Silene Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 Ich stimme dir zu, dass es heutzutage leichter ist, in einer Blase aus gleicher Meinung zu leben. Dieses Phänomen der Zunahme von Verschwörungstheoretiker, Flacherdlern, Echsenmenschen-Gläubigen, Chemtrailern und Esoterikern hat meines Erachtens aber weniger mit Meinung, sondern mehr mit Glauben zu tun. Dazu kommt ein tiefes Bedürfnis einer Gruppe anzugehören, die "auserwählt" ist, die alles durchschaut und "aufgewacht" ist, besser informiert und erleuchteter als die tumbe Restmenschheit. Früher, also vor ein paar hundert Jahren, wurde dieses Bedürfnis von der Kirche aufgefangen. Man war auserwählt, vom ewigen Leben zu kosten. Man durchschaute die Ursachen von Katastrophen (weil Gottes Strafe) und man konnte auf diese Ereignisse sogar adäquat reagieren, also handeln statt passiv alles hinzunehmen (man betete und büßte). Man war besser als die Heiden und Ketzer und Hexen und Sünder. Jetzt hat die Kirche ihre Anziehungskraft verloren und man sucht sich eine neue Gruppe mit deren erleuchteten Mitgliedern man sich zusammen schließen kann. Ich habe mal eine Studie gelesen im Studium (Leider kann mich nicht mehr erinnern, welche das war, sorry) in der man untersucht hatte, ob ein Hineinrutschen in eine rechtsradikale oder radikalmuslimische Gruppe von der politischen Gesinnung abhängig ist. Und man fand heraus, dass es relativ wenig mit der politischen Einstellung zu tun hat. Die meisten Menschen/Jugendlichen, die in diese kreise gerieten, waren verunsichert, haltlos, einsam und ausgeschlossen. Die Gruppe gab ihnen Halt und erst nach und nach rutschten sie auch mit ihrer Gesinnung in die vorgegebenen Bahnen um dazuzugehören, bis sie irgendwann tatsächlich davon überzeugt waren. 1 Zitieren
Drachentöter Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 vor 28 Minuten schrieb Silene: Dieses Phänomen der Zunahme von Verschwörungstheoretiker, Flacherdlern, Echsenmenschen-Gläubigen, Chemtrailern und Esoterikern hat meines Erachtens aber weniger mit Meinung, sondern mehr mit Glauben zu tun. Der Glaube ist auch nur eine Ansammlung von Meinungen - eine höhere 'Entwicklungsstufe'. vor 28 Minuten schrieb Silene: Jetzt hat die Kirche ihre Anziehungskraft verloren und man sucht sich eine neue Gruppe mit deren erleuchteten Mitgliedern man sich zusammen schließen kann. Würde dazwischen gerne noch den ungezügelten Kapitalismus schieben, der die Religion damals in vielen Teilen der Welt ablöste. Trotzdem glaube ich, dass der Rückgang der Religiösität in der Gesellschaft als Erklärung für den steigenden Extremismus zu kurz gegriffen ist. Denn dann könnte man behaupten, dass eine Rückbesinnung zur Religion die Lösung wäre. Beispiele im Nahen Osten zeigen uns, dass Religion keineswegs ein Schutz vor steigendem Extremismus bietet. vor 28 Minuten schrieb Silene: Ich habe mal eine Studie gelesen im Studium (Leider kann mich nicht mehr erinnern, welche das war, sorry) in der man untersucht hatte, ob ein Hineinrutschen in eine rechtsradikale oder radikalmuslimische Gruppe von der politischen Gesinnung abhängig ist. Und man fand heraus, dass es relativ wenig mit der politischen Einstellung zu tun hat. Die meisten Menschen/Jugendlichen, die in diese kreise gerieten, waren verunsichert, haltlos, einsam und ausgeschlossen. Die Gruppe gab ihnen Halt und erst nach und nach rutschten sie auch mit ihrer Gesinnung in die vorgegebenen Bahnen um dazuzugehören, bis sie irgendwann tatsächlich davon überzeugt waren. Da stimme ich zu. Leider werden auch heute noch politische Richtungen wie 'Links' und 'Rechts' als komplette Gegensätze dargestellt, dabei haben sie oftmals mehr politische Schnittmengen als man meinen mag. Der Ruf nach autoritären und totalitären Kräften ist nicht nur aus dem 'rechten Lager' zu vernehmen. Beispiel Putin; Sowohl Rechte als auch Linke in Deutschland jubeln ihm zu und versuchen seine Taten zu relativieren, indem sie die Gräueltaten der Amerikaner aufzählen. Zitieren
