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Tolkien & Rassismus


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Geschrieben

@Morfaroth: Woher nimmt Du die Gewissheit, dass die Stiefmutter von Aschenputtel "Ausländerin" war?

Er nahm sich eine andere Frau, aber ob diese aus der gleichen Stadt, einer anderen Stadt oder gar aus einem anderen Land stammte, geht in meinen Augen aus dem Märchen nicht hervor. :kratz:

In dem Märchenbuch meiner Tochter heißt es - den 100%igen Wortlaut habe ich nicht im Kopf - daß der Vater in die große Stadt zum Markt fuhr und von dort eine neue Frau und ihre Töchter mictbrachte.

Daraus schließe ich, daß es sich wohl um eine andere Stadt, zumindest aber um einen anderen Flecken gehandelt hat.

Wenn man jetzt noch die Zeit betrachtet, in der das Märchen entstanden ist, könnte man dem ganzen eine rassistische Tendenz unterstellen, da damals ein Fremder - selbst aus dem Nachbardorf, als potentioneller Krimineller betrachtet wurde.

Und in meinen Augen, wenn man es genau nehmen will. auch eine Form von Rassismus, ohne das wir die Hautfarbe oder Herkunft wechseln müssen.

Ist übrigens in vielen ländlichen Gegenden noch heute so.

Grüße

Morfaroth

Geschrieben

@Morfaroth: Also mein Text ist der von den Gebrüdern Grimm wenn ich nicht irre. Und dort fährt er (als er bereits wieder verheiratet ist) durchaus auch mal zu einem Markt und bringt den Stieftöchtern und der neuen Frau Geschenke mit. Aschenputtel wünscht sich als Mitbringsel nur den ersten Reisig der ihm an den Hut stößt. Aus diesem wächst dann der Zauberbaum.

Aber das ist Off-Topic und ich gebe zu, dass es von diesem Märchen verschiedene Fassungen gibt.

Geschrieben

Aus diesem wächst dann der Zauberbaum.

Zauberbaum????

Werde wohl mal die Version des Märchenbuchs meiner Tochter mit den Gebr. Grimm vergleichen müssen.

Grüße

Morfaroth

Geschrieben

Ich zitiere mal den Teil:

...Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter, was er ihnen mitbringen sollte.

"Schöne Kleider" sagte die eine, "Perlen und Edelsteine" die zweite.

"Aber du, Aschenputtel" sprach er, "was willst du haben?"

"Vater, das erste Reis, das Euch auf Eurem Heimweg an den Hut stößt, das brecht für mich ab."

Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Haselreis und stieß ihm den Hut ab. Da brach er das Reis ab und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern, was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, ging zu seiner Mutter Grab und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, daß die Tränen darauf niederfielen und es begossen. Es wuchs aber, und ward ein schöner Baum. Aschenputtel ging alle Tage dreimal darunter, weinte und betete, und allemal kam ein weißes Vöglein auf den Baum, und wenn es einen Wunsch aussprach, so warf ihm das Vöglein herab, was es sich gewünscht hatte.

...

Und dann gibt es eben den berühmten Spruch:

"Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,

wirf Gold und Silber über mich."

  • 5 Wochen später...
Geschrieben

Auch wenns flapsig klingt:

Wogegen sollen die freien Völer denn kämpfen?

Gegen Melonen?

Selbst da würden sich Veganer-Gruppen melden, wegen Gewalt gegen Obst...

Würden die Orks ausgegeprägte Nasen haben, fühlten sich die Juden ethnisch angegriffen, hätten sie schwarze Haare und einen braunen Teint, die Araber.

NOTICE: Ich benutze absichtlich Klischees, ich denke nicht so!

Nun...

Wieso die Männer aus Harad nun unbedingt mandeläugig und olivehäutig sein mussten, kann ich ehrlich gesagt auch nicht wirklich erklären. Aber ein stichhaltiges Indiz wäre für mich:

Er hat ab und zu mal in einen Atlas und ein Lexikon geschaut und sich gedacht, dass Menschen, die in einer solchen Umgebung leben eben so aussehen.

