Kann mir nicht vorstellen, dass sie dieses Drama-Potenzial links liegen lassen. Dennoch stellt sich natürlich die Frage, warum Pharazôn (bereits) einen Sohn hat.
Für einige ist die Zeitkompression in der Serie ein großer Kritikpunkt, auch weil sie dadurch fürchten, dass der langsame Verfall der númenorischen Gesellschaft, der wachsende Protektionismus, nicht deutlich genug dargestellt werden könnte.
Es war auch für mich schwer vorstellbar, aber so wie die Konstellation zwischen den beiden nun beschrieben wird, erscheint es mir noch schwerer vorstellbar, dass es dazu kommen könnte.
Ich kann die Bedenken hinsichtlich der Zeitkompression durchaus nachvollziehen, allerdings meine ich, dass es gerade die Zeitkompression ist, welche die Veränderungen in Númenor erfahrbar macht, quasi im Zeitraffer bzw. in einer sich zunehmend zuspitzenden Handlung. Tolkien lässt die gesellschaftliche Entwicklung auf Númenor von Tar-Palantir an nur in Verbindung mit neuen Herrschern einen weiteren Schritt hin zum späteren Untergang machen, manchmal passiert aber auch wenig bis nichts. Wie soll man das in einem Spielfilm darstellen? Ein Verzicht auf die Zeitkompression würde unweigerlich Zeitsprünge mit sich bringen und damit auch die Notwendigkeit erklären zu müssen, was in der Zwischenzeit passiert ist. Man würde sich damit eher einem dokumentarischen Format annähern.
Wir hatten ja hier auch bereits die Zeitkompression diskutiert und festgestellt, dass es immer wieder Konstellationen in den Chroniken gibt, die einander ähneln, bspw. die Konstellation Tar-Minastir/Tar-Ciryatan und die Konstellation Tar-Palantir/Tar-Míriel/Tar-Pharazôn und die jeweils damit verbundenen Geschehnisse. Mit der Zwangsheirat ist das ähnlich: Míriel würde das Schicksal ihrer Großmutter teilen und Pharazôn die Tat seines Großvaters wiederholen. Ich kann mir eine solche Wiederholung in einem Spielfilm einfach nicht vorstellen, allenfalls als Rückblende, und dann bliebe die Frage, welche Funktion dies eigentlich erfüllen soll? Also ist es entweder historischer Background, den zu wiederholen man sich hütet oder man nutzt die Tat ein Mal, um sie als außerordentliche Verwerflichkeit und als vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung darzustellen.
Aber selbstverständlich stellt sich grundsätzlich die Frage, welchen Einfluss die komprimierte Zeitlinie auf Handlung und Charaktere hat - und auf die Dinge, die vor Einsetzen der Handlung laut Chronik bereits geschehen sind. Was ist mit Aldarion und Erendis und dem Brief Gil-galads an Tar-Meneldur. Ist das historischer Background oder kommt es zu einer noch größeren Überblendung von Geschehnissen und Charakteren, als wir ohnehin schon dachten?
Waren die Unsterblichkeit der Elben, aber insbesondere ihre unzähligen, persönlichen Verluste über die Jahrhunderte nicht bereits das große Thema des Ersten Zeitalters? Ich glaube, dass man die Unsterblichkeit der Elben und die Sterblichkeit der Númenorer gemeinsam denken muss, daraus ergibt sich meines Erachtens ein zentrales Thema des Zweiten Zeitalters - und viele Anknüpfungspunkte für die Handlung. Insbesondere auch im Hinblick auf die Herrschaftsansprüche in Mittelerde. Aber auch hinsichtlich der Ausformung der Charaktere. Die Personifizierungen unterschiedlicher Ansätze von Sterblichkeit/Unsterblichkeit, wie du sie vornimmst, finde ich hochinteressant. Nun frage ich mich aber, welche Rolle Elendils Tochter in dieser Konstellation zukommen wird?
Nee, die beiden hatten eine ziemlich moderne Beziehung. Waren auch mal ein paar Jahrhunderte getrennt, ohne dass es wegen solcher Kleinigkeiten gleich zur Trennung kam.
Ich weiß, das ist eines deiner Lieblingsthemen Und ich finde auch, es ist noch nicht absehbar, wie sich die Geschichte entwickeln wird. Insbesondere auch in Hinblick auf die veränderte Zeitlinie und den unvollendeten Textkorpus, den Tolkien hinterlassen hat. Das ist aber auch das Spannende an der jetzigen Situation. Man hat unglaublich viele Fragen an die Serie und wenn man dann ein paar Häppchen Informationen serviert bekommt und sich auf Antworten freut, stellt man fest, dass es anschließend noch mehr Fragen gibt als vorher.