Silene Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 vor 34 Minuten schrieb Drachentöter: Trotzdem glaube ich, dass der Rückgang der Religiösität in der Gesellschaft als Erklärung für den steigenden Extremismus zu kurz gegriffen ist. Denn dann könnte man behaupten, dass eine Rückbesinnung zur Religion die Lösung wäre. Beispiele im Nahen Osten zeigen uns, dass Religion keineswegs ein Schutz vor steigendem Extremismus bietet. Nein, eine Rückkehr zur Religion würde keinen Schutz vor Extremismus bieten, da bin ich deiner Meinung. Es wäre nur eine andere Art von Extremismus, der religiöse nämlich. Ich denke aber, dass von den Menschen, die sich einer Gruppe mit seltsamen Ansichten anschließen, eh nur ein kleiner Teil extremistisch ist. Und warum die diesen Extremismus ausleben, ob sie beim Steine werfen "Gott ist groß" oder "Merkel muss weg" schreien, ändert dann nicht wirklich viel am Ergebnis. Ich habe schon mit vielen Leute aus verschiedenen Richtungen diskutiert, beispielsweise mit einem evangelikalen Christen, der trotz Naturwissenschaftsstudium unbedingt am Kreationismus festhielt, mit Querdenkern, die 2020 mit 1933 verglichen haben. Was auffällt...du kommst mit Argumenten nicht durch. Man kann die Diskussion auch gleich sein lassen. Sie stecken in ihrer Blase fest und nichts dringt wirklich bis zu ihnen vor. 1 Zitieren
Drachentöter Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 vor 1 Minute schrieb Silene: Ich denke aber, dass von den Menschen, die sich einer Gruppe mit seltsamen Ansichten anschließen, eh nur ein kleiner Teil extremistisch ist. Die heutigen (gebündelten) Verschwörungstheorien wie zB QAnon sind so konzipiert, dass sie möglichst viele politische Richtungen ansprechen und die ins-Netz-Gegangenen (<) zunehmend radikalisieren. Wenn man erst einmal der Meinung ist, dass es eine (meist demokratische, liberale) Elite gibt, die die 'Geschicke' lenkt, in Kellern Kinder misshandelt und deren Blut trinkt(Pizzagate/Xavier Naidoo), ist eine Radikalisierung geradezu die logische Schlussfolgerung. Meiner Ansicht nach sollte man so eine Bewegung nicht unterschätzen oder die Zahl ihrer Anhänger herunterspielen. Auch eine laute, wütende Minderheit kann ein Parlament stürmen und hunderte Menschen abschlachten. Beispiel USA; Bei Wikipedia heißt es... Zitat "Im Oktober 2020 gab die Hälfte der Unterstützer Donald Trumps bei einer Yahoo-YouGov-Umfrage an, an QAnon zu glauben." Dann stimmten im November bei der Präsidentschaftswahl über 74 Millionen Menschen für Donald Trump. Die Verschwörungstheorie von QAnon gibt es erst seit 2017. Sie hat also in nur drei Jahren zirka 37 Millionen Menschen allein in den USA für sich gewinnen können. Auch in Deutschland stieg die Zahl der QAnon-Anhänger gerade während der Pandemie immens. Noch dazu haben sie mit dem Instant-Messaging-Dienst Telegram nun einen Raum/eine 'Bubble', in dem sie sich ohne drohenden Ausschluss weiter radikalisieren können. Zitieren
Silene Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 USA, finde ich, ist nochmal eine andere Geschichte. Ich hab mir das immer so erklärt, dass alle, die religiös ein wenig inniger verbunden waren und auch ein bisschen abseitiger, nach USA ausgewandert sind. Die haben da drüben schon immer Sachen geglaubt, die mich den Kopf schütteln ließen. Wer je gelesen hat, an was Mormonen glauben, weiß was ich meine. Da auch dort drüben die Religion ein bisschen die Sogwirkung verliert, wundert mich Q-Anon nicht. Wobei immer noch genügend religiöse Spinner dort rumlaufen. Zitieren