  • 4 Wochen später...
Geschrieben

Auch wenns flapsig klingt:

Wogegen sollen die freien Völer denn kämpfen?

Gegen Melonen?

Selbst da würden sich Veganer-Gruppen melden, wegen Gewalt gegen Obst...

Würden die Orks ausgegeprägte Nasen haben, fühlten sich die Juden ethnisch angegriffen, hätten sie schwarze Haare und einen braunen Teint, die Araber.

Sooo kann man natürlich dem Thema elegant ausweichen...

Ich nehme schon mal an, dass ein Schriftsteller so viel Reflexionsvermögen hat, dass er weiß, warum er welcher Person welche Assoziationen verleiht. Und falls ihm welche unterlaufen, dann sind sie dennoch vorhanden.

Der Punkt ist ja auch hier, wieso man ganzen Völkern die gleichen Merkmale verpasst. Weshalb man überhaupt Völker erfindet, die gleiche Merkmale haben.

Gruß Wando

Geschrieben (bearbeitet)

Hab jetzt nicht den ganzen Thread gelesen, nur so meine Meinung dazu:

Ich halte den Rassismusvorwurf immerhin für haltbarer, als den Sexismus- und Faschismusvorwurf; es ist natürlich auf den ersten Blick bedenklich, dass die Menschen des Westens (die Europäer) meistens die Guten, und die Haradrim (Araber), die Schwärzlinge (Afrikaner) und die Ostlinge (Osteuropäer? sie werden nie äußerlich beschrieben) immer die Bösen sind. Allerdings muss man bedenken, dass a) Tolkien eine Mythologie für England schreiben wollte, die Vorfahren dieser (~Numenorer) also einigermaßen positiv erscheinen müssen (und in Mythen befindet sich das Volk meistens im Kampf mit anderen, die deshalb die Bösen sein müssen) und b) dass er sich seine Welt vor vielen Jahrzehnten ausgedacht hat, in einer Zeit als Rassismus noch viel anerkannter war und auch für wissenschaftlich gehalten wurde. Im Vergleich mit seinen Zeitgenosse war er eher weniger rassistisch als die "Mitte der Gesellschaft". Würde Tolkien heute leben, müsste man sein Werk wohl viel stärker kritisieren.

Ich kann mir vorstellen, dass sich Nichteuropäer nicht so gut mit Tolkiens Figuren identifizieren können und es viell auch nicht so toll finden (das würde ich ein vergleichbares Werk aus Ostasien auch nicht), aber das müssen sie ja auch nicht, denn Tolkien hat ja nur für die Engländer geschrieben (wobei man als anderer Europäer auch keine Probleme haben dürfte).

Bearbeitet von Thorin Eichenschild
Geschrieben
Ich kann mir vorstellen, dass sich Nichteuropäer nicht so gut mit Tolkiens Figuren infizieren können
Entschuldige, aber meinst du wirklich das, was ich da sehe? ;-)
Geschrieben

Ich kann mir vorstellen, dass sich Nichteuropäer nicht so gut mit Tolkiens Figuren infizieren können

Entschuldige, aber meinst du wirklich das, was ich da sehe? ;-)

Statt "infizieren" is wohl "identifizieren" gemeint.

Gruß Wando

Geschrieben (bearbeitet)

Warum eigentlich nicht? :kratz: man muss sich ja nicht total identifizieren, um Spaß an einem buch zu haben. Ich bin auch nicht Asiatin und habe mit großem Vergnügen z.B. den "Traum der roten Kammer" gelesen. Und ich stehe total Auf "Eastern" wie "Tiger and Dragon" und wie sie alle heißen. Warum sollte das nicht auch umgekehrt gehen?

Bearbeitet von Fioridur
Geschrieben

naja, ich hätte Schwierigkeiten ein Buch zu lesen, in dem eine andere Rasse idealisiert wirt und meine eigne negativ dargestellt ist.

