Da stimme ich zu, diese Gefahr besteht. Obwohl das Endergebnis, wie auch Tolkiens Werk, so oder so stets verschieden interpretiert werden kann. Zum Beispiel könnte man für sich persönlich der Serie den Status „Adaption“ aberkennen, sollte das ‚Dazugeschriebene‘ das ‚Vorgegebene‘ dominieren, dann spielt es auch keine Rolle, ob man der Vorlage 1:1 entspricht. Es ist also auch eine perspektivische Frage der Verhältnismäßigkeit nicht nur der ‚Anpassungen‘, sondern auch der ‚Additionen‘.
Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass zumindest Christopher Tolkien sich mehr als einmal keinen-Schlaf-findend in seinem Bett umdrehte. Vielleicht sogar konkret in den Jahren 2001, 2002, 2003, 2012, 2013 und 2014. Was Tolkien Senior über die filmischen Umsetzungen seiner Werke denken würde, ist in vielen Foren gerade Mittelpunkt teils heftigster Diskussionen - ein schier unlösbares Streitthema. Einige Liebhaber der Peter Jackson Verfilmungen haben sich über die letzten zwanzig Jahre nicht nur an seine etlichen ‚Anpassungen‘ und auch ‚Additionen‘ gewöhnt, sondern diese sogar lieben gelernt und nutzen sie heute als quasi tolkien‘sches Schild (und auch Schwert), um anderen künstlerischen Interpretationen (bisher ohne einen wirklichen Kontext) die „Werktreue“ abzusprechen. Ein bärtiger Aragorn (oder Borormir, Faramir, Elendil, Isildur) wird hingenommen, doch eine nahezu bartlose Zwergin wird abgelehnt, weil Tolkien es ja laut einiger Stimmen anders beschrieben hat. Ein - meiner Meinung nach - sehr widersprüchlicher und eher nach einem Pretext-klingender Konservatismus.
Und ja, persönlich gibt es für mich „Grenzen“(„No-Gos“) bei einer Tolkien-Adaption. Wie Tolkien selbst, sollte man meiner Ansicht nach die Informationen über das Zweite Zeitalter als eine Art Fundament verstehen/nutzen und sich bezüglich der erfundenen Handlungen/“Lückenfüller“ von Tolkiens anderen Geschichten(E.Z., Z.Z. & D.Z.) so gut es geht inspirieren lassen.
Beispiel einer Anpassung, die ich persönlich akzeptabel fände; Anstatt die Entstehung der Beziehung zwischen Galadriel und Celeborn nur in einem flüchtigen Flashback des Ersten Zeitalters als unwürdige Randnotiz verkommen zu lassen, könnte ich mir vorstellen, Amdir und Amroth mit Celeborn als Herr von Lórinand zu ersetzen. In diesem Szenario würde Galadriel Celeborn erst im Zweiten Zeitalter in Mittelerde (richtig) kennenlernen und man könnte so ihre wachsende Beziehung ‚in Echtzeit‘ darstellen. Noch dazu wäre es eine Möglichkeit der Figur Celeborn eine wichtige erzählerische Funktion/Motivation (als Nandor-Elb, Herr von Lórinand) in der Serie zu geben, die er in der eigentlichen Vorlage nicht hat. In der Erzählung vom Waldelben Arondir und der sterblichen Heilerin Bronwyn könnte man sich dann nicht nur durch Tolkiens eigene Geschichten über die ‚verbotenen Beziehungen‘ zwischen Elben und Menschen inspirieren lassen, sondern auch zum Beispiel die tragische Geschichte von Amroth und Nimrodel aufgreifen.
Ein weiteres Beispiel mit dem ich leben könnte, wäre das Erwachen des „Balrogs von Morgoth“ im Zweiten Zeitalter. Ähnlich wie bei den Elben, könnte ein möglicher Handlungsstrang der Zwerge von Khazad-Dûm für die Autoren der Serie eine erzählerische Sackgasse/Herausforderung nach dem Verschließen der Türen von Durin darstellen. Wir wissen, dass Galadriel zu Beginn der Serie Jagd auf die verbliebenen Diener Morgoth‘ (und auch Saurons) machen wird, zu denen nunmal auch „Durins Fluch“ zählt. Somit könnte man annehmen, dass nicht nur „Wanderungen“(Teaser-Trailer), sondern auch in dem Zusammenhang das vertrieben-geglaubte Böse thematisch in der Serie immer wieder eine Rolle spielen wird. Mit dem Ausgraben des Balrogs von Moria durch zu gierig-gewordene Zwerge, könnte man ihren Handlungsstrang im Verlauf der Serie mit der daraus resultierenden Abwanderung über die Alte Waldstraße(„Men-i-Naugrim“ - Twitter-Karte) gen Osten und der folgenden Niederlassung Galadriels in Laurelindórenan ob der nahen Bedrohung im Nebelgebrige zu einem erzählerischen Ende bringen.
In diesen Fällen wäre eine allgemeine Thematik der Serie unter anderem die Suche nach dem Platz in dieser Welt und würde sowohl für die Harfüße, die Getreuen, die Zwerge, wohlmöglich auch für die Gwaithuirim und in gewisser Weise auch für die Elben(Bruchtal, Lothlórien), die sich dazu entschließen in Mittelerde zu bleiben, statt dem Ruf der Valar zu folgen(Für Tolkien eines der drei wichtigsten Themen der Erzählung des Z.Z.), zutreffen. In gewisser Weise würde man dem Beispiel Tolkiens entsprechen, der mit der Zeitlinie des Zweiten Zeitalters seine ‚Figuren auf dem Schachbrett‘ platzierte, um das ‚Spiel‘ dann in Der Herr der Ringe wirklich beginnen zu können.
Die Essenz Tolkiens ergibt sich (für mich persönlich) nicht nur aus endlosen Stammbäumen, Hintergrundgeschichten und sprechenden Namen, die uns teils wichtige Charakterinformationen offenbaren, sondern auch durch die vielen Rätsel, Mysterien und unbeantworteten Fragen. Die Ausnahmen, die die Regeln bestätigen. Der Versuch, auf jedes dieser Rätsel eine Antwort geben zu wollen, wäre meiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt bzw. würde es (für mich) dem „Geist“ Tolkiens sozusagen widersprechen. Eine (für mich) ideale Adaption würde durch eine gewisse „Grundform des Zweiten Zeitalters“ den nötigen Unterhaltungswert liefern und mit neuen Geschichten, die dennoch schlussendlich einen Bogen zur Haupthandlung schlagen oder dieser 'zuarbeiten', den fiktiv-historischen Charakter dieser Erzählung verdeutlichen.