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Tolkiens unbekannte Gedichte


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Geschrieben (bearbeitet)

Heute gibt es wieder schwere, geschichtsträchtige Kost: Das Gedicht "King Sheave" aus Tolkiens unfertiger Zeitreisegeschichte "The Lost Road". Diese Zeitreisegeschichte - veröffentlicht im gleichnamigen Band der History of Middle-earth - ist der Samen, aus dem später Númenor und die Geschichten des Zweiten Zeitalters hervorgingen. Dort erzählt Ælfwine der Seefahrer vom sagenhaften König Sceaf bzw. Sheaf (der Name bedeutet auf deutsch soviel wie "Garbe", ein Bündel Korn). Sceaf herrschte einer angelsächsischen Überlieferung nach als Stammvater über die Langobarden, und mit ihm ist eine Legende verbunden, die Tolkien in sein Werk übernehmen wollte. Er wird Sceaf wohl im Beowulf-Epos zum ersten Mal begegnet sein, denn auch dort findet er Erwähnung.

Interessant ist die Erwähnung von Myrcwudu am Ende des Gedichts; Mirkwood / Düsterwald ist ja jedem Mittelerde-Kenner ein Begriff. Außerdem werden die Langobardenkönige Ælfwine und Eadwine erwähnt, besser bekannt als Alboin und sein Vater Audoin, zwei wichtige Langobardenkönige in Italien, die in Tolkiens Lost Road eine gewisse Rolle spielen.

 

Ælfwine erzählt in The Lost Road davon (ich gebe hier die Prosafassung wieder, die im Gegensatz zum Gedicht vollständig ist), wie einst der weite Ozean aus dem Westen ein Schiff an die Küste der nördlichen Inseln spülte, wo die Langobarden lebten. In der Abenddämmerung kamen verwundert Menschen an den Strand und schauten hinein: Ein schlafender Junge lag darin, wunderschön, dunkelhaarig, hellhäutig, in Gold gekleidet. Auch das Innere des Schiffs war mit Gold ausgekleidet, ein goldenes Gefäß mit klarem Wasser gefüllt stand an der Seite des Jungen, zu seiner Rechten lag eine Harfe, und sein Haupt ruhte auf einer Garbe aus Korn, das wie Gold glänzte. Die Menschen wussten nicht, was sie sahen, zogen das Schiff auf den Strand und trugen den schlafenden Jungen in eine hölzerne Halle. Dann stellten sie Wachen vor das Tor.

Am Morgen jedoch war die Halle leer. Doch sahen sie den Jungen plötzlich auf einem hohen Felsen stehen, mit der Korngarbe in seinem Arm. Als die aufgehende Sonne niederstrahlte sang er in einer fremden Sprache, und alle wurden von Ehrfurcht erfüllt. Denn sie hatten nie Gesang gehört, noch je solche Schönheit gesehen. Sie waren ohne König und ohne Führung, deshalb nahmen sie den Jungen zu ihrem König und nannten ihn Sheaf, Garbe; und so erinnert man sich an ihn in den Liedern. Sein wahrer Name war ihnen jedoch verborgen und ist vergessen. Doch lehrte er sie viele neue Worte, und ihre Sprache wurde reicher. Lieder und Dichtkunst brachte er ihnen bei, Runen, Ackerbau und Landwirtschaft und viele andere Dinge. Die dunklen Wälder zogen sich zurück, Überfluss herrschte, das Korn gedieh, und die Holzhäuser der Menschen wurden mit Gold und geschichtendurchwebten Wandbehängen erfüllt. Sheafs Ruhm verbreitete sich über alle Inseln des Nordens, er hatte viele Kinder, und man sagt, dass aus ihnen die Könige der Menschen des Nordens abstammen, die Geschlechter der Dänen, Goten, Schweden, Normannen, Franken, Friesen, Schwertmänner, Sachsen, Schwaben, Engländer und die Langobarden. Zu seiner Zeit herrschte Frieden im Norden und die Schiffe fuhren unbewaffnet umher, mit reichen Schätzen und Handelsgütern beladen. Ein Mann hätte einen goldenen Ring auf die Straße werfen können, und er wäre dort liegen geblieben, bis er ihn wieder aufgehoben hätte.

In den Liedern wurden diese Tage die Goldenen Jahre genannt, als die große Mühle im Inselheiligtum des Nordens noch bewacht wurde; sie brachte goldenes Korn, und es gab keinen Mangel in allen Reichen.

Doch nach vielen Jahren rief Sheaf seine Freunde und Ratgeber zu sich und teilte ihnen mit, dass er von dannen ziehen würde. Denn der Schatten des Alters war (aus dem Osten) auf ihn gefallen, und er würde zurückkehren woher er gekommen war. Große Trauer herrschte, doch Sheaf legte sich nieder in seinem goldenen Bett und fiel in einen tiefen Schlummer; und man legte ihn nach seinen Anweisungen in ein Schiff, neben den großen Mast mit goldenen Segeln. Schätze von Gold und Edelsteinen und andere kostbare Dinge legte man ihm zur Seite, sein goldenes Banner wehte über seinem Haupt. So wurde er reicher ausgestattet als er einst zu ihnen gekommen war. Und sie übergaben sein Schiff dem Meer, und das Meer nahm ihn zu sich, und das Schiff trug ihn steuerlos weit fort in den äußersten Westen, jenseits der Sicht und Gedanken der Menschen. Niemand weiß, wer ihn empfing oder in welchem Hafen seine Reise endete, doch manche sagen, er hätte den Geraden Weg gefunden...

 

An diese Prosafassung schließt das Gedicht an. Es ist im Stabreim gehalten, doch sehr gut lesbar. Leider ist das Gedicht unvollendet, und an einigen Stellen weicht es naturgemäß von der Prosafasung ab. Dennoch ist es sehr schön zu lesen, und man bekommt einen lebendigen Eindruck von der Geschichte. Viel Spaß damit!

 

KING SHEAVE

 

In days of yore out of deep Ocean

to the Longobards, in the land dwelling

that of old they held amid the isles of the North,

a ship came sailing, shining-timbered

without oar and mast, eastward floating.

The sun behind it sinking westward

with flame kindled the fallow water.

Wind was wakened.     Over the world’s margin

clouds greyhelméd climbed slowly up

wings unfolding wide and looming,

as mighty eagles moving onward

to eastern Earth omen bearing.

Men there marvelled, in the mist standing

of the dark islands in the deeps of time:

laughter they knew not, light nor wisdom;

shadow was upon them, and sheer mountains

stalked behind them stern and lifeless,

evilhaunted.     The East was dark.

 

The ship came shining to the shore driven

and strode upon the strand, till its stem rested

on sand and shingle.     The sun went down.

The clouds overcame the cold heavens.

In fear and wonder to the fallow water

sadhearted men swiftly hastened

to the broken beaches the boat seeking,

gleaming-timbered in the grey twilight.

They looked within, and there laid sleeping

a boy they saw breathing softly:

his face was fair, his form lovely,

his limbs were white, his locks raven

golden-braided.     Gilt and carven

with wondrous work was the wood about him.

In golden vessel gleaming water

stood beside him; strung with silver

a harp of gold neath his hand rested;

his sleeping head was soft pillowed

on a sheaf of corn shimmering palely

as the fallow gold doth from far countries

west of Angol.     Wonder filled them.

 

The boat they hauled and on the beach moored it

high above the breakers; then with hands lifted

from the bosom its burden. The boy slumbered.

On his bed they bore him to their bleak dwellings

darkwalled and drear in a dim region

between waste and sea.     There of wood builded

high above the houses was a hall standing

forlorn and empty.     Long had it stood so,

no noise knowing, night nor morning,

no light seeing.     They laid him there,

under lock left him lonely sleeping

in the hollow darkness.     They held the doors.

Night wore away.     New awakened

as ever on earth early morning;

day came dimly.     Doors were opened.

Men strode within, then amazed halted;

fear and wonder filled the watchmen.

The house was bare, hall deserted;

no form found they on the floor lying,

but by bed forsaken the bright vessel

dry and empty in the dust standing.

 

The guest was gone.     Grief o’ercame them.

In sorrow they sought him, till the sun rising

over the hills of heaven to the homes of men

light came bearing.     They looked upward

and high upon a hill hoar and treeless

the guest beheld they: gold was shining

in his hair, in hand the harp he bore;

at his feet they saw the fallow-golden

cornsheaf lying.     Then clear his voice

a song began, sweet, unearthly,

words in music woven strangely,

in tongue unknown.     Trees stood silent

and men unmoving marvelling hearkened.

 

Middle-earth had known for many ages

neither song nor singer; no sight so fair

had eyes of mortal, since the earth was young,

seen when waking in that sad country

long forsaken.     No lord they had,

no king nor counsel, but the cold terror

that dwelt in the desert, the dark shadow

that haunted the hills and the hoar forest.

Dread was their master.     Dark and silent,

long years forlorn, lonely waited

the hall of kings, house forsaken

without fire or food.

 

                                 Forth men hastened

from their dim houses.     Doors were opened
and gates unbarred.     Gladness wakened.
To the hill they thronged, and their heads lifting
on the guest they gazed.     Greybearded men
bowed before him and blessed his coming
their years to heal; youths and maidens,
wives and children welcome gave him.
His song was ended.     Silent standing
he looked upon them.     Lord they called him;
king they made him, crowned with golden
wheaten garland, white his raiment,
his harp his sceptre.     In his house was fire,
food and wisdom; there fear came not.
To manhood he grew, might and wisdom.

 

Sheave they called him, whom the ship brought them,

a name renowned in the North countries

ever since in song.     For a secret hidden

his true name was, in tongue unknown

of far countries where the falling seas

wash western shores beyond the ways of men

since the world worsened.     The word is forgotten

and the name perished.

 

              Their need he healed,

and laws renewed long forsaken.

Words he taught them wise and lovely –

their tongue ripened in the time of Sheave

to song and music.     Secrets he opened

runes revealing.     Riches he gave them,

reward of labour, wealth and comfort

from the earth calling, acres ploughing,

sowing in season seed of plenty,

hoarding in garner golden harvest

for the help of men.     The hoar forests

in his days drew back to the dark mountains;

the shadow receded, and shining corn,

white ears of wheat, whispered in the breezes

where waste had been.     The woods trembled.

 

Halls and houses hewn of timber,

strong towers of stone steep and lofty,

golden-gabled, in his guarded city

they raised and roofed.     In his royal dwelling

of wood well-carven the walls were wrought;

fair-hued figures filled with silver,

gold and scarlet, gleaming hung there,

stories boding of strange countries,

were one wise in wit the woven legends

to thread with thought.     At his throne men found

counsel and comfort and care’s healing,

justice in judgement.     Generous-handed

his gifts he gave.     Glory was uplifted.

