Nur um nicht Gefahr zu laufen, daß wir aneinander vorbei reden: Mir ging es um die Ästhetik der Systematik, nicht um die Ästhetik der endorianischen Gefilde. Letztere können wir als Buchreisende in Mittelerde auch gar nicht sinnlich wahrnehmen. Es ist uns lediglich vergönnt, die beschriebenen Landschaften ideosynkratisch nachzubauën und vor unserem geistigen Auge erscheinen zu lassen.
Persönlich finde ich es reizvoller, den großen Konjunktiv, der diesen Thread beherrscht umzudrehen und nach Mittelirdischem in unserer Realität zu suchen.
Daß zum Beispiel Celebdil, Caradhras und Fanuidhol in den Alpen liegen, ist ja unter den Hoch-Nerds kein Geheimnis mehr. Zudem fand ich den steinigen Felsenaufgang zum Cirith Ungol auf den Kanarischen Inseln, Sindar-Märchenwälder an der Ardêche oder die Zwergenstädte Belegost und Nogrod, als ich im ICE an den mächtigen Kalibergen Osthessens vorbeifuhr.
Irgendwo habe ich dazu mal ein eigenes Thema aufgemacht.
Natürlich sieht man den Regionen Mittelerdes ihre historische Bedeutung nicht an. Diese wird uns immer durch die elbische bzw. númenorische Überlieferung vermittelt. Also gut möglich, daß man sich in den Glanduin-Auën großartige Geschichten über das Gerangel dunländischer Fürsten um die Macht in Enedwaith erzählt. Wir wissen es nicht.
Auffällig erscheint mir aber die Diskrepanz zwischen der vielfach belegten politischen Bedeutung Lindons im Zweiten Zeitalter und der Spärlichkeit der Informationen, die uns Tolkien zu diesem Staat zukommen läßt. Wir Leser nehmen das Land des letzten Hochkönigs der Noldor stillschweigend als anonymen Machtfaktor hin, der Gil-galad als politischen bzw. militärischen Player legitimiert.
Nun ja. Tolkiens Mut zur Lücke ist viel besungen. Er wäre sicherlich sehr zufrieden mit sich, wenn er von meiner Lindon-Faszination wüßte.