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Die Funktion der Mythologie Tolkiens


Empfohlene Beiträge

Geschrieben (bearbeitet)

Mulm!

 

Also ich nehme die drei Sippenmorde den Noldor sehr Übel.

Diese sind unentschuldbare Taten.

Aufgrund dieser Sippenmorde habe ich eine sehr starke Abneigung gegen die Noldor. 

Man könnte sagen "hass" spielt auch eine Rolle. Speziell gegen Feanor, seinen Söhnen & Turgon und natürlich gegen den Rest die mitgemacht haben.

Die Noldor haben alles verdient was sie später in ME bekommen haben!

Ich würde manche Noldor auf eine selbe Stufe mit Sauron/Melkor setzen.

 

Ich stehe voll und ganz auf Seiten der Teleri!

 

Die einzigen Noldor Fürsten die ich "mag" sind Finarfin und seine Kinder. Da diese nicht dran teilgenommen haben!

Die Noldor die NICHT mitgemacht haben könnte man vielleicht irgendwann verzeihen.

Der Rest kann zur Hölle fahren! ?

 

Wie seht ihr das ganze?

Anmerkung der Moderation:

Dieser Thread wurde später umbenannt, da sich die Diskussion weitestgehend um umfassendere Themen dreht als ursprünglich gedacht.

Bearbeitet von mathias
Thema wurde umbenannt
Geschrieben

Nimm' s locker. Das ist alles nur Fiktion. ;-)

 

Und wenn man sich die Ereignisse im Silmarillion ansieht, haben sie ausnahmslos die Quittung für ihre Fehler bekommen.

Geschrieben
Am 17.6.2018 um 20:21 schrieb Underworld:

Ich würde manche Noldor auf eine selbe Stufe mit Sauron/Melkor setzen.

 

Ich glaube, hier hast Du etwas Wesentliches von Tolkien verstanden.

Er zeigt auf, dass die sogenannten Guten die Melkor-Seite auch in sich haben.  

Die Noldor sind ja nicht nur wie Melkor. Sie haben beide Seiten, sind aber gefährdet.

Nach meinem Verstehen ist laut Tolkien das Beste am Menschen das, was gleichzeitig in die schlimmsten Abgründe führen kann.

Das Schöpferische in ihnen - sowohl in Melkor als auch in den Elben - kann sie dazu verführen, an den Resultaten ihrer schöpferischen Arbeit so zu kleben, dass sie Mord und Totschlag begehen, um es selber behalten zu können.

Das heißt, die schöpferische Kraft ist pervertiert worden und in Besitzgier umgeschlagen.

Meiner Meinung nach kennzeichnet das auch die heutige politische Weltlage. Tolkien hat das alles sehr früh begriffen.

Geschrieben
vor 9 Stunden schrieb Alsa:

Das heißt, die schöpferische Kraft ist pervertiert worden und in Besitzgier umgeschlagen.

Meiner Meinung nach kennzeichnet das auch die heutige politische Weltlage.

Siehst du darin eine Zwangsläufigkeit?

Geschrieben
vor 13 Stunden schrieb Torshavn:

Siehst du darin eine Zwangsläufigkeit?

 

Nein (falls ich Deine Frage richtig verstanden habe).

Die schöpferische Kraft wird nicht zwangsläufig zur Besitzgier pervertiert. Tolkien spielt mit all seinen Figuren viele Varianten durch.

Bei Feanor wird aus der Liebe zu seinen Geschöpfen Besitzgier.  Ich glaube, man kann Besitzgier mit "Machtbedürfnis" in Zusammenhang bringen.

Galadriel hingegen überwindet diese Pervertierung.

Es wäre spannend, sämtliche Figuren Tolkiens mal daraufhin zu untersuchen, wie weit dieses Umschlagen von Schöpferischem in Destruktion vorhanden ist und wo nicht.

Selbst die Valar sind ja davon betroffen. Zumindest durch passive Verweigerungshaltung - sich egomanisch von allem Außenübel abzuschirmen.

Aber eben nicht alle Valar. Ulmo benutzt seine schöpferischen Fähigkeiten nur konstruktiv. Und er zieht sich in keine Schutzburg zurück. 

Möglicherweise kann ich so sagen: In den Menschen - unseren realen Menschen - ist nach Tolkien dieser Konflikt als eine Art "Urkonflikt" angelegt. 

Da das Schöpferische - Gestaltenwollen und Gestaltenmüssen - mit uns geboren ist, können wir es nicht sein lassen, zu gestalten.

Da aber außerdem die Tatsache gilt, dass es außer dem Gestaltenden noch Millionen anderer Gestaltenwollender gibt, wird notwendigerweise das eigene schöpferische Produkt durch andere gefährdet.

Meines Erachtens schildert Tolkien in seinen vielen Geschichten genau dies.

Und er bietet Lösungen an, wie man über diesen Konflikt hinauswachsen kann. Indem man - sage ich mal in moderner Sprache - das Schöpferische nicht "verdinglicht"- zu Dingen macht und diese nicht loslassen kann -, sondern als Prozess versteht. Es ist ein Geschehen, ein Wachsen.

 

Geschrieben

Das ist definitiv eines der wichtigsten Themen bei Tolkien und speziell im Silmarillion sind an vielen Figuren unterschiedliche Spielartrn davon zu entdecken.

  • 2 Monate später...
Geschrieben

Die unmißverständlich Macht-skeptische Ethik Tolkiens, die selbst die Hippies – bei aller Weltkriegs-Allegorie – richtig deuteten, steht allerdings einem völlig amoralischen Schöpfer Eru Ilúvatar gegenüber, der das Leiden seiner Kreaturen offenbar bedenkenlos in Kauf nimmt, um seine Geschichte mit Tragik und Emotionen anreichern zu können.