Far sprang his fame over fallow water,

through Northern lands the renown echoed

of the shining king, Sheave the mighty.

 

Seven sons he begat, sires of princes,

men great in mind, mighty-handed

and high-hearted.     From his house cometh

the seeds of kings, as songs tell us,

fathers of the fathers, who before the change

in the Elder Years the earth governed,

Northern kingdoms named and founded,

shields of their peoples: Sheave begat them:

Sea-danes and Goths, Swedes and Northmen,

Franks and Frisians, folk of the islands,

Swordmen and Saxons, Swabes and English,

and the Langobards who long ago

beyond Myrcwudu a mighty realm

and wealth won them in the Welsh countries

where Ælfwine Eadwine’s heir

in Italy was king.     All that has passed.

 

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben

Geiler Scheiß, Alter!
Wie immer nur das krasseste Zeug aus den Vaults gepuhlt, Mann! Hudab Digger! Kannst jederzeit bei mir nach´m Slam aftern mit dem tighten Stoff! 

Geschrieben (bearbeitet)

Nachdem das letzte Gedicht so gut angekommen ist, gibts heute zur Belohnung etwas mit Drachen. Und Zwergen. Und Elben. Und Gold. Insofern auch eins meiner liebsten Gedichte von Tolkien: "The Hoard". Es ist Teil des Sammelbandes "The Adventures of Tom Bombadil", der auch ins Deutsche übersetzt worden ist, deshalb werden es sicher viele bereits kennen. Für Pauline Baynes, die den Band einst illustriert hat, war es ihr Favorit unter den zahlreichen lesenswerten Gedichten. Und das, obwohl dieses Gedicht vom Rhythmus her nicht sonderlich flüssig von den Lippen geht (zumindest im englischen Original).

Inspiriert wurde Tolkien zu diesem Gedicht (wieder einmal) vom Beowulf, der eine Zeile enthält, die folgendermaßen lautet: iúmonna gold galdre bewunden (the gold of men of long ago enmeshed in enchantment / das Gold der Menschen aus alter Zeit verstrickt in Verzauberung), welches auch der ursprüngliche Titel von Tolkiens Gedicht war. 1922 geschrieben und 1923 erstmals im Gryphon veröffentlicht, wurde es stark überarbeitet, bevor es schließlich 1962 als "The Hoard" in die Bombadil-Sammlung aufgenommen wurde. Die ursprüngliche Fassung wurde neuerdings im "Annotated Hobbit / Großen Hobbit-Buch" neu veröffentlicht.

Inhaltlich geht es um einen Goldschatz, der über die Zeiten verschiedene Besitzer findet und diese sehr nachteilig beeinflusst. Tom Shippey hat in einem seiner Artikel auf die Parallele zwischen diesem Gedicht und der "Drachenkrankheit" im "Hobbit" hingewiesen, dank der Filme ein sehr aktuelles Diskussionsthema.

 

Ich werde nicht nur das vollständige Gedicht wiedergeben, sondern auch die ursprüngliche Fassung der Einleitungsstrophe und der Schlussstrophe. Die Veränderungen sind nämlich äußerst interessant, besonders der ursprüngliche Schluss gefällt mir persönlich sehr viel besser als der überarbeitete.

Auch die deutsche Übersetzung habe ich zur Hand, wobei diese seltsamerweise etliche Zeilen länger ist als das englische Original...

 

THE HOARD

 

When the moon was new and the sun young          There were elves olden and strong spells
of silver and gold the gods sung:                              Under green hills in hollow dells
in the green grass they silver spilled,                       They sang o’er the gold they wrought with mirth,
and the white waters they with gold filled.               In the deeps of time in the young earth,
Ere the pit was dug or Hell yawned,                         Ere Hell was digged, ere the dragons’ brood
ere dwarf was bred or dragon spawned,                 Or the dwarves were spawned in dungeons rude;
there were Elves of old, and strong spells                And men there were in a few lands
under green hills in hollow dells                              That caught some cunning of their mouths and hands.
they sang as they wrought many fair things,          Yet their doom came and their songs failed.
and the bright crowns of the Elf-kings.                    And greed that made them not to its holes haled
But their doom fell, and their song waned,             Their gems and gold and their loveliness,
by iron hewn and by steel chained.                         And the shadows fell on Elfinesse.
Greed that sang not, nor with mouth smiled,
in dark holes their wealth piled,
graven silver and carven gold:
over Elvenhome the shadow rolled.

 

There was an old dwarf in a dark cave,
to silver and gold his fingers clave;
with hammer and tongs and anvil-stone
he worked his hands to the hard bone,
and coins he made, and strings of rings,
and thought to buy the power of kings.
But his eyes grew dim and his ears dull
and the skin yellow on his old skull;
through his bony claw with a pale sheen
the stony jewels slipped unseen.
No feet he heard, though the earth quaked,
when the young dragon his thirst slaked,
and the stream smoked at his dark door.
The flames hissed on the dank floor,

and he died alone in the red fire;
his bones were ashes in the hot mire.

 

There was an old dragon under grey stone;

his red eyes blinked as he lay alone.

His joy was dead and his youth spent,

he was knobbed and wrinkled, and his limbs bent

in the long years to his gold chained;

in his heart’s furnace the fire waned.

To his belly’s slime gems stuck thick,

silver and gold he would snuff and lick:

he knew the place of the least ring

beneath the shadow of his black wing.

Of thieves he thought on his hard bed,

and dreamed that on their flesh he fed,

their bones crushed, and their blood drank:

his ears drooped and his breath sank.

 

Mail-rings rang. He heard them not.

A voice echoed in his deep grot:

a young warrior with a bright sword

called him forth to defend his hoard.

His teeth were knives, and of horn his hide,

but iron tore him, and his flame died.

 

There was an old king on a high throne:

his white beard lay on knees of bone;

his mouth savoured neither meat nor drink,

nor his ears song; he could only think

of his huge chest with carven lid

where pale gems and gold lay hid

in secret treasury in the dark ground;

its strong doors were iron-bound.

 

The swords of his thanes were dull with rust,

his glory fallen, his rule unjust,

his halls hollow, and his bowers cold,

but king he was of elvish gold.

He heard not the horns in the mountain-pass,

he smelt not the blood on the trodden grass,

but his halls were burned, his kingdom lost;

in a cold pit his bones were tossed.

 

There is an old hoard in a dark rock,                          There is an old hoard in a dark rock
forgotten behind doors none can unlock;                   Forgotten behind doors none can unlock.
that grim gate no man can pass.                                The keys are lost and the path gone.
On the mound grows the green grass;                       The mound unheeded that the grass grows on:
there sheep feed and the larks soar,                          The sheep crop it and the larks rise
and the wind blows from the sea-shore.                    From its green mantle, and no man’s eyes
The old hoard the Night shall keep,                           Shall find its secret, till those return
while earth waits and the Elves sleep.                       Who wrought the treasure, till again burn

                                                                                      The lights of Faëry, and the woods shake,

                                                                                      And songs long silent once more awake.

 

 

 

ÜBERSETZUNG:

 

 

DER HORT

 

Die Sonne war jung und neu der Mond,

von Göttern Himmel und Erde bewohnt.

Die Götter waren der Erde hold

und sangen und schenkten ihr Silber und Gold,

Silber sprühten sie über die Wiesen,

ließen die Bäche von Gold überfließen.

So war es, eh' unter grünem Plan

Grube und Abgrund sich aufgetan.

Eh' Zwerg oder Drache ins Dasein trat,

wandelten Elben auf lichtem Pfad,

beherrschten Lande und blaue Lagunen

und Meere mit guten Zauberrunen,

schufen auch viele köstliche Dinge,

Elbenkronen und Herrscherringe.

Doch kam ein Tag: Ihre Zeit war um,

die Lieder verdorrten, die Welt ward stumm,

erobert vom Eisen, vom Stahl geknechtet,

die Freude erschlagen und entrechtet.

Gier hielt Einzug und herrschte hinfort,

die kein Ding schuf, nur häufte zum Hort;

die nichts verschenkte, nur nahm und nahm,

bis der Schatten fiel und Finsternis kam.

 

In düsterer Höhle ein uralter Zwerg

saß und bewachte den Schatz im Berg.

Er dachte nur mehr an Silber und Gold,

dass er immer und ohne Maß gewollt.

Am Amboss hatte er Tag und Nacht

Münzen geschlagen und Ringe gemacht,

zur Zierde nicht, sondern nur für's Versteck;

er häufte sie dort für den großen Zweck:

Kaufen wollte er Krone und Macht –

bis er sich fast um alles gebracht,

denn er grub mit Händen und Fingern danach,

bis die Hand verdorrte, der Finger brach.

Sein Blick wurde matt, er hörte nicht mehr,

seine Haut wurde rissig, sein Hirn wurde leer,

seinen fühllosen Fingern entglitten Juwelen,

ungezählte, beim täglichen Zählen.

Weder rasselnde Tritte noch Dröhnen vernahm

er, als der junge Drache kam,

seinen Durst zu löschen am sprudelnden Quell.

Dessen Wasser aber verdampfte schnell,

Flammen beleckten den feuchten Grund,

der Zwerg verkohlte vorm Drachenschlund,

zerfiel zu Asche, verdarb allein,

bedeckt von Schutt und bröckelndem Stein.

 

Im Berg ein uralter Drache lag

in finsterer Höhle Nacht wie Tag.

Sein Auge blinzelte trüb und rot,

Jugend und Freude waren tot.

Verhornt und verknöchert liebte er doch

den Hort, den heimlichen, immer noch,

und bewachte wie eh und je sein Hab

und Gut – und sein Feuer nahm ab und ab.

Am schleimigen Bauch klebte Edelstein

an Edelstein – und sie waren sein

wie Silber und Gold, das er beroch

und täglich beschnupperte noch und noch!

Er wusste, wo selbst der simpelste Ring

unter der schwarzen Schwinge hing,

und grübelte stets über Räuber und Diebe,

die er schlagen wollte mit einem Hiebe,

träumte auf seinem harten Bett

von lebendigem Fleisch und triefendem Fett,

von zermalmten Knochen, blutigem Trank.

Sein Ohr erschlaffte, sein Atem sank ...

Waffen klirrten! Er hörte es nicht.

Eine Stimme rief wie zum Gericht,

und ein junger Krieger trat bewehrt

vor den Uralten hin mit langem Schwert.

Des Drachen Zähne, noch messerscharf,

nützten ihm nichts: Der Krieger warf

seinen Speer nach ihm, und das Schwert durchhieb

seinen Rumpf. Er starb. Und das Eisen blieb.

