Berenfox Geschrieben 24. Mai 2014 Autor Geschrieben 24. Mai 2014 (bearbeitet) "The Lay of Leithian", Canto 4.2. "...until one summer-eve befell, / as still the elven harpers tell", so endete der letzte Abschnitt, und so wurde schon mehrfach angekündigt, was nun endlich erzählt wird: Daeron spielt auf seiner Flöte, Lúthien tanzt und singt - und Beren erscheint plötzlich auf der Bildfläche. Es ist unglaublich intensiv, wie Tolkien Lúthiens Schönheit hier in Szene setzt und wie er die Atmosphäre in Worten einfängt. Bedenkt man, dass er mit diesen Worten der Schönheit seiner Frau Edith ein poetisches Denkmal setzen wollte und die Erinnerung an jene Waldlichtung verarbeitet hat, auf der Edith für ihn getanzt und gesungen hat, als sie sich gerade lieben gelernt hatten, dann bekommen diese Zeilen eine ganz besondere Qualität. Leider bricht das Gedicht genau in dem Augenblick ab, mitten in der Zeile, als Lúthien Beren zum ersten Mal erblickt.Wie wichtig, geradezu lebenswichtig, für Tolkien die Erinnerung an jene Waldlichtung war, hat er in einem bewegenden Brief formuliert, den er nach Ediths Tod an seinen Sohn Christopher geschrieben hat: "Endlich habe ich mich um Mummys Grab gekümmert. Die Inschrift, die mir gefallen würde, ist:EDITH MARY TOLKIEN - 1889-1971 - LúthienKurz und karg, bis auf Lúthien, das für mich mehr sagt als tausend Worte: denn sie war meine Lúthien (und wusste es).Sag mir, ohne Rücksicht, was Du von diesem Zusatz hältst. Ich habe dies unter dem Druck von starker Bewegung und Bedauern angefangen - und jedenfalls leide ich von Zeit zu Zeit zunehmend unter einem überwältigenden Gefühl von Trauer. Ich hoffe doch, keines von meinen Kindern wird den Gebrauch dieses Namens als eine sentimentale Schrulle empfinden. Jedenfalls ist es etwas anderes als die Nennung von Kosenamen in Todesanzeigen. Ich habe Edith nie mit Lúthien angeredet - aber sie war die Quelle der Geschichte, aus der dann mit der Zeit das wichtigste Stück des Silmarillion wurde. Es entstand zuerst auf einer kleinen Waldlichtung voller Schierling bei Roos in Yorkshire. Damals war ihr Haar rabenschwarz, ihre Haut rein, ihre Augen heller, als Du sie gesehen hast, und singen konnte sie - und tanzen! Aber die Geschichte ist schiefgegangen, und nun bin ich allein übrig [...]Du solltest etwas von den Dingen wissen, die kein Dokument festhält: von den schrecklichen Leiden unserer Kindheit, aus denen wir einander gerettet haben, aber deren Wunden, die sich später oft als verkrüppelnd erwiesen, wir nicht heilen konnten; von den Leiden, die wir erduldeten, nachdem unsere Liebe begonnen hatte - was alles (mit unseren persönlichen Schwächen, die noch hinzukamen) vielleicht helfen kann, die Verfehlungen und dunklen Punkte, die zeitweise unser Leben befleckt haben, verzeihlich oder verständlich zu machen - und zu erklären, wie all dies uns im Tiefsten nie berührt und die Erinnerungen an unsere Jugendliebe nie getrübt hat. Denn immer wieder (besonders wenn wir allein waren) begegneten wir uns auf der Waldlichtung und gingen viele Male Hand in Hand, um vor unserer letzten Trennung dem Schatten des nahenden Todes zu entkommen." Then merrily his piping trilled;the grass was soft, the wind was stilled,the twilight lingered faint and coolin shadow-shapes upon the poolbeneath the boughs of sleeping treesstanding silent. About their kneesa mist of hemlocks glimmered pale,and ghostly moths on lace-wings frailwent to and fro. Beside the merequickening, rippling, rising clearthe piping called. Then forth she came,as sheer and sudden as a flameof peerless white the shadows cleaving,her maiden-bower on white feet leaving;and as when summer stars ariseradiant into darkened skies,her living light on all was castin fleeting silver as she passed. There now she stepped with elven pace,bending and swaying in her grace,as half-reluctant; then beganto dance, to dance: in mazes ranbewildering, and a mist of whitewas wreathed about her whirling flight.Wind-ripples on the water flashed,and trembling leaf and flower were plashedwith diamond-dews, as ever fleetand fleeter went her wingéd feet. Her long hair as a cloud was streamingabout her arms uplifted gleaming,as slow above the trees the Moonin glory of the plenilunearose, and on the open gladeits light serene and clear was laid.Then suddenly her feet were stilled,and through the woven wood there thrilled,half wordless, half in elven-tongue,her voice upraised in blissful songthat once of nightingales she learnedand in her living joy had turnedto heart-enthralling loveliness,unmarred, immortal, sorrowless. Ir Ithil ammen Eruchín menel-vîr síla díriel si loth a galadh lasto dîn! A Hîr Annûn gilthoniel,le linnon im Tinúviel!* O elven-fairest Lúthienwhat wonder moved thy dances then?That night what doom of Elvenesseenchanted did thy voice possess?Such marvel shall there no more beon Earth or west beyond the Sea,at dusk or dawn, by night or noonor neath the mirror of the moon!On Neldoreth was laid a spell;the piping into silence fell,for Daeron cast his flute away,unheeded on the grass it lay,in wonder bound as stone he stoodheart-broken in the listening wood.And still she sang above the night,as light returning into lightupsoaring from the world belowwhen suddenly there came a slowdull tread of heavy feet on leaves,and from the darkness on the eavesof the bright glade a shape came outwith hands agrope, as if in doubtor blind, and as it stumbling passedunder the moon a shadow castbended and darkling. Then from on highas lark falls headlong from the skythe song of Lúthien fell and ceased;but Daeron from the spell releasedawoke to fear, and cried in woe:‘Flee Lúthien, ah Lúthien go!An evil walks the wood! Away!’Then forth he fled in his dismayever calling her to follow him,until far off his cry was dim‘Ah flee, ah flee now, Lúthien!’But silent stood she in the glenunmoved, who never fear had known,as slender moonlit flower alone,white and windless with upturned facewaiting . . . * Übersetzung nach David Salo ("A Gateway to Sindarin"): The Moon, having watched for us Children of Eru shines like a jewel in the skynow flower and tree, listen silent! O Lady of the West, star-kindler,I sing to you, I, Nightingale! Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Berenfox Geschrieben 31. Mai 2014 Autor Geschrieben 31. Mai 2014 (bearbeitet) "The Lay of Leithian", Canto 4.3. Da die überarbeitete Fassung mitten in der Begegnung Lúthiens mit Beren abbricht, muss ich ab hier auf die ältere Fassung aus den 1930er Jahren zurückgreifen. Auch diese Version ist auf hohem Niveau, aber man kann an der einen oder anderen Stelle schon merken, dass Tolkien knapp 30 Jahre Erfahrung fehlen. Ich gehe ein kleines Stück in der Geschichte zurück setze an der Stelle an, als Lúthien auf der Waldlichtung zu singen beginnt (leider diesmal ohne Sindarin-Einlage), denn bevor Beren auf sich aufmerksam macht wird in dieser Fassung noch von seiner Reise erzählt. Die Begegnungen zwischen Beren und Lúthien sind so komplex und spannend, dass ich mich schwertue, das Gedicht entzwei zu teilen. Folglich wird dieser Abschnitt leider etwas länger... "Furchtbar war sein Weg nach Süden. Steil fielen die Ered Gorgoroth ab, und zu ihren Füßen warteten die Schatten, die vor Aufgang des Mondes gesponnen waren. Dahinter kam die Wildnis von Dungortheb, wo Saurons Hexenkünste und Melians Kraft aufeinandertrafen und Grauen und Wahnsinn umgingen. Spinnen aus Ungolianths giftiger Brut hausten dort, ihre unsichtbaren Netze spannend, in denen alles Lebende sich fing; und Ungeheuer, stumm und vieläugig, gingen auf Jagd, die in der langen Dunkelheit, ehe die Sonne aufging, geboren waren. Keine Nahrung für Elb oder Mensch gab es in jenem verfluchten Land, nur den Tod. Nicht als die geringste unter Berens Taten gilt diese Reise, doch er selbst sprach später zu keinem davon, um sich des Grauens nicht erinnern zu müssen, und keiner weiß, wie er den Weg fand und so auf Pfaden, die weder Mensch noch Elb je zu gehen gewagt, endlich an die Grenzen von Doriath gelangte. Und die Irrgärten, die Melian um Thingols Reich gewoben hatte, durchschritt er, wie sie selbst es vorhergesagt hatte; denn ein großes Schicksal lag auf ihm.Es heißt im Leithianlied, grau und gebeugt wie von vielen Jahren des Wehs sei Beren nach Doriath hineingestolpert, solche Qualen hatte er auf dem Wege erlitten. Doch als er im Sommer durch den Wald von Neldoreth ging, da traf er Lúthien, Thingols und Melians Tochter, zur Abendzeit, als der Mond aufging, und sie tanzte auf dem immergrünen Gras der Lichtungen am Esgalduin. Da schwanden ihm alle Erinnerungen an seine Leiden, und ein Zauber fiel auf ihn, denn Lúthien war das schönste von allen Kindern Ilúvatars. Blau wie der wolkenlose Himmel war ihr Gewand, ihre Augen aber waren grau wie der Abend unter den Sternen; ihr Mantel war mit goldnen Blumen bestickt, ihr Haar aber war dunkel wie die Schatten der Dämmerung. Wie Licht auf dem Laub der Bäume, wie die Stimme klarer Gewässer, wie die Sterne über den Nebeln der Welt, so war ihr Glanz und Liebreiz; und aus ihrem Antlitz schien ein Licht.Doch sie verschwand vor seinen Augen; und er wurde stumm, wie vom Bann geschlagen, und lange schweifte er durch die Wälder, wild und scheu wie ein Tier, Lúthien suchend. Für sich nannte er sie Tinúviel, das heißt im Grau-Elbischen Nachtigall, Tochter der Dämmerung, denn anders kannte er sie nicht beim Namen. Und er sah sie von fern, wie Laub, das der Herbstwind wegführt, und im Winter wie einen Stern auf einem Hügel, doch eine Kette war um seine Glieder.Es kam eine Zeit gegen Morgen, vor Frühlingsanfang, und Lúthien tanzte auf einem grünen Hügel, und plötzlich begann sie zu singen. Scharf und herzzerreißend war ihr Lied, wie das Lied der Lerche, die aus den Pforten der Nacht steigt und ihre Stimme unter die verblassenden Sterne ergießt, wenn sie die Sonne hinter den Mauern der Welt sieht; und Lúthiens Lied löste die Fesseln des Winters, und die gefrorenen Wasser sprachen wieder, und Blumen sprossen aus der kalten Erde, wo ihr Fuß sie berührt hatte.Da fiel der Bann des Schweigens von Beren, und er rief sie beim Namen der Nachtigallen, er schrie: "Tinúviel", und ihr Name hallte aus den Wäldern wider. Da hielt sie verwundert inne und floh nicht mehr, und Beren trat zu ihr. Doch als sie ihn ansah, fiel das Urteil über sie, und sie liebte ihn; doch entschlüpfte sie seinem Arm und Blick, als eben der Tag anbrach." Then clearly thrilled her voice and rang;with sudden ecstasy she sanga song of nightingales she learnedand with her elvish magic turnedto such bewildering delightthe moon hung moveless in the night.And this it was that Beren heard,and this he saw, without a word,enchanted dumb, yet filled with fireof such a wonder and desirethat all his mortal mind was dim;her magic bound and fettered him,and faint he leaned against a tree.Forwandered, wayworn, gaunt was he,his body sick and heart gone cold,grey in his hair, his youth turned old;for those that tread that lonely waya price of woe and anguish pay.And now his heart was healed and slainwith a new life and with new pain. He gazed, and as he gazed her hairwithin its cloudy web did snarethe silver moonbeams sifting whitebetween the leaves, and glinting brightthe tremulous starlight of the skieswas caught and mirrored in her eyes.Then all his journey’s lonely fare,the hunger and the haggard care,the awful mountains’ stones he stainedwith blood of weary feet, and gainedonly a land of ghosts, and fearin dark ravines imprisoned sheer –there mighty spiders wove their webs,old creatures foul with birdlike nebsthat span their traps in dizzy air,and filled it with clinging black despair,and there they lived, and the sucked boneslay white beneath on the dank stones –now all these horrors like a cloudfaded from mind. The waters loudfalling from pineclad heights no morehe heard, those waters grey and frorethat bittersweet he drank and filledhis mind with madness – all was stilled.He recked not now the burning road,the paths demented where he strodeendlessly. . . and ever newhorizons stretched before his view,as each blue ridge with bleeding feetwas climbed, and down he went to meetbattle with creatures old and strongand monsters in the dark, and long,long watches in the haunted nightwhile evil shapes with baleful lightin clustered eyes did crawl and snuffbeneath his tree – not half enoughthe price he deemed to come at lastto that pale moon when day had passed,to those clear stars of Elfinesse,the hearts-ease and the loveliness. Lo! all forgetting he was drawnunheeding toward the glimmering lawnby love and wonder that compelledhis feet from hiding; music welledwithin his heart, and songs unmadeon themes unthought-of moved and swayedhis soul with sweetness; out he came,a shadow in the moon’s pale flame –and Dairon’s flute as sudden stopsas lark before it steeply drops,as grasshopper within the grasslistening for heavy feet to pass.‘Flee, Lúthien!’, and ‘Lúthien!’from hiding Dairon called again;‘A stranger walks the woods! Away!’But Lúthien would wondering stay;fear had she never felt or known,till fear then seized her, all alone,seeing that shape with shagged hairand shadow long that halted there.Then sudden she vanished like a dreamin dark oblivion, a gleamin hurrying clouds, for she had leaptamong the hemlocks tall, and creptunder a mighty plant with leavesall long and dark, whose stem in sheavesupheld an hundred umbels fair;and her white arms and shoulders bareher raiment pale, and in her hairthe wild white roses glimmering there,all lay like spattered moonlight hoarin gleaming pools upon the floor.Then stared he wild in dumbness boundat silent trees, deserted ground;he blindly groped across the gladeto the dark trees’ encircling shade,and, while she watched with veiléd eyes,touched her soft arm in sweet surprise.Like startled moth from deathlike sleepin sunless nook or bushes deepshe darted swift, and to and frowith cunning that elvish dancers knowabout the trunks of trees she twineda path fantastic. Far behindenchanted, wildered and forlornBeren came blundering, bruised and torn:Esgalduin the elven-stream,in which amid tree-shadows gleamthe stars, flowed strong before his feet.Some secret way she found, and fleetpassed over and was seen no more,and left him forsaken on the shore.‘Darkly the sundering flood rolls past!To this my long way comes at last –a hunger and a loneliness,enchanted waters pitiless.’ A summer waned, an autumn glowed,and Beren in the woods abode,as wild and wary as a faunthat sudden wakes at rustling dawn,and flits from shade to shade, and fleesthe brightness of the sun, yet seesall stealthy movements in the wood.The murmurous warmth in weathers good,the hum of many wings, the callof many a bird, the pattering fallof sudden rain upon the trees,the windy tide in leafy seas,the creaking of the boughs, he heard;but not the song of sweetest birdbrought joy or comfort to his heart,a wanderer dumb who dwelt apart;who sought unceasing and in vainto hear and see those things again:a song more fair than nightingale,a wonder in the moonlight pale. An autumn waned, a winter laidthe withered leaves in grove and glade;the beeches bare were gaunt and grey,and red their leaves beneath them lay.From cavern pale the moist moon eyesthe white mists that from earth ariseto hide the morrow’s sun and dripall the grey day from each twig’s tip.By dawn and dusk he seeks her still;by noon and night in valleys chill,nor hears a sound but the slow beaton sodden leaves of his own feet. The wind of winter winds his horn;the misty veil is rent and torn.The wind dies; the starry choirsleap in the silent sky to fires,whose light comes bitter-cold and sheerthrough domes of frozen crystal clear. A sparkle through the darkling trees,a piercing glint of light he sees,and there she dances all aloneupon a treeless knoll of stone!Her mantle blue with jewels whitecaught all the rays of frosted light.She shone with cold and wintry flame,as dancing down the hill she came,and passed his watchful silent gaze,a glimmer as of stars ablaze.And snowdrops sprang beneath her feet,and one bird, sudden, late and sweet,shrilled as she wayward passed along.A frozen brook to bubbling songawoke and laughed; but Beren stoodstill bound enchanted in the wood.Her starlight faded and the nightclosed o’er the snowdrops glimmering white. Thereafter on a hillock greenhe saw far off the elven-sheenof shining limb and jewel brightoften and oft on moonlit night;and Dairon’s pipe awoke once more,and soft she sang as once before.Then nigh he stole beneath the trees,and heartache mingled with hearts-ease. A night there was when winter died;then all alone she sang and criedand danced until the dawn of spring,and chanted some wild magic thingthat stirred him, till it sudden brokethe bonds that held him, and he woketo madness sweet and brave despair.He flung his arms to the night air,and out he danced unheeding, fleet,enchanted, with enchanted feet.He sped towards the hillock green,the lissom limbs, the dancing sheen;he leapt upon the grassy hillhis arms with loveliness to fill:his arms were empty, and she fled;away, away her white feet sped.But as she went he swiftly cameand called her with the tender nameof nightingales in elvish tongue,that all the woods now sudden rung:‘Tinúviel! Tinúviel!’And clear his voice was as a bell;its echoes wove a binding spell:‘Tinúviel! Tinúviel!’His voice such love and longing filledone moment stood she, fear was stilled;one moment only; like a flamehe leaped towards her as she stayedand caught and kissed that elfin maid. As love there woke in sweet surprisethe starlight trembled in her eyes.A! Lúthien! A! Lúthien!more fair than any child of Men;O! loveliest maid of Elfinesse,what madness does thee now possess!A! lissom limbs and shadowy hairand chaplet of white snowdrops there;O! starry diadem and whitepale hands beneath the pale moonlight!She left his arms and slipped-awayjust at the breaking of the day. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Berenfox Geschrieben 14. Juni 2014 Autor Geschrieben 14. Juni 2014 (bearbeitet) "The Lay of Leithian", Canto IV. Mit etwas Verspätung hier nun der nächste Teil. Da die überarbeitete Fassung aus einem Canto der alten Fasung zwei neue gemacht hat, sind wir nun, da wir ab hier die alte Fasung nutzen müssen, bei Canto IV statt V (nur um Verwirrungen zu vermeiden). Ich werde ihn in drei Teile zerstückeln: Berens und Lúthiens Zweisamkeit in Doriath; Dairons Verrat; Berens Wortstreit mit Thingol. Dies wird der letzte Teil sein, den ich vollständig hier wiedergebe (da er sehr lesenswert ist und einen der Höhepunkte darstellt), danach werde ich nur noch ein paar Highlights auswählen.Die Geschichte geht wie folgt weiter: "Da sank Beren zu Boden, ohne Besinnung, wie ein von Glück und Schmerz zugleich Getroffener, und er fiel in Schlaf wie in einen Abgrund von Schatten, und als er erwachte, war er kalt wie Stein und sein Herz verödet und verlassen. Und als er seine Gedanken wandern ließ, griff er um sich wie einer, der von plötzlicher Blindheit geschlagen, das verschwundene Licht mit den Händen zu packen sucht. So begann er den Schmerzenszoll für das Schicksal zu zahlen, das auf ihm lag; und in sein Schicksal wurde Lúthien verstrickt, und obgleich unsterblich, hatte sie an seiner Sterblichkeit teil, obgleich frei, trug sie mit ihm seine Ketten; und größer war ihr Leid, als es je einer von den Eldalië erlitten.Unverhofft kam sie wieder zu ihm, wo er im Dunkeln saß, und vor langen Zeiten im Verborgenen Königreich legte sie ihre Hand in die seine. Hernach kam sie oft, und heimlich gingen sie zusammen durch die Wälder, von Frühling bis Sommer, und nie haben andre Kinder Ilúvatars je solche Freude gekannt, so kurz ihre Zeit auch war." Hier sieht man erneut, wie stark die Prosaversion des "Silmarillion" sich am "Lay" orientiert, teilweise wörtlich paraphrasiert, aber dennoch bei Weitem nicht die poetische Atmosphäre einzufangen vermag. Dies vielleicht deshalb, weil sie stark gerafft ist. Lúthiens freiwillige Rückkehr zu Beren wird im "Lay" so eindrucksvoll betont, in der Prosaversion jedoch quasi verschluckt. Die Klage des Erzählers, die schon im vorhergehenden Canto zu hören war und die verzweifelt nach dem "Warum?" von Lúthiens Rückkehr fragt, taucht ebenso wenig auf wie die auf Beren so befreiende Wirkung des Tanzes und des Gesangs, die Lúthien ihn lehrt - zwei Motive, die wieder auf Tolkiens große Liebe zu Edith verweisen. IV. BEREN BEFORE THINGOL He lay upon the leafy mould,his face upon earth’s bosom cold,aswoon in overwhelming bliss,enchanted of an elvish kiss,seeing within his darkened eyesthe light that for no darkness dies,the loveliness that doth not fade,though all in ashes cold be laid.Then folded in the mists of sleephe sank into abysses deep,drowned in an overwhelming grieffor parting after meeting brief;a shadow and a fragrance fairlingered, and waned, and was not there.Forsaken, barren, bare as stone,the daylight found him cold, alone. ‘Where art thou gone? The day is bare,the sunlight dark, and cold the air!Tinúviel, where went thy feet?O wayward star! O maiden sweet!O flower of Elfland all too fairfor mortal heart! The woods are bare!The woods are bare!’ he rose and cried.‘Ere spring was born, the spring hath died!’And wandering in path and mindhe groped as one gone sudden blind,who seeks to grasp the hidden lightwith faltering hands in more than night. And thus in anguish Beren paidfor that great doom upon him laid,the deathless love of Lúthien,too fair for love of mortal Men;and in his doom was Lúthien snared,the deathless in his dying shared;and Fate them forged a binding chainof living love and mortal pain. Beyond all hope her feet returnedat eve, when in the sky there burnedthe flame of stars; and in her eyesthere trembled the starlight of the skies,and from her hair the fragrance fellof elvenflowers in elven-dell. Thus Lúthien, whom no pursuit,no snare, no dart that hunters shoot,might hope to win or hold, she cameat the sweet calling of her name;and thus in his her slender handwas linked in far Beleriand;in hour enchanted long agoher arms about his neck did go,and gently down she drew to resthis weary head upon her breast. A! Lúthien, Tinúviel,why wentest thou to darkling dellwith shining eyes and dancing pace,the twilight glimmering in thy face?Each day before the end of eveshe sought her love, nor would him leave,until the stars were dimmed, and daycame glimmering eastward silver-grey.Then trembling-veiled she would appearand dance before him, half in fear;there flitting just before his feetshe gently chid with laughter sweet:‘Come! dance now, Beren, dance with me!For fain thy dancing I would see.Come! thou must woo with nimbler feet,than those who walk where mountains meetthe bitter skies beyond this realmof marvellous moonlit beech and elm.’ In Doriath Beren long agonew art and lore he learned to know;his limbs were freed; his eyes alight,kindled with a new enchanted sight;and to her dancing feet his feetattuned went dancing free and fleet;his laughter welled as from a springof music, and his voice would singas voices of those in Doriathwhere paved with flowers are floor and path.The year thus on to summer rolled,from spring to a summertime of gold. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Berenfox Geschrieben 21. Juni 2014 Autor Geschrieben 21. Juni 2014 (bearbeitet) "The Lay of Leithian", Canto IV.2. Im "Silmarillion" geht die Geschichte relativ unspektakulär weiter: "Doch auch Daeron der Spielmann liebte Lúthien, und er spähte ihre Treffen mit Beren aus und meldete sie Thingol. Da war der König voller Zorn, denn Lúthien liebte er über alles; für jeden Elbenprinzen war sie ihm zu teuer, während er sterbliche Menschen nicht einmal in seiner Dienerschaft duldete. Daher sprach er zu Lúthien in Kummer und Befremden, doch sie verriet nichts, bis er ihr einen Eid schwur, daß er Beren weder töten noch ins Gefängnis werfen wolle. Doch schickte er seine Diener, daß sie Hand auf ihn legten und ihn als Missetäter nach Menegroth brächten; und dem kam Lúthien zuvor, indem sie Beren selbst wie einen ehrenwerten Gast vor Thingols Thron führte." Das "Lay" hingegen geht etwas dramatischer an die Sache heran. Daerons Liebe zu Lúthien und die daraus folgende Eifersucht auf Beren schlägt sich in einem Fluch nieder, den er über das Land spricht: Er legt seine Flöte nieder, und auf das Schweigen seiner Musik hin fällt über das ganze Land eine Stille. Kein Vogel ist mehr zu hören, die Blätter rauschen nicht mehr, selbst der Fluss Esgalduin fließt nun geräuschlos.Auch Thingol bemerkt die seltsame Stille. Und Melian bemerkt Lúthiens Blicke. Auf seinem Thron am Ufer des Esgalduin unter der großen Buche Hirilorn - dem größten und schönsten aller Bäume mit drei ineinander verschlungenen Stämmen, eindrucksvoll beschrieben - ruft Thingol Daeron schließlich zu sich. Er fragt ihn, welches Omen diese Stille wohl bergen möge. In einem Anflug von Hoffnung fragt er sich, ob vielleicht gar Tavros (damit ist Orome, der Vala der Wälder und Freund der Elben gemeint) zurückgekehrt sei nach Mittelerde, um den Elben in ihrem Kampf gegen Morgoth und seine Kreaturen beizustehen. Doch Daeron verneint dies, und antwortet mit einem Rätsel: Der Gast sei gekommen, und die Wälder sähen nun seltsame Dinge. Der König jedoch sähe nichts, die Königin könne es aber vielleicht erahnen, und die Jungfer wüsste wohl zweifellos, wer nun immer an ihrer Seite gehe.Thingol wird daraufhin wütend und verlangt von Daeron, sich deutlicher auszudrücken. Doch Daeron, der in Lúthiens Augen seine Ungnade sieht, schweigt und erträgt Thingols Zorn. Nun tritt Lúthien selbst vor und hält eine flammende Verteidigungsrede für Beren, den Feind auch ihrer Feinde, den gejagten Erben Beors, den unbesiegten Helden der Menschen. Sie wolle ihn in Thingols Hallen führen, wenn ihr das Versprechen gegeben würde, dass Beren nichts geschehen werde. So schwört Thingol, dass weder Klinge noch Kette Berens Glieder beeinträchtigen sollen. Doch Daeron gibt er den Auftrag, Beren zu hindern, falls Lúthien ihm zur Flucht verhelfen sollte. Schweren Herzens kommt Daeron dieser Bitte nach, jedoch denken Beren und Lúthien nicht an eine Flucht: Lúthien führt Beren eigenhändig vor die Tore der Hallen ihres Vaters. Thus fleeting fast their short hour flies,while Dairon watches with fiery eyes,haunting the gloom of tangled treesall day, until at night he seesin the fickle moon their moving feet,two lovers linked in dancing sweet,two shadows shimmering on the greenwhere lonely-dancing maid had been. ‘Hateful art thou, O Land of Trees!May fear and silence on thee seize!My flute shall fall from idle handand mirth shall leave Beleriand;music shall perish and voices failand trees stand dumb in dell and dale!’ It seemed a hush had fallen thereupon the waiting woodland air;and often murmured Thingol’s folkin wonder, and to their king they spoke:‘This spell of silence who hath wrought?What web hath Dairon’s music caught?It seems the very birds sing low;murmurless Esgalduin doth flow;the leaves scarce whisper on the trees,and soundless beat the wings of bees!’ This Lúthien heard, and there the queenher sudden glances saw unseen.But Thingol marvelled, and he sentfor Dairon the piper, ere he wentand sat upon his mounded seat –his grassy throne by the grey feetof the Queen of Beeches, Hirilorn,upon whose triple piers were bornethe mightiest vault of leaf and boughfrom world’s beginning until now.She stood above Esgalduin’s shore,where long slopes fell beside the door,the guarded gates, the portals starkof the Thousand echoing Caverns dark. There Thingol sat and heard no soundsave far off footsteps on the ground;no flute, no voice, no song of bird,no choirs of windy leaves there stirred;and Dairon coming no word spoke,silent amid the woodland folk.Then Thingol said: ‘O Dairon wise,with wary ears and watchful eyes,who all that passes in this landdost ever heed and understand,what omen doth this silence bear?What horn afar upon the air,what summons do the woods await?Mayhap the Lord Tavros from his gateand tree-propped halls, the forest-god,rides his wild stallion golden-shodamid the trumpets’ tempest loud,amid his green-clad hunters proud,leaving his deer and friths divineand emerald forests? Some faint signof his great onset may have comeupon the Western winds, and dumbthe woods now listen for a chasethat here once more shall thundering racebeneath the trees of Ennorath.Would it were so! An age now hathgone by since Nahar trod this earthin days of our peace and ancient mirth,ere rebel lords of Eldamarpursuing Morgoth from afarbrought war and ruin to the North.Doth Tauros to their aid come forth?But if not he, who comes or what?’And Dairon said: ‘He cometh not!No feet divine shall leave that shorewhere the Outer Seas’ last surges roar,till many things be come to pass,and many evils wrought. Alas!the guest is here. The woods are still,but wait not; for a marvel chillthem holds at the strange deeds they see,though king sees not – yet queen, maybe,can guess, and maiden doubtless knowswho ever now beside her goes.’ ‘Whither thy riddle points is plain’the king in anger said, ‘but deignto make it plainer! Who is hethat earns my wrath? How walks he freewithin my woods amid my folk,a stranger to both beech and oak?’But Dairon looked on Lúthien’s faceand faltered, seeing his disgracein those clear eyes. He spoke no more,and silent Thingol’s anger bore. Then Lúthien stepped lightly forth:‘Far in the mountain-leaguered North,my father,’ said she, ‘lies the landthat groans beneath King Morgoth’s hand.Thence came one hither; bent and wornin wars and travail, who had swornundying hatred of that king;the last of Bëor’s sons, they sing,and even hither far and deepwithin thy woods the echoes creepthrough the wild mountain-passes cold,the last of Bëor’s house to holda sword unconquered, neck unbowed,a heart by evil power uncowed.No evil needst thou think or fearof Beren son of Barahir!If aught thou hast to say to him,then swear to hurt not flesh nor limb,and I will lead him to thy hall,a son of kings, no mortal thrall.’ Then long King Thingol looked on herwhile hand nor foot nor tongue did stir,and Melian, silent, unamazed,on Lúthien and Thingol gazed.‘No blade nor chain his limbs shall mar’the king then swore. ‘He wanders far,and news, mayhap, he hath for me,and words I have for him, maybe!’Now Thingol bade them all departsave Dairon, whom he called: ‘What art,what wizardry of Northern misthath this illcomer brought us? List!Tonight go thou by secret path,who knowest all wide Doriath,and watch that Lúthien – daughter mine,what madness doth thy heart entwine,what web from Morgoth’s dreadful hallshath caught thy feet and thee enthralls! –that she bid not this Beren fleeback whence he came. I would him see!Take with thee woodland archers wise.Let naught beguile your hearts or eyes!’ Thus Dairon heavyhearted did,and the woods were filled with watchers hid;yet needless, for Lúthien that nightled Beren by the golden lightof mounting moon unto the shoreand bridge before her father’s door;and the white light silent looked withinthe waiting portals yawning dim. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox 1 Zitieren
