Nelkhart Geschrieben 19. September 2014 Geschrieben 19. September 2014 (bearbeitet) Aztlans Bitte führt weit weg vom Gegenstand „Sex in Mittelerde“. Seinem Wunsch nachzukommen, ist nicht ganz einfach für mich, denn das anvisierte Thema hält nicht unbedingt die Erleuchtung bereit, nach der er sucht. Es belohnt den Wißbegierigen bestenfalls mit einem flüchtigen Blick ins Zwielicht einer anderen Welt. Aber ich will mein Bestes versuchen, das Problem zu schildern, das die Hoch-Nerds so fasziniert. Der Herr der Ringe ist ein sehr modernes Buch. Das vergißt man leicht bei all den Drachen, Rittern, und Feen, die darin herumschwirren. Die Märchenelemente können jedoch nicht über den postmodernen Charakter des Werkes hinwegtäuschen. Hierzu sei ein weiteres Mal auf die anachronistischen Postämter des kleinbürgerlichen Auenlandes verwiesen, die neben hochmittelalterlichen Königreichen und gottgleichen Herrschern der Antike bestehen. Des Weiteren erzählt der Herr der Ringe nicht nur von den Abenteuern der Hobbits, sondern gleichzeitig auch seine eigene Überlieferungsgeschichte. Die Verbindung, die der Erzähler des Prologs zwischen den Ereignissen des Ringkriegs und seinem eigenen Jetzt herstellt, hat viele Tolkien-Fans zu der Annahme verleitet, daß Mittelerde im selben zeitlichen Kontinuum angesiedelt sei wie unsere Welt. Nur eben um einiges früher. Doch unter den Hoch-Nerds gibt es einige, die von dieser These nicht überzeugt sind. Die vielen Anspielungen auf historische Strömungen, z.B. Mumifizierung in Númenor, Invasion von Reitervölkern, Erbfolgekriege in Gondor etc. nähren die Vermutung, daß die Geschichte Mittelerdes die irdische in künstlerisch verdichteter Form nachahmt. Wir hätten es demnach im wahrsten Sinne des Wortes mit „Kunstgeschichte“ zu tun. Das Phantastische an Tolkiens Welt ist nicht, daß es dort Magie und Fabelwesen gibt, sondern, daß sie sich selbst so verblüffend ernst nimmt. Schon im Prolog ist diese entwaffnende Selbstverständlichkeit der mittelirdischen Realität spürbar. Der Text klingt so nüchtern und trocken, daß ihn viele Erstleser einfach überblättern. Entscheidend aber ist die sprachliche Abstraktion dieser Prolog-Wirklichkeit. Der zurück blickende Erzähler scheint aus einer zeitlosen Zwischenwelt zu berichten, die uns vertraut und fremd zugleich vorkommt. Dieser geheimnisvolle Ton hat die Skeptiker, (zu denen sich auch Nelkhart zählen muss) zu der verwegenen Auffassung geführt, daß die Zeitalter der Sonne in ein ahistorisches paralleles Heute geführt haben. Diese Zeitebene kennt unseren bürgerlichen Alltag zwar in Grundzügen, blendet aber Popkultur, sexuëlle Selbstbestimmung und andere triviale Modeerscheinungen des 20. Jahrhunderts völlig aus. Tolkien schuf hier auf wenigen Seiten eine behagliche Schaukelstuhl-Gegenwart für seine Leser, die zwischen den Zeiten angesiedelt ist: ein abstrahiertes Heute. Ich nenne diesen literarischen Raum deshalb „das Lesezimmer“. Eine Dimension, in die nur unsere Erfahrungen aus Büchern gelangen, jedoch keine tagespolitischen Ereignisse. Die Ninwë-Stelle aber ist das wichtigste Gegenargument gegen das Lesezimmer. Sie reiht den Fall von Gondolin in das antike Periodisierungssystem der Reichssukzession ein und verbindet damit die historischen Stränge beider Welten zu einer gemeinsamen Erdgeschichte. Bearbeitet 24. September 2014 von Nelkhart 3 Zitieren
Berenfox Geschrieben 19. September 2014 Geschrieben 19. September 2014 (bearbeitet) Um die nach wie vor unbeantwortete Frage aufzuhellen, was es denn mit der Ninwë-Stelle auf sich habe, versorge ich den Leser mal mit ein wenig Kontext in Form eines Zitats (aus dem "Book of Lost Tales 2"): Glory dwelt in that city of Gondolin of the Seven Names, and its ruin was the most dread of all the sacks of cities upon the face of Earth. Nor Bablon, nor Ninwi, nor the towers of Trui, nor all the many takings of Rûm that is greatest among Men, saw such terror as fell that day upon Amon Gwareth in the kindred of the Gnomes; and this is esteemed the worst work that Melko has yet thought of in the world. Dazu eine kleine Erklärung: Bablon, Ninwi, Trui, Rûm The original text of Tuor A had Babylon, Nineveh, Troy, and (probably) Rome. These were changed to the forms given in the text, except Nineveh > Ninwë, changed to Ninwi in Tuor B. Bearbeitet 19. September 2014 von Berenfox 1 Zitieren