 

Ein uralter König saß auf dem Thron,

schneeweiß wallte der Bart ihm schon

bis über die Knie; er schmeckte nicht mehr

weder Speise noch Trank, er atmete schwer,

taub war sein Ohr; bei Tag und Nacht

hatte er nur des einen gedacht,

seiner Eichentruhe, der reich geschnitzten,

von Eisenbeschlägen trefflich geschützten:

Sein Gold und Silber lag drin verwahrt,

mit Blut erkauft, unter Opfern gespart.

Doch die Waffen der Wächter wurden stumpf,

von Rost zerfressen, ihr Klang ward dumpf,

und Unrecht nahm überall im Land

nur zu und zu und überhand.

Die Hallen leer, die Säle kalt

aber das Gold war in seiner Gewalt!

 

Er hörte nicht den Hörnerklang,

der vom Bergpass zu ihm herunterdrang,

roch nicht das oben vergossene Blut

im zertrampelten Gras in der Mittagsglut ...

Seine Hallen stürzten, das Königtum

ging kampflos unter und ohne Ruhm.

In die Tiefe warf man, achtlos zerbrochen,

sein mürbes Gebein zu anderen Knochen.

 

Liegt ein Schatz unter eisengrauem Basalt,

vergessen längst und ur‑uralt

hinter Tür und Tor, und niemand weiß,

wie man sie öffnet, auf wessen Geheiß.

Seltsam, über dem alten Gelass

weiden Schafe das grüne Gras,

Lerchen steigen und Winde wehn,

Nacht verhüllt, was vorzeiten geschehn,

finsteres Unrecht und schwere Strafen.

Die Erde wartet, die Elben schlafen.

 

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben

Übrigens gibt es eine Aufnahme, in der Tolkien höchstselbst das Gedicht "The Hoard" rezitiert - und glücklicherweise ist sie auf YouTube zu finden. Viel Spaß damit:

 

Geschrieben

Vielen Dank für das schöne Gedicht. Es ist immer wieder eine große Freude in diesem Thread vorbeizuschauen. :-)

Tolkiens Interpretation gefällt mir. Er hat eine gute Stimme.

Geschrieben

Es freut mich sehr, dass nach wie vor noch der ein oder andere hier hereinschaut und sich an den Gedichten erfreut. :-) 

 

Mir gefällt Tolkiens Stimme auch sehr. Er war unter seinen Studenten geradezu berühmt dafür. Seine Beowulf-Vorlesungen waren legendär, weil er den Beowulf vortragen konnte wie ein angelsächsischer Barde und man sich dort, laut einigen Studenten, gefühlt hat wie in einer mittelalterlichen Methalle.

 

Es gibt eine ganze Menge Aufnahmen von Tolkien. Als man ihm ein Aufnahmegerät schenkte war er zuerst skeptisch, doch nachdem er dreimal das Vaterunser auf Gotisch darüber gesprochen hatte (!) waren die bösen Geister offenbar vertrieben und er fand großen Gefallen daran. Besonders aus dem "Herrn der Ringe" hat er vieles aufgenommen und einige Gedichte sogar gesungen. Die Aufnahmen wurden in der (preislich sehr günstigen) "Tolkien Audio Collection" veröffentlicht, die darüber hinaus auch Passagen aus dem "Silmarillion" enthält, die von Christopher Tolkien gelesen werden.

Geschrieben

Es gibt eine ganze Menge Aufnahmen von Tolkien. Als man ihm ein Aufnahmegerät schenkte war er zuerst skeptisch, doch nachdem er dreimal das Vaterunser auf Gotisch darüber gesprochen hatte (!) waren die bösen Geister offenbar vertrieben und er fand großen Gefallen daran. Besonders aus dem "Herrn der Ringe" hat er vieles aufgenommen und einige Gedichte sogar gesungen. Die Aufnahmen wurden in der (preislich sehr günstigen) "Tolkien Audio Collection" veröffentlicht, die darüber hinaus auch Passagen aus dem "Silmarillion" enthält, die von Christopher Tolkien gelesen werden.

 

Das klingt gut. Nach der Collection muss ich mal Ausschau halten. Gibt es das Vaterunser auf Gotisch auch von ihm zu hören?

Geschrieben (bearbeitet)

Ja die lohnt sich wirklich, auf Amazon meist für etwa 15 Euro zu kriegen: http://www.amazon.de/Tolkien-Audio-Collection-J-R/dp/0007147015. Viele Aufnahmen sind aber auch auf YouTube zu finden.

 

Hihi, das wär toll gewesen, aber leider hat er das gotische Vaterunser nicht aufgenommen. CD 1 besteht aus "Hobbit" und "Fellowship" Aufnahmen, CD 2 aus "Two Towers", "Return of the King" und noch ein paar "Fellowship" Aufnahmen (das meiste sind Gedichte, einige Sachen aber auch Prosa) und schließt mit sechs Gedichten aus den "Adventures of Tom Bombadil". Auf CD 3 und 4 liest Christopher dann aus dem "Silmarillion", unter anderem "Beren and Lúthien".

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben

 Auf CD 3 und 4 liest Christopher dann aus dem "Silmarillion", unter anderem "Beren and Lúthien".

 

Oh wunderbar, eine meiner Lieblingsgeschichten, vom Schöpfer selbst gelesen. :-) .

Geschrieben

Ja, auch eine meiner liebsten Geschichten. Hm, vielleicht sollte ich als nächstes hier im Thread mal ein paar Ausschnitte aus dem "Lay of Leithian" vorstellen...

Geschrieben

Ja, auch eine meiner liebsten Geschichten. Hm, vielleicht sollte ich als nächstes hier im Thread mal ein paar Ausschnitte aus dem "Lay of Leithian" vorstellen...

 

Eine wirklich gute Idee :-)

Geschrieben (bearbeitet)

Na, dann wollen wir mal: Das "Lay of Leithian". Jeder Leser des "Herrn der Ringe" kennt das Gedicht, das Aragorn an der Wetterspitze singt: Es umschreibt die Begegnung des Menschen Beren mit der Elbin Lúthien und den Beginn ihrer bedingungslosen Liebe füreinander, die sich schließlich an einer übermenschlichen Aufgabe beweisen muss. Eine Geschichte, die das Herzstück des "Silmarillion" bildet, die zweitlängste Geschichte des Ersten Zeitalters.

Unzählige Versionen dieser Erzählung wurden in der "History of Middle-earth" veröffentlicht, doch keine einzige Prosaversion kommt in ihrem Umfang, ihrer Lebendigkeit, ihrer Detailfülle an das "Lay of Leithian" heran, ein mehr als 4200 Zeilen umfassendes Heldenlied, das Tolkien 1925 begonnen und über sechs Jahre hinweg fortgeschrieben und überarbeitet hat. Wie so viele seiner poetischen Werke bricht auch dieses völlig abrupt ab, genau an der Stelle, als Carcharoth Beren die Hand abbeißt.

Um 1949/50 herum, nach der Fertigstellung des "Herrn der Ringe", wandte sich Tolkien dem "Lay of Leithian" erneut zu und begann, es von Beginn an tiefgreifend zu überarbeiten - faktisch schrieb er ein völlig neues, stark erweitertes Gedicht auf Grundlage des alten Werks. Auch diese Überarbeitung beendete er nicht, mitten in der Begegnung zwischen Beren und Lúthien gab Tolkien das Werk endgültig auf.

 

Berühmt geworden sind zwei Kritiken über das "Lay of Leithian": Tolkien überließ 1929 seinem Freund C.S. Lewis das unfertige Werk. Dieser war maßlos begeistert und sagte: "I can quite honestly say that it is ages since I have had an evening of such delight". Diese Begeisterung zeigte sich in einer ausführlichen und kongenialen Kritik, die er über dieses Werk anfertigte. Ganz anders äußerte sich Edward Crankshaw über das "Lay"; er war Lektor bei Allen & Unwin und sollte es als möglichen Nachfolger des erfolgreichen "Hobbit" prüfen. Crankshaw war ernsthaft der Ansicht, ein authentisches keltisches Werk vor sich zu haben und schrieb: "Would there be any market for a long, involved, romantic verse-tale of Celtic elves and mortals? I think not."

 

Das "Lay of Leithian" ist auch ohne dieses Wissen sehr berührend, doch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass in dieses Gedicht einige autobiografische Elemente eingeflossen sind. Mit der Elbin Lúthien hat Tolkien seiner Frau Edith ein poetisches Denkmal gesetzt. Ihre Gestalt, ihre dunklen Haare und grauen Augen, wie sie für Tolkien einst auf einer Waldlichtung sang und tanzte - all dies spiegelt sich in Lúthien wider. Auch die Schwierigkeiten, denen Tolkien und Edith ausgesetzt waren, bevor sie heiraten konnten, entsprechen den Umständen, denen Beren und Lúthien zu trotzen haben: Tolkiens Vormund verbat ihm drei Jahre lang jeglichen Kontakt zu Edith; Tolkien wartete, und anstatt sie aufzugeben gestand er Edith noch in der Nacht seines 21. Geburtstages, seiner Volljährigkeit, in einem Brief seine Liebe. Dass dieses Werk eine Liebeserklärung an seine Frau darstellt, lässt sich auch daran ablesen, dass Tolkien den ">Grabstein seiner Frau mit dem Namen "Lúthien" schmücken ließ - und später sein eigener Name durch den Zusatz "Beren" ergänzt wurde.

 

Ich werde in nächster Zeit einige Ausschnitte aus dem "Lay of Leithian" vorstellen. Beginnen werde ich mit dem Einleitungsgesang (Canto 1) in der überarbeiteten Fassung (dem "Lay of Leithian Recommenced"). Er trägt den Titel "Of Thingol in Doriath" und stellt uns die erste von drei Grundsituationen dar, auf denen das Gedicht aufbaut, nämlich das Elbenreich Doriath (es folgen später, zweitens: Morgoth und seine Orks, und drittens: Barahir und seine Gefährten). Dort herrscht Thingol seit langer Zeit, noch bevor die Menschen auf den Plan traten. Er wird als König des Waldes mit einer Krone aus Blättern und grünem Mantel umschrieben. Auch als - und hier greift Tolkien weit aus und beschreibt Zusammenhänge, die dem Leser noch unbekannt sind - die Noldor aus Valinor zurückkehren nach Mittelerde und dort ihre Reiche gründen und Kriege führen, bleibt Thingols Macht in Doriath bestehen. Reich werden seine Schätze beschrieben (diese Beschreibung wurde fast wörtlich in "Durin`s Song" im "Herrn der Ringe" übernommen), doch alle diese Schätze sind ihm nichts wert angesichts seiner Tochter Lúthien.

