Octopi Geschrieben 2. April 2023 Geschrieben 2. April 2023 Ich pack das Thema hier mal in den Quatschen-Bereich, da es nicht einer Folge wirklich zuzuordnen ist. Nehmt das ganze nicht zu ernst . Und ja, ich habs dann auch mal geschafft, die Staffel zu schauen.... Kinners, wir müssen über Numenors Schiffe reden. Numenor wird in der Serie als eine Gesellschaft gezeigt, die der Seefahrt - und der See - viel Wert beimisst. "The sea is always right". Und das sieht man auch: Die Schiffe sind offensichtlich mit hohem handwerklichen Geschick gefertigt, so wie ich die Serie interpretiert habe, hat die numeroische Marine ( ? ) sogar mindestens ein reines Ausbildungsschiff! Man scheint dem Dienst in der Marine darüberhinaus hohe Achtung entgegen zu bringen. Und das macht für einen Inselstaat ja auch Sinn. Es ist allerdings ziemlich unsinnig, die Schiffe dann nicht zu nutzen. Wenn man also einen Inselstaat hat, für den Seefahrt ja so wichtig ist (und der das Kunststück hinkriegt, 100 Mann, plus Pferde, plus Ausrüstung, plus Verpflegung, plus Schiffscrew, plus alles was ein Schiff für die offene See sonst noch so benötigt auf derart kleinen Schiffen unterzubringen), warum zum F*** hat der so beschissene Schiffe? Die Schiffe haben einen Rumpf, das ist schonmal gut, wenn man einen schwimmfähigen Körper haben möchte. Die Schiffe haben Segel, das ist eine gute Vorraussetzung, wenn man lange Strecken auf See zurücklegen möchte - Ruderer werden irgendwann müde. Und Platz wäre für die eh nicht, da so wie die Kavallerie reitet, jeder Soldat mindestens zwei Pferde an Bord hat. Und hier fängt das (Ruder-)blatt an sich zu wenden. Wo ist denn das Ruder überhaupt? Ich hab am Heck keines gesehen. Jetzt hat ein Ruder ja typischerweise die Eigenschaft, über Wasser nicht so tierisch viel zur Manövrierfähigkeit eines Schiffes beizutragen. Nehmen wir also mal an, dass das Ruder vollständig unter Wasser ist. Jetzt haben wir nur das Problem, dass da irgendwo unterhalb der Wasserlinie eine Rumpfdurchbrechung existieren muss, um das Ruder zu bedienen. Rumpfdurchbrechungen sind nie wirklich toll, weil sie die Stabilität des Rumpfes beeinträchtigen und -Achtung, das ist bei Schiffen eher ungünstig- nicht wasserdicht sind. Schiffe der Antike aus dem Mittelmeerraum hatten das Ruder seitlich am Heck befestigt, sodass gar kein Rumpfdurchbruch nötig war. Spätere Schiffstypen aus dem asiatischen und europäischen Raum hatten die Ruder dann am Achtersteven (hintere Verlängerung des Kiels nach oben) aufgehängt, von wo man die Pinne entweder über Bord an Deck führen kann (dann spart man sich die Rumpfdurchbrechung und hat mehr Platz unter Deck, den man gut brauchen kann, weil man so schön farbige Leinwände mitnimmt um damit das spätere Camp zu umzäunen), oder weit über der Wasserlinie durch eine Öffnung ins Schiffsinnere bringt. Warum hat man das so gemacht? Weil, und ich betone das gerne nochmal, Löcher im Rumpf unterhalb der Wasserlinie tendenziell dazu führen, dass das Schiff sich mit Wasser füllt. Und das ist der Schwimmfähigkeit eines Schiffes im Allgemeinen eher abträglich. Aber vielleicht haben die Schiffe ja auch gar keine Ruder, das wäre überhaupt nicht schlimm, da man mit dem Rigg der Schiffe eh nur in eine Richtung fahren kann. Ich möchte jetzt nicht allzu technisch werden, deshalb umreiße ich das Folgende nur kurz. Segel funktionieren mit zwei Mechanismen: Aerodynamischem Drag und aerodynamischem Lift. Bei ersterem "fängt" das Segel den Wind und wird dadurch nach vorne gedrückt (physikalisch spielen hier Druckunterschiede zwischen vor und hinter dem Segel die Hauptrolle, aber lassen wir das). Das funktioniert einleuchtenderweise nur, wenn der Wind von achtern (hinten) kommt. je weiter der Wind von