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  1. Das erinnert mich an ein Werbeplakat (von Klett- Cotta?) mit einem Scherenschnitt der Tolkien in der Nähe eines Baumes zeigt. Auf diesem Plakat sind auch Naturgeister (Elben) schemenhaft zu erkennen. Als Tolkienzitat steht sinngemäß darunter: 'Ich habe Mittelerde nicht erfunden. Sondern nur beschrieben, was sowieso da ist im Verborgenen'. Wie passt das zusammen? Achtung, jetzt kommt der typische Satz eines Fuchses (oder Elben?), der auf alles passt und sowohl Ja als auch Nein sagen kann: "Da muss man differenzieren." Grundsätzlich stimme ich Nelkhart zu, und ich nehme Tolkien in seinem Ausspruch bedingungslos ernst. Die Sehnsüchte, die den Schlüssel zur "Faerie" darstellen, sind universal, und Tolkien schöpft aus dem gleichen Fundus wie viele Phantasten vor und nach ihm. Sein Werk ist fundamental verwurzelt in unserer Primärwelt, wie kaum ein anderer hat Tolkien es geschafft, ein Loch in die Mauer unseres Wirklichkeitsverständnisses und unserer Wahrnehmung zu brechen und uns die Welt in einem neuen Licht zu zeigen. Sein Ausspruch bedeutet ja nicht, dass Mittelerde so, wie er es beschrieben hat, irgendwo greifbar existiert, sondern dass Mittelerde in der sinnlich erfahrbaren Wirklichkeit wurzelt, diese aber gleichzeitig mit Hilfe der Fantasie übersteigt und aufbricht. "Creative fantasy is foundet upon the hard recognition that things are so in the world as it appears under the sun; on a recognition of fact but not a slavery to it", schreibt er in seinem Märchenaufsatz. Gewisse Erfahrungen des Menschen mit der Wirklichkeit wie auch menschliche Reaktionen auf diese Erfahrungen lassen sich nur auf poetische und fantastische Art und Weise kommunizieren und so für andere Menschen erfahrbar machen. Auf diese Weise lassen sich kultur- und zeitübergreifend Archetypen wie die Elfen ausmachen, und auch Tolkiens Elben stehen sicherlich in einer Linie mit den shakespearschen Blumenelfen, den nordischen Alben und anderen. Dennoch bedeutet das nicht, dass Tolkien leibhaftig oder im Geiste Elben begegnet ist und einfach aufgeschrieben hat, was diese ihm von ihrer Welt erzählt haben. Mittelerde ist eine Sekundärwelt, die in unserer Primärwelt verwurzelt ist, aber in ihrer konkreten Form ganz und gar auf Tolkiens eigene Schöpferkraft zurückgeht. Auch seine elbischen Sprachen und Namen haben sicher ihre Grundlage in unserer Wirklichkeit, sind aber dennoch vollständig von Tolkien erschaffen. Tolkien war kein Barde, der sich mit seinen Geschichten in einem vorhandenen Mythos bewegt hat, der das Wirklichkeitsverständnis seiner Zuhörer (inklusive der Existenz von Elfen) prägte - Tolkien hat als Schriftsteller einen eigenen Mythos geschaffen, der das Wirklichkeitsverständnis der von ihm geschaffenen Elben in der von ihm geschaffenen Welt prägt. Wenn nun jemand kommt und mir einen Text vorlegt, den er im Kontakt mit Elfen empfangen hat, und mich als Tolkienkenner nach einer Übersetzung fragt, dann kann ich ihm klar und deutlich sagen, dass dieser Text nichts mit Tolkiens Elben zu tun hat und auch nicht durch Anwendung ihrer Sprache übersetzbar ist. Tolkien selbst hätte diesem Menschen vielleicht einen weiteren Rat gegeben: Nicht extern nach einer Übersetzung zu suchen, sondern in sich selbst hineinzuhorchen, selbst auf fantastisch-schöpferische Weise Faerie zu betreten und herauszufinden, was diese Worte bedeuten könnten. Ebenso hat es Tolkien nämlich selbst gemacht, wenn man bedenkt, dass bei ihm Worte und Namen immer zuerst da waren, und sich seine Geschichten um diese Worte herum gebildet haben in einem Prozess des Entdeckens.
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  2. Diese Haltung Tolkiens wird in der Regel nicht ernst genommen oder lediglich als literarisches Augenzwinkern aufgefaßt. Der Ansatz der autopoiëtischen Weltpoësie aber geht von genau dieser Annahme aus: Die Sehnsucht nach geistiger Anmut ist universal und zeitlos. Tief im Menschen liegt ein poëtischer Schatz verborgen und die Dichter versuchen ihn ans Licht zu bringen. Diese Mission gibt es schon so lange wir Sprache verwenden und neben Homer, Ovid, Shakespeare und Eichendorff ist Tolkien nur als ein Held in einer langen Reihe von Enthüllern dieses Schatzes anzusehen. Oder mit den Begriffen der Systemtheorie ausgedrückt: Die poëtische Wahrheit sucht sich in jedem Jahrhundert ein paar Köpfe aus, die über die notwendige Empfindsamkeit verfügen, um die Welt in ihre sagenhaften Geheimnisse einzuweihen. Neben seinem unnachahmlichen Vermögen, seine Phantasie zu disziplinieren, ist es der große Verdienst Tolkiens, dem poëtischen Kanon die ultimative Verkörperung des romantischen Ideals hinzugefügt zu haben: Die Eldalië. Das Volk, das keine Banalität kennt. Nach Thingol und Melian kann man Oberon und Titania nicht mehr ernst nehmen. Seit Jahren halte ich Ausschau nach einem Nachfolger Tolkiens, weil ich wissen möchte, wie die Geschichte weitergeht. Ich suche den nächsten in der Kette. Ich finde ihn nicht.
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