kam, von dem ja im Silmarillion gesagt wird er käme aus dem valinorischen Lórien, und die Elben und Menschen, unter denen er wandle, "did not know whence came the fair visions or the promptings of wisdom that he put into their hearts." Zudem enthält sein Name in Valinor, Olórin, das Quenya-Element "olor", das "Traum" im Sinne einer Vision bedeutet. Damit könnten durchaus Träume wie der Boromirs und Faramirs gemeint sein, auch Frodos Traum könnte hier hinein fallen. Bei Frodos Traum scheint mir aber eine andere Facette wichtiger zu sein als die Frage, wer ihn geschickt hat. Frodos Vision von Aman in Bombadils Haus geht ein anderer Traum voraus, der in Crickhollow. Dort träumt er - unter anderem: Das Rauschen des Meeres, das Frodo hier hört, ist ein starkes Motiv in Tolkiens Schriften. Sam hört dieses Rauschen an den Grauen Anfurten ("There still he stood far into the night, hearing only the sigh and murmur of the waves on the shores of Middle-earth, and the sound of them sank deep into his heart."), und hätte Tolkien den HdR mit dem verworfenen Epilog veröffentlicht, dann hätte das Buch sogar mit diesem Motiv geendet: "They went in, and Sam shut the door. But even as he did so, he heard suddenly, deep and unstilled, the sigh and murmur of the Sea upon the shores of Middle-earth." Legolas, der Elb, verfällt diesem Rauschen ebenso: Schließlich findet sich auch im "Silmarillion" eine Person, bei der dieser Effekt mit voller Wucht einschlägt: Tuor. In den "Unfinished Tales" ist diese Stelle besonders eindrücklich beschrieben: Wohin dieses Rauschen verweist, ist dem Leser von Tolkiens Werken natürlich klar: denn alle diese Personen (Frodo, Sam, Legolas, sogar Tuor) segeln letztlich gen Westen nach Aman. Hier besteht auch der Zusammenhang zwischen Frodos Traum in Crickhollow und seinem Traum in Bombadils Haus. Allerdings bin ich selbst an dieser Stelle sehr vorsichtig, denn gerade Frodos Traum in Bombadils Haus (wie auch seine Vision von Aman am Ende des Romans) sind keine fotografischen Reproduktionen! Wörter wie "seemed" und "like" machen sehr deutlich, dass es sich hier nur um Vergleiche handelt. Hier werden Dinge in Worte gekleidet, die nur metaphorisch beschreibbar sind. Frodos Fahrt gen Westen ist ähnlich angelegt: Der ganze Satz wird wieder eingeleitet mit "it seemed to him", und der Autor benutzt Worte, die nicht einfach das beschreiben, was er sieht, sondern eine Erfahrung, die er nicht einfach Eins zu Eins in Worte kleiden kann. In meinen Augen ist das sehr wichtig, denn es geht hier nicht einfach um Frodos Reise in ein fremdes Land. Einen Hinweis darauf, worum es hier geht, gibt mir persönlich Tolkiens Turmallegorie aus seinem "Beowulf"-Aufsatz. Dieser steht zwar thematisch in einem völlig anderen Zusammenhang - es geht um den Umgang der Literaturkritiker mit dem Beowulf-Gedicht bzw. mit Literatur im allgemeinen -, bietet aber im letzten Satz eine überraschende Parallele: Der Turm und das Meer - die Parallele zu Frodos Traum in Crickhollow springt ins Auge! Und ich glaube, Tolkien hat absichtlich im Dunkeln gelassen, was genau er mit dem "Meer" und dem "Meeresrauschen" meint, um es nicht zu einer platten Allegorie verkommen zu lassen. Einzig dies wird man mit Blick auf die mittelirdischen "Opfer" des Meeresrauschens sagen können: immer wieder fallen die Worte "yearning" und "longing", es geht hier um existenzielle Sehnsüchte. Sehnsüchte, die man nicht einfach in Worte kleiden kann und die sicher für jeden Menschen verschieden aussehen - weshalb Frodos Vision von Aman auch nur eine Umschreibung ist. Das Meeresrauschen, so wird in der Crickhollow-Stelle gesagt, hat Frodo in dessen Träumen schon öfter heimgesucht. Aber eine klare Vision dessen, was er überhaupt ersehnt, bietet sich ihm erst in Bombadils Haus. Ob ihm dieser Traum gesandt wurde kann ich nicht beantworten, aber ich denke, diese plötzliche Klarheit hat sicher etwas damit zu tun, dass er sich auf den Weg gemacht hat, seine Reise begonnen hat, die Grenze nach "Faerie", ins Reich der Mythen und Märchen, überschritten hat. Denn, so Tolkien in seinem Märchenaufsatz, dieses Land zeichne sich dadurch aus, dass gewisse menschliche Ursehnsüchte angesprochen würden; angesprochen, das heißt, sie können dort befriedigt werden, viel wichtiger sei jedoch, dass sie überhaupt ins Bewusstsein treten und angeregt werden: Viele dieser Ursehnsüchte bespricht er in seinem Aufsatz, und der wichtigste ("And lastly there is the oldest and deepest desire, the Great Escape: the Escape from Death.") spricht direkt Frodos Reise in den Westen an, die ein ganz offensichtliches Sinnbild für den Tod ist, Ich mache hier erst einmal einen Punkt und überlasse das Feld euren Gedanken dazu.
    1 Punkt
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