Aztlan Geschrieben 22. September 2014 Geschrieben 22. September 2014 (bearbeitet) Vielen Dank für die Erklärung Nelkarth und Berenfox. Es existiert also eine Textstelle in der Städte unserer Geschichte erwähnt werden. Klar unveröffentlichte Zitate, aber dennoch hat sich Tolkien sicher was dabei gedacht, auch wenn er es später nicht in die Hauptbücher einfliessen lies. Bestätigt dies nicht noch mehr den Verdacht das die Ereignisse in Mittelerde in einer weit entfernten Vergangenheit unserer Welt statt finden? Zur Nachahmung unserer Geschichte: Ich dachte Tolkien hat sich explizit dagegen ausgesprochen das er keine Nachahmung unserer Geschichte betrieben hat, oder wollte. Klar wenn man sucht kann man immer parallelen ziehen. Man könnte solche Parallelen so gut wie in jeder Fantasy Geschichte ziehen. Da es immer um ähnliche Themen geht, Böser Feind, Kriege, grosse Helden und Könige. Solche dinge gibt es halt immer auch in unserer Geschichte. Ich denke es ist sehr schwer eine Fantasy Geschichte zu erfinden die absolut keine Parallelen zu der wirklichen Welt hat. Ich denke da zb auch an die vielen Scifi Universen. Die dortigen Aliens sind so gut wie immer überzeichnete Menschen. Bei denen gewisse Eigenschaften extremer sind als bei uns. Aber nichts desto trotz findet man immer parallelen mit einem real existierendem Volk. Tolkien sagte doch mal das es in seiner Heimat zu wenig Mythen gebe. Der Herr der Ringe war für ihn wohl eine Möglichkeit solche Mythen zu schaffen. Das schöne am Herr der Ringe Universum ist ja das man es auf so viele unterschiedliche arten interpretieren kann. Die Möglichkeit die Geschehnisse in Mittelerde als Kunstgeschichte zu sehen, habe ich noch nie in Betracht gezogen. Ich persönlich teile diese Meinung zwar nicht finde sie aber interessant. Bearbeitet 22. September 2014 von Aztlan Zitieren
Nelkhart Geschrieben 24. September 2014 Autor Geschrieben 24. September 2014 Danke für den stummen Hinweis. Ich habe den Fehler korrigiert. Zitieren
Arien Geschrieben 22. Oktober 2014 Geschrieben 22. Oktober 2014 (bearbeitet) Vielen Dank für die Erklärung Nelkarth und Berenfox. Und Aztlan für die 2. Übersetzng des Legendariums. Es existiert also eine Textstelle in der Städte unserer Geschichte erwähnt werden. Klar unveröffentlichte Zitate, aber dennoch hat sich Tolkien sicher was dabei gedacht, auch wenn er es später nicht in die Hauptbücher einfliessen lies. Bestätigt dies nicht noch mehr den Verdacht das die Ereignisse in Mittelerde in einer weit entfernten Vergangenheit unserer Welt statt finden? Jemand kann Fragen, ob er sich wirklich, dabei etwas gedacht hat, oder, vielleicht eher, etwas erahnt. Zur Nachahmung unserer Geschichte: Ich dachte Tolkien hat sich explizit dagegen ausgesprochen das er keine Nachahmung unserer Geschichte betrieben hat, oder wollte. Klar wenn man sucht kann man immer parallelen ziehen. Man könnte solche Parallelen so gut wie in jeder Fantasy Geschichte ziehen. Da es immer um ähnliche Themen geht, Böser Feind, Kriege, grosse Helden und Könige. Solche dinge gibt es halt immer auch in unserer Geschichte. Ich denke es ist sehr schwer eine Fantasy Geschichte zu erfinden die absolut keine Parallelen zu der wirklichen Welt hat. Ich denke und glaube das auch. (oder umgekehrt) Ich denke da zb auch an die vielen Scifi Universen. Die dortigen Aliens sind so gut wie immer überzeichnete Menschen. Bei denen gewisse Eigenschaften extremer sind als bei uns. Aber nichts desto trotz findet man immer parallelen mit einem real existierendem Volk. Parallel zu Elben und Zwerge. Aliens - Mensch - ElbundZwerg Tolkien sagte doch mal das es in seiner Heimat zu wenig Mythen gebe. Der Herr der Ringe war für ihn wohl eine Möglichkeit solche Mythen zu schaffen. Jemand kann fragen, ob, die Utopie, ein anderes Wort ist, als, der Mythos. Das schöne am Herr der Ringe Universum ist ja das man es auf so viele unterschiedliche arten interpretieren kann. Die Möglichkeit die Geschehnisse in Mittelerde als Kunstgeschichte zu sehen, habe ich noch nie in Betracht gezogen. Ich persönlich teile diese Meinung zwar nicht finde sie aber interessant. Ich teile diese Meinung jetzt und halte gleichzeitig den Herrn der Ringe für eine existierende Utopie. Bestätigt dies nicht noch mehr den Verdacht das die Ereignisse in Mittelerde in einer weit entfernten Vergangenheit unserer Welt statt finden? Oder ebenfalls in naher Zukunft? Bearbeitet 22. Oktober 2014 von Arien Zitieren
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