Die Beschreibung Lúthiens, der schönsten Frau Mittelerdes, mit ihren treffenden Vergleichen aus der Natur, gehört mit zum Schönsten, was Tolkien je gedichtet hat. Und bedenkt man, dass Lúthien letztlich seine eigene Frau Edith darstellt, die so oft für ihn getanzt und gesungen hat, ist dieser Abschnitt noch herzergreifender.

Es folgt eine kleine Übersicht über das Reich Doriath, einem verzauberten Land, umgeben von einem Schutzkreis, der es Sterblichen unmöglich macht, dieses Land zu betreten. Nun wird Beleriand näher umschrieben und Doriaths Lage in dessen Zentrum genauer festgemacht: Im Norden liegt das schreckliche Land Dungorthin, und dahinter der dunkle Wald von Taur-nu-Fuin. Im Süden liegen weite unentdeckte Länder. Im Westen tost der große Ozean. Im Osten liegen in Stille die Gipfel der Blauen Berge, hinter denen sich die weite äußere Welt erstreckt.

Nun wird Menegroth vorgestellt, die Tausend Grotten, in denen Thingol lebt, zusammen mit seiner Gemahlin Melian, die das unsichtbare Netz der Verzauberung um sein Reich spinnt. Und in der friedlichen Schönheit Doriaths tanzt Lúthien.

Doch noch eine weitere Hauptperson wird erwähnt: Dairon, Thingols Hofsänger, ein berühmter Dichter. Er ist es, der Lúthiens Tanz mit wundervoller Musik begleitet, und er ist in sie verliebt. So ist das Leben in Doriath schön und alle sind glücklich - bis zu jenem Schicksalstag, von dem heute noch die elbischen Barden singen...

 

Der vollständige Titel des Gedichts lautet:

 

The

GEST

of

BEREN son of BARAHIR

and

LÚTHIEN the FAY

called

TINÚVIEL the NIGHTINGALE

or the

LAY OF LEITHIAN

Release from Bondage

 

 

1. OF THINGOL IN DORIATH

 

A king there was in days of old:

ere Men yet walked upon the mould

his power was reared in caverns’ shade,

his hand was over glen and glade.

Of leaves his crown, his mantle green,

his silver lances long and keen;

the starlight in his shield was caught,

ere moon was made or sun was wrought.

   In after-days, when to the shore
of Middle-earth from Valinor
the Elven-hosts in might returned,
and banners flew and beacons burned,
when kings of Eldamar went by
in strength of war, beneath the sky
then still his silver trumpets blew
when sun was young and moon was new.
Afar then in Beleriand,
in Doriath’s beleaguered land,
King Thingol sat on guarded throne
in many-pillared halls of stone:
there beryl, pearl, and opal pale,
and metal wrought like fishes’ mail,
buckler and corslet, axe and sword,
and gleaming spears were laid in hoard:
all these he had and counted small,
for dearer than all wealth in hall,
and fairer than are born to Men,
a daughter had he, Lúthien.

 

 

OF LÚTHIEN THE BELOVED

 

Such lissom limbs no more shall run

on the green earth beneath the sun;

so fair a maid no more shall be

from dawn to dusk, from sun to sea.

Her robe was blue as summer skies,

but grey as evening were her eyes;

her mantle sewn with lilies fair,

but dark as shadow was her hair.

Her feet were swift as bird on wing,

her laughter merry as the spring;

the slender willow, the bowing reed,

the fragrance of a flowering mead,

the light upon the leaves of trees,

the voice of water, more then these

her beauty was and blissfulness,

her glory and her loveliness.

 

   She dwelt in the enchanted land
while elven-might yet held in hand
the woven woods of Doriath:
none ever thither found the path
unbidden, none the forest-eaves
dared pass, or stir the listening leaves.
To North there lay a land of dread,
Dungorthin where all ways were dead
in hills of shadow bleak and cold;
beyond was Deadly Nightshade’s hold
in Taur-nu-Fuin’s fastness grim,
where sun was sick and moon was dim.
To South the wide earth unexplored;
to West the ancient Ocean roared,
unsailed and shoreless, wide and wild;
to East in peaks of blue were piled,
in silence folded, mist-enfurled,
the mountains of the outer world.

 

   Thus Thingol in his dolven hall
amid the Thousand Caverns tall
of Menegroth as king abode:
to him there led no mortal road.
Beside him sat his deathless queen,
fair Melian, and wove unseen
nets of enchantment round his throne,
and spells were laid on tree and stone:
sharp was his sword and high his helm,

the king of beech and oak and elm.

When grass was green and leaves were long,

when finch and mavis sang their song,

there under bough and under sun

in shadow and in light would run

fair Lúthien the elven-maid,

dancing in dell and grassy glade.

 

 

OF DAIRON MINSTREL OF THINGOL

 

When sky was clear and stars were keen,

then Dairon with his fingers lean,

as daylight melted into eve,

a trembling music sweet would weave

on flutes of silver, thin and clear

for Lúthien, the maiden dear.

 

   There mirth there was and voices bright;
there eve was peace and morn was light;
there jewel gleamed and silver wan
and red gold on white fingers shone,
and elanor and niphredil

bloomed in the grass unfading still,
while the endless years of Elven-land
rolled over far Beleriand,
until a day of doom befell,
as still the elven-harpers tell.

 

Bearbeitet von Berenfox
  • 2 Wochen später...
Geschrieben (bearbeitet)

"The Lay of Leithian", Canto 2.1.

 

"...until a day of doom befell", so schloss der erste Teil. Es wäre ja langweilig, wenn alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre. Nein, weit im Norden braut sich etwas Dunkles zusammen. Teil Zwei stellt uns die große Gefahr vor, durch die das Reich Doriath und alle Länder des Nordens bedroht werden, und Tolkien gelingt ein absolut genialer Kontrast zum ersten Teil des "Lays". Nirgendwo sonst in Tolkiens Schriften findet sich eine ähnlich beeindruckende und abgründige Umschreibung Morgoths, eine ähnlich inbrünstige Umschreibung des Bösen. Tief in schwarzen Hallen, von Flammen umzüngelt, steht sein Thron; giftige Dämpfe ersticken dort alles Leben, und in den unergründlichen Verliesen kriechen all die todgeweihten Hoffnungslosen herum, die das Schicksal unter seinen Schatten gezwungen hat. Morgoth selbst wird als dunkelste und grausamste Kreatur unter dem Himmel beschrieben, älter als Erde und Meer, als Mond und Stern, in seinem abgründigen Verstand mächtiger als Elb oder Mensch, geschaffen aus urtümlicher Kraft. Bevor noch der Stein erschaffen war, aus dem die Erde gemacht ist, wanderte er schon allein in der Dunkelheit, grimmig und furchtbar, von dem Feuer verzehrt, das er beherrschte. Er war es, der das Gesegnete Land in Trümmer gelegt hat und in Mittelerde tief unter den Bergen einen neuen Wohnsitz genommen hat, gefüllt mit scheußlichen Sklaven des Hasses. Seine schwer bewaffnete Armeen, gefolgt von Wölfen und Schlangen, bringen Krieg über den ganzen Norden; wo einst die goldenen Elanor-Blumen im Gras blühten, wo einst Finken sangen und Barden ihre silbernen Harfen spielten, dort kreisen nun die Raben, und Morgoths Klingen tropfen vom Blut der Erschlagenen. Wie eine dunkle Wolke rollt sein Schatten von Norden her über die Lande, und auf die Stolzen, die ihm nicht nachgeben, fällt seine Rache. Alles ist dem Tod oder der Knechtschaft in seiner Hölle geweiht.

Jedoch regt sich noch Widerstand: Tolkien führt uns nun das dritte Puzzlestück in der Grundsituation seiner Geschichte vor Augen. Denn in einem kalten Versteck lebt noch Barahir, Beors Sohn (genauer: Beors Nachkomme), einst ein Prinz der Menschen, doch nun ein Gesetzloser im grauen Heideland.

Barahir ist nicht allein: Zwölf treue Männer aus Beors Stamm folgen ihm, und unter ihren Namen sticht besonders einer hervor: Beren, Barahirs Sohn, der Held dieser Geschichte. Diese Männer waren es (und hier wirft Tolkien dem Leser wieder ein kleines Mosaiksteinchen vergangener Zeiten hin, das der Neuleser noch nicht einordnen kann), die einst im Fenn von Serech den Elbenkönig Inglor, Herrscher von Nargothrond (der Name "Inglor" wurde später durch "Finrod" ersetzt; hier ist die Figur gemeint, die aus dem Silmarillion als "Finrod Felagund" bekannt ist), das Leben gerettet und seine Liebe gewonnen hatten. Nun sind sie zurückgekehrt in ihre Heimat im Norden, unbesiegt, aber verfolgt von Morgoths ruhelosem Hass.

Solch wagemutige Taten vollbringen sie dort, dass niemand ihrer habhaft werden kann, denn obwohl ein königliches Kopfgeld auf sie ausgesetzt ist, lehren sie Morgoths Vasallen das Fürchten. Ihr Versteck liegt an einem besonderen Ort, der hier in wundervollen Worten beschrieben wird: Tarn Aeluin, ein blauer Bergsee.

 

Eigentlich geht dieser Teil noch weiter, aber ich breche hier einmal ab.

 

2. OF MORGOTH & THE SNARING OF GORLIM

 

Far in the Northern hills of stone
in caverns black there was a throne
by flame encircled; there the smoke
in coiling columns rose to choke
the breath of life, and there in deep
and gasping dungeons lost would creep
to hopeless death all those who strayed
by doom beneath that ghastly shade.
   A king there sat, most dark and fell

of all that under heaven dwell.

Than earth or sea, than moon or star
more ancient was he, mightier far
in mind abysmal than the thought
of Eldar or of Men, and wrought
of strength primeval; ere the stone
was hewn to build the world, alone
he walked in darkness, fierce and dire,
burned, as he wielded it, by fire.
   He ’twas that laid in ruin black
the Blessed Realm and fled then back
to Middle-earth anew to build
beneath the mountains mansions filled
with misbegotten slaves of hate:
death’s shadow brooded at his gate.
His hosts he armed with spears of steel
and brands of flame, and at their heel
the wolf walked and the serpent crept
with lidless eyes. Now forth they leapt,
his ruinous legions, kindling war
in field and frith and woodland hoar.
Where long the golden elanor
had gleamed amid the grass they bore
their banners black, where finch had sung
and harpers silver harps had wrung
now dark the ravens wheeled and cried
amid the reek, and far and wide
the swords of Morgoth dripped with red
above the hewn and trampled dead.
Slowly his shadow like a cloud
rolled from the North, and on the proud
that would not yield his vengeance fell;
to death or thraldom under hell
all things he doomed: the Northern land
lay cowed beneath his ghastly hand.