„And thou, Melkor, shalt see that no theme may be played that hath not its uttermost source in me, nor can any alter the music in my despite. For he that attempteth this shall prove but mine instrument in the devising of things more wonderful, which he himself hath not imagined. … And thou, Melkor, wilt discover all the secret thoughts of thy mind, and wilt perceive that they are but a part of the whole and tributary to its glory.“


Das berühmte Theodizee-Zitat Erus stellt nicht nur Melkors Autonomie in Frage, sondern den freiën Willen in Tolkiens Welt allgemein. Vor dem Hintergrund eines möglichen Determinismus erscheint Underworlds Abscheu gegenüber den Noldor und ihrer Taten natürlich völlig absurd. Die vermeintlich renitenten Gnomen-Fürsten erfüllten ja letztendlich nur Ilúvaters erstes und einziges Gebot: „Du sollst unterhaltsam sein!“

Man könnte nun mit der verkehrten Welt fortfahren und sich einen Manwë Súlimo auf der Anklagebank beim jüngsten Gericht vorstellen, der sich die Frage seines Allvaters gefallen lassen muß: „Was hast Du eigentlich in den letzten 30.000 Jahren dazu beigetragen, daß meine Quenta Eä spannender wird?“

Geschrieben
vor 42 Minuten schrieb Nelkhart:

Die unmißverständlich Macht-skeptische Ethik Tolkiens [...]

Das freut mich außerordentlich, dass Du das so siehst.

So vor ca 18 Jahren hat man das vergeblich vermitteln können in den Tolkienforen, in denen ich war.

Da war ERU eben "Gott", dem man blind zu gehorchen habe. 

Und wer nicht gehorcht, der muss bestraft werden. 

Dass Tolkien ein literarisches Werk geschrieben hat, in dem er KRITIK mittels seiner Figuren an der realen Menschheit übte, ist wirklich ein interessanter Gedanke, den es sich lohnt zu verfolgen und zu belegen. 

Geschrieben

Es ist für alle hier ermüdend, wenn immer wieder Tolkiens berühmte Abneigung gegen die Anwendung allegorischer Interpretationsansätze seines Dreiteilers bemüht wird, aber durch jenen arg strapazierten Einwand sehe ich mich in der Annahme bestätigt, daß eine Kritik an der realen Menschheit in Tolkiens Büchern keine vorrangige Rolle gespielt hat.

Auch wenn ich eingestehen muß, daß die britisch brummige Empörung über einen generellen Mangel an Vernunft in der Welt, die man immer wieder bei Gandalf zwischen den Zeilen liest, weder Hobbits, Númenorer und schon gar nicht die Eldalië im Kern trifft, sondern stattdessen offenbar über das Buch hinaus auf uns Irdische zielt.

Genauso wenig zutreffend halte ich Tolkiens eigene Einschätzung des Herrn der Ringe als ein durch und durch katholisch geprägtes Buch. Diese recht spät auftretende Lesart scheint mir der Professor postrational konstruïert zu haben, um sich im Nachhinein den Wunsch zu erfüllen, das künstlerische Schaffen in harmonische Übereinstimmung mit seinen religiösen Vorstellungen zu bringen.

Die tatsächliche Absicht hinter Tolkiens Werk enthüllt der Autor meiner Meinung nach in seinem Essay „Über Märchen“ (z.B. in „Baum und Blatt“). Nachdem er sehr gewissenhaft die ethische Dimension seiner verschiedenen Magie-Begriffe erörtert (Kreation vs. Manipulation, ähnlich wie hier im Thread), umreißt der Professor eine elbische Kunstform, die uns Menschen nur bedingt gelingt: Die Verzauberung (oder auch „Elbisches Theater“).
„Verzauberung“ im Sinne Tolkiens passiert dann, wenn ein Erzeugnis der Phantasie (der Professor schlägt die Textform vor ;-) so nahtlos in die Wirklichkeit eingebettet wird, daß ein Sekundärglaube entsteht.

So wie ich es sehe, ist es das, was Tolkien eigentlich wollte: Die Welt verzaubern. Seine Märchen so geschickt in unseren kleinbürgerlichen Hobbit-Alltag einflechten, daß wir gar nicht merken, wo die Wirklichkeit aufhört und das Wundersame beginnt.

Geschrieben
vor 22 Stunden schrieb Nelkhart:

Es ist für alle hier ermüdend, wenn immer wieder Tolkiens berühmte Abneigung gegen die Anwendung allegorischer Interpretationsansätze seines Dreiteilers bemüht wird, aber durch jenen arg strapazierten Einwand sehe ich mich in der Annahme bestätigt, daß eine Kritik an der realen Menschheit in Tolkiens Büchern keine vorrangige Rolle gespielt hat.

Die Aussage verstehe ich nicht.

Es ist doch längst aufgezeigt, dass Tolkien mit Beginn seiner Mythologie seiner realen Mitwelt etwas entgegensetzen wollte. Wir haben doch dazu Teile seiner Briefe und Notizen.

Und seine Abneigung gegen "Allegorie" beinhaltet doch nicht, dass man Literatur nicht als Literatur versteht. Allegorische Interpretation ist doch nicht identisch mit jeglicher Interpretation. 

Geschrieben

Generell richtet sich Tolkiens Aversion ja in erster Linië an die Autoren, die durch Allegoriën Interpretationsspielräume verengen, nicht an die Leser, die frei in ihrer Auslegung sein sollen. Jedoch hat er sich darüber hinaus auch heftig dagegen gewehrt, den Herrn der Ringe als Parabel auf konkrete, historische Szenariën, vor allem das des zweiten Weltkriegs, zu verstehen. Die Eigenständigkeit seiner Erzählung war Tolkien wichtig.

Mit dem Legendarium wollte Tolkien der realen Welt etwas hinzufügen, was ihr in seinen Augen fehlte: Eine mythologische Vorgeschichte für England. Das geht aus seinen Briefen deutlich hervor.

