Rhetorische Fragen verzetteln sich nur all zu gerne durch ihr unerschütterliches Vertrauen auf die eigene Selbstevidenz. Werden sie dazu eingesetzt, um eine stilistische Pose zu markieren, hat das oft den unliebsamen Nachteil, daß man damit ihr Potenzial, Inhalte in Frage zu stellen, erheblich abschwächt. So ist es auch hier geschehen.
All diese Fragen kolportieren mehr Empörung als Kritik. Ich könnte darauf jedes Mal dieselbe Antwort geben: Ebenda!
Ich halte die Kampf-Choreographiën in den Hobbit-Szenen für legitim, weil sie das ambivalente Naturell der Eldalië beleuchten. Man könnte die elbische Gesellschaft als ein Volk wehrhafter Poëten beschreiben. Ihre Angehörigen sind in höchstem Maße empfänglich für Lyrik und Kunst, aber deshalb noch lange keine verschüchterten Weicheier. Über die Jahrtausende hinweg haben sie ihre Kultur gegen die kriegerischen Stämme der Orks behauptet.
Zahlenmäßig in der Regel unterlegen, war das nur durch die übermenschliche Körperbeherrschung der Eldar möglich. Wie bereits anderswo erläutert, sehe ich die akrobatischen Demonstrationen des Thranduïlion keineswegs als übertrieben an. Es ist diese überragende Kontrolle ihrer Fëar über die Hröar, die es den elbischen Helden ermöglicht hat, voluminöse Gegner wie Balrogs und Trolle zu Fall zu bringen.
Desweiteren sehe ich die rasante Wildwasser-Fahrt in „Desolation of Smaug“ keineswegs als primitives Gemetzel an. Dramaturgisch bringt sie einen mehr als komplizierten Loyalitätskonflikt zum Ausdruck. Wer ist hier Freund und wer Feind? Legolas und Tauriël sind ihrem König verpflichtet, die entflohenen Gefangenen zurück zu bringen. Da diese ihnen aber insgeheim recht sympathisch sind, hat die Verteidigung der Zwerge vor den Orks für sie Vorrang. Umgekehrt sind Thorin und co vom Elbenkönig gedemütigt worden. Dennoch dulden sie selbst den „Gesichtstanz“, anstatt die Elben zu attackieren, weil sie verstehen, daß sie im Grunde auf derselben Seite kämpfen.
Die Orks wiederum wollen genau wie Thorin um jeden Preis verhindern, daß es den Elben gelingt, die Gefangenen zurück in ihren Machtbereich zu bringen. Aber natürlich nur, um sie ungestört umbringen zu können. Die Interessenlage ist hier also tatsächlich ungeheuer verstrickt.
In einem Punkt Deines Beanstandungskatalogs muß ich Dir allerdings vollkommen beipflichten: Für den über-agilen Drachen finde selbst ich keine befriedigende Entschuldigung. Was nützt aufwendigste CGI-Animation, wenn die gesamte Goldberg-Szene an eine Folge Tom & Jerry erinnert? Auch scheitert Cumberbatch gründlich am Versuch Smaugs tödlicher Macht einen erotischen Dandy-Anstrich einzuhauchen.
Aber wie schon gesagt: Das alles ist meiner Meinung nach überhaupt nicht weiter tragisch, wenn man Jacksons Arbeiten vom noblen Podest der Buchverfilmung herunter holt. Dann bleiben ein paar bunte Filme übrig, die sich mit einem meiner Lieblingsthemen beschäftigen. Niemand zwingt mich, die Streifen als geschlossene Werke zu betrachten. Ich sehe sie eher als furiosen Ideenfundus an. Einige der Visualisierungen kann ich mehr genießen, andere weniger. Aber selbst der Verriß meiner Lieblings-mißglückten Szenen entzückt mich noch so übermäßig, daß ich auf jeden Fall froh darüber bin, daß sich jemand die Mühe gemacht hat, sie zu drehen.