Also, dafür weiß ich jetzt auch keine Entschuldigung. Tolkien definiert, im besten Nazivokabular, was entartete Kunst ist. Ich hätte ihn für intelligenter gehalten.
Das fand ich jetzt schon sehr mitteilenswert, auch wenn es genaugenommen eigentlich nicht zum Thema "Rassismus" gehört.
Wer der fiktive Autor dieses betreffenden Textes aus den Anhängen ist, den ich zitiert habe, weiß ich natürlich auch nicht; solche Sachen weißt du in der Regel sehr viel besser als ich. Aber auf jeden Fall gibt es, auch für die Texte in den Anhängen, einen fiktiven Autoren, den Tolkien "nur zitiert" hat. Und ebenso natürlich sind die Dúnedain Kunstfiguren und nicht "Menschen wie du und ich".
Wobei das mit den "Kunstfiguren" natürlich so eine Sache ist, nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern überhaupt. Genaugenommen ist ja jede erfundene Figur in einer Geschichte eine Kunstfigur, auch diejenigen die vielleicht realistischer beschrieben sind als die Dúnedain. Aber wir reagieren nun einmal auf solche Kunstfiguren genau so wie wir auf reale Menschen reagieren von deren Tun wir erfahren, zumindest ist das die normale (also mehrheitliche) Reaktion. Wir beurteilen das Handeln von Figuren die uns in Büchern oder Filmen begegnen genauso wie das Verhalten real existierender Menschen, wir leiden mit ihnen mit, wir entrüsten uns über sie, wir lachen über sie, was auch immer. Und genau deshalb interessieren sich die Leser oder Zuschauer für eine Geschichte, vor allem dann wenn den Leuten in dieser Geschichte aufregendere Dinge passieren als sie im eigenen Leben der Leser oder Zuschauer vorkommen.
Und genau da liegt für mich das Problem, wenn es um Tolkien und Rassismus geht. Der Mann war ja nun unbestritten ein genialer Geschichtenerzähler, und seine Leser, zumindest in ihrer ganz großen Mehrheit, empfinden die Geschichten die seinen Figuren passieren durchaus nach als ob es dabei um die Geschichten wirklicher Menschen ginge. Natürlich wissen sie dass es um erfundene Figuren und Geschichten geht, aber an ihrer emotionalen Reaktion ändert das nun einmal nicht viel. Und, auch wichtig in diesem Zusammenhang: natürlich handeln viele dieser Geschichten von anderen Arten, von Elben, Zwergen, Hobbits, Orks und so weiter, aber spätestens seit den Verfilmungen in denen ja alle Arten zwangsläufig von Menschen dargestellt werden werden diese verschiedenen Arten ja doch eher so empfunden als ob es sich halt um verschiedene Völker innerhalb der gleichen Art handelt. Um so mehr gilt das natürlich für die Figuren die auch schon in der Geschichte Menschen sind, ganz gleich ob Nachfahren der Numenorer oder andere Menschen.
Es gibt dazu einen Filmtext, in "Rückkehr des Königs", als Gandalf nach dem ersten Besuch bei Denethor mit Pippin über die Geschichte Gondors spricht. Gandalf sagt da: "And so the people of Gondor fell into ruin. The line of kings failed. The White Tree withered. The rule of Gondor was given over to lesser men." Gandalf begründet den Niedergang Gondors also damit, dass "lesser men"/'"geringere Menschen" dort die Regierung übernommen haben. Ich weiß jetzt nicht, ob der Text exakt in dieser Form in den Büchern steht, aber sinngemäß tut er es. Die Annahme dass es Menschen von mehr oder geringerem Wert geben könnte ist also da. Und deshalb ist diese Äußerung für mich rassistisch.
Ich gehe übrigens davon aus dass Tolkien das nicht so gemeint hat wie es heute auf uns wirkt, schon allein deshalb nicht, weil er in einer Zeit mit ganz anderen Vorstellungen von solchen Dingen geschrieben hat. Aber heute ist diese Wirkung halt schon da.