Wir finden aber tatsächlich auch kritische Anmerkungen Tolkiens zur Weltpolitik, die sich auf sein Werk stützen. Zum Beispiel in Brief 66:

“An ultimately evil job. For we are attempting to conquer Sauron with the Ring. And we shall (it seems) succeed. But the penalty is, as you will know, to breed new Saurons, and slowly turn Men and Elves into Orcs. Not that in real life things are as clear cut as in a story, and we started out with a great many Orcs on our side.“

Einen normativen Anspruch, eine Art Utopia, das Mittelerde unserer Welt kritisch gegenüberstellt, kann ich bei Tolkien aber insgesamt nicht erkennen.
Wenn er unserer Realität etwas entgegensetzte, dann, wie gesagt, eine poëtischere Welt.

Geschrieben
vor 21 Stunden schrieb Nelkhart:

 

 

Bisher habe ich bei Tolkien keine Aussagen gefunden darüber, dass er generell gegen Allegorien ist.

Er hat ja selber eine Allegorie geschrieben - im Beowulf-Aufsatz (wenn ich mich richtig erinnere): das Turm-Beispiel. Bei Bedarf suche ich es raus und zitiere.

Eine Parabel hat er auch geschrieben: "Blatt von Tüftler" - erinnert an Kafkas Parabeln.

Tolkiens Abneigung, dass man den "Herrn der Ringe" als Allegorie deutet, kann ich aber wirklich nachvollziehen. Das wäre viel zu eng. Sauron ist nicht Hitler, sondern eine mythische Figur, die für jeglichen diktatorischen Führer stehen kann, im Prinzip auch für einen Teil, der in vielen Menschen sozusagen schläft. 

Nichtsdestotrotz ist "Der Herr der Ringe" aus der konkreten Erfahrung mit einer faschistischen Diktatur entstanden, das lässt sich ebenfalls aufweisen. Du hast da ja auch ein Zitat gebracht.

Die Sache mit der mythologischen Vorgeschichte zu England:

Ich habe leider zur Zeit keine Muße, das von Dir angedeutete Briefzitat rauszusuchen - ich meine, es befindet sich in dem langen Brief an MIlton Waldman -, aber ich bin ziemlich sicher,, dass da steht, dassTolkien diese Absicht zwar einmal gehabt habe, sie aber längst aufgegeben habe.

In "The Book of Lost Tales" kann man das noch sehen: da hat er England in der mythischen Welt mit Elben bevölkert.

Aber schon im "Herrn der Ringe" sehe ich da keine Spuren mehr von. Tolkien denkt da eher global, wie es aussieht. Und auch das "Silmarillion" befasst sich meines Erachtens nicht mit Englands Problemen, sondern mit den Problemen der ganzen Menschheit. "Arda" ist ja kein Bild für eine Nation, sondern für die Erde, denke ich.

Meiner Erinnerung nach richtet sich Tolkien von Beginn an - seit er seine mythischen Texte schreibt - gegen ein bestimmtes Denken seiner Mitmenschen. Er will dem etwas konkret entgegensetzen, und zwar in der Form von Dichtungen. 

"Mittelerde" steht da natürlich nicht als Utopie da, das ist klar.

Mittelerde ist ja ein Bild für unsere Erde und deren ständigen Schlachten. Tolkien macht es sich auch nicht leicht, und mir scheint, dass es ihm schwer fällt, das Positive und Utopische in seinen Werken herauszustellen. 

Dennoch: in diesen Schlachten schimmert immer wieder "das Licht" auf. Auch in Sauron, auch in Melkor. Und umgekehrt: in Lichtgestalten wie Gandalf oder diversen Ainur bricht sich mitunter das Negative Bahn.

Allein darum schon sind das keine Allegorien, weil bei Tolkien eben auch die mythischen Figuren zwiespältig sind und nicht schwarz-weiß, wie in den Volksmärchen (gute Fee - böse Fee).

Dass die ganze Welt laut Tolkien "poetisiert" werden müsste, das haut wohl ziemlich hin. Aber was das konkret heißt - das ist noch ein dicker Klops.

Geschrieben

Ich habe das Zitat bezüglich der Mythologie für England gefunden, wenn auch erst mal nur auf Englisch.

Es ist Brief 131, vermutlich - so die Tolkienspezialisten - im späten 1951 geschrieben, und an Milton Waldman.

Leider kriege ich es nicht hierher kopiert, aber da werde ich noch nach Lösungen suchen. 

Aber wer die Briefe hat, kann nachlesen. Der Text steht ziemlich am Anfang des Briefes. 

 

Noch etwas, was Sauron und vielleicht noch mehr Melkor betrifft:

Ihre dikatorische Tätigkeit besteht darin, dass sie die Gehirne und damit auch die Gefühle manipulieren!

Das macht Tolkien für mich noch moderner, als er in seiner Zeit sein konnte. Er ahnte vermutlich die Gefährdung seiner Zukunft. 

Geschrieben

Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage des Herrn der Ringe:

“I cordially dislike allegory in all its manifestations, and always have done so since I grew old and wary enough to detect its presence. I much prefer history – true or feigned – with its varied applicability to the thought and experience of readers. I think that many confuse applicability with allegory, but the one resides in the freedom of the reader, and the other in the purposed domination of the author.”

Na? Ist Dir das generell genug?
Aber Du hast natürlich Recht. Tolkien ist in seiner Haltung gegenüber Allegoriën wahnsinnig inkonsequent. Da muß man gar nicht erst bis zu Niggle oder zur Turm-Parabel gehen. Das valinorische Pantheon ist ein einziger Allegoriëngarten: Paluriën steht für Fruchtbarkeit, Vána für die Jugend, Makar und Meássë für den Krieg, Niënna für Trauër, usw.

Daß Tolkien das Legendarium als künstlichen Sagenschatz seinem geliebten England zum Geschenk machen wollte, ist ein Motiv, daß in mehreren Briefen aufgegriffen wird. Er relativiert das ehrgeizige Projekt aber stets damit, daß er seine Bemühungen als unzulänglich, bzw. sich selbst als literarisch gescheitert ansieht. Was ich wiederum als typisches Understatement werte. An dem Wunsch hat er bis zuletzt festgehalten.

