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Maybel Tolkiens Konversion zum Katholizismus


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Geschrieben (bearbeitet)

Hallo zusammen!

 

Ich lese gerade die Tolkien Biographie von H. Carpenter und bin an der Stelle über die Konversion seiner Mutter Mabel zum Katholizimus (K.) etwas hängen geblieben. So wie Carpenter es darstellt scheint dieser Glaubensübetritt von enormer Bedeutung für Tolkien selbst und auch sein Werk gewesen zu sein. Es gibt ja auch zahllose Äusserungen von ihm dazu die das bestätigen. Woran ich hängen geblieben bin ist, WARUM sie zum K. konvertierte? War das damals in dieser Gegend häufiger? Wie häufig waren Konversionen allgemein? Gab es auch Konversionen in die andere Richtung? Da sie massiven Gegenwind von ihrer Familie desswegen bekam und quasi fast ausgestossen wurde denke ich, dass sehr klare und starke Gründe vorgelegen haben müssen warum sie dies tat. Kurzum mich würde die Geschichte und der größere Zusammenhang des Kovertitentums des damaligen Englands genauer interessieren. Weiss hier jemand etwas dazu?

VG

 L.F.

Bearbeitet von LutzFarning
Geschrieben (bearbeitet)

Bis gestern hatte ich mich damit noch nie beschäftigt, habe mich jetzt allerdings ein wenig eingelesen und versuche mich an einer Einordnung.

Der Katholizismus hatte in England nach der Kirchentrennung durch Heinrich VIII. 1531 erstmal lange Zeit einen äußerst schweren Stand. Katholiken wurden, je nach Zeitraum, diskriminiert oder sogar verfolgt, was sich im Grunde in unterschiedlichen Ausprägungen ca. 250 Jahre hingezogen hat. Quelle In dieser Zeit gab es allerdings theologisch gesehen keine allzu hohe Trennschärfe zwischen der Church of England auf der einen Seite und europäischem Katholizismus bzw. Protestantismus auf der anderen Seite, einfach aus dem Grund, dass keine dieser Kirchen einen monolithischen Block darstellte und insbesondere die reformistischen Bewegungen sich in eine Vielzahl von Glaubensrichtungen und -philosophien aufspalteten. Einflussreiche protestantische Varianten des christlichen Glaubens waren im 18. Jahrhundert u.a. Calvinismus, Puritanismus, Methodismus, Hallescher Pietismus, etc. Theologische Ausrichtungen, die u.a. von Gelehrten der Universitäten Oxford und Cambridge vertreten bzw. pioniert wurden. Darüber hinaus war/ist die Church of England dem Katholizismus nicht so fern, wie sie es gerne vorgibt.

"Die Church of England ließ als episkopal verfasste Staatskirche mit apostolischer Sukzession die überkommenen mittelalterlichen Kirchenstrukturen mit Ausnahme der Bindung an Rom intakt." (Kirn, Hans-Martin: Geschichte des Christentums IV,1. Konfessionelles Zeitalter (Theologische Wissenschaft Sammelwerk für Studium und Beruf, 8,1), Stuttgart 2018, S. 223.

Spätestens ab Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Katholizismus zusehends eine "legitime" und "verbreitete" Glaubensrichtung in England, was unter anderem durch die Annexion Irlands in das Vereinigte Königreich vorangetrieben wurde. Schließlich waren von heute auf morgen rund 10% der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs katholischer Konfession. 1829 erfolgte die Katholikenemanzipation also die rechtliche Gleichstellung der Katholiken und 1850 sogar die Reetablierung des katholischen Diözesansystems mit der Zirkumskriptionsbulle Universalis Ecclesiae von Papst Pius, die von einer Konversionswelle begleitet wurde.

An dieser Stelle habe ich viele Ursachen und Feinheiten gekonnt ignoriert, aber ich denke mal, für eine grobe Einordnung der Konversion von Tolkiens Mutter dürfte es reichen.

Zum Zeitpunkt von Mabels Übertritt zur katholischen Kirche, war diese also schon länger nicht mehr verfolgt, es gab einige Jahrzehnte zuvor eine Art kleiner Renaissance der Kirche und reichlich Präzedenzfälle für Konversion. Nichtsdestotrotz blieben die Katholiken eine Minderheit (bis heute beläuft sich der Anteil der Katholiken Englands auf ca. 10 % der Bevölkerung), deren Überzeugungen in zumindest gewissem Widerspruch mit der Mehrheitsbevölkerung stand. Eine gesellschaftliche Verpöhnung und Ablehnung ist da vorprogrammiert, die in England u.a. dadurch Ausdruck fand, dass sich gegen Bildung durch Katholiken bzw. in Konventen ausgesprochen wurde, da diese minderwertig und schädlich für Kinder sei. (Vgl. Kollar, Rene: Foreign and Catholic: a plea to Protestant parents on the dangers of convent education in Victorian England, in: History of Education 31,4 (2002), S. 335-350.)

Ich würde diese Konversion bzgl. gesellschaftlicher Interpretation und Bedeutung mal extrem vorsichtig mit einem Austritt aus der katholischen Kirche im heutigen Polen vergleichen. Je nachdem, wo man sich genau befindet, und wie die Leute im persönlichen Umfeld ticken, ist das völlig unproblematisch, kann aber auch dazu führen, dass man enterbt wird. Der Vergleich hinkt natürlich, aber gibt vermutlich ein grobes Gefühl für die Relevanz.