Geschrieben

Rasse? Rasse? Ich hör immer "Rasse". Du hast dich wohl verschrieben. Inzwischen ist doch Allgemeingut, dass es "Rassen" beim Menschen biologisch gar nicht gibt - und sonst erst recht nicht. Denkst du, Asiaten müssten sich mit Orks identifizieren? Das ist doch Blödsinn. Warum sollten sich Asiaten nicht mit den "Guten" im HdR identifizieren? Also ich kann dir versichern, dass es meiner Tochter, die geborene Koreanerin ist, keinerlei Schwierigkeiten gemacht hat, und dass sie nie auf die idee gekommen wäre, sie wäre gemeint mit den Orks.

Geschrieben

Dann eben Ethnie. Ich habe nie gesagt, dass sich Nichteuropäer mit den Orks (es sei denn sie sind auch Fabelwesen) identifizieren müssten (wenn überhaupt, dann mit den Menschen des Osten und Süden); ich vermutete nur, dass sie sich überhaupt nicht mit den Figuren identifieren können, wenn das nicht so ist, dann eben nicht (wobei Ostasiaten noch mal in einer anderen Situation als Araber und Afrikaner sind, da sie in Tolkiens Welt überhaupt keine Rolle spielen, weder im Guten noch im Schlechten).

Geschrieben

Also, wo ist der/die Schwarze, der/die uns darüber berichtet? Muss doch irgendwer im Forum sein!

Geschrieben

Naja, ob schwarze Tolkienfans repräsentativ sind? Sie wären ja die Ausnahme meiner Vermutung. ;-)

Geschrieben

Naja, ob schwarze Tolkienfans repräsentativ sind? Sie wären ja die Ausnahme meiner Vermutung. pf_smilie_1.gif

Wofür sollen denn Tolkienfans "repräsentativ" sein? Sie haben alle eine Gemeinsamkeit (ob schwarz,weiß,braun,gelb,rot,orange,pink,blau...) ....

-sie lesen gerne Tolkien

Geschrieben

Ich denke nicht, dass man dem HdR näher kommt, wenn man die dort beschriebenen Völker in ihrer geographischen Verteilung mit der unserer Erde vergleicht oder gar gleichsetzt. Verlyn Flieger (amerikanische Tolkienspezialistin) hat irgendwo mal geschrieben, dass traditionell in den irischen Mythen die "Otherworld" im Westen liege. Und daran habe sich Tolkien von Anfang an gehalten. Auch für ihn lag von Anfang an Aman im Westen - auch als er Mittelerde noch gar nicht erfunden hatte. Zu Zeiten des "Book of Lost Tales" gab es nur die Großen Lande, die in etwa da lagen, wo heute England liegt. Tolkien hatte da nur drei Fixpunkte: Aman im Westen, England relativ östlich, dazischen Tol Eressea.

Der nächste Schritt in seiner Entwickluung war die Erfindung von Numenor. Diese Insel kam zwischen Tol Eressea und den Großen Landen bzw. der Mittelerde.

Während des Schreibens von HdR wurden dann nach und nach immer mehr locations notwendig, die er sukzessive dazu erfand. So eben Mordor, und vorher natürlich auch schon den Norden.

Und so gab es am Anfang bei Tolkien auch nur drei Geschlechter: das Göttergeschlecht, das elbische Geschlecht, das menschliche Geschlecht. Das entspricht der Dreiteilung Geist, Seele, Körper. Hier kann man von Rassen in dem Sinne wohl nicht reden, weil hier ja keine menschlichen Eigenschaften verteilt sind, sondern uralte Mythen reporduziert werden:

es gibt eben nicht nur das Göttliche, sondern auch göttliche Wesen usw. Genaugenommen sind es drei Anteile im Menschen, die im Mythos als reale Wesen versinnbildlicht werden.

Gefährlich wird es meines Erachtens erst dann, wenn Tolkien die Vererbung mit ins Spiel bringt. Wenn er anfängt, auf Grund der Nachkommenschaft Vorzüge und Privilegien zu verteilen. Auch innerhalb der Fiktion ist das gefährlich, weil da eben aufgrund der Rasse und der biologischen Abstammung ein Qualitätsmaßstab angelegt wird und zu sehr der Realismus einbezogen wird.