In den Lost Tales siehst Du, wie wunderbar der Professor seine große „Verzauberung“ einrichten wollte: Lange nach Telcontars Regierungszeit lösen die Valar Eressëa von Aman ab und lassen es langsam zurück gen Mittelerde driften. Der englische Leser liest also all die epischen Geschichten von Göttern, Elben und Hobbits, nur um irgendwann festzustellen, daß er sein ganzes Leben auf der Zauberinsel Tol Eressëa verbracht hat. Ohne es zu ahnen.

Geschrieben
Am 17.9.2018 um 14:21 schrieb Nelkhart:

Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage des Herrn der Ringe:

“I cordially dislike allegory in all its manifestations, and always have done so since I grew old and wary enough to detect its presence. I much prefer history – true or feigned – with its varied applicability to the thought and experience of readers. I think that many confuse applicability with allegory, but the one resides in the freedom of the reader, and the other in the purposed domination of the author.”

Na? Ist Dir das generell genug?

Jau! ;-)

Hab die Stelle nicht mehr so genau im Kopf gehabt. - Ich hab ein paar Jahre Tolkien liegen lassen, aber werde demnächst das Gesamtwerk, diesmal in chronologischer Reihenfolge, durchackern, unter einem bestimmten Aspekt, der mich sehr packt. 


Aber Du hast natürlich Recht. Tolkien ist in seiner Haltung gegenüber Allegoriën wahnsinnig inkonsequent.

Tolkien ist nicht nur in dieser Hinsicht inkonsequent. Aber es gilt hier auch das Geflügelte Wort: "Der Autor ist der schlechteste Interpret seiner Werke."

Das ist zwar ein wenig übertrieben, aber ich halte mich lieber an die Analyse der Werke, nicht so sehr daran, was sein Autor dazu in interpretatorischer Hinsicht äußert. 

In den Lost Tales siehst Du, wie wunderbar der Professor seine große „Verzauberung“ einrichten wollte: Lange nach Telcontars Regierungszeit lösen die Valar Eressëa von Aman ab und lassen es langsam zurück gen Mittelerde driften. Der englische Leser liest also all die epischen Geschichten von Göttern, Elben und Hobbits, nur um irgendwann festzustellen, daß er sein ganzes Leben auf der Zauberinsel Tol Eressëa verbracht hat. Ohne es zu ahnen.

Ja, das hat mich immer sehr fasziniert. Und besonders faszinierend ist es, wenn man es eben von der Sicht des Lesers aus sieht, der nicht etwa einen historischen Abriss meint zu lesen, sondern eine Dichtung.

Dann nämlich sind die Götter, Elben und Hobbits ein Teil der Engländer, bzw. ein Teil aller Menschen - mythisch gesehen: ihre Vorfahren. - Ich gebe aber zu, dass der Gedanke, dass wir die Nachfahren dieser Wesen sind, viel emotionaler und poetischer ist als die psychologische Deutung, dass diese alle Anteile unserer Persönlichkeit sind.

Ich liebe "The Book of Lost Tales" tatsächlich mehr als das "Silmarillion". 

Noch eine Frage an Dich: Du schreibst weiter oben, dass die Poetisierung der Welt die Utopie sei. Falls ich das richtig ausgedrückt habe: kannst Du noch ein bisschen erklären, wie Du das meinst?

 

 

Geschrieben

Ich habe hier in diesem Forum einigen Wirbel ausgelöst, als ich einer damals als unfehlbar geltenden Tolkien-Orthodoxie nahelegte, den Professor in Bezug auf sein Projekt „Myths transformed“ (in „Morgoths Ring“) zu entmündigen, um so die märchenhaften Ätiologiën Mittelerdes vor der gnadenlosen Entzauberung zu bewahren.
Ich weiß also einigermaßen entspannt mit Deinen blasphemischen Äußerungen umzugehen.

Eine Utopie habe ich ja verneint. Ich sehe es eher als eine Mission. Und der Professor ist nicht der einzige, der sich berufen fühlte, sie zu erfüllen.
Ich betrachte Tolkien und sein Werk als Beitrag zu einem ewigen Menschheitsprojekt. Shakespeare, die deutschen Romantiker und viele andere Literaten brachten mit ihren Büchern ein universales Streben nach poëtischer Schönheit zum Ausdruck. Doch Tolkiens Leistung übertrifft alles bisher Dagewesene. Auf dem Weg zu ihrer Vervollkommnung bereicherte er die Weltpoësie um ein unüberbietbares Ideal: Er schuf die Elben. Das Volk, das keine Banalität kennt.

An diesem Maß sind viele gescheitert, die sich erdreisteten, Geschichten über Fabelwesen zu erzählen. Ich weiß noch, wie abgestoßen ich war, als ich lesen mußte, wie sich Prinzessin Laurana ins Schlafgemach ihres Vaters, des Königs der Qualinesti, schleicht. Ich will nichts über die peinlichen Schlafgewohnheiten von Elbenkönigen erfahren. Das ist weit schlimmer, als sie zu erschlagen.

Der Professor war immer stolz auf seinen „Wildnis-Realismus“. Seine Helden bekommen auf der Reise Hunger und Durst, sie frieren und müssen entsprechend vorsorgen. Aber niemals wäre er auf die Idee gekommen, Elben beim Waschen und Kochen zu zeigen. Man sieht sie nicht mal richtig essen. Sie fahren die prächtigsten Gastmähler auf, aber dann sitzen sie nur da und halten geistreiche Reden oder trinken Wein. Sex und Libido spielen erst gar keine Rolle.

Tolkien hat es verstanden, seine Elben vor den brutalen Trivialitäten des menschlichen Alltags zu bewahren und uns bedauërnswerten Sterblichen damit den Schein einer würdevolleren Lebensweise vor Augen geführt, deren Anmut wir niemals erreichen können.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 14 Stunden schrieb Nelkhart:

 Ich sehe es eher als eine Mission.