 

   But still there lived in hiding cold
Beor’s son, Barahir the bold,
of land bereaved and lordship shorn
who once a prince of Men was born,
and now an outlaw lurked and lay
in the hard heath and woodland grey.

 

 

OF THE SAVING OF KING INGLOR FELAGUND

BY THE XII BEORINGS

 

Twelve men beside him still there went,

still faithful when all hope was spent.

Their names are yet in elven-song

remembered, though the years are long

since doughty Dagnir and Ragnor,

Radhruin, Dairuin and Gildor,

Gorlim Unhappy, and Urthel,

and Arthad and Hathaldir fell;

since the black shaft with venomed wound

took Belegund and Baragund,

the mighty sons of Bregolas;

since he whose doom and deeds surpass

all tales of Men was laid on bier,

fair Beren son of Barahir.

For these it was, the chosen men

of Bëor’s house, who in the fen

of reedy Serech stood at bay

about King Inglor in the day

of his defeat, and with their swords

thus saved of all the Elven-lords

the fairest; and his love they earned.

And he escaping south, returned

to Nargothrond his mighty realm,

where still he wore his crownéd helm;

but they to their northern homeland rode,

dauntless and few, and there abode

unconquered still, defying fate,

pursued by Morgoth’s sleepless hate.

 

 

OF TARN AELUIN THE BLESSED

 

   Such deeds of daring there they wrought
that soon the hunters that them sought
at rumour of their coming fled.
Though price was set upon each head
to match the weregild of a king,
no soldier could to Morgoth bring
news even of their hidden lair;

for where the highland brown and bare
above the darkling pines arose
of steep Dorthonion to the snows

and barren mountain-winds, there lay

a tarn of water, blue by day,

by night a mirror of dark glass

for stars of Elbereth that pass

above the world into the West.

Once hallowed, still that place was blest:

no shadow of Morgoth, and no evil thing

yet thither came; a whispering ring

of slender birches silver-grey

stooped on its margin, round it lay

a lonely moor, and the bare bones

of ancient Earth like standing stones

thrust through the heather and the whin;

and there by houseless Aeluin

the hunted lord and faithful men

under the grey stones made their den.

 

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben (bearbeitet)

"The Lay of Leithian", Canto 2.2.

 

Im nun folgenden Rest von Canto 2 (bzw. dessen Hauptteil) steigen wir endlich in die Handlung ein. Die Geschichte, die nun erzählt wird, ist im "Silmarillion" wie folgt zusammengefasst:

 

"Unter Barahirs Gefährten war Gorlim, Angrims Sohn. Sein Weib hieß Eilinel, und groß war die Liebe zwischen ihnen, ehe das Unheil hereinbrach. Doch als Gorlim aus dem Krieg an den Grenzen heimkehrte, fand er sein Haus geplündert und verlassen, und sein Weib war fort; ob tot oder gefangen, wußte er nicht. Dann floh er zu Barahir, und von dessen Gefährten war er der grimmigste und verzweifeltste; doch Ungewißheit nagte an seinem Herzen, denn er dachte, daß Eilinel vielleicht nicht tot sei. Bisweilen ging er allein und heimlich fort und suchte sein Haus auf, inmitten der Felder und Wälder, die er einmal besessen hatte; und dies wurde Morgoths Diener bekannt.

Eines Tages im Herbst kam er in der Abenddämmerung, und als er nahe beim Hause war, meinte er, er sehe ein Licht im Fenster, und vorsichtig nähertretend blickte er hinein. Da sah er Eilinel, das Gesicht verhärmt vor Leid und Hunger, und ihm war, als hörte er ihre Stimme klagen, dass er sie verlassen habe. Doch kaum hatte er sie laut gerufen, da blies der Wind das Licht aus, Wölfe heulten, und auf den Schultern spürte er plötzlich die schweren Hände von Saurons Jägern. So war Gorlim in die Falle gegangen; und sie schleppten ihn in ihr Lager und quälten ihn, im Bestreben, Barahirs Schlupfwinkel und Geheimpfade zu erfahren. Doch nichts wollte Gorlim verraten. Dann versprachen sie ihm, er käme frei und Eilinel würde ihm wiedergegeben, wenn er redete, und er, da er den Schmerz nicht mehr aushielt und sich nach seinem Weibe sehnte, gab nach. Nun brachten sie ihn geradewegs in Saurons furchtbare Gegenwart, und Sauron sagte: »Ich höre, du willst nun mit mir handeln. Welches ist dein Preis?«

Und Gorlim antwortete, dass man ihm Eilinel wiedergeben und ihn mit ihr freilassen solle, denn er glaubte, auch Eilinel sei gefangen.

Da lächelte Sauron und sagte: »Geringen Preis verlangst du für so großen Verrat. So soll es gewiss sein. Sprich nur!«

Nun kamen Gorlim Bedenken, doch gequält von Saurons Augen, sagte er zuletzt alles, was er wusste. Da lachte Sauron und verhöhnte Gorlim, ihm verratend, daß er nur ein Phantom gesehen hatte, ein Hexenwerk, um ihn zu fangen; denn Eilinel war tot. »Dennoch sei dir die Bitte gewährt«, sagte Sauron, »und so gehe denn hin zu Eilinel und sei meines Dienstes ledig!« Dann gab er ihm grausam den Tod.

Auf diese Weise wurde Barahirs Versteck gefunden, und Morgoth spannte sein Netz ringsum..."

 

Tolkien schöpft an dieser Stelle wieder aus dem Vollen und zeigt sehr eindrucksvoll, wie lebendig man eine Geschichte in Versform erzählen kann. Man kann hier Schwarz auf Weiß erkennen, wie viel die Prosaversion im Vergleich zum Gedicht einbüßt, stellenweise scheint sie nur ein müder Abklatsch zu sein. Das Gedicht beschwört, im Gegensatz zum nüchternen Stil es Prosatextes, lebhafte Bilder herauf vom dunklen Wald und dem verlassenen Haus, von Gorlims Widerstand und Versagen, von Saurons schrecklicher Gegenwart... Auch erste wörtliche Reden tauchen hier auf, die uns mitten in die Szene hineinversetzen und die Tolkien meisterhaft beherrscht (wie man später noch im grandiosen Wortstreit zwischen Beren und Thingol sehen wird). Ich persönlich bin jedes Mal aufs neue fasziniert, wie flüssig und spannend sich das Ganze liest.

 

OF GORLIM UNHAPPY

 

Gorlim Unhappy, Angrim’s son,

as the tale tells, of these was one

most fierce and hopeless. He to wife,

while fair was the fortune of his life,

took the white maiden Eilinel:

dear love they had ere evil fell.

To war he rode; from war returned

to find his fields and homestead burned,

his house forsaken roofless stood,

empty amid the leafless wood;

and Eilinel, white Eilinel,

was taken whither none could tell,

to death or thraldom far away.

Black was the shadow of that day

for ever on his heart, and doubt

still gnawed him as he went about

in wilderness wandring, or at night

oft sleepless, thinking that she might

ere evil came have timely fled

into the woods: she was not dead,

she lived, she would return again

to seek him, and would deem him slain.

Therefore at whiles he left the lair,

and secretly, alone, would peril dare,

and come to his old house at night,

broken and cold, without fire or light,

and naught but grief renewed would gain,

watching and waiting there in vain.

 

   In vain, or worse – for many spies
had Morgoth, many lurking eyes
well used to pierce the deepest dark;
and Gorlim’s coming they would mark
and would report. There came a day
when once more Gorlim crept that way,
down the deserted weedy lane
at dusk of autumn sad with rain
and cold wind whining. Lo! a light
at window fluttering in the night
amazed he saw; and drawing near,
between faint hope and sudden fear,
he looked within. ’Twas Eilinel!
Though changed she was, he knew her well.
With grief and hunger she was worn,
her tresses tangled, raiment torn;
her gentle eyes with tears were dim,
as soft she wept: ‘Gorlim, Gorlim!
Thou canst not have forsaken me.
Then slain, alas! thou slain must be!
And I must linger cold, alone,
and loveless as a barren stone!’

 

   One cry he gave – and then the light
blew out, and in the wind of night
wolves howled; and on his shoulder fell
suddenly the griping hands of hell.
There Morgoth’s servants fast him caught
and he was cruelly bound, and brought
to Sauron captain of the host,
the lord of werewolf and of ghost,
most foul and fell of all who knelt
at Morgoth’s throne. In might he dwelt
on Gaurhoth Isle; but now had ridden
with strength abroad, by Morgoth bidden
to find the rebel Barahir.
He sat in dark encampment near,

and thither his butchers dragged their prey.

There now in anguish Gorlim lay:

with bond on neck, on hand and foot,

to bitter torment he was put,

to break his will and him constrain

to buy with treason end of pain.

But naught to them would he reveal

of Barahir, nor break the seal

of faith that on his tongue was laid;

until at last a pause was made,

and one came softly to his stake,

a darkling form that stooped, and spake

to him of Eilinel his wife.

   ‘Wouldst thou,’ he said, ‘forsake thy life,
who with few words might win release
for her, and thee, and go in peace,
and dwell together far from war,
friends of the King? What wouldst thou more?’

And Gorlim, now long worn with pain,
yearning to see his wife again
(whom well he weened was also caught
in Sauron’s net), allowed the thought
to grow, and faltered in his troth.
Then straight, half willing and half loath,
they brought him to the seat of stone
where Sauron sat. He stood alone
before that dark and dreadful face,
and Sauron said: ‘Come, mortal base!
What do I hear? That thou wouldst dare
to barter with me? Well, speak fair!
What is thy price?’
And Gorlim low
bowed down his head, and with great woe,
word on slow word, at last implored
that merciless and faithless lord
that he might free depart, and might
again find Eilinel the White,
and dwell with her, and cease from war
against the King. He craved no more.

 

   Then Sauron smiled, and said: ‘Thou thrall!
The price thou askest is but small
for treachery and shame so great!

I grant it surely! Well, I wait:

Come! Speak now swiftly and speak true!’

Then Gorlim wavered, and he drew

half back; but Sauron’s daunting eye

there held him, and he dared not lie:

as he began, so must he wend

from first false step to faithless end:

he all must answer as he could,

betray his lord and brotherhood,

and cease, and fall upon his face.

 

   Then Sauron laughed aloud. ‘Thou base,
thou cringing worm! Stand up,
and hear me! And now drink the cup
that I have sweetly blent for thee!
Thou fool: a phantom thou didst see
that I, I Sauron, made to snare
thy lovesick wits. Naught else was there.
Cold ’tis with Sauron’s wraiths to wed!
Thy Eilinel! She is long since dead,
dead, food of worms less low than thou.
And yet thy boon I grant thee now:
to Eilinel thou soon shalt go,
and lie in her bed, no more to know
of war – or manhood.
Have thy pay!’