der Seite kommt, desto schlechter klappt das ganze. Und sobald der Wind von querab kommt, geht das gar nicht mehr. Diese Art den Wind zu nutzen unterstützt das Rigg der Numenorer. Aber man kommt damit eben nur in eine Richtung: Die in die der Wind weht. Man kann hier noch ein wenig mit der Segelstellung spielen, um etwas mehr Flexibilität in der Richtung rauszuholen, und es sieht so aus, als würde das Rigg der Schiffe das tatsächlich zulassen. Aber wenn man gegen den Wind segeln will, dann braucht man Segel, die mit aerodynamischem Lift arbeiten. Das funktioniert genau so wie Flugzeugtragflächen, nur dass der Wind um das Segel strömt, und nicht das Segel durch die Luft "schneidet". Ihr erratet bestimmt, was jetzt kommt: Diese Art zu Segeln wird vom Rigg der Schiffe nicht unterstützt. Das hat mit der Art der Aufhängung und Formbarkeit der Segel zu tun und würde hier jetzt zu weit führen (ich müsste die Details natürlich nicht erst nachschauen...). Dass eine Seefahrernation wie Numenor nicht in der Lage sein soll, ordentliche Segelpläne zu entwerfen, ist lächerlich. Aber vielleicht weht der Wind in Mittelerde ja immer von Westen, dann könnten die Numenorer gar nicht gen Westen segeln (würde die Valar bestimmt freuen) - und wenn man die Kavallerie in Mittelerde absetzt, hat man auf dem Rückweg vielleicht sogar Platz für die Ruderer, die man braucht um zurück in die Heimat zu kommen. Stellt sich nur noch die Frage, warum man mitten in die Segel ein riesiges Loch schneidet, durch das der Wind durch kann, ohne irgendwie für Vortrieb zu sorgen. Das ist weder für Lift noch für Drag wirklich hilfreich beim Antrieb. Ganz zu schweigen davon, dass die Zwillingsmasten nicht nur völlig unnötig Material kosten, sondern auch noch ziemliche Statikprobleme generieren, die total überflüssig sind, weil man das gleiche auch mit einem Mast erreichen würde. Naja, wenigstens sieht's cool aus. Bleibt zum Schluss nur noch etwas übrig, was weniger etwas mit dem Design, als mehr mit allgemeiner Unsinnigkeit zu tun hat: Platz ist auf Segelschiffen immer zu wenig da. Was in der Staffel an Platz auf den Schiffen zu sehen ist, ist viel zu großzügig für die Menge an Personal und Material, die sich an Bord befindet. Segel ohne mechanische Unterstützung zu trimmen benötigt Manpower. Für die braucht man Unterkunft, Wasser und Nahrung. Jetzt kann man sicherlich sagen wir mal 100 Soldaten mit Ausrüstung, Wasser und Verpflegung zusätzlich an Bord unterbringen, aber dann wird es eng. Nie im Leben passen dann noch Pferde, die wiederum Wasser und Futter brauchen, an Bord, schon gar nicht in den in der Serie so schön gezeigten Ställen. Ich will mich hier jetzt nicht auch noch in Logistik für Kavallerie groß ergehen, aber im Allgemeinen braucht jeder Kavallerist der Vormoderne mindestens zwei, eher drei Pferde, um effektiv als Kavallerist kämpfen zu können - und das ohne, dass man sein (Kampf-)Pferd über lange Strecken vor dem Kampf im Galopp antreibt (außer man ist zufällig Mongole, dann gelten ganz viele Regeln nicht mehr). Das ist jetzt vielleicht ein lächerlich kleines Thema, um sich dran aufzuhängen, aber mich hat es extrem gestört. So, Tirade fertig. Ach ja, die Musik in der Serie hat mir ganz gut gefallen. 2 3
beadoleoma Geschrieben 2. April 2023 Geschrieben 2. April 2023 Ich habe so wenig Ahnung vom segeln, dass ich zu den meisten Dingen, die du geschrieben hast einfach nur "klingt als ob er wüsste, was er sagt" schreiben kann. Aber dass die Reiter und die Pferde und die Matrosen und der Proviant NIE IM LEBEN auf diese Schiffe passen habe ich mir auch gedacht. 1
Octopi Geschrieben 4. April 2023 Autor Geschrieben 4. April 2023 Also wir reden doch immer noch von Schiffen, und nicht von Eisbergen, eh?