Das könnte hinhauen. 

Und diese Mission begann, meiner Erinnerung nach, ungefähr bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Ihm (Tolkien) und seinen Freunden war es wichtig, "Licht" in das Dunkel der Welt zu bringen.

Da Tolkien dichten konnte, haben seine Freunde ihn ermuntert, genau das zu tun, um eben diese "Mission" voranzutreiben.

1914 hat er das Gedicht 

"The Voyage of Eärendel the Evening Star"

geschrieben, und an ihm - waren sich zumindest vor einiger Zeit die Wissenschaftler noch einig - entzündete sich Tolkiens gesamte Mythen bildung. - Aber ich bin leider nicht auf dem neuesten Stand. 

 

Und der Professor ist nicht der einzige, der sich berufen fühlte, sie zu erfüllen.
Ich betrachte Tolkien und sein Werk als Beitrag zu einem ewigen Menschheitsprojekt. Shakespeare, die deutschen Romantiker und viele andere Literaten brachten mit ihren Büchern ein universales Streben nach poëtischer Schönheit zum Ausdruck.

Die deutsche Romantik hat den Begriff "Universalpoesie" thematisiert, ja. 

Zunächst aber ist das eine dichterische Methodik.

Hier wird das ein bisschen beschrieben ("Poesie" ist ja eine litrarische Gattung). https://de.wikipedia.org/wiki/Universalpoesie

Ich sehe Tolkien aber auch als eine Fortsetzung der Romantik - allerdings entwickelt er sie weiter.

In dem ronantischen Werk "Der goldene Topf" von E.T.A. Hoffmann könnte man, wenn man wollte, schon ein Vorspiel dessen sehen, was dann später Tolkien umtrieb:

Im "Goldenen Topf" waren die Figuren gespalten bzw. doppelt. In der einen Welt gab es einen Archivar Lindhorst, in einer Art Parallelwelt war er ein Geisterfürst. Dem Studenten Anselmus begegnete diese Person in beiden Formen.

Anselmus begibt sich am Ende der Novelle in die Geisterwelt, mit Verlust der realen Welt.

In der realen Welt hatte er eine Freundin, aber in der Geisterweilt war diese Freundin die Tochter des Geisterfürsten. 

Das scheint mir typisch für die Romantik: diese Zerrissenheit zwischen realer Welt und der Sehnsucht nach der Geisterwelt und dem schlussendlichen Entscheid, nur noch geistig zu leben.

Was mehr oder weniger bedeutet: Verlust des Verstandes, Akzeptanz des Wahnsinnig-Werdens.

Tolkien, genau 100 Jahre später, setzt an diesem Punkt an, entwickelt ihn aber weiter. Irgendwo im Märchenaufsatz schreibt er, dass fairy-stories nur auf dem Boden der Akzeptanz unserer realen Welt, unserer realen Sonne, entstehen können.

Sonst - so ergänze ich - droht dem Besucher der Faerie ebenfalls der Wahnsinn. Tolkien deutet ja an, dass einige aus dem Märchenreich nicht zurückgekommen sind. 

 

Bearbeitet von Alsa
Geschrieben

Schlegel nahm zu Beginn des 19. Jahrhunderts schon die Radikalität des Situationismus vorweg. Stets mit dem Menschen im Mittelpunkt. Aber nach meiner Auffassung ist die Weltpoësie ein autonomes Subjekt und ihre Protagonisten wählt sie selbst aus. Die menschlichen Poëten sind also bloß Werkzeuge ihrer Majestät.

Ich verwende elbisch, poëtisch und romantisch synonym. Die Romantik ist für mich also ein Teil der Mission und ja – das Volk, das keine Banalität kennt, ist ein romantischer Superlativ.

Kennzeichnend für die Romantik sind die Begriffe Sehnsucht und Geheimnis. Nüchtern ausgedrückt ist Ersteres die Kompensation der Diskrepanz zwischen Ideal und Realität. Ein guter Romantiker kommt nie ans Ziel. Er bleibt immer Suchender. Die Distanz zum Ersehnten bewahrt dessen Vollkommenheit.

Für das Geheimnis gibst Du mit dem goldenen Topf ein hervorragendes Beispiel: Hinter unserer Welt liegt noch eine verborgene Realität, die anderen Gesetzmäßigkeiten folgt.

Aber genau diesen Dualismus hat Tolkien überwunden. Ich zitiere mich selbst:
„Verzauberung“ im Sinne Tolkiens passiert dann, wenn ein Erzeugnis der Phantasie [...] so nahtlos in die Wirklichkeit eingebettet wird, daß ein Sekundärglaube entsteht.

Tolkien hat seine Märchenwelt nicht hinter irgendwelchen magischen Barriëren versteckt, sondern dorthin geschoben, wo noch Platz war: In die Vergangenheit. Die elbischen Legenden fügen sich als Vorgeschichte nahtlos in unsere Realität.

Mittelerde ist zwar lange vorbei, aber trotzdem noch mitten unter uns.

So so...Samstagmorgen um drei sitzt Alsa also am Rechner und schreibt Texte für das Tolkien Forum. Um diese Uhrzeit solltest Du lieber schummrig beleuchtete Räume aufsuchen, in denen laute Musik gespielt wird.

Man findet sie überall: die Eingänge in die geheimnisvollen Welten.

Geschrieben
Am 12.9.2018 um 16:24 schrieb Nelkhart:

Genauso wenig zutreffend halte ich Tolkiens eigene Einschätzung des Herrn der Ringe als ein durch und durch katholisch geprägtes Buch. 

Der Witz ist, dass Tolkien das auch gar nicht behauptet.

Das ist so eine Ente, die von Forum zu Forum springt. :panik:

Das ist eine Briefstelle. Und man muss genau gucken, wie unterschiedlich Tolkien an unterschiedliche Personen schreibt. Meiner Erinnerung nach schreibt er das an einen Priester. Man muss da sehr auf Tolkiens Satzbau und Briefverhalten achten. 

