Hallo Herr Stolzfuß,
ich verstehe Dein Problem noch nicht wirklich.
Das Buch Herr der Ringe, wie bis zu einem gewissen Grad auch die Verfilmung, lebt von der Tiefe, dass da in einer Geschichte eine Historie, gar ein Mythos, durchscheint. Im Buch wird dies besonders im zweiten Buch, zweiten Kapitel Der Rat von Elrond, in dem die Geschichte des Rings erzählt wird, deutlich. Dort wird ein Bogen über zwei Zeitalter oder viereinhalbtausend Jahre geschlagen. Aber auch an anderen Stellen wird immer wieder auf eine ferne Vergangenheit Bezug genommen.
Das macht die Lektüre von Tolkiens Werken immer wieder so ‚anregend‘. Man kann sich in sein eigenes Mittelerde versetzen. Die Filme bieten einem nur Bilder. Das mag für manchen ausreichend sein, mich als Leser befriedigt es jedoch nicht. Aber auch das ist wahrscheinlich eine Generationenfrage, immerhin lese ich Tolkien seit mehr als 40 Jahren.
Im Film sind es insbesondere der Prolog zum ersten Film, in dem die Stimme von Galadriel die Geschichte des Rings in wenigen Szenen zusammenfasst, wo diese Tiefe durchscheint. Das ist für mich einer der stärksten Momente im Film, „… aus Geschichte wurde Legend, aus Legende wurde Mythos …“ da finde ich die Interpretation von Peter Jackson einfach genial.
An anderen Stellen finde ich Jackson Umsetzung eben nicht so gut. Die Szene mit dem Heerlager der Rohirim ist so eine Stelle, die ich nicht mag. Im Buch kommen Aragorn, Legolas, Gimli und die graue Schar vor Theoden in Dunharrow an und haben es bereits wieder verlassen, als die Heerschau stattfindet. Der Abschied von Eowyn ist im Buch ein (mich) sehr bewegender Moment. Das kommt im Film so gar nicht rüber. Aber eben auch das Auftauchen von Elrond passt nicht mit dem Buch zusammen.
Aber das ist bis zu einem gewissen Grad Peter Jacksons Interpretation der Figur von Aragorn geschuldet. Während sich im Buch die Persönlichkeitsentwicklung von Estel zu Aragorn, Arathorns Sohn, Herr der Dunedain, Isildurs Erbe und Thronerbe von Gondor und Anor in den Anhängen (Anhang A – Analen der Könige und Herrscher – Ein Teil der Erzählung von Aragorn und Arwen [Der Herr der Ringe, illustrierte Ausgabe von 2016, Seiten 1168 ff.]) entwickelt, und dies über einen Zeitraum, der mehr als ein normales Menschenleben umfasst, findet diese Entwicklung im Film während der Reise der Gemeinschaft innerhalb weniger Wochen statt. Zu Beginn noch der zweifelnde Aragorn, der die Krone Gondors nicht will und an seiner Stärke zweifelt, über Lothlorien, wo er gegenüber Boromir andeutet, dass er nach Gondor gehen wird, bis zu der Szene in Dunharrow wo er nicht nur die Größe der Aufgabe begreift, sondern sie auch annimmt. Auch wenn ich dieses Vorgehen durchaus nachvollziehen kann, so führt es zu gewissen ‚Verwerfungen‘ in der Geschichte. Mit den von tolkiensjacksonkritiker aufgeworfenen Fragen.
Die Handlungen im Film mit Verweis auf die Angaben in den Büchern zu erklären, bleibt für jemanden, der sich nur mit dem Film auseinandersetzen will, zweifelsfrei noch unbefriedigender als mein Versuch, die Handlung aus dem Filmen selbst heraus nachvollziehbar zu erklären. Die scheint ja auch nicht verständlich genug zu sein. Vielleicht setze ich einfach zu viel Wissen um Mittelerde voraus.
Eriol