Berenfox Geschrieben 28. Juni 2014 Autor Geschrieben 28. Juni 2014 (bearbeitet) "The Lay of Leithian", Canto IV.3. Was nun folgt, ist nicht nur das zentrale Element der Geschichte - dem Helden wird seine Aufgabe gestellt - sondern auch dichterisch ein Höhepunkt dessen, was Tolkien zu leisten in der Lage war. Doch zunächst die (schon sehr lange) Prosaversion aus dem "Silmarillion": "Da blickte Thingol in Zorn und Verachtung auf Beren; Melian aber blieb still. »Wer bist du«, sagte der König, »der du hierher kommst wie ein Dieb und es wagst, ungebeten meinem Throne zu nahen?«Beren aber, eingeschüchtert von all der Pracht Menegroths und von der Majestät Thingols, gab keine Antwort, und so sprach Lúthien und sagte: »Er ist Beren, Barahirs Sohn, ein Fürst der Menschen und gefürchteter Feind Morgoths, und vom Ruhm seiner Taten singen schon die Elben.«»Kann er nicht selber sprechen?« sagte Thingol. »Was willst du hier, unseliger Sterblicher, und aus welchem Grunde hast du dein eigenes Land verlassen, um in dieses einzudringen, das solchen von deiner Art verboten ist? Kannst du mir sagen, was mich hindern soll, deine Frechheit und Verblendung hart zu strafen?«Da blickte Beren auf, zuerst in Lúthiens Augen, dann auch in Melians Antlitz, und es war ihm, als würden ihm Worte vorgesagt. Seine Furcht verließ ihn, und der Stolz des ältesten Hauses der Menschen kam ihm wieder, und er sagte: »Mein Schicksal, o König, hat mich hierhergeführt, auf gefahrvollen Wegen, wie auch die Elben sie nicht oft gehen. Und hier habe ich gefunden, was ich nicht suchte und was ich nun, da ich es gefunden, auf immer zu behalten gedenke. Denn dies ist höher als Gold und Silber und alle Edelsteine. Nicht Fels, noch Stahl, noch Morgoths Feuer, noch all die Macht der Elbenkönige sollen mir den Schatz verwehren, nach dem es mich verlangt. Denn Lúthien, deine Tochter, ist das schönste unter allen Kindern der Welt.«Da wurde es still in Thingols Halle, denn allen, die dabeistanden, verschlug es die Sprache, und sie fürchteten, Beren werde sogleich erschlagen. Thingol aber sprach sehr langsam und sagte: »Tod hast du verdient mit dieser Rede, und raschen Tod solltest du finden, hätte ich nicht voreilig einen Eid geschworen; und das reut mich, Sterblicher aus gemeinem Geschlecht, der du wohl in Morgoths Reich gelernt hast, heimlich herbeizukriechen wie seine Späher und Knechte.«Da erwiderte Beren: »Den Tod kannst du mir geben, verdient oder unverdient; doch nicht gemeinen Geschlechts, noch Späher oder Knecht sollst du mich heißen. Felagunds Ring sei Zeuge, den er meinem Vater Barahir auf dem Schlachtfeld des Nordens gab, daß mein Haus solchen Schimpf von keinem Elben verdient, er sei König oder nicht.«Stolz waren seine Worte, und aller Augen sahen nun auf den Ring, den er hochhielt, und grüne Juwelen schimmerten darauf, wie die Noldor sie in Valinor geschliffen. Denn dieser Ring glich zwei Schlangen, deren Augen Smaragde waren und deren Köpfe sich unter einer Krone goldner Blumen trafen, welche die eine hochhielt, während die andre sie verschlang; dies war das Wappen Finarfins und seines Hauses. Da lehnte Melian sich zu Thingol hin und gab ihm flüsternd den Rat, seinen Zorn abzutun. »Denn nicht von dir«, sagte sie, »wird Beren getötet werden, denn weit wird ihn sein Schicksal noch führen am Ende, und doch ist es mit dem deinen verknüpft. Bedenke dies!«Thingol aber blickte schweigend auf Lúthien, und im Herzen dachte er: »Unselige Menschen, Kinder von kleinen Fürsten und kurzlebigen Königen! Soll so einer die Hand auf dich legen und doch am Leben bleiben?« Dann brach er das Schweigen und sagte: »Ich sehe den Ring, Barahirs Sohn, und ich bemerke, daß du deinen Stolz hast und dich mächtig glaubst. Doch eines Vaters Taten, und hätte er seinen Dienst mir selbst erwiesen, taugen nicht, um Thingols und Melians Tochter zu gewinnen. Höre nun! Auch mich verlangt es nach einem Schatz, der mir verwehrt ist. Denn Fels und Stahl und Morgoths Feuer hüten das Juwel, das ich gegen all die Macht der Elbenkönige gern besäße. Doch solche Hindernisse, hörte ich dich sagen, schrecken dich nicht. Geh also diesen Weg! Bring mir in deiner Hand einen Silmaril aus Morgoths Krone, und dann mag Lúthien, wenn sie will, ihre Hand in die deine legen. Dann sollst du auch mein Juwel haben, und für großzügig sollst du mich achten, wenn auch Ardas Geschick in den Silmaril beschlossen liegt.«So fädelte er das Verhängnis von doriath ein und wurde mitverurteilt durch Mandos' Spruch. Und die ihn hörten, erkannten seine Absicht: Beren in den Tod zu schicken, ohne doch eidbrüchig zu werden; sie wußten ja, daß alle Macht der Elben nicht gereicht hatte, um auch nur einmal von fern Feanors Silmaril leuchten zu sehen. Denn die waren in Morgoths Eisenkrone geschmiedet und wurden in Angband vor allen andren Gütern behütet; und Balrogs waren um sie her und zahllose Schwerter, uneinnehmbare Mauern und Morgoths dunkle Majestät.Beren aber lachte: »Für geringes Entgelt«, sagte er, »bieten Elbenkönige ihre Töchter feil, für Gemmen oder andre Handarbeiten. Doch wenn dies ist, was du willst, Thingol, so werde ich's tun. Und wenn wir uns wieder begegnen, so werde ich einen Silmaril aus Morgoths Eisenkrone in der Hand tragen, denn nicht zum letzten Mal hast du Beren, Barahirs Sohn, gesehen.«Dann sah er Melian in die Augen, und sie sagte nichts; und er sagte Lúthien Tinúviel Lebwohl, verneigte sich vor Thingol und Melian, schob die Wachen beiseite, die um ihn waren, und ging allein aus Menegroth fort.Dann endlich sprach Melian, und sie sagte zu Thingol: »O König, schlau ist dein Plan. Doch wenn meine Augen noch sehen können, so geht es schlecht aus für dich, ob Beren nun scheitert oder seinen Auftrag erfüllt. Denn entweder hast du deine Tochter verurteilt oder dich selbst. Und nun wird Doriath ins Geschick eines mächtigeren Reiches verstrickt.«Doch Thingol erwiderte: »Nicht an Elben noch Menschen gebe ich sie her, die mir über alle Schätze lieb und wert ist. Und wenn zu hoffen oder zu fürchten stünde, daß Beren jemals lebendig nach Menegroth zurückkehrt, so soll er das Licht des Himmels zum letzten Male gesehen haben, was ich auch geschworen habe.«Lúthien aber schwieg, und von jener Stunde an sang sie nicht mehr in Doriath. Brütende Stille senkte sich über die Wälder, und die Schatten wurden länger in Thingols Reich." Was das "Silmarillion" zunächst unterschlägt ist eine beeindruckende Beschreibung Menegroths. Beren wird von Lúthien durch die Gänge der "Tausend Grotten" geführt und erlebt die ganze fantastische Schönheit dieses Ortes, in denen die Kunstfertigkeit der Elben in einzigartiger Weise zutage tritt. Obwohl oft kopiert (Nargothrond, Halle der Grünwaldelben, Moria, Erebor...) gibt es nichts, was hiermit vergleichbar wäre. Schon die feine Steinmetzkunst in den Korridoren lässt aufhorchen, doch vor dem Eindruck von Thingols Thronhalle tief unter der Erde verblasst schlichtweg alles andere. Das Zusammenspiel von Licht und Farben, Tönen und elbischer Kunstfertigkeit, von Nachtigallenklang, sprudelndem Wasser, dem ungetrübten Licht von Mond und Sternen und des unsterblichen Tages, von Gold, Silber und Grün, von Säulen wie erdverwurzelte Bäume, deren goldene Äste wie ein verzauberter Wald strahlendes Laub und unsterbliche Blüten bilden... und in der Mitte Thingol und Melian umringt von einem Heer in schimmernder Rüstung. Kein Wunder, dass Beren völlig überwältigt ist und kein Wort hervorbringt.Und doch spielt auch Melian dabei eine Rolle. Die Begegnung der Gefährten mit Galadriel im "Herrn der Ringe" beinhaltet das Element des "sich-durchschaut-fühlens". Galadriels Lehrmeisterin war - Melian. Dass sie sowohl Beren als auch die Gesamtsituation wesentlich klarer durchblickt als Thingol wird im weiteren Verlauf sehr deutlich. Im Grunde verläuft die gesamte Szene nun genau wie in der Prosaversion, wird aber durch viele kleine Elemente bereichert und sehr viel lebendiger gestaltet, was sie für mich zu einem absoluten Höhepunkt in Tolkiens dichterischem Werk macht. Berens schicksalhafte Forderung um Lúthiens Hand greift die Zeile aus dem ersten Canto auf, in dem Lúthien erstmalig erwähnt wurde: "and fairer than are born to man / a daughter had he, Lúthien." Berens Worte werden später von Thingol in genialer Weise paraphrasiert, als er von Beren einen Silmaril für die Hand seiner Tochter fordert. Doch vorher wird die Heftigkeit des Wortstreits zwischen Thingol und Beren unterstrichen. Thingol versucht in blindem Zorn seinen Eid zu umgehen, doch Beren fällt dem großen Elbenkönig mitten ins Wort und beruft sich voller Stolz und mit für Thingol fast beschämenden Worten auf die Taten seines Vaters. Barahirs Ring wird an dieser Stelle eingeführt (und sehr viel schöner beschrieben als an anderen Stellen), und die Geschichte dieses Rings, von der wir im zweiten Canto bereits Bruchstücke erfahren haben, wird um weitere Bruchstücke erweitert (in Canto VI werden die Bruchstücke dann zusammengeführt).An dieser Stelle wird übrigens von "Felagund" als "Finrods Sohn" gesprochen, dies ist einem frühen Konzept geschuldet, dass sich später zu der aus dem "Silmarillion" bekannten Konstellation mit "Finrod Felagund" als "Finarfins Sohn" verändert hat. Auch andere Kleinigkeiten zeugen noch von älteren Konzepten, so wie die Namen der Zwei Bäume von Valinor "Glingal" und "Belthil" für "Laurelin" und "Telperion", oder die von Tolkien später so gehasste Bezeichnung der Noldor als "Gnomes", ebenso wie das Wort "Elfinesse" statt "Elvennesse", das er später überhaupt nicht mehr leiden konnte. Als Thingol schließlich seine Forderung verlauten lässt, tauchen zum ersten Mal im "Lay" die Silmaril-Steine auf. Entsprechend rekapituliert Tolkien deren Geschichte in einer kurzen, aber intensiven Zusammenfassung, bruchstückhaft wie wir es schon gewohnt sind, um nahtlos überzuleiten zu dem Ort, an dem die Silmarilsteine sich gerade befinden: Morgoths Krone, unerreichbar und schrecklich. Beren Worte daraufhin entsprechen denen des Prosatexts. Seine Verabschiedung von Lúthien aber ist eigenartig, denn hier bricht Tolkien mit dem bisherigen Reimschema "aabb" und verwendet "abba". Das hat er auch an anderen Stellen getan, z.B. in "The Homecoming of Beorhtnoth", wo am Ende der Wechsel vom Stabreim auf den Endreim eine bestimmte Aussage unterstreicht.Der Canto endet mit Melian, die bereits vorausahnt, was geschehen wird, und von dem es im "Silmarillion" heißt: "Melian aber sah [Lúthien nach ihrer Entscheidung für das Schicksal der Menschen] in die Augen und las, welches Schicksal darin geschrieben stand; und sie wandte sich ab, denn sie wußte, ein Abschied bis übers Ende der Welt hinaus stand nun zwischen ihnen, und nie ist Schmerz über einen Verlust tiefer gewesen als der Schmerz Melians der Maia zu dieser Stunde." Damit beende ich den kontinuierlichen Durchgang durch das "Lay of Leithian". Einige Auszüge werde ich zwischendurch noch isoliert vorstellen, aber den (nicht weniger lohnenswerten) Rest dieses großartigen Werks kann sich jeder Interessierte eigenständig zu Gemüte führen. Downward with gentle hand she ledthrough corridors of carven dreadwhose turns were lit by lanterns hungor flames from torches that were flungon dragons hewn in the cold stonewith jewelled eyes and teeth of bone.Then sudden, deep beneath the earththe silences with silver mirthwere shaken and the rocks were ringing,the birds of Melian were singing;and wide the ways of shadow spreadas into archéd halls she ledBeren in wonder. There a lightlike day immortal and like nightof stars unclouded, shone and gleamed.A vault of topless trees it seemed,whose trunks of carven stone there stoodlike towers of an enchanted woodin magic fast for ever bound,bearing a roof whose branches woundin endless tracery of greenlit by some leaf-emprisoned sheenof moon and sun, and wrought of gems,and each leaf hung on golden stems. Lo! there amid immortal flowersthe nightingales in shining bowerssang o’er the head of Melian,while water for ever dripped and ranfrom fountains in the rocky floor.There Thingol sat. His crown he woreof green and silver, and round his chaira host in gleaming armour fair.Then Beren looked upon the kingand stood amazed; and swift a ringof elvish weapons hemmed him round.Then Beren looked upon the ground,for Melian’s gaze had sought his face,and dazed there drooped he in that place,and when the king spake deep and slow:‘Who art thou stumblest hither? Knowthat none unbidden seek this throneand ever leave these halls of stone!’no word he answered, filled with dread.But Lúthien answered in his stead:‘Behold, my father, one who camepursued by hatred like a flame!Lo! Beren son of Barahir!What need hath he thy wrath to fear,foe of our foes, without a friend,whose knees to Morgoth do not bend?’ ‘Let Beren answer!’ Thingol said.‘What wouldst thou here? What hither ledthy wandering feet, O mortal wild?How hast thou Lúthien beguiledor darest thus to walk this woodunasked, in secret? Reason good’twere best declare now if thou may,or never again see light of day!’ Then Beren looked in Lúthien’s eyesand saw a light of starry skies,and thence was slowly drawn his gazeto Melian’s face. As from a mazeof wonder dumb he woke; his heartthe bonds of awe there burst apartand filled with the fearless pride of old;in his glance now gleamed an anger cold.‘My feet hath fate, O king,’ he said,‘here over the mountains bleeding led,and what I sought not I have found,and love it is hath here me bound.Thy dearest treasure I desire;nor rocks nor steel nor Morgoth’s firenor all the power of Elfinesseshall keep that gem I would possess.For fairer than are born to Mena daughter hast thou, Lúthien.’ Silence then fell upon the hall;like graven stone there stood they all,save one who cast her eyes aground,and one who laughed with bitter sound.Dairon the piper leant there paleagainst a pillar. His fingers frailthere touched a flute that whispered not;his eyes were dark; his heart was hot.‘Death is the guerdon thou hast earned,O baseborn mortal, who hast learnedin Morgoth’s realm to spy and lurklike Orcs that do his evil work!’‘Death!’ echoed Dairon fierce and low,but Lúthien trembling gasped in woe.‘And death,’ said Thingol, ‘thou shouldst taste,had I not sworn an oath in hastethat blade nor chain thy flesh should mar.Yet captive bound by never a bar,unchained, unfettered, shalt thou bein lightless labyrinth endlesslythat coils about my halls profoundby magic bewildered and enwound;there wandering in hopelessnessthou shalt learn the power of Elfinesse!’‘That may not be!’ Lo! Beren spake,and through the king’s words coldly brake.‘What are thy mazes but a chainwherein the captive blind is slain?Twist not thy oaths, O elvish king,like faithless Morgoth! By this ring –the token of a lasting bondthat Felagund of Nargothrondonce swore in love to Barahir,who sheltered him with shield and spearand saved him from pursuing foeon Northern battlefields long ago –death thou canst give unearned to me,but names I will not take from theeof baseborn, spy, or Morgoth’s thrall!Are these the ways of Thingol’s hall?’Proud are the words, and all there turnedto see the jewels green that burnedin Beren’s ring. These Gnomes had setas eyes of serpents twined that metbeneath a golden crown of flowers,that one upholds and one devours:the badge that Finrod made of yoreand Felagund his son now bore. His anger was chilled, but little less,and dark thoughts Thingol did possess,though Melian the pale leant to his sideand whispered: ‘O king, forgo thy pride!Such is my counsel. Not by theeshall Beren be slain, for far and freefrom these deep halls his fate doth lead,yet wound with thine. O king, take heed!’But Thingol looked on Lúthien.‘Fairest of Elves! Unhappy Men,children of little lords and kingsmortal and frail, these fading things,shall they then look with love on thee?’his heart within him thought. ‘I seethy ring,’ he said, ‘O mighty man!But to win the child of Meliana father’s deeds shall not avail,nor thy proud words at which I quail.A treasure dear I too desire,but rocks and steel and Morgoth’s firefrom all the powers of Elfinessedo keep the jewel I would possess.Yet bonds like these I hear thee sayaffright thee not. Now go thy way!Bring me one shining Silmarilfrom Morgoth’s crown, then if she will,may Lúthien set her hand in thine;then shalt thou have this jewel of mine.’ Then Thingol’s warriors loud and longthey laughed; for wide renown in songhad Fëanor’s gems o’er land and sea,the peerless Silmarils; and threealone he made and kindled slowin the land of the Valar long ago,and there in Tûn of their own lightthey shone like marvellous stars at night,in the great Gnomish hoards of Tûn,while Glingal flowered and Belthil’s bloomyet lit the land beyond the shorewhere the Shadowy Seas’ last surges roar,ere Morgoth stole them and the Gnomesseeking their glory left their homes,ere sorrows fell on Elves and Men,ere Beren was or Lúthien,ere Fëanor’s sons in madness sworetheir dreadful oath. But now no moretheir beauty was seen, save shining clearin Morgoth s dungeons vast and drear.His iron crown they must adorn,and gleam above Orcs and slaves forlorn,treasured in Hell above all wealth,more than his eyes; and might nor stealthcould touch them, or even gaze too longupon their magic. Throng on throngof Orcs with reddened scimitarsencircled him, and mighty barsand everlasting gates and walls,who wore them now amidst his thralls. Then Beren laughed more loud than theyin bitterness, and thus did say:‘For little price do elven-kingstheir daughters sell – for gems and ringsand things of gold! If such thy will,thy bidding I will now fulfill.On Beren son of Barahirthou hast not looked the last, I fear.Farewell, Tinúviel, starlit maiden!Ere the pale winter pass snowladen,I will return, not thee to buywith any jewel in Elfinesse,but to find my love in loveliness,a flower that grows beneath the sky.’Bowing before Melian and the kinghe turned, and thrust aside the ringof guards about him, and was gone,and his footsteps faded one by onein the dark corridors. ‘A guileful oaththou sworest, father! Thou hast bothto blade and chain his flesh now doomedin Morgoth’s dungeons deep entombed,’said Lúthien, and welling tearssprang in her eyes, and hideous fearsclutched at her heart. All looked away,and later remembered the sad daywhereafter Lúthien no more sang.Then clear in the silence the cold words rangof Melian: ‘Counsel cunning-wise,O king!’ she said. ‘Yet if mine eyeslose not their power, ’twere well for theethat Beren failed his errantry.Well for thee, but for thy childa dark doom and a wandering wild.’ ‘I sell not to Men those whom I love’said Thingol, ‘whom all things aboveI cherish; and if hope there werethat Beren should ever living fareto the Thousand Caves once more, I swearhe should not ever have seen the airor light of heaven’s stars again.’But Melian smiled, and there was painas of far knowledge in her eyes;for such is the sorrow of the wise. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Berenfox Geschrieben 5. Juli 2014 Autor Geschrieben 5. Juli 2014 (bearbeitet) Diesmal möchte ich euch etwas brandneues von Tolkien vorstellen. Erst vor wenigen Wochen wurde Tolkiens Beowulf-Übersetzung veröffentlicht, in deren Anhang sich auch ein Gedicht zur Beowulf-Thematik befindet: Das Lay of Beowulf. Es ist nicht allzu lang, dafür umso dichter. Erzählt wird, wie Grendel, das Ungeheuer, Heorot, die Halle des dänischen Königs Hrothgar, überfällt und viele Männer tötet, wie Beowulf übers Meer zu Hilfe kommt und Grendel im Kampf einen Arm ausreißt; wie schließlich Grendels Mutter im Zorn über Heorot herfällt, wie sie von Beowulf bis in ihre Höhle in einem steilufrigen See verfolgt wird und dort mit einem Riesen-Schwert getötet wird; am Ende deutet ein Blick in die Zukunft Heorots Ende wie auch das Ende Beowulfs Jahre später im Kampf mit dem Drachen an. Mir persönlich gefällt dieses Gedicht ausnehmend gut. Das Reimschema ist ziemlich einzigartig bei Tolkien und betont sehr stark einzelne Elemente der Handlung (eine fühere Version des Gedichts war von Tolkien so konzipiert, dass jede Strophe in der vierten und achten Zeile auf "Heorot" endete). Die Handlung hat ein hohes Tempo, ist sehr gerafft und insgesamt allenfalls angedeutet, der Fokus liegt deutlich auf der Anregung der Fantasie des Zuhörers (oder Lesers). Dennoch gibt es großartige Momente, wie den auf dem Thron sitzenden Grendel als "demon lord of Heorot", oder Beowulf (dessen Name wörtlich "Bienenwolf - Bär" bedeutet), der im Kampf mit Grendel als "as bear aroused from mountain's lair" umschrieben wird. Jeden Tolkien-Leser wird außerdem die Parallele freuen, die sich mit "Far over the misty moorlands cold..." zum Lied der Zwerge im "Hobbit" findet ("Far over the Misty Mountains cold..."). THE LAY OF BEOWULF Beowulf and the Monsters Grendel came forth at dead of night;the moon in his eyes shone glassy bright,as over the moors he strode im might, until he came to Heorot.Dark lay the dale, the windows shone;by the wall he lurked and listened long,and he cursed their laughter and cursed their song and the twanging harps of Heorot. The lights were quenched and laughter still;there Grendel entered and ate his fill;and the blood was red that he did spill on the shining floor of Heorot.No Dane ever dared that monster meet,or abide the tramp of those dread feet;in the hall alone he held his seat the demon lord of Heorot. At morn King Hrothgar on his thronefor his lieges slain there mourned alonebut Grendel gnawed the flesh and bone of the thirty thanes of Denmark.A ship there sailed like a wingéd swan,and the foam was white on the waters wan,and one there stood with bright helm on that fate had brought to Denmark. Beowulf soft on his pillow slept,and Grendel in lust to the dark hall crept,the doors sprang back, and in he leapt and grasped the guard of Heorot.As bear aroused from his mountain lairBeowulf grappled with Grendel there,and his arm and claw away did tear, and black blood spilled in Heorot. Merry the mead goes round the board,and merry are men, and glad their lord,and many a jewel and horse and sword he gives in gift to Beowulf.The Danes in slumber all careless lie,nor dream of a fiend that draweth nighto avenge the death her son did die and his blood there spilled by Beowulf. The laughter was still and the lights were low;the mother of trolls there wrought them woe,with a Danish corpse she turned to go and shrieking fled from Heorot.Like a shadow cast on the mountain mist,where the winds were bleak and the heather hissedshe fled, but none could keep her tryst since her son found death in Heorot. There was one who dared over mountain roadto follow her fleeing with dreadful loadto the foaming fall where she abode, while men made moan in Heorot.Far over the misty moorlands coldwhere the wild wolf howled upon the wold,past dragon’s lair and nicor’s hold, and far from the lights of Heorot. There sheer was the shore over waters froreand withered and bent the trees it bore;those waters black were blent with gore of the noblest knights of Denmark.The flaming force there in thunder fell,that cauldron smoked with the fires of hell,and there the demons dark did dwell amid the bones of Denmark. Quoth Beowulf ‘Farewell, comrades free!this journey none may share with me’,and his shining helm plunged in the sea to avenge the woes of Heorot.The nicors gnashed his ringéd mail;he saw their white fangs gleaming pale;a green light burned in that sea-dale in halls more high than Heorot. The demon lurked at her cave’s dark door;her fangs and fingers were red with gore,and skulls of men lay on the floor beneath the feet of Beowulf.At his corslet tore her claws accursedher teeth at his throat for blood did thirst,and the sword there failed and asunder burst that Unferth gave to Beowulf. There nigh was his death in the shadowy deep,where a corpse lay low on bony heap,where Grendel slept in his long sleep and strode no more to Heorot.A sword hung huge on the cavern’s wallonce forged by ancient giants tall;Beowulf seized it – as lightnings fall it fell on the foe of Heorot. ‘O! Ecgtheow’s son’ she then dying said,‘Forbear to hew my vanquished head,or hard and stony be thy death’s bed and a red fate fall on Denmark!’‘Then hard and stony must be the bedwhere at the last I lay me dead’:and Beowulf hewed the demon’s head and haled it back to Denmark. Merrily mead men quaffed at the board,and Hrothgar dealt his golden hoard,but Beowulf wore no more the sword that Unferth gave in Heorot.The moon gleamed in through windows wan;as Beowulf drank he looked thereon,and the light in the eyes of the demon shone amid the blaze of Heorot. On the sails of a ship the sunlight smiled,its bosom with gleaming gold was piled,and the wind blew loud and free and wild as it left the land of Denmark.Voices followed from the sounding shorethat blessed the lord those timbers bore,but that sail returned thither never more, and his fate was far from Denmark. The demon’s head in the hall did hangand grinned from the wall while minstrels sang,till flames leapt forth and red swords rang, and hushed were the harps of Heorot.Latest and last one hoar of head,as he lay on a hard and stony bed,and venom burned him, and he bled, remembered the light of Heorot. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Berenfox Geschrieben 13. Juli 2014 Autor Geschrieben 13. Juli 2014 (bearbeitet) Heute stelle ich euch den unauffälligsten und geheimnisvollsten, aber wichtigsten Charakter in Tolkiens gesamtem Legendarium vor. Bereits in den Lost Tales präsent, trifft man in der gesamten Silmarillion-Überlieferung auf seine Spur bis hinein in den Lord of the Rings, und man begegnet ihm in der Lost Road und den Notion Club Papers sogar im England des 20. Jahrhunderts. Er hat viele Namen, viele Abstammungen, viele Geschichten und lebt in vielen Welten. Ich spreche von Ælfwine. Er ist bei Tolkien das Bindeglied zwischen der realen Welt und der Märchenwelt, der Anderwelt, Faerie. Er ist ein Kind unserer Welt und hat doch Eressea betreten und ist den Elben begegnet. Darin ist er Brendan dem Seefahrer, den ich bereits im Gedicht Imram vorgestellt habe, verwandt.Ein Gedicht Tolkiens ist ein besonderer Ausdruck der Beziehung Ælfwines zur Anderwelt: The Song of Ælfwine on Seeing the Uprising of Eärendil. Der Anblick Earendils, des Morgensterns, der Venus unserer Primärwelt, rührt die unbändige Sehnsucht in dem großen Wanderer auf. Tolkien selbst hat dem Gedicht einen kurzen Prosatext vorangestellt, den ich der Einfachheit halber übersetzt habe, und der alle weiteren Worte überflüssig macht: Ælfwine (Elben-Freund) war in früheren Tagen ein Seemann aus England, der, von der Küste Erins [irlands] aus aufs Meer hinausgetrieben, in die tiefen Wasser des Westens geriet, und gemäß der Legende durch einen merkwürdigen Zufall oder eine Gunst den 'Geraden Weg' des Elbenvolkes fand und schließlich zur Insel von Eressea gelangte. Vielleicht aber, wie manche sagen, fiel er auch, allein in den Wassern, hungrig und durstig, in Trance und ihm wurde ein Gesicht von jener Insel zuteil wie sie einst war, ehe sich ein Westwind erhob und ihn zurück nach Mittelerde trieb. Von keinem anderen Mann wird berichtet, er habe jemals Eressea die Schöne erblickt. Ælfwine war nie wieder imstande länger an Land zu verweilen, und er durchsegelte die westlichen Meere bis zu seinem Tod. Manche sagen sein Schiff sei an der Westküste Erins zerschellt, und dort läge sein Leib; andere sagen, am Ende seines Lebens sei er wieder alleine hinausgezogen in die Tiefen und nie zurückgekehrt.Es wird berichtet er habe diese Verse gesprochen, bevor er zu seiner letzten Reise aufgebrochen sei: 'Fela bið on Westwegum werum uncúðra, wundra and wihta, wlitescýne lond, eardgeard Ylfa and Ésa bliss. Lýt ǽnig wát hwylc his longað sý þám þe eftsíðes yldu getwǽfeð.'"Viele Dinge gibt es dort in den West-Gegenden, den Menschen unbekannt, viele Wunder und viele Geschöpfe: ein Land lieblich anzuschauen, die Heimat der Elben und die Seligkeit der Valar. Wenig kann irgendein Mensch verstehen von der Sehnsucht desjenigen, den das Alter trennt von einer Rückkehr dorthin." THE SONG OF ÆLFWINE on seeing the uprising of Eärendil Eressëa! Eressëa! There elven-lights still gleaming lie On grass more green than in gardens here,On trees more tall that touch the sky With swinging leaves of silver clear.While world endures they will not die, Nor fade nor fall their timeless year,As morn unmeasured passes by O’er mead and mount and shining mere.When endless eve undimmed is near, O’er harp and chant in hidden choirA sudden voice up-soaring sheer In the wood awakes the wandering fire. With wandering fire the woodlands fill: In glades for ever green it glows;In a dell there dreaming niphredil As star awakened gleaming grows,And ever-murmuring musics spill, For there the fount immortal flows:Its water white leaps down the hill, By silver stairs it singing goesTo the field of the unfading rose, Where breathing on the glowing briarThe wind beyond the world’s end blows To living flame the wandering fire. The wandering fire with quickening flame Of living light illumines clearThat land unknown by mortal name Beyond the shadow dark and drearAnd waters wild no ship may tame. No man may ever anchor near,To haven none his hope may aim Through starless night his way to steer.Uncounted leagues it lies from here: In wind on beaches blowing freeNeath cliffs of carven crystal sheer The foam there flowers upon the Sea. O Shore beyond the Shadowy Sea! O Land where still the Edhil are!O Haven where my heart would be! The waves still beat upon thy bar,The white birds wheel; there flowers the Tree! Again I glimpse them long afarWhen rising west of West I see Beyond the world the wayward Star,Than beacons bright in Gondobar More fair and keen, more clear and high.O Star that shadow may not mar, Nor ever darkness doom to die. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Berenfox Geschrieben 19. Juli 2014 Autor Geschrieben 19. Juli 2014 (bearbeitet) Heute greife ich noch einmal auf das "Lay of Leithian" zurück. Als Beren und Lúthien schließlich Angband erreichen, wird in einer Rückblende vom Kampf zwischen Fingolfin und Morgoth erzählt. Im "Silmarillion" nimmt dieser Kampf eine prominente Stelle ein: "Allein kam er [Fingolfin] vor die Tore von Angband, und er stieß in sein Hörn und pochte zum zweiten Mal an die eisernen Pforten, Morgoth zum Zweikampf fordernd. Und Morgoth kam.Es war das letzte Mal in jenen Kriegen, daß er aus den Toren seiner Burg hervortrat, und es heißt, daß er sich der Forderung ungern stellte, denn obgleich seine Macht größer war als jede andere in dieser Welt, so war ihm als einzigem von den Valar doch die Furcht nicht fremd. Vor den Augen seiner Hauptleute aber konnte er sich diesem Kampf nicht entziehen, denn die Felsen hallten von Fingolfins schneidendem Hornklang, und hell und scharf drang seine Stimme bis in die Tiefen von Angband herab; und Fingolfin hieß Morgoth einen Feigling und Sklavenkönig. Also kam Morgoth langsam von seinem Thron in der Tiefe heraufgestiegen, und das Scharren seiner Füße war wie unterirdischer Donner. Und er trat heraus in einem schwarzen Panzer und stand wie ein Turm, eisengekrönt, vor dem König, und sein großer Schild, pechschwarz und ohne Wappen, warf einen Schatten über ihn wie eine Gewitterwolke. Fingolfin aber leuchtete daraus hervor wie ein Stern, denn sein Kettenhemd war mit Silber ausgelegt und sein blauer Schild mit Kristallen besetzt; und er zog sein Schwert Ringil, das glitzerte wie Eis.Dann schwang Morgoth Grond hoch in die Luft, den Unterwelthammer, und schmetterte ihn nieder wie einen Donnerschlag. Doch Fingolfin sprang beiseite, und Grond schlug eine mächtige Grube in die Erde, aus der Rauch und Feuer hervorsprühten. Viele Male versuchte Morgoth, ihn zu zerschmettern, und jedesmal wich Fingolfin aus, wie der Blitz unter einer dunklen Wolke hervorspringt; und er verwundete Morgoth mit sieben Wunden, und siebenmal stieß Morgoth einen Schmerzensschrei aus, bei dem die Heere von Angband mit den Gesichtern zu Boden fielen vor Furcht, und seine Schreie hallten in den Nordlanden wider.Zuletzt aber ermattete der König, und Morgoth hieb ihm den Schild über den Kopf. Dreimal wurde er in die Knie gezwungen, und dreimal stand er wieder auf, brachte den geborstenen Schild wieder empor und rückte sich den zerbeulten Helm zurecht. Doch die Erde um ihn war nun voller Löcher und Gruben, und er strauchelte und fiel rücklings Morgoth vor die Füße; und Morgoth setzte den linken Fuß auf seinen Hals, schwer wie ein stürzender Berg. Doch mit einem letzten und verzweifelten Streich hieb Fingolfin ihm Ringil in den Fuß, und das Blut sprudelte schwarz und dampfend hervor und füllte die Gruben, die Grond gehauen hatte.So starb Fingolfin, der Hohe König der Noldor, der stolzeste und tapferste der Elbenkönige von einst. Die Orks machten von jenem Zweikampf am Tor kein Rühmens, und auch die Elben besingen ihn nicht, denn zu tief ist ihr Schmerz. Doch wird seiner Tat noch gedacht, denn Thorondor, der König der Adler, brachte die Kunde nach Gondolin und nach dem fernen Hithlum. Und Morgoth nahm den Leichnam des Elbenkönigs und zerbrach ihn und wollte ihn seinen Wölfen zum Fraß vorwerfen; doch Thorondor kam aus seinem Horst in den Gipfeln der Crissaegrim herbeigeeilt und stieß auf Morgoth nieder und zerfetzte ihm das Gesicht. Thorondors Flügelschlag klang wie das Rauschen von Manwes Winden, und er packte den Leichnam mit seinen mächtigen Fängen, und steil vor den Orkpfeilen auffliegend, trug er den König davon. Und auf einem Berggipfel, der von Norden auf das versteckte Tal von Gondolin herabblickte, legte er ihn nieder; und Turgon kam hinauf und baute eine hohe Pyramide über dem Leib seines Vaters. Kein Ork wagte hernach jemals, Fingolfins Berg zu überschreiten oder sich seinem Grabmal zu nahen, solange Gondolins Verhängnis noch nicht erfüllt und der Verrat unter seinem Volk noch nicht geboren war. Morgoth hinkte von jenem Tage an auf einem Fuß, und der Schmerz seiner Wunden war nicht zu heilen, und im Gesicht trug er die Narbe von Thorondors Krallen." Das "Lay" erzählt die Geschichte in meinen Augen konzentrierter und intensiver. Es beginnt mit einer Beschreibung von Angband, wie Beren und Lúthien es erblicken, als sie sich nähern. Ohne weitere Umschweife und Erklärungen widmet es sich dann Fingolfin. Warum er dort steht erfährt man nicht, aber seine Verzweiflung, die nicht geringer ist als die von Beren und Lúthien, wird überdeutlich in seiner Herausforderung an Morgoth - die hier dank direkter Rede sehr viel mitreißender wirkt als id der distanzierten Erzählweise des "Silmarillion". Der Kampf wird kraftvoll und schnell in Szene gesetzt, und auch wenn die kleine Atempause, in der von Fingolfins Grablegung geredet wird, ein wenig störend wirkt und auch der Rythmus hier und da nicht ganz ideal ist, gehört dieser Teil zu meinen Favoriten aus dem "Lay". Allein schon die paar Zeilen, in denen Fingolfin schließlich überwältigt und zerbrochen wird, sind das Lesen wert. FINGOLFIN AND MORGOTH Ever the sheer cliffs rose beside,where birds of carrion sat and cried;and chasms black and smoking yawned,whence writhing serpent-shapes were spawned;until at last in that huge gloom,heavy as overhanging doom,that weighs on Thangorodrim’s footlike thunder at the mountain’s root,they [beren and Lúthien] came, as to a sombre courtwalled with great towers, fort on fortof cliffs embattled, to that last plainthat opens, abysmal and inane,before the final topless wallof Bauglir’s immeasurable hall,whereunder looming awful waitsthe gigantic shadow of his gates. In that vast shadow once of yoreFingolfin stood: his shield he borewith field of heaven’s blue and starof crystal shining pale afar.In overmastering wrath and hatedesperate he smote upon that gate,the Gnomish king, there standing lone,while endless fortresses of stoneengulfed the thin clear ringing keenof silver horn on baldric green.His hopeless challenge dauntless criedFingolfin there: ‘Come, open wide,dark king, your ghastly brazen doors!Come forth, whom earth and heaven abhors!Come forth, O monstrous craven lord,and fight with thine own hand and sword,thou wielder of hosts of banded thralls,thou tyrant leaguered with strong walls,thou foe of Gods and elvish race!I wait thee here. Come! Show thy face!’ Then Morgoth came. For the last timein those great wars he dared to climbfrom subterranean throne profound,the rumour of his feet a soundof rumbling earthquake underground.Black-armoured, towering, iron-crownedhe issued forth; his mighty shielda vast unblazoned sable fieldwith shadow like a thundercloud;and o’er the gleaming king it bowed,as huge aloft like mace he hurledthat hammer of the underworld,Grond. Clanging to ground it tumbleddown like a thunder-bolt, and crumbledthe rocks beneath it; smoke up-started,a pit yawned, and a fire darted. Fingolfin like a shooting lightbeneath a cloud, a stab of white,sprang then aside, and Ringil drewlike ice that gleameth cold and blue,his sword devised of elvish skillto pierce the flesh with deadly chill.With seven wounds it rent his foe,and seven mighty cries of woerang in the mountains, and the earth quook,and Angband’s trembling armies shook. Yet Orcs would after laughing tellof the duel at the gates of hell;though elvish song thereof was madeere this but one – when sad was laidthe mighty king in barrow high,and Thorndor, Eagle of the sky,the dreadful tidings brought and toldto mourning Elfinesse of old.Thrice was Fingolfin with great blowsto his knees beaten, thrice he rosestill leaping up beneath the cloudaloft to hold star-shining, proud,his stricken shield, his sundered helm,that dark nor might could overwhelmtill all the earth was burst and rentin pits about him. He was spent.His feet stumbled. He fell to wreckupon the ground, and on his necka foot like rooted hills was set,and he was crushed – not conquered yet;one last despairing stroke he gave:the mighty foot pale Ringil claveabout the heel, and black the bloodgushed as from smoking fount in flood. Halt goes for ever from that strokegreat Morgoth; but the king he broke,and would have hewn and mangled thrownto wolves devouring. Lo! from thronethat Manwë bade him build on high,on peak unsealed beneath the sky,Morgoth to watch, now down there swoopedThorndor the King of Eagles, stooped,and rending beak of gold he smotein Bauglir’s face, then up did floaton pinions thirty fathoms widebearing away, though loud they cried,the mighty corse, the Elven-king;and where the mountains make a ringfar to the south about that plainwhere after Gondolin did reign,embattled city, at great heightupon a dizzy snowcap whitein mounded cairn the mighty deadhe laid upon the mountain’s head.Never Orc nor demon after daredthat pass to climb, o’er which there staredFingolfin’s high and holy tomb,till Gondolin’s appointed doom. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Berenfox Geschrieben 3. August 2014 Autor Geschrieben 3. August 2014 (bearbeitet) Der Bequemlichkeit halber gibt es heute noch einen Ausschnitt aus dem "Lay of Leithian". Die Geschichte rund um Felagunds Tod hat mich immer stark bewegt. Sowohl die Freundschaft zwischen Beren und dem Elbenkönig als auch die Liebe zwischen Beren und Lúthien werden hier auf eine harte Probe gestellt und berührend in Szene gesetzt. Doch zunächst der Prosatext des "Silmarillion": "In Saurons Verliesen lagen Beren und Felagund, und alle ihre Gefährten waren nun tot; [...] Doch als der Wolf kam, um Beren zu holen, wandte Felagund all seine Kraft auf und sprengte seine Fesseln; und er rang mit dem Werwolf und tötete ihn mit Händen und Zähnen, doch auch er selbst wurde tödlich verwundet. Da sprach er zu Beren und sagte: »Ich begebe mich nun zur langen Ruhe in den zeitlosen Hallen jenseits der Meere und hinter den Bergen von Aman. Lange wird es dauern, bis man mich wiedersieht bei den Noldor, und es mag sein, daß wir beide uns im Tod wie im Leben nicht mehr begegnen, denn verschieden sind die Schicksale unsrer Geschlechter. Lebwohl!