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Können Ainur vernichtet werden?


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Geschrieben

Kann man einen Ainur wirklich entgültig vernichten? Oder kann man nur den Körper vernichten, den Geist aber nicht?

Da der Ring zerstört ist, lebt Sauron doch noch weiter, aber nur schwächer. Kann man ihn nicht entgültig vernichtetn? Kann das nur Ilúvatar?

  • 4 Wochen später...
Geschrieben

Ich würde durchaus sagen, dass Ainur vernichtet werden können, sobald sie sich mit einem stärkeren anlegen.

Sauron hat ja einen Großteil seiner eigenen Macht in den Ring hinein fließen lassen und während der letzten Schlacht hat ja niemand gegen ihn direkt gekämpft. Es wurde schlicht der Ring vernichtet.

Daher sehe ich das so, dass Sauron schlicht aufgegeben hat. Da er mit der Vernichtung des Ringes unwiederbringlich den größten Teil der eigenen Macht verloren hat, hat er schlicht aufgegeben und sich zurückgezogen, da er mit dem was ihm verbleibt keine Chance sieht die Macht an sich zu reißen. Bis zur Vernichtung hat ihn die Hoffnung getragen, dass er ihn findet und seine volle Macht zurück erhält. Zwar hat er es selbst in diesem geschwächten Zustand geschafft Mittelerde in ein Chaos zu stürzen traut er es sich nach dieser Niederlage und ohne Hoffnung auf den Ring nicht mehr zu.

  • 2 Wochen später...
Geschrieben

Der Geist (eala in diesem Fall) kann nicht endgültig zerstört werden, das gilt aber für alle Arten von "spirits".

Bei den Ainur muss man zwischen Nicht-Inkarnierten (Diskarnierte), Inkarnierten und dauerhaft Inkarnierten unterscheiden.

-Diskarniertheit stellt den natürlichen Zustand der Ainur dar, in welchem sie nicht zerstört, jedoch von mächtigeren Wesen in ihrer Bewegung eingeschränkt und vermutlich "unterworfen" werden können.

-Inkarnierte Ainur, also solche, die einen physischen Körper angenommen haben, können getötet werden. Das heißt, dass ihr Körper irreparabel beschädigt oder komplett zerstört werden kann. Dies hat auch Auswirkungen auf den Geist und scheint ihn dauerhaft zu schwächen (vor allem scheint es die Fähigkeit zu beeinflussen in welchem Ausmaß später die Form gewechselt werden kann). Ist ein Ainu allerdings nur temporär inkarniert, also noch nicht in seinem Körper "gefangen" und noch fähig die Gestalt zu wandeln oder gar komplett zu verlassen, kann er nach einer gewissen Regenerationszeit wieder physische Form annehmen (aber nicht beliebig oft!).
Eine Ausnahme stellen hier die Valar dar. Selbst ihre physischen Körper sind unzerstörbar (den enorm gefallenen und nicht mehr als Vala geltenden späteren Morgoth ausgenommen).

-Dauerhaft inkarnierte Ainur können genauso sterben wie die anderen Inkarnierten auch (Elben, Menschen, Zwerge usw). Sie sind so sehr von ihrem Körper abhängig geworden, dass es ihnen nicht möglich ist ohne ihn die materielle Welt um sie herum zu beeinflussen (im Gegensatz zu natürlicherweise Diskarnierten). Nach der für den Geist äußerst traumatischen Zerstörung der physischen Gestalt sind sie nicht imstande sich genügend zu fokussieren um wieder Form anzunehmen. Sie sind dann "for all intents and purposes" permanent 'tot'. Das ist jenes Schicksal welches Sauron nach der Vernichtung des Rings ereilt hat.
Die Ausnahme hiervon ist einzig und allein Melkor/Morgoth, aber selbst er braucht Äonen bis er genug Kraft gesammelt hat um zurückzukehren.

Anomalien wie Sauron mit dem Ring als "Anker" und Gandalfs Wiederauferstehung durch Eru stellen natürlich Spezialfälle dar.