Das nur als Zwischenbemerkung.

In Deinem jüngsten post, Neikhart, gibt es ein paar interessante Anregungen, die die Tolkiendiskussion  auf neue Füße stellen könnten. Auch wenn sich daraus möglicherweise kontroverse Diskussionen ergeben,  das kann auch kaum anders sein.

Ich muss nur verschiedene Sachen noch raussuchen.

Mensch, dieses Flatterding da oben macht mich ganz kirre. :zensiert:

Geschrieben (bearbeitet)
Am 24.9.2018 um 17:28 schrieb Nelkhart:

Schlegel nahm zu Beginn des 19. Jahrhunderts schon die Radikalität des Situationismus vorweg.

Auch wenn ich bisher den Namen "Situationismus" gar nicht kannte:

Mir gefällt es sehr, dies in den Zusammenhang mit Tolkien gebracht zu sehen.

Autoren, falls sie sehr lange im Gedächtnis der Bevölkerung überleben, können ja mehr als tausend Jahre alt werden. - Jede Generation sucht in "ihren Autoren" nach Antworten für die eigene Zeit. 

Und manche Autoren wären überrascht, was mehrere Generationen nach ihnen in ihren Werken gesehen - und benötigt - haben.

Was sozusagen latent in ihren Werken schon enthalten war, wozu aber erst die richtige Zeit kommen musste, um es wahrzumehmen und zu kapieren. 

Wenn Du den "Situationismus" als radikal ansiehst, dann beinhaltet das ja wohl auch, dass man Tolkien "radikal" befragen oder nutzen kann.

Für mich ist das gerade ohnehin eine aktuelle Frage: In einer Zeit, wo die Sehnsucht nach Aushöhlung der Demokratie - auch in Deutschland - immer größer zu werden scheint, frage ich mich, welche Rolle "Kunst" dabei spielen kann. 

"Situationismus" soll ja eine Vereinigung von Kunst und Politik im Auge haben.

Als Tolkien 1914 - meiner Erinnerung nach ziemlich direkt nach der Kriegserklärung Deutschlands an England - sein Gedicht "Earendil" aus seinem Bauch heraushaute:

da war das wohl ein Befreiungsschlag für ihn. 'Ich kann was tun gegen die Dunkelheit, die jetzt anbricht.'

Zitat

Ich verwende elbisch, poëtisch und romantisch synonym.

Okay, danke. Danach hatte ich ja gefragt.

Für die Begriffsbildung Tolkiens von "fairy" - Elb - und "fairy-story" - Märchen, Elbenerzählung - ist die Ausgabe von Verlyn Flieger "Tolkien. On Fairy-Stories" dringend zu empfehlen.

Denn in dieser Ausgabe ist nicht nur der uns bekannte Märchenaufsatz - auf Englisch - enthalten, sondern auch die Vorarbeiten.

Da sind jede Menge bisher unveröffentlichter Fragmente enthalten, die ein ganz neues Licht auf den Märchenaufsatz werfen.

Unter anderem schreibt Tolkien da:

Zitat

Leaving aside the Question of the Real (objective) existence of Fairies, I will tell you what I think about that. If Faries really exist – independently of Men - then very few of our ‘Fairy-stories’ have any relation to them: as little, or less than our ghost-stories have to the real events that may befall human personality (or form) after death.

Das heißt, in der Regel erzählen die fairy-stories so wenig über die faeries, wie unsere Geistergeschichten über das Leben nach dem Tod.

Zitat

Ein guter Romantiker kommt nie ans Ziel.

Um begrifflich sauber zu sein:

Ich untrscheide Künstler der Romantik und die Figuren ihrer Werke.

Anselmus, die Protofigur des "Goldenen Topfes", kommt ja an ein Ziel. Er vergisst die Realität und lebt von nun an im Reich der Poesie.

Sein Autor, E.T.A. Hoffmann, war von Beruf Jurist und hat sich abends einen gekippt, damit er visionär schreiben konnte. 

Die Frühromantik hingegen - vor allem der junge Tieck -, hat in dem Werk "Herzensergißungen eines kunstliebenden Klosterbruders", das Tieck und Wackenroder gemeinsam verfasst haben, immer wieder in der Figur eines Kosterbruders geklagt, dass ihn die Musik vom Leben wegzieht und er das schmerzlich spüre.

Da käme dann wieder Dein "Situationismus" ins Spiel:

Wie packt man es, voll und ganz im Leben zu stehen, es wach zu beobachten, und gleichzeitig die "poetische Essenz" des Ganzen zu spüren?

Normal geht eigentlich immer nur das eine oder das andere. Entweder ich versinke in Buch, Film oder Drogen - oder ich realisiere voll die Gegenwart und entwickele daraus meine Handlungsschritte. Oder?

Zitat

Aber genau diesen Dualismus hat Tolkien überwunden.

 

Ich weiß nicht.

Über ihn als Person wissen wir alle fast gar nichts. Vielleicht hatte er ja "Kraut" in seinen Pfeifen und konnte darum wie E.T.A. Hoffmann neue Welten vor sich sehen

Eher allerdings glaube ich, dass er tatsächlich "visionär" veranlagt war und das "Elbentheater" aus eigener Anschauung kannte.

Die in der Märchenausgabe von V.Flieger  enthaltenen Zusatz-Fragmente haben mir das manchmal nahegelegt. Selber V.Fliger äußerte Verwunderung, wie sehr Tolkien das so ausdrückte, als ob er das aus eigener Anschauung kannte.

Aber die große Frage ist ja, wie diese inneren Bilder entweder direkt aus der knallharten Realität erwachsen oder diese knallharte Realität unterfüttern. 

Ob das Tolkien hingekriegt hat, weiß ich nicht, weil er nur Romanfiguren erfunden hat, die das hinkriegen. Gandalf sah immer die Zusammenhänge. Er wusste noch viel über Melkor, und so konnte er sich auch Frodos Verhalten erklären. 