Meine Angaben sind, wie immer, ohne Gewähr. :-):-/

Wando

Geschrieben

Nun, die Phänotypen, die man aus Europa, Afrika und dem mittleren Osten kennt, kommen, in ähnlicher geographischer Verteilung, auch in Mittelerde vor.

Geschrieben

Hallo,

habe gerade ein paar Artikel über die Rassismus-Debatte überflogen und möchte (trotz der Gefahr Redundanzen zu generieren) nur ein paar Anmerkungen machen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, werden mit der Frage zwei nicht ganz deckungsgleiche Zusammenhänge angesprochen.

1. War Tolkien rassistisch?

2. Ist sein Werk rassistisch, bzw. kann es als rassistisch interpretiert werden?

Ad 1: Meines Erachtens: Nein.

Begründung: Letztlich kann man als außenstehender Laie nur Mutmaßungen äußern, aber soweit ich seinen Lebensweg im Kopf habe , halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass sich der polyglotte J.R.R.T. für rassistisches Gedankengut begeistern konnte. Indizien dafür liefern vielleicht folgende Zitate von ihm:

"Nicht nordisch, bitte! Ein Wort, das ich persönlich verabscheue; es ist trotz seiner französischen Herkunft mit rassistischen Theorien verknüpft. Geographisch nördlich ist besser."

Quelle: http://www.elronds-haus.de/rassismus.htm

"…the treatment of colour nearly always horrifies anyone going out from Britain, & not only in South Africa. Unfort. not many retain that generous sentiment for long."

Quelle: http://www.herren-des-westens.de/hdr_infos..._rassismus.html

Möglicherweise spielt auch eine Rolle, dass Tolkien in einem Zeitalter der großen Verführer (Stalin, Hitler) gelebt hat, und deren rhetorischen Entgleisungen mitsamt den entsetzlichen Auswirkungen ihn gegenüber rassistischen Tendenzen haben vorsichtig werden lassen.

Ad 2: Auch hier sind wieder zwei Teilfragen aufgeworfen. Zum einen der (beabsichtigte) Rassismus im Werk und zum anderen der im Werk wahrgenommene Rassismus.

Ad 2.1:Auch, wenn ein nicht rassistischer Autor rassistische (bzw. als rassistisch wahrgenommene) Literatur veröffentlichen kann (siehe Norman Spinrad, „Der stählerne Traum" und die Reaktion der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften) denke ich, dass dies (siehe auch Punkt 1) nicht von ihm beabsichtigt ist. Vielmehr stellt Mittelerde eine Fiktion dar, die sich inhaltlich an dem ihm zur Verfügung stehenden kulturellen Bausteinen orientiert (bspw.: Lothlórien und seine Bewohner als typischer locus amoenus, (Licht)elfen und Ringmotiv aus der Edda [vgl. auch http://www.wurzelwerk.at/thema/landgodhtru08.php]). Entsprechend haben auch die örtlichen Zuordnungen (im europäischen Kulturraum liegenden) archetypischen Charakter.

Ad 2.1: Bleibt also die Frage nach der möglichen Fehlinterpretation durch den Leser.

Hierzu kann man nur sagen: ja die ist möglich. Aber (gut, das „aber" musste jetzt kommen) wenn man es darauf anlegt, kann man diesen Vorwurf mit ein wenig Phantasie gegenüber nahezu alle Veröffentlichungen erheben. Legt man die (eigengestrickte und kritisierbare) Rassismusdefinition zugrunde, die Rassismus als implizite Abwertung und explizite Diskriminierung anderer Personen aufgrund unterschiedlicher Geschlechter, anderer Ethnie, verschiedener sozialer Stellung sowie sonstiger körperlicher und geistiger Andersartigkeit und kultureller Unterschiede, kennzeichnet, dann würde ich vermuten, dass nicht nur Märchen und Fantasy sondern auch viele andere Bücher als rassistisch eingeordnet werden können. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob nicht gerade die mit Schwarz-Weißen Figuren hantierende Fantasy Gattung für einen derartigen Vorwurf besonders prädestiniert ist? Dies hieße eine Gattung unter Generalverdacht zu stellen, was in der Form nicht zulässig (und auch nicht richtig) sein dürfte und auch zu weit von der Ausgangsfrage wegführen würde.

