Im neuen Lager
Beide Beine ausgestreckt hatte Garwulf mit dem Rücken an einem flachen Stein gelehnt dagesessen. Nun, wo er sich nicht mehr bewegte, war die Müdigkeit ein wenig in seine Knochen gekrochen, hatte sich in ihm ausgebreitet und führte erbitterte Kämpfe mit seinem Pflichtbewusstsein.
Alles verläuft ruhig, nur einer der Gefährten schreckt plötzlich hoch. Sein kleines Kreischen durchbricht die Stille der Natur und lässt sofort Adrenalin in seine Adern schießen. Seine Brauen ziehen sich zusammen und er ist schon in der Aufstehbewegung, zu seiner Waffe greifend- als der Grund für den Schrei klar wird. Er bemerkt den wütenden Blick, den ein Elb dem Anderen zuwirft und auch die kleine Nala steht neben ihm mit geballten Fäusten. Dennoch belassen die beiden es bei einigen Worten. Garwulf entscheidet sich ebenfalls dazu, nichts zu sagen. Er will keinen Streit beginnen und dies im Gespräch mit gekränkten Elben zu versuchen ging nach seiner bisherigen Erfahrung meistens schief. Dennoch schickt er einen funkelnden Blick zu dem Albträumer rüber und beschließt, ihn ebenfalls im Auge zu behalten. Seine Art gefiel ihm nicht.
Das Mädchen fängt an, Tee zu kochen. Das freut den Rhovanier, ein warmes Getränk war etwas, zu dem er nur selten Nein sagte. Er hievt sich hoch und zieht ein kleines, sauberes Tontässchen hervor, welches er in den Tee taucht. Dann setzt er sich neben das Mädchen. Mit ihren zerzausten Haaren hatte sie etwas Wildes an sich.
Auf sich selbst angesprochen dreht Garwulf leicht den bis dahin zum Feuer gewannten Oberkörper in Nahalenas Richtung und schiebt sich die Ärmel hoch.
"Mhh, über mich?"
Er lacht leise und tief.
"Über mich gibt es nicht viel, was von Bedeutung ist."
Er streicht sich mit seiner schwieligen Hand durch den Bart.
"Ich habe mein ganzes Leben in einem Dorf unten beim großen Grünwald- oder Düsterwald, wie man ihn nennt- verbracht. Ist 'n einfaches Leben dort, einfach und ehrlich. Mein Vater war Holzfäller wie viele von meinem Stamm und so bin ichs auch geworden."
Der Rhovanier streckt die Beine zum Feuer und verschränkt die Arme.
"Nun ja, so kann man natürlich sein ganzes Leben verbringen, mit Holzfällen, vielleicht heiraten, ein oder zwei Plagen in die Welt bringen, die dann wieder Holz fällen. Könnte man. Wenn man nicht in Rhovanion lebt..."
Er nimmt einen Schluck Tee und verzieht die Lippen zu einem nicht ganz ehrlichen Lächeln.
"Unser Leben in unserem Dorf war immer recht schön...zurückgezogen. Aber dann hat sich irgendwas verändert. Langsam erst, so dass wir und unsere Nachbargemeinden es erst nicht merkten, dann schneller...Arbeiter kehrten nicht mehr nach Hause zurück. Kinder verschwanden plötzlich beim Spielen in den Wäldern...Gerüchte verbreiteten sich. Irgendwann war es so weit, dass sich niemand mehr ausser Sichtweite der letzten Lichter in den Wald traute. Einst waren wir vertraut mit jeder Ecke im Umkreis von 20 Meilen. Wir liebten die Natur um uns und beachteten sie mit Respekt und Fürsorge als Dank für alles was sie uns gab. Jetzt...jetzt fault alles. Wie ein Pesthauch hat sich ein Schatten ausgebreitet. Manche munkeln, ihr Ursprung liege bei den Hallen des Elbenkönigs, manche bei der alten Festung. Niemand hat es herausgefunden und eigentlich will es auch kaum jemand herausfinden. Wie auch immer, wir haben damit begonnen die Pässe zu bewachen, ebenso wie unser Land. Als die Zahl der Verschwundenen stieg, formierten sich verschiedene Gruppen, bestehend aus Männern, die dazu im Stande und gewillt war, für die Sicherung Rhovaniens zu Sorgen. Ich habe mich angeschlossen- zum Teil aus Abenteuerlust, zum Teil aus Notwendigkeit. Ersterer Teil hat sich im Laufe der Zeit immer wieder vermindert während Letzterer immer neuen Auftrieb gewinnt. Anfangs gelang es uns noch einigermaßen, unsere Pfade frei von Unrat zu halten. Jetzt...werden die Orks immer dreister. Angeblich wagen sich mittlerweile sogar Trolle in die Wälder und diese verfluchten Warge_",er spuckt abfällig aus-"sind überall."
Kurz schweigt der Rhovanier, fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Dann entspannen sich seine Gesichtszüge. "Nun, ihr seid nur eine Gruppe von vielen die leider nicht viel Nutzen von unseren Wachen hatte. Vielleicht kann ich das ja wettmachen.
Nun seid ihr an der Reihe, Nahalena...wie ist eure Geschichte?"
Der Bart teilt sich zu einem sachten Lächeln und Garwulf schaut seiner Zuhörerin gespannt in die Augen.