Geschrieben (bearbeitet)

Ich glaube, dass die Frage etwas anders gemeint war - aber ansonsten hat Dwimmerlaik die Zustände recht gut umrissen.

Was aber in jedem Fall gilt, ist daß ein Geist - sei es ein ein Ainu (auch ealar genannt, da ihr natürlicher wesenszustand körperlos ist), oder auch ein Inkarnierter (also Elb, Mensch oder Zwerg) als solcher unzerstörbar ist. Was mit dem körperlosen Geist nach der Vernichtung seines Körpers passiert, ist vom Wesen abhängig. Für die Kinder Ilúvatars gibt es einen vorgegebenen Weg: Mandos' Hallen für Elben (die meisten zumindest) und wohl auch Zwerge und für Menschen bald darauf das Verlassen der Welt.

Im Falle von "böser" Ainur deren Körper zerstört wurde (hier wurde ja explizit nach Sauron nach der Vernichtung des Einen Ringes gefragt), so ist zwar sein Körper zerstört, aber sein - geschwächter - Geist existiert nach wie vor in Arda (also der physischen Schöpfung). Der wichtige Punkt hierbei ist, daß sein Geist aufgrund der vorangegangenen Ereignisse so stark geschwächt ist, daß er dauerhaft (und nicht nur vorübergehend wie nach der Niederlage gegen den Letzten Bund) nicht mehr in der Lage ist, eine physische Gestalt anzunehmen. Dies ist deswegen besonders wichtig, weil ein physischer Körper Voraussetzung dafür ist, in der physischen Welt auch Macht und Herrschaft auszuüben bzw. ganz allgemein mit anderen physischen Wesen zu interagieren. Tolkien sagt dies auch in dem Sinne, daß Sauron fortan ein Geist des Hasses sei, unfähig wieder irgendeine Macht über die physische Welt zu gewinnen.

Hinzu kommt auch noch eine psychische "Verstümmelung" dergestalt, daß er aufgrund des Machtverlustes auch nicht mehr in der Lage ist "rational" zu denken und sich evtl. über langes und geduldiges "Zusammensammeln" verlorener "Machtbrocken" (meine Worte), wieder an Kraft zu wachsen. Mit modernen Worten gesprochen, verfügt sein verstümmelter Geist dauerhaft nicht mehr über genügend "kritische Masse" um irgendwie alte Macht zurückzugewinnen.

Bearbeitet von Tolwen
Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb Tolwen:

Dies ist deswegen besonders wichtig, weil ein physischer Körper Voraussetzung dafür ist, in der physischen Welt auch Macht und Herrschaft auszuüben bzw. ganz allgemein mit anderen physischen Wesen zu interagieren. Tolkien sagt dies auch in dem Sinne, daß Sauron fortan ein Geist des Hasses sei, unfähig wieder irgendeine Macht über die physische Welt zu gewinnen.

Das gilt aber nur für (durch Tod) dauerhaft sehr geschwächte, psychisch "verstümmelte" (wie du es nennst) Ainur. Die Valar zB haben ihre demiurgischen Tätigkeiten zu Beginn des Universums ohne einen physischen Körper ausgeübt. Auch Visionen und Bilder können an Inkarnierte übertragen werden ohne dass die Ainur dafür selbst materielle Formen annehmen müssen.
Beim Rest gehe ich d'accord.

Geschrieben
Am 2.12.2016 um 00:57 schrieb Dwimmerlaik:

Das gilt aber nur für (durch Tod) dauerhaft sehr geschwächte, psychisch "verstümmelte" (wie du es nennst) Ainur.

Natürlich. Weil speziell nach Sauron nach Vernichtung des Einen gefragt wurde, habe ich diesen Fall etwas breiter erläutert.

Grüße
Tolwen

Geschrieben
Am 2.12.2016 um 00:57 schrieb Dwimmerlaik:

Die Valar zB haben ihre demiurgischen Tätigkeiten zu Beginn des Universums ohne einen physischen Körper ausgeübt.