Aber hat Tolkien den Ersten Weltkrieg auf der Basis der Gesamtgeschichte der Menschheit verstanden?

War er an der Front verzaubert?

 

Zitat

So so...Samstagmorgen um drei sitzt Alsa also am Rechner und schreibt Texte für das Tolkien Forum. 

Na ja, wenn ich nachts aufwache, schreibe ich ein bisschen am PC, und zack, werde ich so müde, dass ich wieder einschlafen kann. [:]

Bearbeitet von Alsa
Verbesserung des Layout
  • 4 Wochen später...
Geschrieben

Apollinisch und Dionysisch
Reflexion und Erlebnis
Narziss und Goldmund

Ich glaube, Dir geht es um einen gänzlich anderen Dualismus als mir oben. Du sprichst von gegensätzlichen Naturellen der menschlichen Existenz und wünschst Dir eine Versöhnung herbeizuführen. Das beste beider Temperamente irgendwie zu verknüpfen, scheint für Dich das erstrebenswerte Ideal zu sein. Solange Dir das nicht gelingt, bleibst Du jedenfalls romantisch.

Bei mir ist die Unterscheidung zwischen Alltag und Geheimnis weniger anthropozentrisch. Ich sehe die Gegensätze im Gefüge der Welt, nicht im Individuum (außer natürlich in dessen Wahrnehmung). Normalität hier, Märchenland dort.
Tolkien hat uns gezeigt hat, wie man diesen Widerspruch überwindet, ohne die Dichotome selbst aufzulösen: Verzauberung. Statt einer Synthese schuf er eine unsichtbare Brücke. Man erkennt sie immer erst, wenn man sie bereits passiert hat.

Natürlich war Tolkien an der Somme verzaubert. Er wäre es vermutlich auch überall sonst gewesen. Der Krieg war für ihn nicht mehr, als ein sehr sehr lästiges Radioprogramm, das im Hintergrund lief, bei der Arbeit störte und sich partout nicht abstellen ließ.

Der basale Unterschied zwischen Alsa und Nelkhart lässt sich wohl wiederum auf zwei Begriffe bringen: Ethik und Ästhetik. Sie will mit Tolkien die Welt verbessern, er will sie nur verschönern. Aber meiner Ansicht nach führt der Wunsch, Tolkiens Werke als Schlüssel für die Probleme unserer Zeit zu sehen in eine ähnliche Richtung wie der angeprangerte Magie-Mißbrauch. Von der Spitze des Turms aus konnte der Mann das Meer sehen. Wir sollen uns an den Geschichten erfreuen, anstatt sie für Zwecke zu benutzen – auch nicht für gute.

Es ist so köstlich irreführend, wie Du die Wendung „wenn ich mich richtig erinnere“ in geschichtliche Zeitangaben einflechtest. Hat sich Alsa beim Studium verlesen oder war sie damals selbst dabei?


Bitte löse dieses Rätsel nicht auf.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 6 Stunden schrieb Nelkhart:

Ich glaube, Dir geht es um einen gänzlich anderen Dualismus als mir oben.

Dann erläutere den Dualismus, den Du meinst. 

 

Zitat

Du sprichst von gegensätzlichen Naturellen der menschlichen Existenz und wünschst Dir eine Versöhnung herbeizuführen.

Es macht keinen Sinn, dass Du MEINE PERSON hier deutest. Das kann nur in die Hose gehen. 

Und weiter macht es für mich keinen Sinn, die  PERSON Tolkien zu deuten. 

Wenn wir uns nicht  - ausschließlich -  auf das schriftliche literarische und theoretische Werk Tolkiens beziehen, können wir nichts belegen.

 

Zitat

Natürlich war Tolkien an der Somme verzaubert. Er wäre es vermutlich auch überall sonst gewesen. Der Krieg war für ihn nicht mehr, als ein sehr sehr lästiges Radioprogramm, das im Hintergrund lief, bei der Arbeit störte und sich partout nicht abstellen ließ.

Das weißt Du jetzt woher?

Die Tatsache, dass Tolkien an der Somme seine Kriegserlebnisse in Literatur umwandelte, würdest Du leugnen?

 

Zitat

Der basale Unterschied zwischen Alsa und Nelkhart lässt sich wohl wiederum auf zwei Begriffe bringen: Ethik und Ästhetik.

Ach wo. Du weißt doch gar nichts von mir. ;-)

Beschränken wir uns doch bitte auf TOLKIENS Werk. 

 

Zitat

Sie will mit Tolkien die Welt verbessern, er will sie nur verschönern.

Aber woher denn! Weder stimmt das erste, noch stimmt das zweite.

Bleiben wir bei zweitem. Tolkien wollte den Krieg nicht verschönern. Hätte er es gewollt, dann wäre er doch so schnell wie möglich wieder an die Front gegangen, um die ästhetischen Leichen beschreiben zu können. Bzw. die Leichen ästhetisch beschreiben zu können.

Ich gebe zu, dass Tolkiens Werk von Kriegsbeschreibungen nur so platzt - entweder er kann ohne Krieg nicht atmen und muss in Friedenszeiten den Krieg zumindest literarisch immer wieder neu erfinden - oder aber er war grundlegend traumatisiert.

 

Zitat

Aber meiner Ansicht nach führt der Wunsch, Tolkiens Werke als Schlüssel für die Probleme unserer Zeit zu sehen in eine ähnliche Richtung wie der angeprangerte Magie-Mißbrauch. Von der Spitze des Turms aus konnte der Mann das Meer sehen. Wir sollen uns an den Geschichten erfreuen, anstatt sie für Zwecke zu benutzen – auch nicht für gute.

Das wirft die Frage nach dem Sinn von Kunst auf.

Ich verstehe Tolkien so, dass er mit seiner Kunst die Probleme seiner Zeit oder der Menschheit klären helfen wollte. 

Melkor und Eru sind Bilder für das Verhalten von Menschen und nicht dazu da, sich am Bösen erfreuen zu lernen. Das wäre ja pervers. 

