Die völlig verfehlte Trotter-Analogie hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß nicht alle hier unseren Gedankengängen folgen können, daher möchte ich diesen Aspekt etwas anschaulicher ausführen.
Es ist ziemlich sicher, daß der Tatyar-Dialekt des Quenya seine Rolle als Muttersprache der Exil-Noldor schon bald nach der Ankunft in Mittelerde verlor. In Tolkiens Denken standen die Gnomen dem Sindarin zu allen Zeiten ohnehin viel näher, als man glauben könnte. Die Situation ist hier aber zugegeben etwas verwirrend.
Das walisisch bzw. keltisch anmutende Idiom, das wir heute mit dem Grauelbischen verbinden, brachten ursprünglich die Noldor aus Valinor mit. Erst in einer späteren Phase der Konzeption fanden sie das heutige Sindarin als die Sprache der Grauelben in Mittelerde vor. Werkextern adoptierten die Eluwaith also die Sprache der Noldoli und wurden erst dadurch die Sindar. Werkintern war es umgekehrt. Ganz schön verrückt, was?
Technisch gesehen ist das Ergebnis in beiden Varianten dasselbe: Die Exil-Noldor nahmen das Sindarin als ihre Sprache an, während Quenya im Alltag bald keine Rolle mehr spielte.
Bereits im ersten Zeitalter der Sonne sprach der Großteil der Exilanten das Nord-Sindarin Hithlums. Nach dem Untergang Beleriands überlebte nur das Sindarin der Falathrim, das nun Eldarin-Karriëre machte und in einer sehr intellektuëllen (also vom Quenya beëinflußten) Form selbst in Calaquendi-Hochburgen wie Rivendell gesprochen wurde.
Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach Gildors Herkunft natürlich die alles entscheidende, wenn man seine Reaktion auf Frodos Eldarin-Outing begreifen möchte. Wurde Inglorion als Sohn Felagunds in Aman geboren, dürfte seine Muttersprache tatsächlich Ñoldorin-Quenya sein. Ist er aber der Sohn irgendeines Inglors aus dem dritten Haus der Noldor, der in Mittelerde aufwuchs, ist es nicht unwahrscheinlich, daß er in Sindarin sozialisiert wurde.
Daß Gildor einen Sindarin Namen trägt, würde letztere Annahme unterstützen und ist darüberhinaus der eher unspektakuläre Normalfall in der Überlieferung: Fingolfin, Finarfin, Turgon, Fingon, Orodreth... Gildor kann sich diesbezüglich keine bessere Gesellschaft wünschen.
So irritierend seine eigenen Angaben zu seiner Person sind, so ambivalent ist auch Gildors Verhältnis zum Hochelbischen. Während die ironische Warnung an seine Gefährten vor dem Eldarin-kundigen Hobbit darauf hindeutet, daß er soëben mit seinen Jungs auf Quenya getuschelt hat, dankt er Frodo am Ende eben nicht für die Wohltat, von einem Fremden in seiner eigenen elbischen Sprache begrüßt worden zu sein. Stattdessen bezeichnet er die Grußworte distanziert und ehrfürchtig als die alte Sprache, was sich wiederum wunderbar mit dem bereits hergeleiteten „Latein-Charakter“ des Hochelbischen verträgt.
Dankbar bin ich dem Fuchs trotz allem für das entzückende Briefzitat, in dem Tolkien seine literarische Leistung in ein köstlich britisches Understatement kleidet. Ich will auch gerne auflösen, was der Professor damit meint:
Aragorn irrte sich, als er Frodo Cerin Amroth als das „Herz des Elbentums“ in Mittelerde vorstellte. Das befindet sich nämlich in Wahrheit in der kleinen Szene bei Waldhof im Auënland.