Haben sie nicht. Sie haben nur gesungen. Alles andere ging von Eru aus. Wirklich tätig wurden die Valar erst, als sie in Ea eintraten und körperliche Gestalt annahmen.

Geschrieben (bearbeitet)

Sie traten aber nicht in Eä ein und haben sofort körperliche Gestalt angenommen. Sie haben das Universum betreten, begannen ihre demiurgischen Arbeiten und kleideten sich erst in physische Körper nachdem Melkor sich nach einem ersten "Scharmützel" aus Arda zurückzog:

 

Zitat

But when the Valar entered into Eä they were at first astounded and at a loss, for it was as if naught was yet  made which they had seen in vision, and all was but on point to begin and yet unshaped, and it was dark. For the Great  Music had been but the growth and flowering of thought in the Tuneless Halls, and the Vision only a foreshowing; but  now they had entered in at the beginning of Time, and the Valar perceived that the World had been but foreshadowed  and foresung, and they must achieve it. So began their great labours in wastes unmeasured and unexplored, and in ages  uncounted and forgotten, until in the Deeps of Time and in the midst of the vast halls of Eä there came to be that hour  and that place where was made the habitation of the Children of Ilúvatar. And in this work the chief part was taken by  Manwë and Aulë and Ulmo; but Melkor too was there from the first, and he meddled in all that was done, turning it if  he might to his own desires and purposes; and he kindled great fires. When therefore Earth was yet young and full of  flame Melkor coveted it, and he said to the other Valar: 'This shall be my own kingdom; and I name it unto myself!' 
But Manwë was the brother of Melkor in the mind of Ilúvatar, and he was the chief instrument of the second  theme that Ilúvatar had raised up against the discord of Melkor; and he called unto himself many spirits both greater  and less, and they came down into the fields of Arda and aided Manwë, lest Melkor should hinder the fulfilment of  their labour for ever, and Earth should wither ere it flowered. And Manwë said unto Melkor: 'This kingdom thou shalt  not take for thine own, wrongfully, for many others have laboured here no less than thou.' And there was strife between  Melkor and the other Valar; and for that time Melkor withdrew and departed to other regions and did there what he  would; but he did not put the desire of the Kingdom of Arda from his heart.
Now the Valar took to themselves shape and hue; and because they were drawn into the World by love of the  Children of Ilúvatar, for whom they hoped, they took shape after that manner which they had beheld in the Vision of  Ilúvatar, save only in majesty and splendour. Moreover their shape comes of their knowledge of the visible World,  rather than of the World itself; and they need it not, save only as we use raiment, and yet we may be naked and suffer  no loss of our being. Therefore the Valar may walk, if they will, unclad, and then even the Eldar cannot clearly perceive  them, though they be present. But when they desire to clothe themselves the Valar take upon them forms some as of  male and some as of female; for that difference of temper they had even from their beginning, and it is but bodied forth  in the choice of each, not made by the choice, even as with us male and female may be shown by the raiment but is not  made thereby. But the shapes wherein the Great Ones array themselves are not at all times like to the shapes of the  kings and queens of the Children of Ilúvatar; for at times they may clothe themselves in their own thought, made visible  in forms of majesty and dread.
And the Valar drew unto them many companions, some less, some well nigh as great as themselves, and they  laboured together in the ordering of the Earth and the curbing of its tumults. Then Melkor saw what was done, and that  the Valar walked on Earth as powers visible, clad in the raiment of the World, and were lovely and glorious to see, and  blissful, and that the Earth was becoming as a garden for their delight, for its turmoils were subdued. His envy grew  then the greater within him; and he also took visible form, but because of his mood and the malice that burned in him  that form was dark and terrible. And he descended upon Arda in power and majesty greater than any other of the Valar, as a mountain that wades in the sea and has its head above the clouds and is clad in ice and crowned with smoke and  fire; and the light of the eyes of Melkor was like a flame that withers with heat and pierces with a deadly cold.
The Silmarillion

"Took to themselves shape and form" kommt chronologisch klar nach ihren "great labours". Auch Morgoth hat erst "visible form" angenommen nachdem er seine großen Feuer entfacht und die Valar bei ihren Arbeiten gestört hat.