 

   And Gorlim then they dragged away,
and cruelly slew him; and at last
in the dank mould his body cast,
where Eilinel long since had lain
in the burned woods by butchers slain.

   Thus Gorlim died an evil death,
and cursed himself with dying breath,
and Barahir at last was caught
in Morgoth’s snare; for set at naught
by treason was the ancient grace
that guarded long that lonely place,
Tarn Aeluin: now all laid bare
were secret paths and hidden lair.

 

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben

Nur mal so aus Neugierde: Sind die Abstände, in denen ich hier neue Gedichte reinstelle, für die Mitleser ausreichend? Ich bin da recht unsicher, ob ich nun (gerade bei längeren Texten) eher alle drei, vier Tage etwas schreiben soll oder besser eine ganze Woche Zeit zum Mitlesen geben soll. Man muss ja doch eine gewisse Zeit in so ein fremdsprachiges Gedicht investieren.

Geschrieben

Ich denke mal das die meisten sich hier nicht bloss mit einer groben Übersetzung zufrieden geben. Darum würd ich an deiner Stelle vielleicht wirklich so eine Woche Zeit lassen.

Ich weiß ja nicht wie gut die anderen im Englischen sind und dementsprechend vielleicht auch mit drei Tagen auskommen.

Geschrieben

Ich würde mich gern nach den Lesern hier richten, es sind ja nicht so viele. Wenn du selbst eine ganze Woche Zeit haben möchtest (bin grad nicht sicher ob das so gemeint war) mach ich das in Zukunft gern so. :-)

Geschrieben

Gerade bei den längeren Gedichten, freue ich mich, wenn ich eine Woche Zeit habe, Berenfox. Dann kann ich sie mit Ruhe geniessen. Am Ende lese ich dann alle Teile noch mal am Stück.

Vielen Dank für Deine Mühe :-) . Besonders auch für die wunderbaren Einführungen :-)

Geschrieben

Passt. Dann werde ich euch mit den längeren Gedichten eine Woche Zeit lassen. :-) 

 

Vielen Dank, Torshavn. Ich freue mich sehr, meine Erfahrungen hier mit anderen austauschen zu können.

Geschrieben (bearbeitet)

"The Lay of Leithian", Canto 3.1.

 

Und schon ist eine ganze Woche vorüber. Die Geschichte geht in der nun folgenden ersten Hälfte von Canto 3 nahtlos weiter und erzählt davon, wie Barahir und seine Gefährten erschlagen werden, Beren jedoch entkommt:

 

"Und die Orks kamen in den stillen Stunden vor Morgen und überraschten die Männer von Dorthonion und erschlugen sie alle bis auf einen. Beren nämlich, Barahirs Sohn, war von seinem Vater auf einen gefährlichen Gang geschickt worden, um die Bewegungen des Feindes auszuspähen, und er war weit entfernt, als das Lager gestürmt wurde. Doch als er des Nachts im Walde schlief, da träumte ihm, dass Aaskrähen in dicken Trauben auf kahlen Bäumen an einem See saßen, und Blut tropfte ihnen von den Schnäbeln. Dann gewahrte Beren im Traume eine Gestalt, die über ein Wasser zu ihm kam, und es war Gorlims Geist, und er sprach zu ihm von seinem Verrat und seinem Tode und hieß ihn eilen, um seinen Vater zu warnen.

Da erwachte Beren und eilte durch die Nacht, und am zweiten Morgen kam er ins Lager der Bandenkrieger zurück. Doch als er näher kam, da flogen die Aaskrähen vom Boden auf und ließen sich nieder auf den Erlen am Aeluin-See, krächzend vor Hohn.

Dort begrub Beren seines Vaters Gebeine und warf einen Hügel von Felsbrocken über ihm auf, und er schwor Rache. Als erstes verfolgte er die Orks, die seinen Vater und seine Gefährten erschlagen hatten, und er fand ihr Lager bei Nacht an der Quelle des Rivil, oberhalb des Fenns von Serech, und als geübter Waldläufer kam er ungesehen bis nah an ihr Feuer. Dort prahlte ihr Hauptmann mit seinen Taten und hielt Barahirs Hand hoch, die er abgeschnitten hatte, zum Zeichen für Sauron, dass ihr Auftrag erfüllt sei; und Felagunds Ring war an der Hand. Da sprang Beren hinter einem Felsen vor und erschlug den Hauptmann, ergriff die Hand mit dem Ring und entkam, vom Glück beschirmt, denn die Orks waren verblüfft und ihre Pfeile ungezielt."

 

Auch dieser Teil des Gedichts glänzt wieder mit einigen großartigen Momenten, die im Prosatext verloren gehen. Die letzten Worte, die Beren von seinem Vater hört; der Traum mit seinem Gänsehautfeeling und den verschiedenen Elementen, die wunderbar ineinander übergehen (Edgar Allan Poe hätte das nicht besser hingekriegt); die Krähen am Aeluin, die Beren auslachen, und sein Schwur, der bereits vorgreift, da ihn das Schicksal tatsächlich bis vor die Tore Angbands führen wird; das Prahlen des Orkhäuptlings, der Barahirs Ring für sich behalten will und seine Kameraden darauf einschwört, Sauron zu erzählen, Barahirs Hand wäre leer gewesen. Barahirs Ring wird im Laufe der Geschichte noch eine wichtige Rolle spielen, und hier wird er als wichtiges Kleinod in die Geschichte eingeführt, indem angedeutet wird, dass dieser Ring das Zeichen des Dankes ist, das Barahir für die bereits erwähnte Rettung Finrod Felagunds erhalten hat. Was es damit genau auf sich hat, wird im Laufe des Lays Stück für Stück weiter enthüllt. Mich persönlich fasziniert die Art, wie Tolkien mit fragmentarischen Informationen hantiert, die erst im weiteren Verlauf einen Sinn ergeben. Ebenso faszinierend ist, dass dies derselbe Ring ist, den Aragorn im "Herrn der Ringe" am Finger trägt - auch wenn die Figur des Aragorn zur Zeit der Abfassung des "Lays" noch nicht existiert hat.

 

3. OF BEREN SON OF BARAHIR & HIS ESCAPE

 

Dark from the North now blew the cloud;

the winds of autumn cold and loud

hissed in the heather; sad and grey

Aeluin’s mournful water lay.

‘Son Beren’, then said Barahir

‘Thou knowst the rumour that we hear

of strength from the Gaurhoth that is sent

against us; and our food nigh spent.

On thee the lot falls by our law

to go forth now alone to draw

what help thou canst from the hidden few

that feed us still, and what is new

to learn. Good fortune go with thee!

In speed return, for grudgingly

we spare thee from our brotherhood,

so small: and Gorlim in the wood

is long astray or dead. Farewell!’

As Beren went, still like a knell

resounded in his heart that word,

the last of his father that he heard.

 

   Through moor and fen, by tree and briar
he wandered far: he saw the fire
of Sauron’s camp, he heard the howl
of hunting Orc and wolf a-prowl,
and turning back, for long the way,
benighted in the forest lay.
In weariness he then must sleep,
fain in a badger-hole to creep,
and yet he heard (or dreamed it so)
nearby a marching legion go
with clink of mail and clash of shields
up towards the stony mountain-fields.
He slipped then into darkness down,
until, as man that waters drown
strives upwards gasping, it seemed to him
he rose through slime beside the brim
of sullen pool beneath dead trees.
Their livid boughs in a cold breeze
trembled, and all their black leaves stirred:
each leaf a black and croaking bird,

whose neb a gout of blood let fall.

He shuddered, struggling thence to crawl

through winding weeds, when far away

he saw a shadow faint and grey

gliding across the dreary lake.

Slowly it came, and softly spake:

‘Gorlim I was, but now a wraith

of will defeated, broken faith,

traitor betrayed. Go! Stay not here!

Awaken, son of Barahir,

and haste! For Morgoth’s fingers close

upon thy father’s throat; he knows

your trysts, your paths, your secret lair.’

   Then he revealed the devil’s snare
in which he fell, and failed; and last
begging forgiveness, wept, and passed
out into darkness. Beren woke,
leapt up as one by sudden stroke
with fire of anger filled. His bow
and sword he seized, and like the roe
hotfoot o’er rock and heath he sped
before the dawn. Ere day was dead
to Aeluin at last he came,
as the red sun westward sank in flame;
but Aeluin was red with blood,
red were the stones and trampled mud.
Black in the birches sat a-row
the raven and the carrion crow;
wet were their nebs, and dark the meat
that dripped beneath their griping feet.
One croaked: ‘Ha, ha, he comes too late!’
‘Ha, ha!’ they answered, ‘ha! too late!’

   There Beren laid his father’s bones
in haste beneath a cairn of stones;
no graven rune nor word he wrote
o’er Barahir, but thrice he smote
the topmost stone, and thrice aloud
he cried his name. ‘Thy death’, he vowed,
‘I will avenge. Yea, though my fate
should lead at last to Angband’s gate.’
And then he turned, and did not weep:
too dark his heart, the wound too deep.

Out into night, as cold as stone,
loveless, friendless, he strode alone.

 

   Of hunter’s lore he had no need
the trail to find. With little heed
his ruthless foe, secure and proud,
marched north away with blowing loud
of brazen horns their lord to greet,
trampling the earth with grinding feet.
Behind them bold but wary went
now Beren, swift as hound on scent,
until beside a darkling well,
where Rivil rises from the fell

down into Serech’s reeds to flow,
he found the slayers, found his foe.
From hiding on the hillside near
he marked them all: though less than fear,
too many for his sword and bow
to slay alone. Then, crawling low
as snake in heath, he nearer crept.
There many weary with marching slept,
but captains, sprawling on the grass,
drank and from hand to hand let pass
their booty, grudging each small thing
raped from dead bodies. One a ring
held up, and laughed: ‘Now, mates,’ he cried
‘here’s mine! And I’ll not be denied,
though few be like it in the land.
For I ’twas wrenched it from the hand
of that same Barahir I slew,
the robber-knave. If tales be true,
he had it of some elvish lord,
for the rogue-service of his sword.
No help it gave to him – he’s dead.
They’re parlous, elvish rings, ’tis said;
still for the gold I’ll keep it, yea
and so eke out my niggard pay.
Old Sauron bade me bring it back,
and yet, methinks, he has no lack
of weightier treasures in his hoard:
the greater the greedier the lord!
So mark ye, mates, ye all shall swear

the hand of Barahir was bare!’

