Wann hört man eigentlich auf, Kind zu sein?
Jedenfalls habe ich bis zu meinem zwölfeinhalbten Lebensjahr in der DDR gelebt, und ich war, seit ich die ersten Buchstaben gelernt habe, eine Leseratte.
Meine Eltern - Verweigerer des Kommunsimus - hatten bestimmt Schwierigkeiten, mir Bücher aus der DDR zu schenken, die nicht tendenziös ideologisch waren. Ich kann mich aber an drei Bände der Grimmschen Märchen erinnern, die ich heute noch habe.
Die habe ich rauf und runter gelesen. In der Schulbücherei habe ich mir mal russische Märchen ausgeliehen. Ich war ein Märchentyp, ganz ohne Frage.
Im Keller meiner Eltern waren jede Menge religiöser Bücher, auch für Kinder, UND "Nesthäkchen und der Erste Weltkrieg." Kannte ich auch fast auswendig. Die religiösen Kinderbücher las ich dann halt auch rauf und runter.
Komischerweise kriegte man in der DDR offenbar auch "Das Dschungelbuch", das mich tief tief beeindruckt hat. - Dieses Buch habe ich, bevor wir die DDR flüchtend verließen, noch schnell an mich gerafft und eingesteckt - nebst unserem Lieblings-Stoffbärchen, das ich noch rasch in eine Papiertüte gesteckt hatte.
Unterwegs im Zonenzug Richtung Westdeutschland gab mir eine westdeutsche Mitfahrerin Pearl S. Buck's "Ostwind-Westwind" zu lesen - mein erstes Westbuch. Das las ich in einem Rutsch durch, alles um mich her vergessend. Als ich durch war und es der netten Mitfahrerin zurückgeben wollte, sagte sie mir, ich könne es behalten.
Diese Geste hat mich platt gemacht, und ich dachte: Aha, das ist also der Westen. Man schenkt mir Bücher. Gutes Entree.
Kennt jemand das Buch? Es hat mich schwer aufgewühlt: diese verkrüppelten Füßchen des Mädchens aus China, die man mittels fester Bandagen künstlich am Wachsen hinderte, damit die Frauen bis ins hohe Alter in kleinen Schühchen "anmutig" trippeln könnten.
Im Westen dann angelangt, kannte ich all die Bücher nicht, die meine Mitschüler und neuen Freunde schon seit ihrer Kindheit kannten.
Ich hab das versucht nachzuholen, war aber eigentlich schon zu alt dafür: zum Beispiel die Karl-May-Bände.
In der DDR hatte ich auch noch die Rübezahl-Sagen gelesen, die lagen bei meiner Oma rum.