Deshalb zurück zu J.R.R.T. Tatsächlich sind die Orks holzschnittartig böse angelegt. Wobei ich hier den Eindruck habe, das von der erzählerischen Intention (Darstellung der Bedrohung der Freiheit durch eine in der letzten Instanz gesichtslosen und nur durch eine Auge gekennzeichneten Tyrannen) kaum eine andere Lösung denkbar wäre. Die wenigen Eindrücke über das soziale Leben der Orks und ihrer Ziele (Unterhaltung zwischen Schagrat und Gorbag im vierten Buch HdR, 10. Kapitel) zeigen zwar einen begrenzten Lebenstraum und hohe kriminelles Potenzial auf, aber auch dass die Orks es unter dem Tyrannen Sauron nicht leicht haben und Unsicherheiten kennen. Gerade die Fremdbestimmtheit durch Sauron ist aber auch ein Zeichen für Unterdrückung und auch wenn es zu weit gehen würde, die Orks als Opfer in einem größeren Kontext zu sehen, fällt es mir schwer, eine grundsätzliche Assoziationskette Orks = niedere = unwerte Lebenskreaturen in den Ausführungen von J.R.R.T zu erkennen.

Interessant ist auch die Darstellung der „schlechten" Menschen. Wo sie auftauchen stehen sie zwar auf der falschen Seite, handeln aber aus nachvollziehbaren Motiven.

Im HdR nach der Schlacht um Helms Klamm (Drittes Buch, achtes Kapitel) werden die von Saruman verführten Dunländer begnadigt, was sie wundert, da sie damit gerechnet haben, verbrannt zu werden (also Krieg auch aus Angst). Auch im weiteren Verlauf der Erzählung sind die „Ostländer" zumindest meiner Einschätzung (und Erinnerung) nach, weniger böse als nach guter alter Raubrittersitte gewinnorientiert, die sich von Sauron instrumentalisieren lassen, weil sie sich selbst etwas davon versprechen. Eigennutz und Angst sind aber keine Kriterium, die nur bestimmte Ethnien betrifft. Auch Boromir kann sich davon nicht freimachen (auch wenn er kurz danach bestraft wird).

Die oben erwähnte holzschnittartige Darstellung von Sarumans und Saurons Verbündeten heißt übrigens nicht, dass J.R.R.T. keinen Blick für die „kleinen" Vorurteile gegenüber Menschen mit anderem Status hatte (was man als den alltäglichen Rassismus bezeichnen könnte). So kann man nicht gerade behaupten, dass Streicher bei Butterblume eine VIP-Behandlung bekommt und das Gespräch zwischen den Hobbits und Streicher deutet an, dass diese alltägliche Diskriminierung durchaus schmerzen kann. An solchen kleinen Stellen denke ich kann man erkennen, dass der Grundton nichts mit rassistischen Gedankengut zu tun hat.

Meine Güte, das ist wieder ein wenig lang geworden. Entsprechend hoffe ich, dass die Anmerkungen nicht zu wirr und widersprüchlich sind.

Geschrieben

Ad 2: Auch hier sind wieder zwei Teilfragen aufgeworfen. Zum einen der (beabsichtigte) Rassismus im Werk und zum anderen der im Werk wahrgenommene Rassismus.

Du hast den entscheidenden Punkt vergessen: den unbeabsichtigten Rassismus. Und nur um den kann es sich in dieser Diskussion überhaupt handeln.

Und um das zu erforschen, braucht man wohl lange Zeit. Das kann man nicht mit einem Ja oder Nein, und dann aufgrund von ein, zwei Kriterien, abgehandelt in einem post von wenigen Sätzen, entscheiden. Das ist eine schwierige Materie, und man muss sehr viel dabei berücksichtigen.