And as he spoke an arrow sped

from tree behind, and forward dead

choking he fell with barb in throat;

with leering face the earth he smote.

   Forth, then as wolfhound grim there leapt
Beren among them. Two he swept
aside with sword; caught up the ring;
slew one who grasped him; with a spring
back into shadow passed, and fled
before their yells of wrath and dread
of ambush in the valley rang.
Then after him like wolves they sprang,
howling and cursing, gnashing teeth,
hewing and bursting through the heath,
shooting wild arrows, sheaf on sheaf,
at trembling shade or shaken leaf.

   In fateful hour was Beren born:
he laughed at dart and wailing horn;
fleetest of foot of living men,
tireless on fell and light on fen,

elf-wise in wood, he passed away,
defended by his hauberk grey
of dwarvish craft in Nogrod made,
where hammers rang in cavern’s shade.

 

Bearbeitet von Berenfox
  • 2 Wochen später...
Geschrieben (bearbeitet)

"The Lay of Leithian", Canto 3.2.

 

"Vier Jahre lang zog Beren dann noch durch Dorthonion, ein Einzelgänger ohne Gesetz; doch er wurde freund mit Vogel und Tier, und sie halfen ihm und verrieten ihn nicht, und von der Zeit an aß er kein Fleisch und tötete nichts, das lebte, wenn es nicht in Morgoths Diensten stand. Nicht den Tod fürchtete er, nur die Gefangenschaft, doch verwegen und verzweifelt, wie er war, entging er beidem; und die Taten einsamen Wagemuts, die er leistete, erzählte man sich weit und breit in ganz Beleriand; sogar in Doriath hörte man von ihm. Endlich setzte Morgoth einen Preis auf seinen Kopf, der nicht geringer war als der Preis für Fingon, den Hohen König der Noldor; doch eher flohen die Orks bei dem Gerücht, er nahe, als dass sie ihn suchten. Ein ganzes Heer unter Sauron wurde daher gegen ihn ausgesandt; und Sauron brachte Werwölfe mit, Raubtiere, von wütenden Geistern besessen, die er in ihren Leibern eingekerkert hatte.

Das ganze Land war nun voller Unwesen, und kein Ding blieb, das noch rein war; und so hart kam Beren in Bedrängnis, daß er zuletzt gezwungen war, aus Dorthonion zu fliehen. In Winter und Schnee verließ er seines Vaters Land und Grab, und in die hohen Regionen der Gorgoroth, der Berge des Grauens, hinaufsteigend, erblickte er von fern das Land Doriath. Da kam es ihm in den Sinn, daß er das Verbotene Königreich betreten werde, wie noch kein Sterblicher vor ihm."

 

Dieser Teil des "Lays" unterscheidet sich stark von der Prosaversion. Der Schwerpunkt des ersten Abschnitts liegt auf Berens Verzweiflungstaten und der Hoffnung, die er im Herzen der unterdrückten Menschen entzündet. Wie hoffnungslos seine Taten im Endeffekt jedoch sind macht der zweite Abschnitt deutlich. Der dritte Abschnitt erzählt, wie Beren Dorthonion verlässt, der vierte konzentriert sich auf das, was vor ihm liegt. Damit ist sozusagen der Prolog der Geschichte erzählt, denn bereits im nächsten Canto erreichen wir das zentrale Geschehnis: Die Begegnung zwischen Beren und Lúthien.

 

   As fearless Beren was renowned:
when men most hardy upon ground
were reckoned folk would speak his name,
foretelling that his after-fame
would even golden Hador pass
or Barahir and Bregolas;

but sorrow now his heart had wrought
to fierce despair, no more he fought
in hope of life or joy or praise,
but seeking so to use his days
only that Morgoth deep should feel
the sting of his avenging steel,
ere death he found and end of pain:
his only fear was thraldom’s chain.
Danger he sought and death pursued,
and thus escaped the doom he wooed,

and deeds of breathless daring wrought

alone, of which the rumour brought

new hope to many a broken man.

They whispered ‘Beren’, and began

in secret swords to whet, and soft

by shrouded hearths at evening oft

songs they would sing of Beren’s bow,

of Dagmor his sword: how he would go

silent to camps and slay the chief,

or trapped in his hiding past belief

would slip away, and under night

by mist or moon, or by the light

of open day would come again.

Of hunters hunted, slayers slain

they sang, of Gorgol the Butcher hewn,

of ambush in Ladros, fire in Drûn,

of thirty in one battle dead,

of wolves that yelped like curs and fled,

yea, Sauron himself with wound in hand.

Thus one alone filled all that land

with fear and death for Morgoth’s folk;

his comrades were the beech and oak

who failed him not, and wary things

with fur and fell and feathered wings

that silent wander, or dwell alone

in hill and wild and waste of stone

watched o’er his ways, his faithful friends.

 

   Yet seldom well an outlaw ends;
and Morgoth was a king more strong
than all the world has since in song
recorded: dark athwart the land
reached out the shadow of his hand,
at each recoil returned again;
two more were sent for one foe slain.
New hope was cowed, all rebels killed;
quenched were the fires, the songs were stilled,
tree felled, heath burned, and through the waste
marched the black host of Orcs in haste.

   Almost they closed their ring of steel
round Beren; hard upon his heel
now trod their spies; within their hedge

of all aid shorn, upon the edge

of death at bay he stood aghast

and knew that he must die at last,

or flee the land of Barahir,

his land beloved. Beside the mere

beneath a heap of nameless stones

must crumble those once mighty bones,

forsaken by both son and kin,

bewailed by reeds of Aeluin.

 

   In winter’s night the houseless North
he left behind, and stealing forth
the leaguer of his watchful foe
he passed – a shadow on the snow,
a swirl of wind, and he was gone,
the ruin of Dorthonion,
Tarn Aeluin and its water wan,
never again to look upon.
No more shall hidden bowstring sing,
no more his shaven arrows wing,
no more his hunted head shall lie
upon the heath beneath the sky.
The Northern stars, whose silver fire
of old Men named the Burning Briar,
were set behind his back, and shone
o’er land forsaken: he was gone.

 

   Southward he turned, and south away
his long and lonely journey lay,
while ever loomed before his path
the dreadful peaks of Gorgorath.
Never had foot of man most bold
yet trod those mountains steep and cold,
nor climbed upon their sudden brink,
whence, sickened, eyes must turn and shrink
to see their southward cliffs fall sheer
in rocky pinnacle and pier
down into shadows that were laid
before the sun and moon were made.
In valleys woven with deceit
and washed with waters bitter-sweet
dark magic lurked in gulf and glen;
but out away beyond the ken

of mortal sight the eagle’s eye

from dizzy towers that pierced the sky

might grey and gleaming see afar,

as sheen on water under star,

Beleriand, Beleriand,

the borders of the Elven-land.

 

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben (bearbeitet)

"The Lay of Leithian", Canto 4.1.

 

Die Vorgeschichte ist nun erzählt. Der Leser hat Doriath und seine Bewohner kennengelernt, ebenso wie Beren und seine Situation, und wir sind an dem Punkt angelangt, an dem die beiden Stränge zusammenfließen. Bevor Tolkien jedoch nun von der Begegnung Berens mit Lúthien erzählt tut er etwas Außergewöhnliches.

Zum Zeitpunkt, als das "Lay of Leithian" entstand, hatte Tolkien - darauf sollte man unbedingt hinweisen - eine vollständige und in sich abgeschlossene Mythologie erschaffen. Sein "Silmarillion" war im Prinzip fertig. Es umfasste zwar nur das, was wir heute als das "Erste Zeitalter" kennen, aber es war ein abgeschlossenes Ganzes. Erst als einige Jahre später der "Herr der Ringe" seine Wurzeln ausstreckte und mit dem Mythos verwuchs, sah Tolkien sich genötigt, die Geschichten des Zweiten und Dritten Zeitalters zu konzipieren und das "Silmarillion" auf den "Herrn der Ringe" hin umzuschreiben - was ihm schließlich über den Kopf wuchs.

Da der Mythos also vollständig vorhanden war und die Geschichte um Beren und Lúthien dessen Kern bildete, lag der folgende Schritt eigentlich auf der Hand: Tolkien verwob die übrigen Geschichten des "Silmaillion" eine um die andere mit dem "Lay", und nutzte sie als eine Art Einleitung in jeden neuen Canto, je nachdem wie es gerade passte. Der Canto, in dem Beren und Lúthien Angband erreichen wird beispielsweise eingeleitet durch die Erzählung vom Kampf zwischen Fingolfin und Morgoth vor den Toren Angbands; der Canto, in dem Beren in Nargothrond Hilfe für seine Aufgabe sucht und mit den Söhnen Feanors aneinander gerät, wird eingeleitet von Feanors Eid in Valinor. Und der aktuelle Canto, der davon erzählt, wie Beren und Lúthien sich begegnen und ineinander verlieben - er wird eingeleitet von der Erzählung, wie sich Thingol und Melian begegneten und verliebten. Ein sehr schöner Kunstgriff, da auf diese Weise nicht nur in einem einzigen Werk ein Großteil des "Silmarillion" nacherzählt wird, sondern den handelnden Personen wie auch den Handlungen selbst durch die Parallelen mehr Tiefe gegeben wird.

 

"Melian war eine Maia, vom Geschlecht der Valar. Sie wohnte in den Gärten von Lórien, und unter all dem Volk dort war niemand schöner als Melian, noch klüger oder geschickter in Zaubergesängen. Es heißt, die Valar hätten ihre Arbeit und die Vögel von Valinor ihr Spiel ruhen lassen, die Glocken von Valmar seien verstummt und die Quellen hätten zu fließen aufgehört, wenn zu der Stunde, wo sich die Lichter mischten, Melian in Lórien sang. Nachtigallen waren immer um sie her, und sie lehrte sie ihr Lied; und sie liebte den tiefen Schatten der großen Bäume. Älter als die Welt, war sie mit Yavanna selbst verwandt; und um die Zeit, als die Elben am Wasser von Cuiviénen erwachten, verließ sie Valinor und kam in die Hinnenlande, und sie erfüllte das Schweigen von Mittelerde vor der Morgendämmerung mit ihrer Stimme und mit den Stimmen ihrer Vögel.