Bearbeitet von Dwimmerlaik
Geschrieben

Die Sehnsucht nach Klassifizierung und Ordnung erscheint in Anbetracht des Fabelwesen-Dschungels, den uns Tolkien hinterlassen hat, nachvollziehbar.

Gewiß hilft diese Ainu-Soziologie dem Einsteiger, sich im Pantheon von Aman zu oriëntieren. Darüber hinaus versperrt der Wunsch nach unumstößlichen Hierarchie-Stufen aber das Verständnis für das poëtische Gefüge der valinorischen Götterwelt. In Tolkiens Kosmos haben Geschichten grundsätzlich Priorität vor Naturgesetzen. Zugunsten der mythischen Schönheit kippte der Professor immer wieder die eigenen Ordnungsprinzipiën: Yavannas Kind bringt es kurioser Weise zum Vala. Manwës Sohn wird nur ein Maia. Maiar vermischen sich mit Eldar, Eldar mit Edain und bringen so die große Erlösung der Welt zustande. Und wer weiß: Vielleicht kann ein Vala, der Tränen weint, auch bluten und am Ende mit Eä untergehen.

Dwimmerlaiks Worte aufgreifend und erweiternd könnte man sagen: Nicht nur Sauron und Gandalf sind Spezialfälle, sondern letztendlich alle Ainur. Die hier diskutierten Gesetzmäßigkeiten sind eine Illusion.
Das System der Verkörperten und Nicht-Verkörperten halte ich für ein nützliches Hilfskonstrukt, aber letztendlich ist es viel zu eng für die göttlichen Biographiën, die Tolkien ein Menschenalter lang in seinem Denken organisch heranreifen ließ.

Geschrieben (bearbeitet)

Sehe ich anders. Die innere Konsistenz seiner Welt war Tolkien sehr wichtig. Er hat zwar oft aus "dem Gefühl heraus" geschrieben und erst hinterher versucht es mit den Gesetzmäßigkeiten seines Universums in Einklang zu bringen. Wenn dies aber nicht gelang und sich tatsächlich ein Widerspruch ergab hat er diese Idee aber zugunsten der Konsistenz aufgegeben. Natürlich hält keine Klassifizierung einer Überprüfung anhand veralteter Versionen der Geschichten stand.
Davon abgesehen wissen wir natürlich nicht wie das Silmarillion ausgesehen hätte, wenn Tolkien geschafft hätte es zu seinen Lebzeiten zu veröffentlichen. Aber Konsistenz und "poetisches Gefüge" müssen sich keinesfalls gegenseitig im Weg stehen, bei Weitem nicht. Die große Kunst ist ja eben beides miteinander zu verbinden.

Bearbeitet von Dwimmerlaik
Geschrieben

Das mit dem „anders sehen“ sehe ich ganz ähnlich. Deine „Konsistenz“ und mein „poëtisches Gefüge" weisen sicherlich Überschneidungen auf. Allerdings heißt der grundlegende Maßstab bei Dir offenbar „Ordnung“, bei mir aber „Ästhetik“. Nun gehen beide Prinzipiën regelmäßig Allianzen miteinander ein, beispielsweise als Symmetrie.
Auf das dargestellte Prioritätsverhältnis beharrend würde ich jedoch behaupten: Tolkien akzeptierte ästhetische Motive auch wenn sie orchideenhaft waren (der ewig unklassifizierbare Tom Bombadil ist hier ein gutes Beispiel), aber Ordnungszwänge nur dann wenn sie seinen ästhetischen Ansprüchen genügten (zum Beispiel die Zuordnung der Silmarilli und der Ringe nach den Elementen).


Eine tiefe Konsistenz-Krise sehe ich im Kapitel „Myths transformed“, das Christopher Tolkien in der „History of Middle-Earth“ thematisiert. Offenbar versuchte Tolkien mitten im Entwicklungsprozeß der Quenta alles umzuschmeißen und seine mythischen Motive mit moderner Naturwissenschaft in Einklang zu bringen. Hier finde ich die stark rational getriebenen Harmonisierungsbestrebungen, die Du ansprichst.