Natürlich versuchen viele Tolkienfans immer möglichst schnell, das Thema für sich positiv zu entscheiden. Aber das hilft der Sache eigentlich gar nicht weiter. Denn das Unbehagen bleibt, und die Vorwürfe von außen bleiben auch. Und das Unbehagen ist auch bei den Tolkienfreunden des öfteren da, und da muss man denn vielleicht schon tiefer hinableuchten.

Ich denke, selbst wenn man im knallharten Sinn (und mit Hilfe von Wikipedia-Definitionen) Tollkien nicht als Rassisten bezeichnen kann, sein Werk nicht als rassistisch bezeichnen kann - dann ist die Sache doch noch nicht vom Tisch. Denn immerhin gibt es ja viele, die unangenehm berührt sind. Soll man mit ihnen Gehirnwäsche machen? Soll man sie beschimpfen, weil sie ihren Lieblingsautor anders lesen, als sie es gerne hätten? Sollte man nicht besser wirklich unvoreingenommen an das Werk herangehen und zur Not auch zugeben, dass hier gefährliche Gradwanderungen vorliegen?

Ad 2.1:[...]Vielmehr stellt Mittelerde eine Fiktion dar, die sich inhaltlich an dem ihm zur Verfügung stehenden kulturellen Bausteinen orientiert (bspw.: Lothlórien und seine Bewohner als typischer locus amoenus, (Licht)elfen und Ringmotiv aus der Edda [vgl. auch http://www.wurzelwerk.at/thema/landgodhtru08.php]). Entsprechend haben auch die örtlichen Zuordnungen (im europäischen Kulturraum liegenden) archetypischen Charakter.

Dieses Argument verfehlt, so oft es auch gebracht wird, den entscheidenden Punkt. Denn die Archetypen werden in der Tradition nicht in Rassenform angeboten. Es gibt nur eine Fee, nur einen Zauberer, nur einen Zwerg. Bei Tolkien aber sind sie das alles als Rasse - und das ist neu.

Ad 2.1: Bleibt also die Frage nach der möglichen Fehlinterpretation durch den Leser.

Hierzu kann man nur sagen: ja die ist möglich. Aber (gut, das „aber" musste jetzt kommen) wenn man es darauf anlegt, kann man diesen Vorwurf mit ein wenig Phantasie gegenüber nahezu alle Veröffentlichungen erheben.

Nein, das kann man nicht. Und so kann man sich auch nicht herauswinden. Es ist schon Tolkien selber auf dem Prüfstand, und das muss man ertragen und ernst nehmen können. Die Ausrede, dass alle schon mal diesen Vorwurf bekommen haben, ist 1. total unwahr, und 2. eine Ausrede, die nicht zieht. Und macht 3. hellhörig....

Legt man die (eigengestrickte und kritisierbare) Rassismusdefinition zugrunde, die Rassismus als implizite Abwertung und explizite Diskriminierung anderer Personen aufgrund unterschiedlicher Geschlechter, anderer Ethnie, verschiedener sozialer Stellung sowie sonstiger körperlicher und geistiger Andersartigkeit und kultureller Unterschiede, kennzeichnet, dann würde ich vermuten, dass nicht nur Märchen und Fantasy sondern auch viele andere Bücher als rassistisch eingeordnet werden können.

Nein. Erstens ist diese selbstgestrickte Definition natürlich darum so beliebt, weil man glaubt, damit auf geschickte Art allen Zweiflern den Mund gestopft zu haben. Wer möchte schon die Märchen verdammen? Also. Dann verdamme auch nicht Tolkien.

Aber es stimmt die Parallelisierung hinten und vorne nicht. Sie verdeckt genau die strittigen Fragen. Die eine habe ich schon genannt: in den Märchen gibt es keine Schlachten zwischen Rassen. Eine andere sei angedeutet: wenn ein Märchen des 16. Jahrhunderts Dinge enthält, die im 20. Jahrhundert sich als gefährlich herausgestellt haben, dann ist das Pech. Aber das Märchen kann nichts dafür.