Nun blieb das Volk der Teleri, wie erzählt worden war, als ihre Wanderung dem Ende nah war, lange in Ost-Beleriand, am Gelionstrom; und zu jener Zeit lagerten viele der Noldor noch weiter westlich in den Wäldern, die später Neldoreth und Region genannt wurden. Elwe, der Fürst der Teleri, ging oft durch die großen Wälder, um seinen Freund Finwe in den Lagern der Noldor zu besuchen; und einmal begab es sich, daß er allein in den sternbeschienenen Wald von Nan Elmoth kam, und dort hörte er plötzlich das Lied der Nachtigallen. Da fiel ein Bann auf ihn, und er blieb stehen; und ganz von fern, über den Stimmen der Lómelindi, hörte er Melians Stimme, und sie erfüllte sein ganzes Herz mit Verwunderung und Begehren. Er vergaß sein Volk und all die Pläne in seinem Geist und schritt, den Vogelstimmen folgend, im Schatten der Bäume tief nach Nan Elmoth hinein, bis er den Weg nicht mehr wußte. Zuletzt aber kam er zu einer Lichtung, wo die Sterne hereinschienen, und da stand Melian; und aus dem Dunkel sah er sie an, und das Licht von Aman war in ihrem Angesicht.

Sie sprach kein Wort; doch voll Liebe trat Elwe zu ihr hin und nahm sie bei der Hand, und sogleich fiel ein Zauber über ihn, und beide blieben sie so stehen, während die kreisenden Sterne über ihnen viele Jahre abzählten; und die Bäume von Nan Elmoth wurden dicht und dunkel, ehe ein Wort fiel.

Vergebens wurde Thingol von seinem Volke gesucht, und, wie später erzählt wird, wurde Olwe König der Teleri und setzte mit ihnen die Wanderung fort. Elwe Singollo kam nie wieder über das Meer nach Valinor, solange er lebte, und auch Melian kehrte nicht mehr dorthin zurück, solange ihr gemeinsames Reich bestand; durch sie jedoch kam unter Elben wie Menschen etwas vom Erbe der Ainur, die schon vor Ea bei Ilúvatar waren. Elwe wurde in späteren Tagen ein großer König, und all die Eldar von Beleriand waren sein Volk; die Sindar wurden sie genannt, die Grau-Elben oder Elben der Dämmerung, und König Graumantel hieß er, Elu Thingol in der Landessprache. Und Melian war seine Königin, weiser als je eine Tochter von Mittelerde; und ihre verborgenen Hallen waren in Menegroth, den Tausend Grotten von Doriath. Große Macht verlieh Melian ihrem Gemahl, der selbst ein Großer unter den Eldar war, hatte er doch als einziger unter allen Sindar mit eigenen Augen die Bäume in den Tagen, wo sie blühten, gesehen [...]. Und aus der Liebe zwischen Thingol und Melian ging das schönste von allen Kindern Ilúvatars hervor, welches die Welt je gesehen hat oder sehen wird."

 

Das Gedicht fährt fort und erzählt davon, dass Doriath von Morgoth und von allem Bösen verschont blieb, selbst als dieser vor dem Zorn der Valar floh und seine Festung im Norden Mittelerdes grub, als er die Könige der Menschen und die Noldor im Exil mit Krieg überzog, bis eine Festung nach der anderen fiel.

Und dort, im bewachten Reich Doriath, lebte nun auch Lúthen. Wenn in einer klaren Nacht die Sterne zu sehen waren, die Zeugen des langen Schöpfungswerks der Valar, erwachte in Doriath die Musik: Daeron, Thingols Spielmann, spielte auf seiner Flöte Weisen, die kein sterbliches Herz ertragen könnte. Denn Daeron war der berühmteste aller Elbenbarden, ausgenommen Maglor, Feanors Sohn, den ein tragisches Schicksal ereilte, ehe er sich ins Meer stürzte. So spielte Daeron, bis - Tolkiens aus so vielen Gedichten bekannte Lieblingswendung - ein Sommerabend hereinbrach, von dem noch heute die Elbenbarden singen.

 

4. OF THE COMING OF BEREN TO DORIATH;

BUT FIRST IS TOLD OF THE MEETING

OF MELIAN AND THINGOL

 

There long ago in Elder-days

ere voice was heard or trod were ways,

the haunt of silent shadows stood

in starlit dusk Nan Elmoth wood.

In Elder-days that long are gone

a light amid the shadows shone,

a voice was in the silence heard:

the sudden singing of a bird.

There Melian came, the Lady grey,

and dark and long her tresses lay

beneath her silver girdle-seat

and down unto her silver feet.

The nightingales with her she brought,

to whom their song herself she taught,

who sweet upon her gleaming hands

had sung in the immortal lands.

   Thence wayward wandering on a time
from Lórien she dared to climb
the everlasting mountain-wall
of Valinor, at whose feet fall
the surges of the Shadowy Sea.
Out away she went then free,

to gardens of the Gods no more
returning, but on mortal shore,
a glimmer ere the dawn she strayed,
singing her spells from glade to glade.

   A bird in dim Nan Elmoth wood
trilled, and to listen Thingol stood
amazed; then far away he heard

a voice more fair than fairest bird,
a voice as crystal clear of note
as thread of silver glass remote.

Of folk and kin no more he thought;

of errand that the Eldar brought

from Cuiviénen far away,

of lands beyond the Seas that lay

no more he recked, forgetting all,

drawn only by that distant call

till deep in dim Nan Elmoth wood

lost and beyond recall he stood.

And there he saw her, fair and fay:

Ar-Melian, the Lady grey,

as silent as the windless trees,

standing with mist about her knees,

and in her face remote the light

of Lórien glimmered in the night.

No word she spoke; but pace by pace,

a halting shadow, towards her face

forth walked the silver-mantled king,

tall Elu Thingol. In the ring

of waiting trees he took her hand.

One moment face to face they stand

alone, beneath the wheeling sky,

while starlit years on earth go by

and in Nan Elmoth wood the trees

grow dark and tall. The murmuring seas

rising and falling on the shore

and Ulmo’s horn he heeds no more.

 

   But long his people sought in vain
their lord, till Ulmo called again,
and then in grief they marched away,
leaving the woods. To havens grey
upon the western shore, the last
long shore of mortal lands, they passed,
and thence were borne beyond the Sea

in Aman, the Blessed Realm, to be

by evergreen Ezellohar

in Valinor, in Eldamar.

 

   Thus Thingol sailed not on the seas
but dwelt amid the land of trees,
and Melian he loved, divine,
whose voice was potent as the wine
the Valar drink in golden halls
where flower blooms and fountain falls;
but when she sang it was a spell,
and no flower stirred nor fountain fell.
A king and queen thus lived they long,
and Doriath was filled with song,
and all the Elves that missed their way
and never found the western bay,
the gleaming walls of their long home
by the grey seas and the white foam,
who never trod the golden land
where the towers of the Valar stand,
all these were gathered in their realm
beneath the beech and oak and elm.

 

In later days, when Morgoth fled
from wrath and raised once more his head
and Iron Crown, his mighty seat
beneath the smoking mountain’s feet
founded and fortified anew,
then slowly dread and darkness grew:
the Shadow of the North that all
the Folk of Earth would hold in thrall.

   The lords of Men to knee he brings,
the kingdoms of the Exiled Kings
assails with ever-mounting war:
in their last havens by the shore
they dwell, or strongholds walled with fear
defend upon his borders drear,
till each one falls. Yet reign there still
in Doriath beyond his will
the Grey King and immortal Queen.
No evil in their realm is seen;
no power their might can yet surpass:
there still is laughter and green grass,
there leaves are lit by the white sun,
and many marvels are begun.

 

   There went now in the Guarded Realm
beneath the beech, beneath the elm,
there lightfoot ran now on the green
the daughter of the king and queen:
of Arda’s eldest children born
in beauty of their elven-morn
and only child ordained by birth
to walk in raiment of the Earth
from Those descended who began
before the world of Elf and Man.

 

   Beyond the bounds of Arda far
still shone the Legions, star on star,
memorials of their labour long,
achievement of Vision and of Song;

and when beneath their ancient light

on Earth below was cloudless night,

music in Doriath awoke,

and there beneath the branching oak,

or seated on the beech-leaves brown,

Daeron the dark with ferny crown

played on his pipes with elvish art

unbearable by mortal heart.

   No other player has there been,
no other lips or fingers seen
so skilled, ’tis said in elven-lore,
save Maglor son of Fëanor,
forgotten harper, singer doomed,
who young when Laurelin yet bloomed
to endless lamentation passed
and in the tombless sea was cast.

   But Daeron in his heart’s delight
yet lived and played by starlit night,
until one summer-eve befell,
as still the elven harpers tell.

 

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben

Vielen Dank für die schönen Verse.

 

Du hast es in der Einführung zum Lay erwähnt, das Tolkien das Gedicht sozusagen zweimal geschrieben hat. Beide Male allerdings unvollendet. Ist eigentlich bekannt, warum er das Lay nie zu Ende gedichtet hat? Warum es nie zur Veröffentlichung kam?

 

Ich persönlich finde es viel beeindruckender als die Prosafassung, viel berührender.

Geschrieben (bearbeitet)

Danke, Torshavn. :-)

 

Warum er die erste Version des "Lay" abgebrochen und nie fertiggestellt hat kann ich leider nicht beantworten. Ich habe nochmal Christophers Kommentar durchgeschaut, aber keine Antwort gefunden. Vielleicht kam der "Hobbit" dazwischen, und nachdem das "Lay" als Nachfolgewerk des "Hobbit" abgelehnt wurde hat Tolkien es einfach liegen lassen.

Die überarbeitete Version, die ich hier präsentiere, wird schon im nächsten Abschnitt abbrechen, gerade in dem Moment, in dem sich Beren und Lúthien zum ersten Mal begegnen. Auch hier gibt es keine klare Antwort, aber offenbar war es Tolkien wichtiger, das "Silmarillion" fertigzustellen, das er nun (der HdR war bereits erschienen) umschreiben und auf drei Zeitalter hin konzipieren musste. Zudem geriet seine "Überarbeitung" des "Lays" so aufwändig, dass er faktisch ein neues Gedicht schrieb. Die Cantos 2 und 3 der überarbeiteten Fassung waren ursprünglich nur ein einziger Canto gewesen und halb so lang. Er wird wahrscheinlich eingesehen haben, dass er durch eine so aufwändige Bearbeitung viel zu lange davon abgehalten werden würde, das "Silmarillion" fertig zu stellen.

 

Mich selbst spricht das Gedicht auch sehr viel mehr an als die Prosafassung. Es hat einen ganz eigenen Charme. An manchen Stellen ist es direkter und unmittelbarer, man fühlt sich trotz Versen und Reimen mitten in die Handlung versetzt; an anderen Stellen hingegen webt es eine geradezu mystische Stimmung, so dass man beispielsweise die Begegnung zwischen Thingol und Melian als etwas nicht nur zeitlich weit entrücktes wahrnimmt. Auch die vielen eingestreuten Hinweise auf die dahinter liegende Mythologie machen mir sehr viel Freude. Es ist schon ein besonderes Werk...

Bearbeitet von Berenfox

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