Bearbeitet von Eldacar
Geschrieben

Achtung: Spekulation meinerseits!

Wie Eldacar gesagt hat, ist die CofE nicht ganz weit weg vom Katholizismus, es gibt da innerhalb der CofE die Unterscheidung zwischen High & Low Church (außerhalb des Anglikanismus werden die Begriffe auch verwendet, haben da aber eine etwas andere Bedeutung), wobei Gemeinden die in Liturgie und Tradition eher dem Katholizismus nahe stehen meines Wissens als High C. bezeichnet werden, die eher liberaleren Gemeinden mit dem theologischen Schwerpunkt eher in der Gemeinde als beim Priester, als Low C. (meines Wissens erlauben z.B: manche anglikanischen Gemeinden Priesterinnen, andere aber nicht usw usf., ich lasse mich da aber gerne korrigieren, wenn jemand theologisch besser bescheid weiß).

Jetzt spekuliere ich mal:

Ich könnte mir also vorstellen, dass eine Person, die gefühlsmäßig sich eher von den Ritualen und der Liturgie angesprochen fühlt, sich überlegen könnte dann den Schritt hin zur katholischen Kirche zu wagen, in der das alles noch stärker ausgeprägt ist als in der Anglikanischen Kirche. Es könnte also durchaus einfach so sein, dass sie als bereits sehr religiöser Mensch sich einfach von der genauen Umsetzung christlicher Praktiken in der kath. Kirche stärker angesprochen gefühlt hat.

Oder was ganz anderes. ;-)

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Geschrieben

Vielen Dank Eldacar für Deine Zusammenfassung der Hintergründe und auch Dir beadoleoma für die 5 Cents! Dass macht natürlich viel Sinn, dass Sie vermutlich einfach bereits sehr religiös war und daher auf der Suche nach dem "ursprünglichem" beim K, ganz grob gesagt, gelandet ist. Dass die Nähe der CofE zum Katholizismus relativ hoch ist war mir vorher nocht bewusst, macht aber total Sinn (Warum die CofE dennoch zum Protestantismus gehört hier https://en.wikipedia.org/wiki/Church_of_England#History  und insbesondere hier https://en.wikipedia.org/wiki/Sola_fide ). 

Jetzt wären natürlich nochmal persönliche Aussagen von ihr oder Zeugnisse seiner Nachfahren dahingehend interessant. Bisher habe ich in den Standardquellen nicht dazu gefunden.

Danke nochmal.

 

Geschrieben

Die Unterscheidung zwischen katholisch und protestantisch ist so eine Sache. Man lernt zumindest in D in der Schule oft vereinfacht, dass Luther den Ablasshandel abgelehnt hat. Aber erstens war Luther nicht der einzige Reformator und zweitens ist seine theologische Argumentation viel komplexer. Bei der Anglikanischen Kirche kommt noch dazu, dass sie ja quasi von oben herab als Staatskirche aus politischen Gründen gegründet wurde. 

Wie gesagt gibt es innerhalb des Anglikanismus eine große Bandbreite. deswegen würde ich nicht so einfach sagen, sie sei der katholischen Kirche generell ähnlich, aber du wirst dort im Gottesdienst bestimmt Elemente sehen, die katholisch aussehen. Es gibt zum Beispiel die Beichte (auch wenn sie meines Wissens von manchen anglikanischen Priestern kritisch gesehen wird und nicht wie im Katholizismus zu bestimmten Anlässen verpflichtend ist).

Andererseits wollte Heinrich VIII die Macht des Papstes über die Kirchen in England abschaffen (und ihr Geld haben), weswegen auch der König/die Königin offizielles Kirchenoberhaupt ist. Diese Trennung von Rom erklärt vielleicht warum die CofE offiziell zu den reformierten Kirchen gezählt wird.

(Wie schon oben: bitte berichtigt gerne meine groben Schnitzer!)

Geschrieben
vor 6 Minuten schrieb beadoleoma:

Andererseits wollte Heinrich VIII die Macht des Papstes über die Kirchen in England abschaffen (und ihr Geld haben), weswegen auch der König/die Königin offizielles Kirchenoberhaupt ist. Diese Trennung von Rom erklärt vielleicht warum die CofE offiziell zu den reformierten Kirchen gezählt wird.

Denke auch, dass persönliche Interessen Heinrichs hinter der Schaffung der anglikanischen Kirche steckten: einmal sich das Vermögen der Kirchen anzueignen und zum anderen seine Ehe mit Katharina von Aragon annulieren zu können, um Anne Boleyn zu heiraten. Aber es gab damals wohl tatsächlich starke Reformbestrebungen in England, aus politischen Gründen hat sich Heinrich aber letztlich dann doch zurückgehalten bzw. manches wieder verworfen. Der geschichtliche Hintergrund könnte für einen strenggläubigen Menschen vielleicht ein Grund sein, bei sich bietender Gelegenheit zu konvertieren. Am warum man dann ausgerechnet zur römisch-katholischen Kirche geht, weiß ich auch nicht.

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