Alle Ainur leiden unter Melkor, und Tolkien will die Ainur anprangern, dass sie unter Melkor leiden, statt sich an allen seinen Zerstörungen zu ergötzen? 

 

Zitat

Es ist so köstlich irreführend, wie Du die Wendung „wenn ich mich richtig erinnere“ in geschichtliche Zeitangaben einflechtest. Hat sich Alsa beim Studium verlesen oder war sie damals selbst dabei?

Ich habe doch ziemlich deutlich geschrieben, dass ich viele Jahre Tolkien nicht mehr gelesen habe, und mein Gedächtnis war noch nie sonderlich gut. Darum schreibe ich in Zweifelsfällen immer hinzu: "wenn ich mich richtig erinnere"

Ich begreife nicht, warum Du mich hier angreifst? 

 

Noch einmal zur Klarheit:

Ästhetisierung von Mord und Folter lehne ich strikt ab. Tolkien  unterstelle ich erst mal nicht die Lust, menschliche Qualen zu schildern, und ich unterstelle ihm auch nicht, dass die künstlerische Produktion für ihn ein Gegensatz zum Ethischen ist. 

Seine Figuren sind deutlich entweder "human" oder "inhuman", oder sie sind eine Mischung. Ich kann mich an keine einzige Figur erinnern, die von ihm nicht ethisch eingeordnet ist. 

Natürlich kann es einem Künstler passieren, dass er mitten im Elend ist, das Elend zeichnet und dabei das konkrete Elend vergisst. Er will das Elend künstlerisch bewältigen.

Aber wir wissen von der Person Tolkien fast nichts, und insofern halte ich mich aus Spekulationen möglichst gänzlich raus. 

 

Bearbeitet von Alsa
Tippfehler
Geschrieben

Ich begreife nicht, warum Du Dich hier angegriffen fühlst.

Bei dieser drastischen Diskursverengung weiß man gar nicht mehr, was man noch sagen darf.

Paß auf, ich schreibe ein paar Sätze um, damit sie verständlicher werden und vielleicht schreibst Du dann auch ein paar Passagen in Deiner Antwort um.

Der Dualismus, auf den ich mich beziehe, lautet Alltag und Geheimnis. Er ist weniger anthropozentrisch ausgelegt, als der Gegensatz, den Du beschreibst. Ich sehe die gegensätzlichen Pole im Gefüge der Welt, nicht im Individuum. Normalität hier, Märchenland dort.

Alsa schrieb: "Wie packt man es, voll und ganz im Leben zu stehen, es wach zu beobachten, und gleichzeitig die »poetische Essenz« des Ganzen zu spüren?" Aufgrund dessen, was Du hier schreibst, vermute ich, daß Du diese beiden Aspekte des menschlichen Seins vereinen möchtest. Das beste beider Temperamente zu verknüpfen, scheint für Dich ein erstrebenswertes Ideal zu sein.

Hier habe ich das Vergnügen, ein Mißverständnis aufzulösen:
Der basale Unterschied zwischen Alsa und Nelkhart lässt sich auf zwei Begriffe bringen: Ethik und Ästhetik. Alsa will mit Tolkien die Welt verbessern, Nelkhart will sie nur verschönern.
Ob das zweite stimmt, kannst Du also, Deiner eigenen Regel nach, nur schlecht beurteilen. Und natürlich existieren Alsa und Nelkhart hier im Forum nur soweit wie die Ansammlung der Buchstaben ihrer Aussagen reicht.

Aber bleiben wir mal im Mißverstandenen: Ich finde es interessant, daß ich "Welt" schreibe und Du "Krieg" verstehst:
Nelkhart: "Sie will mit Tolkien die Welt verbessern, er will sie nur verschönern."
Alsa: "Bleiben wir bei zweitem. Tolkien wollte den Krieg nicht verschönern."

Du verwendest Welt und Krieg synonym? Sowas mußt Du mir doch sagen.

In den weiteren Punkten divergieren wir diametral.

Mal schauën, was noch zu retten ist.



 

Geschrieben

Ich habe zwei Fragen, die mir beim Lesen des Themas gekommen sind:

@Nelkhart hat das Trema auf dem e auch nur eine ästhetische Wirkung oder verbirgt sich dahinter ein tieferer Sinn?

@Alsa du hast geschrieben, dass du HdR unter einem bestimmten Aspekt neu durcharbeiten willst. Verrätst du, welcher Aspekt das ist?

Um nicht ganz von der hitzigen Debatte abzulenken: ich geselle mich eher auf die Seite Nelkharts und genieße Tolkiens Werk und Welt lieber, als dass ich mich mit möglichen Verweisen auf unsere traurige Welt abmühe.

Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Roncalon:

 

 

Hallo Roncalon,

super, dass Du Dich hier einklinkst.

Ich möchte noch einmal betonen:

Mir geht es nicht darum, wie einzelne User Tolkien für sich selber nutzen. Das darf jeder machen, wie er möchte.

Mir geht es darum, was Tolkien dazu geführt hat, sein Frühwerk zu starten.

Da wir darüber einiges Material aus Tolkiens Feder haben, kann man das auch halbwegs herausbekommen. Darüber wurde auch schon von Tolkienforschern das eine oder andere veröffentlicht.

Ich wollte in diesem Thread demnächst aus Tolkien "On fairy-stories"  zitieren, um zu zeigen, was Tolkien zu dem damaligen Zeitpunkt  unter der Faërie  verstand. 

Leider habe ich akuten Zeitmangel, darum hier meine Pause. Ich hoffe, es demnächst hinzukriegen, ich muss dazu den ganzen Aufsatz und Tolkiens Vorarbeiten dazu noch mal durchgehen; meiner Erinnerung traue ich in dem Fall nicht, meine Lektüre ist zu lange her. 

Deine konkrete Frage an mich beantworte ich ein andermal. Ich muss erst raussuchen, wo ich was genau geschrieben habe und worauf ich mich damals bezog.  :-)

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