In wie fern „Myths transformed“ als exzentrische Laune des Professors abzutun ist, läßt sich kaum bestimmen. Hier könnte tatsächlich nur ein von Tolkien selbst veröffentlichtes Silmarillion letztgültige Antworten geben.

Geschrieben

Mit Konsistenz meine ich vor allem ganz einfach die Einhaltung bereits etablierter Regeln. Wenn wir zum Beispiel in einem veröffentlichten Buch sehen, dass auch Menschen in der Lage sind "Magie" anzuwenden, sollte das auch in späteren Werken gelten (Tolkiens deshalb nicht abgeschickter Briefentwurf ist dir vermutlich bekannt).
Das hat gar nicht mal mit einem Kategorisierungszwang zu tun, mit Bombadil z.B. habe ich keinerlei Problem. Ich mag einfach nur keine "Brüche" im logischen Gefüge innerhalb der Welt. Eben das was Tolkien in "On Fairy-Stories" und "The Monsters and the Critics" beschreibt:

Zitat

 The achievement of the expression,  which gives (or seems  to give) “the inner consistency of reality,” is indeed another thing, or  aspect, needing another name: Art, the operative link between Imagination and the final result, Sub-creation.

...

...[The author] makes a Secondary World which your mind can enter. Inside it, what he relates is 'true': it accords with the laws of that world. ... The moment disbelief arises, the spell is broken; the magic, or rather art, has failed

 

 

Zitat

Offenbar versuchte Tolkien mitten im Entwicklungsprozeß der Quenta alles umzuschmeißen und seine mythischen Motive mit moderner Naturwissenschaft in Einklang zu bringen. Hier finde ich die stark rational getriebenen Harmonisierungsbestrebungen, die Du ansprichst.

Um ehrlich zu sein finde auch ich diesen Versuch äußerst bizarr und halte ihn für zum Scheitern verurteilt. Eine fiktive Epoche auf unserer Erde ist natürlich schon einmal grundlegend unmöglich mit dem in Einklang zu bringen was wir über sie wissen. Daher halte ich Tolkiens halbherzige Versuche seine Schöpfungsgeschichte mit modernen astronomischen Erkenntnissen zu harmonisieren auch für eher fehlgeleitet.
Wie gesagt, mir geht es um Konsistenz innerhalb der fiktiven Welt, aber nicht auch noch um Konsistenz zwischen Mittelerde und unserer realen Welt. Auch wenn es die selbe Erde sein soll, aber das kann ich dann gerade noch hinnehmen ;-)

Geschrieben (bearbeitet)

Nur weil Christopher Tolkien die Brüche in seinem "Silmarillion" aufwändig übertüncht hat heißt das nicht, dass es keine gibt. Tolkiens Entwürfe sind voll von Brüchen, und niemand kann sagen wie Tolkiens "Silmarillion" am Ende ausgesehen hätte. Auch wenn du seine Versuche, das Legendarium naturwissenschaftlich anzugleichen, für zum Scheitern verurteilt hältst (und mir persönlich beschert das auch ein ungutes Gefühl): Wer weiß wie Tolkien das gelöst hätte, hätte er mehr Zeit gehabt?

Interessanterweise finde ich Tolkiens Entwürfe trotz aller Brüche nicht inkonsistent. Im Gegenteil oft sogar sehr viel stimmiger als das, was Christopher zusammengestellt hat.

Die von dir angesprochene "inner consistency of reality" halte ich für sehr viel komplexer und dehnbarer als du. Es ist eine Gratwanderung, die sich weniger mit Kleinkram abgibt als viele Leser glauben. Tolkien umschreibt das nicht umsonst mit "art". In der Kunst reicht oft ein hauchdünner roter Faden aus, um das Gebilde aus eigener Kraft zusammenzuhalten. Eine breit ausgewalzte Systematik ist da nicht so notwendig, wie viele sich das wünschen...