Wenn ein ähnliches Märchen im 20. Jahrhundert geschrieben wird, nachdem diese Dinge sich als gefährlich herausgestellt haben, dann kann man selbstredend das Argument nicht mehr bringen, dass es im 16. Jahrhundert auch geschrieben wurde und jetzt auch okay sein müsse.

Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob nicht gerade die mit Schwarz-Weißen Figuren hantierende Fantasy Gattung für einen derartigen Vorwurf besonders prädestiniert ist? Dies hieße eine Gattung unter Generalverdacht zu stellen, was in der Form nicht zulässig (und auch nicht richtig) sein dürfte und auch zu weit von der Ausgangsfrage wegführen würde.

Was ist denn das für eine Argumentation! :kratz: Zum einen hat Tolkien mit der Fantasygattung gar nichts zu tun. Sie ist erst nach ihm entstanden. Und Gattungsfragen sind ohnehin so eine Sache. Gattungsdefinitionen stimmen ja sowieso nie, und in den Topf "Fantasy" steckt jeder hinein, was ihm gerade passt.

Und am meisten passt es ihm, Märchen da hineinzustopfen, weil sie ihm dann das Alibi bieten: sie seien auch schwarz-weiß, Tolkien sei es auch, und darum kann nur beides oder nichts zu rassistischen Vorstellungen neigen.

Außerdem geht es nicht um General"verdacht", sondern höchstens um eine Analyse. Und um die Frage, ob die moderne Fantasy sich dieses Genre nicht wählt, um ihre Rassentriebe loszuwerden und von den Fans auch immer verteidigt zu werden.

Deshalb zurück zu J.R.R.T. Tatsächlich sind die Orks holzschnittartig böse angelegt. Wobei ich hier den Eindruck habe, das von der erzählerischen Intention (Darstellung der Bedrohung der Freiheit durch eine in der letzten Instanz gesichtslosen und nur durch eine Auge gekennzeichneten Tyrannen) kaum eine andere Lösung denkbar wäre.

Die Argumentation verstehe ich nicht. Das Auge bezeichnet doch nur Sauron, keine Rasse. Die Orks wären dazu gar nicht nötig. Es sind in dem Roman auch nicht die Orks, die die Freiheit bedrohen. - Tolkien hätte sein Thema auch ohne sie durchziehen können. Und vielleicht sogar besser.

Gruß Wando

Gast ThorBrownlock
Geschrieben (bearbeitet)

Na dann geb ich auch mal meinen bescheidenden Kommentar ab.

Ich frag mich eigendlich, was das für Leute sind, die so etwas verbreiten.

Vor allen Dingen über jene, die keine Stellung mehr dazu nehme können.

Nämlich über Verstorbene wie eben den Autor Tolkien. Er wird es selbst am besten wissen,

wieso und warum er was gedacht und geschrieben hat.

Die Vorliebe für nordische Mythen oder die Einteilung von Gut (Völker des Nordens )

und Böse ( Südländer) wird hier gleichgesetzt mit Rassismus.*kopfschüttel und grins*

Soweit ich weiß gab es auch böse Figuren unter den Menschen des Nordens, nicht nur unter

den Südländern. So klassisch eingeteilt sind die Völker garnicht, wie behauptet wird.

Ich glaub die HdR Leser in allen Teilen der Welt interessiert das herzlich wenig,

was da von üblen Nachrednern in die Welt gesetzt wurde. Mich mal eingeschlossen.

Egal was auch immer solche Typen von sich geben mögen, für mich wird es keinefalls

meine allergrößte Hochachtung vor Tolkien und seinem Werk schmälern.

Bearbeitet von ThorBrownlock
Geschrieben

@Wando

Hallo vielen Dank für Deine Reaktion, ich lern immer wieder gern was dazu.

Du hast den entscheidenden Punkt vergessen: den unbeabsichtigten Rassismus. Und nur um den kann es sich in dieser Diskussion überhaupt handeln.