Tolwen Geschrieben 4. April 2023 Geschrieben 4. April 2023 Am 2.4.2023 um 18:34 schrieb Octopi: Das ist jetzt vielleicht ein lächerlich kleines Thema, um sich dran aufzuhängen, aber mich hat es extrem gestört. So, Tirade fertig. Ach ja, die Musik in der Serie hat mir ganz gut gefallen. ich stimme Deinen Ausführungen 100%ig zu. Meine Vermutung, warum es so ist wie es nunmal in der Serie ist - es soll vor allem cool, fantastisch und prächtig aussehen und somit den normalen Zuschauer mit tollen Fantasy-Bildern beeindrucken. Die Etablierung eines "númenórischen" Looks (über den sich natürlich auch streiten lässt) dürfte dabei ziemlich weit oben auf der Liste der Prioritäten sein. Punkte, wie Deine spielen dabei - so überhaupt dran gedacht wird - dann eine eher untergeordnete Rolle.
beadoleoma Geschrieben 4. April 2023 Geschrieben 4. April 2023 Hmmm ... aber gerade die Schiffe könnten da ein Schuss in den Ofen gewesen sein, wenn sogar Segeldummies wie ich sich gefragt haben, ob die Reiter und Pferde aufblasbar waren oder wie sie die da reingestopft haben. Solche technischen Patzer wie die Ruder und die Segel sind ja an mir komplett vorbeigegangen und die Tatsache, dass auch noch jede Menge Campingequipment mitmusste ist mir auch erst durch deinen wundervollen Rant aufgefallen @Octopi.
Octopi Geschrieben 4. April 2023 Autor Geschrieben 4. April 2023 vor 17 Minuten schrieb Tolwen: Die Etablierung eines "númenórischen" Looks (über den sich natürlich auch streiten lässt) dürfte dabei ziemlich weit oben auf der Liste der Prioritäten sein Das ist ja auch völlig in Ordnung. Und ganz ehrlich, wenn es nur die europäische Schiffe aus Antike/Mittelalter/Renaissance wären, würde wahrscheinlich auch ein wenig das Mittelerdefeeling leiden. Das verstehe ich ja auch. Was mich hier halt ein wenig nervt, ist die Tatsache, dass man das Ganze mindestens mal oberflächlich auf Plausibilität hätte prüfen (lassen) können. Es gibt genug absurd aussehende reale Segelpläne die man hätte nutzen können. In China wurden schon vor Jahrhunderten Dschunken gebaut, gegen die die damaligen europäischen Schiffe wie Streichholzschachteln aussahen. Polynesen (Polyneser?) haben quasi mit Einbaum-Katamaranen den Pazifik überquert. vor 5 Minuten schrieb beadoleoma: deinen wundervollen Rant 1
Tolwen Geschrieben 4. April 2023 Geschrieben 4. April 2023 Das ist ja auch völlig in Ordnung. Und ganz ehrlich, wenn es nur die europäische Schiffe aus Antike/Mittelalter/Renaissance wären, würde wahrscheinlich auch ein wenig das Mittelerdefeeling leiden. Das verstehe ich ja auch. Was mich hier halt ein wenig nervt, ist die Tatsache, dass man das Ganze mindestens mal oberflächlich auf Plausibilität hätte prüfen (lassen) können. Es gibt genug absurd aussehende reale Segelpläne die man hätte nutzen können. In China wurden schon vor Jahrhunderten Dschunken gebaut, gegen die die damaligen europäischen Schiffe wie Streichholzschachteln aussahen. Polynesen (Polyneser?) haben quasi mit Einbaum-Katamaranen den Pazifik überquert. Ich verstehe den Frust voll und ganz. Ich hätte noch ergänzen sollen, dass dies nicht nur Priorität hat, sondern auch dass es evtl. die Einzige ist und man sich über sonst nix Gedanken gemacht hat... Oder die CGI-Abteilung hat vergessen, das Steuerruder einzubauen Aber insgesamt reiht sich das zu den zahlreichen anderen Punkten ein, in denen die Serie - zumindest mich - enttäuscht hat
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