« Dann starb er in der Dunkelheit, auf Tol-in-Gaurhoth, dessen großen Turm er selbst erbaut hatte. So hielt König Finrod Felagund seinen Eid, der Schönste und Geliebteste aus dem Geschlecht Finwes; Beren aber klagte trostlos an seiner Seite.Zu der Stunde kam Lúthien, und als sie auf der Brücke stand, die zu Saurons Insel führte, sang sie ein Lied, das Mauern von Stein nicht aufhalten konnten. Beren hörte es und glaubte, ihm träume, denn die Sterne leuchteten über ihm, und in den Bäumen sangen Nachtigallen. Und zur Antwort sang er ein Lied der Herausforderung, das er den Sieben Sternen zu Ehren gemacht hatte, der Sichel der Valar, die Varda als Zeichen für den Sturz Morgoths über den Norden gehängt hatte. Dann verließen ihn die Kräfte, und er sank nieder ins Dunkel. [...] Viele Knechte und Gefangene kamen heraus, voll Furcht und Staunens, die Augen gegen das blasse Mondlicht abschirmend, denn sie hatten lange in Saurons Dunkel gelegen. Beren aber kam nicht. Daher suchten ihn Huan und Lúthien auf der ganzen Insel, und Lúthien fand ihn, wie er bei Felagund trauerte. So tief war sein Schmerz, daß er still dalag und ihre Schritte nicht hörte. Da glaubte sie ihn tot und warf die Arme über ihn und fiel in ein Dunkel des Vergessens. Doch Beren, als er aus der Grube der Verzweiflung wieder ans Licht kam, hob sie auf, und wieder sahen sie einander; und der Tag, der über den dunklen Hügeln anbrach, schien auf sie herab.Felagunds Leichnam begruben sie auf dem höchsten Hügel seiner Insel, die nun wieder rein war; und das grüne Grab, wo Finrod, Finarfins Sohn, ruhte, der schönste aller Elbenprinzen, blieb unangetastet, bis das Land verwandelt und zerbrochen wurde und in vernichtenden Meeren unterging. Finrod aber wandelt mit Finarfin, seinem Vater, unter den Bäumen von Eldamar.Nun waren Beren und Lúthien Tinúviel wieder frei, und zusammen zogen sie durch die Wälder, Liebesfreuden erneuernd. Zwar kam der Winter, doch ihnen tat er nicht weh, denn die Blumen welkten nicht, wo Lúthien ging, und die Vögel sangen unter den schneeweißen Hügeln." Sehr viel emotionaler als der kühle Prosatext geht das "Lay" an die Geschichte heran. Schon die Situation im Verlies ist sehr eindringlich, und die verzweifelte Diskussion zwischen Beren und Felagund angesichts ihrer toten Kameraden wie auch die teuflische Stimme des Ungeheuers tun das Ihrige. Nach dem sehr intensiven Kampf die Sterbeworte Felagunds und Berens tiefe Verzweiflung, die dann plötzlich durchbrochen wird von den Motiven des Gesangs, des Tanzes, Lúthiens Schönheit - wer denkt da nicht an Tolkiens Worte in seinem Brief nach Ediths Tod, in dem er von den schwarzen Abgründen in seinem Leben berichtet, aus denen ihn die Erinnerung an jene Waldlichtung immer wieder gerettet hat, auf der Edith für ihn tanzte und sang: "Du solltest etwas von den Dingen wissen, die kein Dokument festhält: von den schrecklichen Leiden unserer Kindheit, aus denen wir einander gerettet haben, aber deren Wunden, die sich später oft als verkrüppelnd erwiesen, wir nicht heilen konnten; von den Leiden, die wir erduldeten, nachdem unsere Liebe begonnen hatte - was alles (mit unseren persönlichen Schwächen, die noch hinzukamen) vielleicht helfen kann, die Verfehlungen und dunklen Punkte, die zeitweise unser Leben befleckt haben, verzeihlich oder verständlich zu machen - und zu erklären, wie all dies uns im Tiefsten nie berührt und die Erinnerungen an unsere Jugendliebe nie getrübt hat. Denn immer wieder (besonders wenn wir allein waren) begegneten wir uns auf der Waldlichtung und gingen viele Male Hand in Hand, um vor unserer letzten Trennung dem Schatten des nahenden Todes zu entkommen." Die erneuerte Liebe zwischen Beren und Lúthien, die auf seine Rettung folgt, ist so durchdringend, froh, hoffnungsvoll, dass die blumigen Worte, die Tolkien hier benutzt, nicht kitschig, sondern einfach passend wirken. Angesichts Felagunds Grab trifft mich jedoch jedes Mal die gleiche Stimmung wie am Ende des "Herrn der Ringe": Trotz hoffnungsvoller Aussicht eine Mischung aus Traurigkeit, Verlust und Sehnsucht, die sich irgendwie nicht stillen lassen will... FELAGUND'S DEATH In Wizard’s Isle still lay forgot,enmeshed and tortured in that grotcold, evil, doorless, without light,and blank-eyed stared at endless nighttwo comrades. Now alone they were.The others lived no more, but baretheir broken bones would lie and tellhow ten had served their master well. To Felagund then Beren said:‘’Twere little loss if I were dead,and I am minded all to tell,and thus, perchance, from this dark hellthy life to loose. I set thee freefrom thine old oath, for more for mehast thou endured than e’er was earned.’ ‘A! Beren, Beren hast not learnedthat promises of Morgoth’s folkare frail as breath. From this dark yokeof pain shall neither ever go,whether he learn our names or no,with Thû’s consent. Nay more, I thinkyet deeper of torment we should drink,knew he that son of Barahirand Felagund were captive here,and even worse if he should knowthe dreadful errand we did go.’ A devil’s laugh they ringing heardwithin their pit. ‘True, true the wordI hear you speak,’ a voice then said.‘’Twere little loss if he were dead,the outlaw mortal. But the king,the Elf undying, many a thingno man could suffer may endure.Perchance, when what these walls immureof dreadful anguish thy folk learn,their king to ransom they will yearnwith gold and gem and high hearts cowed;or maybe Celegorm the proudwill deem a rival’s prison cheap,and crown and gold himself will keep.Perchance, the errand I shall know,ere all is done, that ye did go.The wolf is hungry, the hour is nigh;no more need Beren wait to die.’ The slow time passed. Then in the gloomtwo eyes there glowed. He saw his doom,Beren, silent, as his bonds he strainedbeyond his mortal might enchained.Lo! sudden there was rending soundof chains that parted and unwound,of meshes broken. Forth there leapedupon the wolvish thing that creptin shadow faithful Felagund,careless of fang or venomed wound.There in the dark they wrestled slow,remorseless, snarling, to and fro,teeth in flesh, gripe on throat,fingers locked in shaggy coat,spurning Beren who there lyingheard the werewolf gasping, dying.Then a voice he heard: ‘Farewell!On earth I need no longer dwell,friend and comrade, Beren bold.My heart is burst, my limbs are cold.Here all my power I have spentto break my bonds, and dreadful rentof poisoned teeth is in my breast.I now must go to my long restin Aman, there beyond the shoreof Eldamar for ever morein memory to dwell.’ Thus died the king,as still the elven harpers sing. There Beren lies. His grief no tear,his despair no horror has nor fear,waiting for footsteps, a voice, for doom.Silences profounder than the tombof long-forgotten kings, neath yearsand sands uncounted laid on biersand buried everlasting-deep,slow and unbroken round him creep. The silences were sudden shiveredto silver fragments. Faint there quivereda voice in song that walls of rock,enchanted hill, and bar and lock,and powers of darkness pierced with light.He felt about him the soft nightof many stars, and in the airwere rustlings and a perfume rare;the nightingales were in the trees,slim fingers flute and viol seizebeneath the moon, and one more fairthan all there be or ever wereupon a lonely knoll of stonein shimmering raiment danced alone.Then in his dream it seemed he sang,and loud and fierce his chanting rang,old songs of battle in the North,of breathless deeds, of marching forthto dare uncounted odds and breakgreat powers, and towers, and strong walls shake;and over all the silver firethat once Men named the Burning Briar,the Seven Stars that Varda setabout the North, were burning yet,a light in darkness, hope in woe,the emblem vast of Morgoth’s foe. [...] The captives came and wept and shrilledtheir piteous cries of thanks and praise.But Lúthien anxious-gazing stays.Beren comes not. At length she said:‘Huan, Huan, among the deadmust we then find him whom we sought,for love of whom we toiled and fought?’ Then side by side from stone to stoneo’er Sirion they climbed. Aloneunmoving they him found, who mournedby Felagund, and never turnedto see what feet drew halting nigh.‘A! Beren, Beren!’ came her cry,‘almost too late have I thee found?Alas! that here upon the groundthe noblest of the noble racein vain thy anguish doth embrace!Alas! in tears that we should meetwho once found meeting passing sweet!’ Her voice such love and longing filledhe raised his eyes, his mourning stilled,and felt his heart new-turned to flamefor her that through peril to him came. ‘O Lúthien, O Lúthien,more fair than any child of Men,O loveliest maid of Elfinesse,what might of love did thee possessto bring thee here to terror’s lair!O lissom limbs and shadowy hair,O flower-entwinéd brows so white,O slender hands in this new light!’ She found his arms and swooned awayjust at the rising of the day. * Songs have recalled, by harpers sunglong years ago in elven tongue,how Lúthien and Beren strayedin Sirion’s vale; and many a gladethey filled with joy, and there their feetpassed by lightly, and days were sweet.Though winter hunted through the wood,still flowers lingered where they stood.Tinúviel! Tinúviel!Still unafraid the birds now dwelland sing on boughs amid the snowwhere Lúthien and Beren go. From Sirion’s Isle they passed away,but on the hill alone there laya green grave, and a stone was set,and there there lie the white bones yetof Finrod fair, Finarfin’s son,unless that land be changed and gone,or foundered in unfathomed seas,while Finrod walks beneath the treesin Eldamar and comes no moreto the grey world of tears and war. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Berenfox Geschrieben 12. August 2014 Autor Geschrieben 12. August 2014 (bearbeitet) Eines der am häufigsten besprochenen Gedichte Tolkiens ist "The Sea-Bell", vom berühmten Poeten und Kritiker W.H. Auden sogar als Tolkiens bestes poetisches Werk bezeichnet. Schon stilistisch verführen der Rhythmus und das wunderbare Reimschema dazu, ihm recht zu geben, viel mehr noch jedoch der Inhalt. Inhaltlich geht es in diesem (in der Ich-Perspektive verfassten) Gedicht um einen Erzähler, der am Strand in einer Muschel den Klang des Meeres und der Glocke eines fernen Hafens hört. Ein Boot taucht auf und trägt ihn in ein mysteriöses und schönes Land. Dort nimmt er zwar Gesang und Musik wahr, doch trifft er nie auf einen der Bewohner, die offenbar vor ihm fliehen. Auf einer Anhöhe ernennt er sich selbst zum König der Insel, eine dunkle Wolke lässt ihn aber blind und gebeugt Schutz in einem Wald suchen. Ein Jahr und einen Tag verbringt er dort, und wird, im Verstand umherwandernd, alt und grau. Verloren und gebrochen findet er schließlich sein Boot wieder, das ihn heim trägt. Doch zurückgekehrt in seine Heimat hat die Muschel ihren Klang verloren, und der Erzähler ist sich nicht nur bewusst, dass er das seltsame Land nie wieder sehen wird, sondern er findet sich darüber hinaus auch in seiner Heimat allein und verlassen. Das Gedicht bietet eine ganz ungewöhnliche Perspektive auf die Meeressehnsucht und die Reise übers Meer, die sonst bei Tolkien durchweg positiv besetzt ist. Zum einzigen Mal nimmt sich Tolkien des Scheinterns einer Reise in die Märchenwelt / Anderwelt an. Im Gegensatz zu all den anderen vielen Faerie-Reisenden in Tolkiens Werk (von den Elben über Aelfwine bis hin zum Schmied von Großholzingen) erfährt der Reisende hier nicht nur Ablehnung im Märchenreich, er entfremdet sich schließlich auch von seiner Heimat und wird fast zu einer Art Geist zwischen den Welten. Neben dem stolzen Gebahren des Reisenden im fremden Land, als er sich zum König ausruft, kulminieren in diesem Gedicht viele andere für Tolkiens Werk zentrale Themen wie Sehnsucht, Leid, Sterblichkeit, Anderwelt etc. Eine besondere Tiefe erhält das Gedicht durch seine fiktive Hintergrundgeschichte: Im Vierten Zeitalter in Mittelerde geschrieben trägt es den hingekritzelten Titel "Frodo's Dreme / Frodos Traum" und wird in Verbindung gebracht mit Frodos Zustand nach seiner Rückkehr ins Auenland, seinen unheilbaren Verletzungen und fiebrigen Träumen, wenn er wieder einmal krank wurde. Liest man das Gedicht auf diesem Hintergrund, kann man nicht nur Frodos Zustand in all seiner Gebrochenheit und Entfremdung besser fassen, man kann auch eine völlig neue Facette entdecken: Frodos Angst, in den Westen zu fahren und - noch dramatischer - die Möglichkeit, dass Frodo dort eventuell nicht findet, wonach er sich sehnt... Das Gedicht ist in den "Adventures of Tom Bombadil" erschienen, entsprechend gebe ich die vorhandene deutsche Übersetzung gleich mit dazu. THE SEA-BELL I walked by the sea, and there came to me, as a star-beam on the wet sand,a white shell like a sea-bell; trembling it lay in my wet hand.In my fingers shaken I heard waken a ding within, by a harbour bara buoy swinging, a call ringing over endless seas, faint now and far. Then I saw a boat silently float on the night-tide, empty and grey.‘It is later than late! Why do we wait?’ I leapt in and cried: ‘Bear me away!’ It bore me away, wetted with spray, wrapped in a mist, wound in a sleep,to a forgotten strand in a strange land. In the twilight beyond the deepI heard a sea-bell swing in the swell, dinging, dinging, and the breakers roaron the hidden teeth of a perilous reef; and at last I came to a long shore.White it glimmered, and the sea simmered with star-mirrors in a silver net;cliffs of stone pale as ruel-bone in the moon-foam were gleaming wet.Glittering sand slid through my hand, dust of pearl and jewel-grist,trumpets of opal, roses of coral, flutes of green and amethyst.But under cliff-eaves there were glooming caves, weed-curtained, dark and grey;a cold air stirred in my hair, and the light waned, as I hurried away. Down from a hill ran a green rill; its water I drank to my heart’s ease.Up its fountain-stair to a country fair of ever-eve I came, far from the seas,climbing into meadows of fluttering shadows: flowers lay there like fallen stars,and on a blue pool, glassy and cool, like floating moons the nenuphars.Alders were sleeping, and willows weeping by a slow river of rippling weeds;gladdon-swords guarded the fords, and green spears, and arrow-reeds. There was echo of song all the evening long down in the valley; many a thingrunning to and fro: hares white as snow, voles out of holes; moths on the wingwith lantern-eyes; in quiet surprise brocks were staring out of dark doors.I heard dancing there, music in the air, feet going quick on the green floors.But whenever I came it was ever the same: the feet fled, and all was still;never a greeting, only the fleeting pipes, voices, horns on the hill. Of river-leaves and the rush-sheaves I made me a mantle of jewel-green,a tall wand to hold, and a flag of gold; my eyes shone like the star-sheen.With flowers crowned I stood on a mound, and shrill as a call at cock-crowproudly I cried: ‘Why do you hide? Why do none speak, wherever I go?Here now I stand, king of this land, with gladdon-sword and reed-mace.Answer my call! Come forth all! Speak to me words! Show me a face!’ Black came a cloud as a night-shroud. Like a dark mole groping I went,to the ground falling, on my hands crawling with eyes blind and my back bent.I crept to a wood: silent it stood in its dead leaves; bare were its boughs.There must I sit, wandering in wit, while owls snored in their hollow house.For a year and a day there must I stay: beetles were tapping in the rotten trees,spiders were weaving, in the mould heaving puffballs loomed about my knees. At last there came light in my long night, and I saw my hair hanging grey.‘Bent though I be, I must find the sea! I have lost myself, and I know not the way,but let me be gone!’ Then I stumbled on; like a hunting bat shadow was over me;in my ears dinned a withering wind, and with ragged briars I tried to cover me.My hands were torn and my knees worn, and years were heavy upon my back,when the rain in my face took a salt taste, and I smelled the smell of sea-wrack.Birds came sailing, mewing, wailing; I heard voices in cold caves,seals barking, and rocks snarling, and in spout-holes the gulping of waves.Winter came fast; into a mist I passed, to land’s end my years I bore;snow was in the air, ice in my hair, darkness was lying on the last shore. There still afloat waited the boat, in the tide lifting, its prow tossing.Weary I lay, as it bore me away, the waves climbing, the seas crossing,passing old hulls clustered with gulls and great ships laden with light,coming to haven, dark as a raven, silent as snow, deep in the night. Houses were shuttered, wind round them muttered, roads were empty. I sat by a door,and where drizzling rain poured down a drain I cast away all that I bore:in my clutching hand some grains of sand, and a sea-shell silent and dead.Never will my ear that bell hear, never my feet that shore treadNever again, as in sad lane, in blind alley and in long streetragged I walk. To myself I talk; for still they speak not, men that I meet. ÜBERSETZUNG MUSCHELKLANG Am Meere ging ich, der Sand war feucht,da blendete mich ein weißes Geleucht,so dass ich mich bückte und hob vom Sandeine Muschel auf mit nasser Hand.Befremdlich lag sie und bebend da,als ich sie stumm vor Staunen besah.Sie glich einem Trichter, der sich wandum einen inneren, tönenden Kern,Nachhall der Brandung, unendlich fernIch nahm ihn wahr, als er kaum begann,er schwoll, er nahm ab, er fing wieder an. Dann sah ich ein Schiff, das im Nebel schwammbei Flut, es war grau und leer.Laut rief ich, als es mir näher kam:„Was warten wir? Bring mich ins offene Meer,Es ist später als spät!“ Und ich sprang durch den Gischtan Bord: „Es ist spät, und das Licht erlischt!“ Es trug mich fort, nass von Spritzern und Schaum,reglos lag ich, von Schlaf übermannt.Von dannen trug's mich, ich merkte es kaum,an den seltsamen Strand im Vergessenen Land.Im Zwielicht vernahm ich den Muschelton,den Klang wie zuvor, er schwebte davon,und die Wogen rollten wie eh und jeund zerbarsten am Riff in der brüllenden See. Mich verschlug's an Land, die Küste lag breitund schimmerte weißlich im Meerschaumkleid.Sacht ging die See nun und spiegelte wiegenddie Sterne wider, im Wasser liegend,Klippen, glatt geschliffen und nass,vorn Monde beschienen, funkelten blass. Durch die Finger lief mir glitzernder Sandwie Edelsteinsplitter und glimmernder Tand:Muscheln wie Hörner, gedreht aus Opal,grünliche Flöten, gerade und schmal,winziges Wendeltreppengerüst,Trompeten aus Bronze und Amethyst. Aber schaurige Höhlen lagen auch da,dem Anblick entzogen, dem Abgrund nah,Schlingkraut verbarg sie und schirmte sie ab.Es lief mir kalt den Rücken hinab.Ein bitterer Zugwind fuhr mir durch’s Haar,ich lief davon und floh die Gefahr. Vom Hügel sprang munter ein grün‑grüner Bach.Nach Herzenslust trank ich und wurde hellwach.Ich erklomm sein Bett über Stufe und Stein,kam in ein Traumland und drang da ein.Es lag im Glanze ewigen Lichts,von brandenden Meeren wusste es nichts.Wiesen breiteten sich wie Matten,überspielt von huschenden, leichten Schatten,von Blumen besät, als trügen sie Sterne,herabgefallen aus himmlischer Ferne;und ein blauer Weiher, gläsern und kühl,diente dem Mond als Spiegel und Pfühl. An einem trägen Flusse säumtenSchwertlilien die Ufer, wo Erlen träumtenund Weiden trauerten über den Spitzenschilfiger Speere und Binsenlitzen. Lieder drangen als Echo heraufaus dem Tal tief unten. Ich sah im Laufschneeweiße Hasen vorüberflitzen,Ratten in heimlichen Höhlen sitzen,Stielaugenfalter schaukeln und flattern,Dachse vor ihren Bauen und Gatternstaunend starren. Ich hörte Musik,trippelnde Füße auf grünendem Boden,doch wo ich hintrat, stockte mein Odem:Alles verstummte im Augenblick!Niemals schlug mir ein Gruß entgegen.Keiner ließ sich zu kommen bewegen. Aus schimmernden Blättern und grünem Röhrichtknüpfte ich, unverdrossen und töricht,einen Mantel mir und brach einen Stab,dem ich zum Schmuck einen Wimpel gab,eine Ranke aus Gold. Mein Auge schien klarwie ein Stern zu sein und nahm alles wahr. Mit Blumen gekrönt stand ich königlich da,Herrscher des Hügels, des Lands, das ich sah.Und ich rief so schrill wie ein Gockel kräht.„Antwortet endlich und zeigt, wo ihr steht!Warum dieses Zaudern und Zögern? Warumbleibt ihr alle vor mir, eurem König, stumm?Hier stehe ich mit dem Schwertliliendegen,Rüstung aus Blattwerk zum friedlichen Segen!Sprecht endlich Worte und seht mich an!“Aber nichts geschah. Eine Wolke zog danndrohend und nachtschwarz zu mir herauf.Ich stürzte zu Boden – ich raffte mich aufund lief um mein Leben! Die Finsternisumschloss mich erstickend im mächtigen Vließ.Ich tastete mich, gebückt und krumm,blindlings voran und erreichte den Wald,einen abgestorbenen Aufenthalt,entblättert, reglos und abermals stumm.Dort hockte ich lange, ging dann verwirrtimmer tiefer hinein, wo Eulen schnarrtenim öden Holz, und fand mich verirrtals ein Narr, den andere weiter narrten.Ein Jahr ging hin und mehr als ein Jahr.Der Holzwurm tickte in allen Bäumen,die Spinnen spannen in Zwischenräumenihr Netz, ihre Fäden durchflochten mein Haar. Endlich durchbrach ein Licht die Nacht,und ich sah mein Haar: Es war grau geworden,gekrümmt mein Rücken von quälender Wacht.„Zurück muss ich wieder – ans Meer! In den Norden!Verloren hab ich mein eigenes Ich,kenn nicht den Weg und muss ihn doch gehen,ohne die Schattenverfolger zu sehen.Aber ich fühl es: Sie jagen mich!“Ich stolperte weiter und weiter fort,sie lauerten fledermausgleichüber mir und dem Weg und dem totenOrt und dem ganzen verfluchten Bereich.Mit dornigen Ranken schützte ich michvor dem Wind, dem eisigen Wind,kroch tappend weiter, tastete, schlichertaubten Gefühles und blind. Und eines Tages verspürte ich dochden Geschmack von Wasser und Salz.Ein Regen fiel, der nach Dünung roch,und ich stand am Ende des Walds!Schreiende, klagende Möwen flogenüber die Klippen, wo Seehunde lagen;Wogen rollten in Brechern und zogenschäumend heran, und wurden zerschlagen.Winter brach ein. Ich verlor mich im Nebel,er schluckte mich und verschluckte die Zeit,drückte mir Schnee in den Mund als Knebelund stieß mich zurück in die Einsamkeit. Doch an der Küste lag noch mein Boot,gewiegt von der Flut. Da ließ ich mich fallen,wurde geschaukelt, getragen von allenWellen, hinweg aus der Not und dem Tod!Möwen drängten sich eng auf den Riffen,wir aber drängten ins offene Meer,wo riesige Frachter im Sonnenlicht schiffen,die Segel gebläht und von Lichtfracht schwer.Wir legten zuletzt im Hafen an,das Wasser schwappte, der Tag zerrannund wandelte sich in Nacht und Schnee.Wabernder Vorhang verdeckte die See.Ringsum standen die Häuser verschlossen,finster und nass. In Straßen und Gossentroff es. Alles war menschenleer. Da warf ich alles von mir, was ich trug.Die letzten Sandkörner rieselten leiseaus meiner Faust – keine Muschel schlugmir wie einst entgegen tönenderweise.Den Klang wird mein Ohr nie wieder vernehmen.Mein Fuß wird nie wieder das Land betreten.Zu allen Stunden, frühen und späten,Wandre ich blindlings einher wie ein Schemen.Wohl seh ich Menschen vorübereilen,spricht mich doch keiner jemals an,scheut mich ein jeder, ich scheue jeden,kann nur mehr mit mir selber reden.Aussätzig bin ich, ein Bettelmann. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox 1 Zitieren
Aelfwine Geschrieben 13. September 2014 Geschrieben 13. September 2014 Hallo Berenfox, großes Lob für deinen Thread! Du machst das mit den Einführungen echt gut. Ich bin selbst ein großer Fan von Tolkiens Gedichten. Ich habe diesen Thread gestern erst entdeckt und habe eben mit Schrecken festgestellt, dass dein letzter Beitrag einen Monat her ist. Lässt du ihn einschlafen? Zitieren
Berenfox Geschrieben 13. September 2014 Autor Geschrieben 13. September 2014 Vielen Dank, Aelfwine, das freut mich wirklich sehr! Natürlich lasse ich diesen Thread nicht einschlafen. Ich war nur gerade zwei Wochen in England (sitz grad im Zug heimwärts) und allgemein recht viel um die Ohren. Vielleicht schaff ichs morgen, mal wieder etwas reinzustellen. Zitieren
Berenfox Geschrieben 14. September 2014 Autor Geschrieben 14. September 2014 (bearbeitet) Im April 1915, vor fast einhundert Jahren, schrieb Tolkien ein Gedicht über die Hütte des Vergessenen Spiels, die in den ersten Kapiteln der "Lost Tales" erwähnt wird. Dieses Gedicht überarbeitete er später (Christopher Tolkien tippt auf die 1960er Jahre) unter dem Titel The Little House of Lost Play. Es spielt, grob gesagt, mit der Idee, dass Menschenkinder über einen Traumpfad, den Olore Malle, im Schlaf nach Valinor zu dieser Hütte gelangen können. Im Gedicht sind dies zwei Kinder, ein dunkelhaariges und ein blondes, in denen man mit ein wenig gutem Willen Tolkien selbst und seine Frau Edith erkennen könnte. Die Atmosphäre besitzt noch den Elfenzauber von Tolkiens Frühwerk, und wie der Olore Malle selbst tauchen viele Ideen auf, die von Tolkien später kategorisch verworfen wurden. Dennoch, der Ton des Gedichts ist sehr ruhig und intim und gefällt mir ausnehmend gut. Mich berührt die innige Verbundenheit der beiden Kinder, die das Treiben vor der Hütte beobachten, das "wir" steht stark im Vordergrund und erinnert daran, dass Tolkien seine Märchenwelt zum Teil mit Edith zusammen entdeckte.Wenn man den unbewussten nachtschlafenden Traum beiseite schiebt und sich auf den eingangs erwähnten "firelight thought" als Zugang zu dieser Märchenwelt konzentriert (der entfernt an die Halle des Feuers in Elronds Haus und den dort erzählten Geschichten erinnert), passt dieses Gedicht dann doch recht gut zu Tolkiens Gedanken zur Märchenwelt mit viel Potenzial zur Interpretation. Das "Buch der Verschollenen Geschichten" wurde auch auf Deutsch übersetzt, somit gebe ich die deutsche Übersetzung gleich mit dazu; sie ist jedoch nicht in Reimform gehalten. THE LITTLE HOUSE OF LOST PLAY Mar Vanwa Tyaliéva We knew that land once, You and I, and once we wandered therein the long days now long gone by, a dark child and a fair.Was it on the paths of firelight thought in winter cold and white,or in the blue-spun twilit hoursof little early tucked-up beds in drowsy summer night,that you and I in sleep went down to meet each other there,your dark hair on your white nightgown and mine was tangled fair?We wandered shyly hand in hand,small footprints in the golden sand,and gathered pearls and shells in pails,while all about the nightingales were singing in the trees.We dug for silver with our spades,and caught the sparkle of the seas,then ran ashore to greenlit glades,and found the warm and winding lanethat now we cannot find again, between tall whispering trees. The air was neither night nor day,an ever-eve of gloaming light,when first there glimmered into sight the Little House of Play.New-built it was, yet very old,white, and thatched with straws of gold, and pierced with peeping lattices that looked towards the sea;and our own children’s garden-plotswere there: our own forgetmenots,red daisies, cress and mustard, and radishes for tea.There all the borders, trimmed with box,were filled with favourite flowers, with phlox,with lupins, pinks and hollyhocks, beneath a red may-tree;and all the gardens full of folkthat their own little language spoke, but not to You and Me. For some had silver watering-cans and watered all their gowns,or sprayed each other; some laid plansto build their houses, little towns and dwellings in the trees.And some were clambering on the roof;some crooning lonely and aloof;some dancing round the fairy-ringsall garlanded in daisy-strings, while some upon their kneesbefore a little white-robed kingcrowned with marigold would sing their rhymes of long ago.But side by side a little pairwith heads together, mingled hair, went walking to and frostill hand in hand; and what they said,ere waking far apart them led, that only we now know. Die älteste Version des Gedichts endete mit einem etwas traurigeren Tonfall, der etwas deutlicher macht, dass den beiden der Weg dorthin nun versperrt ist: And why it was Tomorrow cameAnd with his grey hand led us back;And why we never found the same Old cottage, or the magic track That leads between a silver seaAnd those old shores and gardens fairWhere all things are, that ever were – We know not, You and Me. ÜBERSETZUNG: DAS KLEINE HAUS DES VERGESSENEN SPIELS Wir kannten jenes Land einst, du und ich,und einst wanderten wir dort umherin den langen Tagen, die nun lange vergangen sind,ein dunkles Kind und ein helles.War es auf den Pfaden der Feuerschein-Gedankenim Winter, kalt und weiß,oder in den blau gesponnenen Zwielicht-Stundenkleiner früh aufgeschlagener Bettenin schläfriger Sommernacht,daß du und ich im Schlaf hinabgingen,um einander dort zu treffen,dein dunkles Haar auf deinem weißen Nachtgewandund meines hell und wirr? Wir wanderten scheu Hand in Hand,kleine Fußstapfen in dem goldenen Sand,und sammelten Perlen und Muscheln in Eimern,während überall die Nachtigallenin den Bäumen sangen.Wir gruben mit unseren Spaten nach Silberund fingen das Funkeln der Meere,dann rannten wir uferwärts durch grünhelle Lichtungenund fanden den warmen und gewundenen Weg,den nun wir nicht wiederfinden können,zwischen hohen flüsternden Bäumen. Die Luft war weder Nacht noch Tag,ein Immer-Abend dämmernden Lichts,als dort zum erstenmal aufschimmertedas Kleine Haus des Spiels.Neu gebaut war es, doch schon sehr alt,weiß und gedeckt mit goldenem Strohund durchbrochen von Gitterfenstern zum Lugen,die auf das Meer blickten;und unserer eigenen Kindheit Gartenplätzewaren dort: unsere eigenen Vergißmeinnicht,rote Maßliebchen, Kresse und Senf,und Rettiche zum Tee.Dort waren alle Beete, gesäumt von Buchs,gefüllt mit Lieblingsblumen, mit Phlox,mit Lupinen, Nelken und Stockrosenunter einem Rotdornbaum;und alle Gärten voll des Volks,das seine eigene kleine Sprache sprach,doch nicht mit Dir und Mir. Denn manche hatten silberne Wasserkannenund besprengten ihre Kleideroder bespritzten einander; manche machten Pläne,um ihre Häuser zu bauen, kleine Städteund Wohnungen in den Bäumen.Und manche kletterten auf das Dach;manche sangen leise für sich und abseits;manche tanzten um die Feenkreise,alle bekränzt mit Ketten aus Maßliebchen,während andere, knieendvor einem kleinen weißgewandeten König,mit Ringelblumen gekrönt, sangenihre Verse aus alter Zeit.Doch Seite an Seite ein kleines Paar,die Köpfe zusammengesteckt, vermischt das Haar,spazierte auf und ab,noch immer Hand in Hand; und was sie sagten,bevor das Erwachen sie weit auseinander führte,das wissen nun nur wir. Das Ende der ursprünglichen Version lautet übersetzt: Und warum es geschah, daß das Morgen kamUnd uns mit seiner grauen Hand zurückführte;Und warum wir niemals dieselbeAlte Hütte fanden oder den Zauberpfad,Der zwischen einem Silbermeer verläuftUnd jenen alten Küsten und schönen Gärten,Wo alle Dinge sind, die immer waren -Wir wissen es nicht, Du und Ich. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox Zitieren
Octopi Geschrieben 17. September 2014 Geschrieben 17. September 2014 Ich frage mich immer wieder, wenn ich ein neues Gedicht lese, warum Tolkien nicht fuer seine Gedichte bekannt ist. Ich habe bis jetzt noch keinen anderen Dichter gefunden, der mich so einfangen kann und so wunderbare Zeilen schreibt. Du tust mir einen grossen Gefallen, Berefox. Aergerlich nur, dass ich momentan keine Zeit habe, die Gedichte zu lesen, sondern immer nur kurz mal draufsehen kann... Zitieren
