Im neuen Lager:
Nalas Neugier vertreibt die Müdigkeit und sie setzt sich ganz gerade auf, um Garwulfs Waffe besser sehen zu können. Die Klinge ist sehr beeindruckend, als er sie aus der Scheide zieht scheint sie einfach kein Ende zu nehmen, so lang ist sie. Dick und Breit an der Basis wird sie nach oben schmaler und hat nicht nur eine scharfe Seite, sondern beide Schneiden sind verheerend für den Gegner. Die vielen Kratzer und Scharten zeigen, dass dieses Schwert nicht jungfräulich vom Schmied kommt, sondern sich bereits in vielen Zweikämpfen Mann gegen Mann behauptet hat. Dennoch ist es sehr sauber und gepflegt, sein Besitzer muss sich gut darum kümmern. Im Feuerschein glänzt und schimmert das Metall und für einen Moment ist Nala versucht seine Waffe anzufassen. Ihre beiden kleinen Hände würden sicherlich lächerlich an dem mächtigen Heft aussehen und ihre Arme wären garantiert zu schwach es ein wenig anzuheben, geschweige denn es richtig zu schwingen. Ihr Bruder hat ihr schon mehrfach erklärt, dass eine Klinge regelmäßig gereinigt und mit einem speziellen Waffenöl eingerieben werden musste und sie deshalb nicht daran herumtatschen sollte. Zudem ist den meisten Kriegern ihr Schwert heilig, die Waffe wie ein treuer Freund auf den sie sich in brenzligen Situationen verlassen können und den sie anderen nicht gerne überlassen.
So beißt sie die Zähne zusammen und hält sich zurück Garwulfs Freundlichkeit nicht durch die unbedachte Tat eines ungestümen Kindes zu beleidigen. Vielleicht ergibt sich ja ein anderes Mal die Gelegenheit für sie seine Waffe anfassen zu dürfen, denn sicher sind auch andere neugierig auf dieses große Schwert. Waenhil als Schmied will die harte Klinge sicher gerne mal in seine Hände nehmen, um die Qualität zu prüfen.
Garwulf berichtet wie er an das Schwert gekommen ist und wer ihn damit unterrichtet hat. Es stellt sich als ein Erbstück seiner Familie heraus und nun ist sie doch froh, es nicht ungefragt berührt zu haben, sind doch sicherlich viele Erinnerungen damit verbunden. Nala findet es erfrischend, dass er ehrlich eingesteht nicht schon als perfekter Kämpfer geboren worden zu sein, sondern viele Jahre an Übung und Training erforderlich waren. Er erzählt auch kurz von Waldläufern, von denen Nala nur Geschichten kennt. Mysteriöse Gestalten die fast unsichtbar durch die Wälder streifen und um deren Fähigkeiten sich Legenden rankten. Sie will Garwulf später genauer dazu zu befragen, doch fairerweise stellt er ihr nun wieder eine Frage. Er wirkt müde, wie sie alle, erschöpft von der Reise, dem Kampf und der langen Kälte. Dennoch scheint er gewillt weiter mit ihr wach zu bleiben, wofür sie ihm sehr dankbar ist.
Sie wirft einen Blick um die Ecke, wo sich die Pferde eng zusammen gestellt haben, um ihre Körperwärme zu teilen. „Ich glaube nicht, dass diese Fähigkeiten einzigartig sind, jeder mit dem richtigen Willen und Ausdauer kann es erlernen, da bin ich überzeugt. Der Unterschied ist nur, dass wir die Tiere nicht als reine Werkzeuge ansehen, die schwere Lasten schleppen können, sondern als Vertraute und Gefährten.“ beginn sie zu sinnieren. „Jeder kann sich auf ein Pferd setzen wie auf einen Gasthausstuhl und wild an den Zügeln ziehen und wird sich damit halbwegs fortbewegen können. Doch um wirklich zu einer Einheit zu werden, die schneller, sicherer und furchtloser agieren kann, braucht es eben Zeit und vor allem Aufmerksamkeit. Ich…ich weiß nicht wie ich es am besten beschreibe.“ meint sie und überlegt kurz ob ihr ein Beispiel, ein Vergleich einfällt. „Meine Großmutter hatte mal jemanden zur Behandlung da, der beim Fällen eines Baumes verletzt wurde“ greift sie ein Thema auf, dass ihm sehr vertraut sein sollte. „Und die Dorfbewohner sagten, dieser junge Mann hätte den Baum nicht richtig ‚gelesen‘- ich habe das erst viel später begriffen. Das man eben nicht mit der Axt wild herumdreschen kann, bis er umfällt, sondern mehr dazu gehört damit der Baum richtig fällt und niemanden verletzt. Mit einem Pferd ist es ähnlich kompliziert, sie sind verdammt kräftig, so schwer wie 5 Männer und gleichzeitig neigt ihr Instinkt zur Flucht nicht zum Angriff. Doch wenn man diese wunderbaren Geschöpfe aufmerksam beobachtet, mit ihnen Zeit verbringt und sie verstehen lernt, kann diese Kraft gelenkt und genutzt werden. Dann braucht es nur eine kleine Verlagerung des Gewichtes oder ein sanfter Druck der Schenkel um zu signalisieren wohin die Reise gehen soll. Und es gibt nichts schöneres als sich tief über den Pferdehals zu beugen, den rauschenden Wind in seinem Haar und zu spüren, wie sich diese Muskeln unter einem strecken, während es über die Wiesen prescht“ meint sie schwärmerisch. „Könnt ihr denn reiten? Es muss ja ein stattliches Roß sein, dass euch tragen kann“ neckt sie ihn ob seiner Körpergröße.
Einer der kleinen Hügel nahe des Feuers, der in Wirklichkeit ein in seine Decke gewickelter Hobbit ist, beginnt sich zu regen und es kommt das verschlafene Gesicht von Fosco zum Vorschein. Er blickt sich verwundert um und scheint einen Moment nicht ganz zu wissen wo er ist. Nala hat ein schlechtes Gewissen, ihr angeregtes Gespräch hat ihn sicher geweckt. „Ja es ist noch etwas da, aber inzwischen sicher etwas bitter.“ Antwortet sie ihm auf seine Frage nach dem Tee. „Ich koche dir gerne frischen, wenn du möchtest. Aber die Nacht ist noch lange nicht vorbei, wenn du lieber schlafen als warten möchtest, kann ich das verstehen!“