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben
Zitat

Nur weil Christopher Tolkien die Brüche in seinem "Silmarillion" aufwändig übertüncht hat heißt das nicht, dass es keine gibt.

Habe ich auch nicht behauptet.

Zitat

Interessanterweise finde ich Tolkiens Entwürfe trotz aller Brüche nicht inkonsistent. Im Gegenteil oft sogar sehr viel stimmiger als das, was Christopher zusammengestellt hat.

Stimme ich zu.

Zitat

Die von dir angesprochene "inner consistency of reality" halte ich für sehr viel komplexer und dehnbarer als du. Es ist eine Gratwanderung, die sich weniger mit Kleinkram abgibt als viele Leser glauben. Tolkien umschreibt das nicht umsonst mit "art". In der Kunst reicht oft ein hauchdünner roter Faden aus, um das Gebilde aus eigener Kraft zusammenzuhalten. Eine breit ausgewalzte Systematik ist da nicht so notwendig, wie viele sich das wünschen...

Um ehrlich zu sein klingt "ein hauchdünner roter Faden, der das Gebilde aus eigener Kraft zusammehält" ziemlich schwammig und eher nichtssagend. Magst du das ein wenig ausführen?

Geschrieben (bearbeitet)

Zum Thema Brüche möchte ich auch noch einen Gedanken beisteuërn.
Am Ende des Zweiten Zeitalters der Sonne zerbricht die Welt im wahrsten Sinne des Wortes. Ardas Gestalt verwandelt sich von einer Scheibe (oder einem Schiff) in eine Kugel. Mit weitreichenden metaphysischen Konsequenzen für die Bewohner des Planeten.
Kaum einem anderen Buch würde man eine derart drastische Katastrophe mitten in der Geschichte verzeihen. Tolkien aber kaufen wir diese wortwörtliche Änderung seines „Weltbildes“ ab, denn Eä verfügt praktischer Weise über einen Allmächtigen.

Ob dieses Absolutum nun identisch mit Tolkien oder dem Gott der Bibel ist, spielt hierbei keine Rolle. In jedem Fall aber macht Ilúvatar jede Diskussion über Konsistenz überflüssig (es sei denn vielleicht auf der Ebene Heideggers), denn seine Omnipotenz ist logischer Garant genug, um fast jede erdenkliche Verletzung jener Konsistenz auszubügeln. Mit der Akallabêth zeigt Eru, daß er mit seiner Welt machen kann, was er will. Ihm ist nichts unmöglich und wir schlucken alles, was er uns zumutet. Selbst, daß Tote wieder lebendig und Menschen zu Eldar werden.

Nur im Dialog mit dem dissonanten Anarchisten Melkor läßt der Allmächtige durchblicken, welchem Prinzip er sich einzig und allein verpflichtet fühlt: Sein Kunstwerk soll unterhalten. Das heißt: Alles ist erlaubt, solange es die Geschichte großartiger macht.

Ilúvatar ist das Fort Knox für unser Bedürfnis, daß in Mittelerde alles Sinn machen muß. Er ist die in der Bank hinterlegte Gold-Sicherheit für jedes übersinnliche Motiv, sei es auch noch so phantastisch. In Anbetracht dieses Allmachtsaspekts kann es in Tolkiens Welt streng genommen keine Brüche geben. Logische Schwächen lassen sich seinem Werk nicht vorwerfen, sondern immer nur künstlerische.
Auch wenn Tolkien Eru nie strapaziert hat und Ungereimtheiten lieber auf der Metaebene mit abweichenden Überlieferungen erklärte, konnte er sich letztendlich doch immer auf seinen Primum Movens verlassen.


Nun kann man diesen Gedanken auch philosophisch auffassen und auf unsere irdische Welt übertragen: Wenn es einen Gott gäbe, wäre er so kraß, die Regeln mitten in der Geschichte zu ändern und plötzlich ein neues Testament in seiner Welt zu verkünden?

Bearbeitet von Nelkhart
  • 2 Jahre später...

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