Berenfox Geschrieben 17. September 2014 Autor Geschrieben 17. September 2014 Die Frage stelle ich mir schon seit so vielen Jahren. Tolkiens Gedichte faszinieren und berühren mich wie kaum etwas anderes. Das sie so unbekannt sind liegt wohl unter anderem daran, dass Tolkiens Gedichte so verstreut sind. Es wäre höchste Zeit für einen Sammelband! Vielen Dank! Das ist genau das, was ich zu erreichen hoffe: den ein oder anderen dazu zu verführen, eines der Gedichte hier zu lesen und ihn damit anzustecken. Zum Glück laufen dir die Gedichte ja nicht weg. Im Eingangspost habe ich jedes einzelne Gedicht verlinkt und du kannst bequem jederzeit ein beliebiges Gedicht nachlesen. Zitieren
Berenfox Geschrieben 24. September 2014 Autor Geschrieben 24. September 2014 (bearbeitet) Am 24. September 1914, heute vor genau einhundert Jahren, schrieb J.R.R. Tolkien das Gedicht The Voyage of Éarendel the Evening Star. Im späten September 1914 weilte J.R.R. Tolkien auf der Phoenix Farm bei seiner Tante Jane Neave. Zuvor hatte er im mittelalterlichen Exeter Book eine Sammlung von Gedichten unter dem Titel Crist gelesen. Diese Gedichtsammlung gehört neben dem Beowulf zu den wichtigsten Überbleibseln angelsächsischer Literatur. In einem der von Cynewulf verfassten Gedichte war Tolkien auf einen Vers gestoßen, der ihn nicht losließ: „Eala Earendel engla beorhtastofer middangeard monnum sended“ (Hail Earendel, brightest of angels, / above the middle-earth sent unto men)(Heil Earendel, strahlendster der Engel, / über der mittleren Erde den Menschen gesandt) Tolkien, so kann man in Humphrey Carpenters Biografie nachlesen, schrieb später: „I felt a curious thrill, as if something had stirred in me, half wakened from sleep. There was something very remote and strange and beautiful behind those words, if I could grasp it, far beyond ancient English” (Ich spürte einen merkwürdigen Schauder, als hätte sich etwas in mir geregt und wäre halb aus dem Schlaf erwacht. Etwas sehr Fernes, Fremdes und Schönes lag hinter diesen Worten, wenn ich es nur greifen konnte, weit hinter dem Altenglischen.) Auf den ersten Blick mag man glauben, dass es der Begriff "middangeard / middle-earth" gewesen sein muss, der Tolkien so tief berührt hat. Überraschenderweise ist dem nicht so. Vielmehr war es das Wort "Earendel", das eine solche Faszination auf ihn ausübte. Im Angelsächsischen wird „éarendel“ mit „Lichtschein, Strahl“ erklärt, doch Tolkien war der Ansicht, an dieser Stelle besäße das Wort eine besondere Bedeutung. Er glaubte, „Earendel“ sei ursprünglich ein Name gewesen: “When first studying A[nglo]-S[axon] professionally […] I was struck by the great beauty of this word (or name), entirely coherent with the normal style of A[nglo]-S[axon], but euphonic to a peculiar degree in that pleasing but not ‘delectable’ language. Also its form strongly suggests that it is in origin a proper name and not a common noun. This is borne out by the obviously related forms in other Germanic languages; from which amid the confusions and debasements of late traditions it at least seems certain that it belonged to astronomical-myth, and was the name of a star or star-group. To my mind the A[nglo]-S[axon] uses seem plainly to indicate that it was a star presaging the dawn (at any rate in English tradition): that is what we now call Venus: the morning-star [or sometimes evening star] as it may be seen shining brilliantly in the dawn, before the actual rising of the Sun. That is at any rate how I took it. Before 1914 I wrote a ‘poem’ upon Earendel who launched his ship like a bright spark from the havens of the Sun. I adopted him into my mythology – in which he became a prime figure as a mariner, and eventually as a herald star, and a sign of hope to men. [Letters, p. 385]” (“Als ich A[ngelsächsisch] zum erstenmal fachgemäß studierte […], fiel mit die große Schönheit dieses Wortes (oder Namens) auf, das ganz und gar im normalen Stil des a[ngelsächsischen] aufgeht, aber in dieser gefälligen, doch nicht „einschmeichelnden“ Sprache bis zu einem ungewöhnlichen Grade wohlklingend ist. Außerdem deutet die Form stark darauf hin, daß es ursprünglich ein Eigenname und kein gewöhnliches Substantiv ist. Dies wird bestätigt durch die offenbar verwandten Formen in anderen germanischen Sprachen, aus denen bei allen Verwechslungen und Entstellungen späterer Überlieferungen zumindest soviel sicher hervorzugehen scheint, daß es zu einem astronomischen Mythos gehörte und der Name eines Sterns oder einer Sternengruppe war. Nach meiner Auffassung scheinen die a[ngelsächsischen] Belege klar zu besagen, daß es ein Stern war, der die Morgendämmerung ankündigte (jedenfalls in der englischen Überlieferung), das heißt, der, den wir heute Venus nennen: der Morgenstern [oder manchmal auch Abendstern], wie man ihn hell leuchtend in der Frühe, kurz vor Sonnenaufgang sehen kann. So jedenfalls habe ich es verstanden. Vor 1914 schrieb ich ein „Gedicht“ über Earendel, der mit seinem Schiff wie ein blitzender Funke aus dem Hafen der Sonne auslief. Ich adoptierte ihn für meine Mythologie – in der er zum Urbild eines Seefahrers und schließlich zum Botenstern, zum Hoffnungszeichen für die Menschen wurde.“ (Briefe, S. 502)) Inspiriert von dem ersten, vagen Eindruck, den der Vers aus dem Crist auf ihn gemacht hatte, versuchte Tolkien seine Ahnungen zu greifen und goss sie in Form des Gedichts The Voyage of Éarendel the Evening Star. Kurze Zeit später, im Herbst oder Winter 1914, zeigte er dieses Gedicht seinem Freund G. B. Smith. Dieser sagte, dass es ihm gefiele und fragte, worum es darin eigentlich gehe. Tolkien antwortete mit dem Eingeständnis: „Ich weiß nicht, will sehen, daß ich es herausfinde.“ Wie wir wissen, verbrachte er den Rest seines Lebens damit. Aus dem Keim dieses Gedichts erwuchs schließlich sein „Silmarillion“, sein "middle-earth", und tatsächlich, so möchte ich Tolkiens eigene Worte korrigieren, „adoptierte“ er Earendel nicht bloß für seine Mythologie: Earendel war vielmehr der Urfunke, an dem sich seine Mythologie entzündete. Einmal mehr wird an diesem außergewöhnlichen Ereignis deutlich, was Tolkien meinte, als er sagte, dass Worte und Namen den Keim seiner Geschichten bilden würden, und dass er sich nicht als Erfinder seiner Geschichten, sondern als Entdecker verstehe. Earendil wurde schließlich zur Schlüsselfigur im „Silmarillion“, die ihren Schatten (oder besser: ihr Licht) auch in den „Herrn der Ringe“ warf. Heute vor einhundert Jahren jedenfalls wurde dieser Funke entzündet, wurde dieser Keim gelegt – in Form des folgenden Gedichts (leider nur in einer überarbeiteten Fassung): ÉALÁ ÉARENDEL ENGLA BEORHTAST Éarendel arose where the shadow flows At Ocean’s silent brim;Through the mouth of night as a ray of light Where the shores are sheer and dimHe launched his bark like a silver spark From the last and lonely sand;Then on sunlit breath of day’s fiery death He sailed from Westerland. He threaded his path o’er the aftermath Of the splendour of the Sun,And wandered far past many a star In his gleaming galleon.On the gathering tide of darkness ride The argosies of the sky,And spangle the night with their sails of light As the streaming star goes by. Unheeding he dips past these twinkling ships, By his wayward spirit whirledOn an endless quest through the darkling West O’er the margin of the world;And he fares in haste o’er the jewelled waste And the dusk from whence he cameWith his heart afire with bright desire And his face in silver flame. The Ship of the Moon from the East comes soon From the Haven of the Sun,Whose white gates gleam in the coming beam Of the mighty silver one.Lo! with bellying clouds as his vessel’s shrouds He weighs anchor down the dark,And on shimmering oars leaves the blazing shores In his argent-timbered bark. Then Éarendel fled from that Shipman dread Beyond the dark earth’s pale,Back under the rim of the Ocean dim, And behind the world set sail;And he heard the mirth of the folk of earth And the falling of their tears,As the world dropped back in a cloudy wrack On its journey down the years. Then he glimmering passed to the starless vast As an isléd lamp at sea,And beyond the ken of mortal men Set his lonely errantry,Tracking the Sun in his galleon Through the pathless firmament,Till his light grew old in abysses cold And his eager flame was spent. Von der ersten Strophe kennen wir auch die Urfassung: Éarendel sprang up from the Ocean’s cup In the gloom of the midworld’s rim;From the door of Night as a ray of light Leapt over the twilight brim,And launching his bark like a silver spark From the golden-fading sandDown the sunlit breath of Day’s fiery Death He sped from Westerland. Bearbeitet 29. Mai 2015 von Berenfox 1 Zitieren
Nelkhart Geschrieben 24. September 2014 Geschrieben 24. September 2014 Berenfox hat hier eine sehr wichtige Stelle ausgegraben. Tolkien beschreibt in diesem Brief sein eigenes Erweckungserlebnis durch die autopoiëtische Weltpoësie. Sie brauchte nur ein einziges Wort, um seine Faszination zu entzünden. Hinter dem phonetischen Horizont offenbarte sich Tolkien die Ahnung einer grenzenlosen Tiefe, aus der er eine ganze Welt hob. Wir werden in diesen Zeilen also Zeuge des Augenblicks seiner Initiation. Tolkiens eigene diffuse Vorstellung von dieser geheimnisvollen Macht drückte sich allerdings in einer weniger poëtischen Metapher aus. Er nannte sie schlicht: die Suppe. Ach und happy Birthday Mittelerde! Zitieren
Berenfox Geschrieben 24. September 2014 Autor Geschrieben 24. September 2014 (bearbeitet) Den Begriff der "Suppe" benutzte er allerdings nur, um auf Sir George Dasent einzugehen, der mit seiner Suppentheorie ganz und gar nicht Tolkiens Vorstellungen vom Ursprung der Mythen entsprach. Deshalb deutete Tolkien die "Suppe" einfach in seinem Sinne neu. Bearbeitet 24. September 2014 von Berenfox Zitieren
Nelkhart Geschrieben 29. September 2014 Geschrieben 29. September 2014 Das „nur“ erscheint mir doch etwas voreilig, denn tatsächlich reden wir hier von zwei unterschiedlichen Textstellen. Du nimmst offenbar Bezug auf die Passage, in der Tolkien Dasents Metaphorik von "Suppe und Knochen" von seinen eigenen Vorstellungen abgrenzt. Später verwendet der Professor das Bild von der Suppe aber, um einen Zusammenhang zwischen einzelnen Mythologemen und konkreter Historië zu entfalten. Erst hier scheint die Ahnung einer universalen Phantasiegeschichte der Menschheit auf. Sonst aber gut. Zitieren
Berenfox Geschrieben 29. September 2014 Autor Geschrieben 29. September 2014 Nichtsdestotrotz nimmt er das Bild der "Suppe" von Dasent. Er deutet sie im weiteren Verlauf in seinem Sinne um, das hatte ich ja bereits festgehalten; aber das Bild der Suppe taucht nur deshalb auf, weil Dasent es gebraucht hat. Zitieren
Nelkhart Geschrieben 30. September 2014 Geschrieben 30. September 2014 Das kann man natürlich behaupten. Aber niemals beweisen. Wer kann schon sagen, was wirklich in Tolkien vorging? Du plädierst ja sonst auch gerne dafür, den Professor nicht zu eindimensional zu verstehen. Möglicher Weise hat er das Bild mit der Suppe unabhängig von Dasent entwickelt und dessen Verständnis „nur“ als Aufhänger für einen Ansatz benutzt, der ihm offenbar wegen einer ganzen Reihe von Aspekten am Herzen lag. Zitieren
Berenfox Geschrieben 30. September 2014 Autor Geschrieben 30. September 2014 (bearbeitet) Das kann man natürlich behaupten. Aber niemals beweisen. Wer kann schon sagen, was wirklich in Tolkien vorging? Richtig. Aber es war ja nicht ich, dessen Behauptung am Anfang unserer Diskussion stand: Tolkiens eigene diffuse Vorstellung von dieser geheimnisvollen Macht drückte sich allerdings in einer weniger poëtischen Metapher aus. Er nannte sie schlicht: die Suppe. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass diese Metapher - die Tolkien sonst übrigens nirgendwo benutzt - eine Vorgeschichte hat. Und da Tolkien in seinem Märchenaufsatz neben George Dasent auch noch andere Exponenten der Märchen- und Mythenforschung thematisiert (Max Müller und Andrew Lang) und Stichworte aus deren Theorien aufgreift, kann man getrost davon ausgehen, dass es sich mit der Suppenmetapher ebenso verhält. Bearbeitet 30. September 2014 von Berenfox Zitieren
Nelkhart Geschrieben 1. Oktober 2014 Geschrieben 1. Oktober 2014 Richtig. Aber die Behauptung, die am Anfang unserer Diskussion stand, verwendet auch kein strenges „nur“, das andere Deutungen unnötig ausschließt. Im Übrigen habe ich bereits dargelegt, daß es im Grunde zwei verschiedene Suppen-Metaphern gibt, deren deutliche Unterschiede Du verständlicher Weise aus taktischen Gründen leugnen wirst. Tatsächlich aber bezieht sich Tolkien bei der zweiten Suppe nicht mehr nur auf Dasent, sondern auch auf seine vorangehenden Auseinandersetzungen mit Lang und anderen. Insgesamt legt die auffällige Elaboration des zweiten Suppengleichnisses die Vermutung nahe, daß dem Professor das erweiterte Verständnis der Metapher weit wichtiger war, als die Abgrenzung zu Dasent, den er womöglich nur aus Höflichkeit aufgreift. Womit noch nicht gesagt ist, daß die Suppe kein ureigenes Tolkien-Bild ist. Und allein die bloße Vorstellbarkeit dieser Erklärung reicht für mich aus, um Deinen offenbar ohnehin rhetorisch motivierten Ausschluß übereilt zu nennen. Zitieren
Berenfox Geschrieben 1. Oktober 2014 Autor Geschrieben 1. Oktober 2014 Auch ohne "nur" umweht deine Eingangsbehauptung ein ziemlich deutlicher Anspruch, der durch das Wörtchen "schlicht" noch unterstrichen wird. Aber lassen wir das. Da du ja wie üblich im Voraus weißt, dass ich gewisse Tatsachen leugnen werde (die du im Übrigen nur erwähnt und keineswegs dargelegt hast), und sogar meine Motivation kennst, die natürlich rein taktischer Natur ist, und da ich es nach wie vor nicht ausstehen kann, solche Unterstellungen untergeschoben zu bekommen - ist diese Diskussion für mich erledigt. Zitieren
Nelkhart Geschrieben 2. Oktober 2014 Geschrieben 2. Oktober 2014 Paß auf, dies ist Dein Thread und ich finde ihn sehr gelungen. Und Du hast Recht: Dieser alberne Disput ist dem noblen Anliegen Deines Themas vollkommen unwürdig. Ich bin bereit, den strittigen Suppensatz aus #92 herauszunehmen. Dann können die Moderatoren die nachfolgenden Postings wegen mir irgendwohin transplantieren oder auch ganz löschen. Dann ist der Frieden in dieser schönen Halle wieder hergestellt. Was sagst Du? Zitieren
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