Drachentöter Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 vor 3 Minuten schrieb Silene: USA, finde ich, ist nochmal eine andere Geschichte. 29. August 2020 - 'Sturm' auf das Reichstagsgebäude in Berlin > 6. Januar 2021 - 'Sturm' auf das Kapitol in Washington D.C. Zitieren
Silene Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 vor 2 Minuten schrieb Drachentöter: 29. August 2020 - 'Sturm' auf das Reichstagsgebäude in Berlin > 6. Januar 2021 - 'Sturm' auf das Kapitol in Washington D.C. Es kann ja trotzdem einzelne Parallelen geben Zitieren
Drachentöter Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 vor 3 Minuten schrieb Silene: Es kann ja trotzdem einzelne Parallelen geben In einer globalisierten und vernetzten Welt ist es meiner Meinung nach sehr wichtig (rechtzeitig) Zusammenhänge zu erkennen. Erst recht wenn die Menschen, die das Reichstagsgebäude zu stürmen versuchten, Trump und Putin um 'Erlösung' baten. Das Netz und eine Radikalisierung kennen keine Ländergrenzen. Wenn in Staaten wie Brasilien, den USA, Italien, Großbritannien, Frankreich, Österreich, Deutschland etc. nationalistische, rechtsextreme und andere demokratiefeindliche Kräfte an Zuwachs gewinnen, kann man meines Erachtens nicht von 'einzelnen Parallelen' sprechen - das wäre in puncto Problemanalyse nicht zielführend. Zitieren
Silene Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 Du hast recht. Ich meinte auch nicht, dass der Zuwachs die USA anders macht, sondern die generelle Anzahl, die schon immer sehr hoch war. Ist wahrscheinlich in den letzten Jahren noch gestiegen, wie überall. Aber Menschen, die ihre Kinder im Wohnzimmer beschulen, können noch einmal sehr viel leichter in ihrer Blase leben als in Ländern mit Schulpflicht ohne Ausnahmen. Die Sekten (wie zB die Amishen) sind in Amerika viel größer und viel zahlreicher als in Europa. Ebenso wie Umweltspinner, die Coalroller fahren, die extra viel Sprit raushauen und extra viel rußen, einfach so zum Protest. Zitieren
Drachentöter Geschrieben 11. Juli 2021 Geschrieben 11. Juli 2021 vor 5 Minuten schrieb Silene: Aber Menschen, die ihre Kinder im Wohnzimmer beschulen, können noch einmal sehr viel leichter in ihrer Blase leben als in Ländern mit Schulpflicht ohne Ausnahmen. Die Sekten (wie zB die Amishen) sind in Amerika viel größer und viel zahlreicher als in Europa. Ebenso wie Umweltspinner, die Coalroller fahren, die extra viel Sprit raushauen und extra viel rußen, einfach so zum Protest. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben nochmal eine andere Ausgangslage als wir, das stimmt. Wir sollten nicht annehmen, dass die USA nur aufgrund ihrer 'europäischen Wurzeln' uns(Europa) in allem ähnelt. Gerade auf uns Europäer wirken der 2. Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung("Recht der Bundesstaaten auf eigene, lokale Milizen und Recht des Volkes zum Besitz und Tragen von Waffen") oder das US-amerikanische Gesundheitssystem doch sehr befremdlich. Allerdings lohnt sich immer ein 'Blick über den Tellerrand'/Atlantik. Wäre beispielsweise die 'Stürmung' des Kapitols erfolgreicher gewesen und damit die US-amerikanische Demokratie in Gefahr gebracht worden, hätten auch wir Europäer aufgrund verschiedener Abhängigkeiten ein schwerwiegendes Problem gehabt. Zitieren
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