Zu Deinem ersten Punkt: Durch die Gegenüberstellung „beabsichtigter" und „wahrgenommener" Rassismus war für mich eigentlich klar, dass der letztere der unbeabsichtigte ist. Wahrnehmung ist doch immer leserabhängig und liegt nicht vollständig in der Hand des Autors. Sorry, wenn das unklar ist.

[...]dann ist die Sache doch noch nicht vom Tisch. Denn immerhin gibt es ja viele, die unangenehm berührt sind. Soll man mit ihnen Gehirnwäsche machen? Soll man sie beschimpfen, weil sie ihren Lieblingsautor anders lesen, als sie es gerne hätten? Sollte man nicht besser wirklich unvoreingenommen an das Werk herangehen und zur Not auch zugeben, dass hier gefährliche Gradwanderungen vorliegen?

Deinen Einwand mit der Gehirnwäsche verstehe ich nicht. Diese Foren dienen ja dazu eigene Meinungen zu bestimmten Themen zu äußern. Da für mich der Rassismusvorwurf neu war und ich bevor ich den thread (als Neumitglied) las, keinen Zusammenhang zwischen HdR und Rassismus hergestellt hatte, habe ich versucht, die Argumente nachzuvollziehen. Damit stelle ich weder in Abrede, dass es andere Ansichten gibt, noch dass diese für die jeweilige Person gerechtfertigt sind. Umgekehrt nehme ich mir aber auch das Recht heraus (mehr oder minder naiv) zu schreiben, warum ich für mich persönlich diesen Zusammenhang nicht sehe.

Sicherlich hast Du Recht, wenn Du schreibst, dass das eine sehr schwierige Materie ist und man viele Kriterien berücksichtigen muss, um zu einer dezidierten Meinung zu kommen. Andererseits ist das natürlich auch ein gewisses Totschlagargument, da man den Informationsstand immer verbessern kann. Zumindest ich dürfte dann jedoch irgendwann an die Grenzen meiner geistigen und zeitlichen Kapazitäten stoßen. Ein Forum ist für mich jedoch eher ein Ort des Gedanken- und Informationsaustausches und nicht der Platz, um wissenschaftliche Arbeiten zu veröffentlichen.

Dieses Argument verfehlt, so oft es auch gebracht wird, den entscheidenden Punkt. Denn die Archetypen werden in der Tradition nicht in Rassenform angeboten. Es gibt nur eine Fee, nur einen Zauberer, nur einen Zwerg. Bei Tolkien aber sind sie das alles als Rasse - und das ist neu.

Danke für den Hinweis mit den Archetypen. Das wusste ich nicht, bzw. hatte ich bislang nicht so gesehen. Allerdings gibt es bei J.R.R.T ja auch innerhalb den Rassen (Zauberer, Hobbits,…) gut (Gandalf,Frodo ) und böse (Saruman,Gollum,…).

Die Ausrede, dass alle schon mal diesen Vorwurf bekommen haben, ist 1. total unwahr, und 2. eine Ausrede, die nicht zieht. Und macht 3. hellhörig....

Zu Deinen Argument des Herauswindens. Zum Einen habe ich versucht, dies anhand von Stellen im HdR zu belegen, insofern bleibt J.R.R.T. auf dem Prüfstand. Zum Anderen sprach ich im Konjunktiv. Dein Argument, das alle (Autoren?) den Vorwurf bekommen haben sollen, ist von mir nicht intendiert. Jedoch habe ich im Hinterkopf, dass bspw. Shakespeare (aber auch moderne Autoren) in manchen amerikanischen Unis als sexistisch und rassistisch identifiziert wurde und im Gespräch war/ist ihn von dem Lehrplan zu nehmen. Insofern glaube ich schon, dass einige Verfasser, die vor dem Hintergrund heutigen Wissens gelesen werden, angreifbar sind, wenn man das will. Dein Einwand ist also falsch. Dass Du hellhörig bleibst finde ich gut.

Dein Einwand mit der selbst gestrickten Definition: Da ich selbst geschrieben habe, dass sie kritisierbar ist: o. k. Verdeckt werden sollte nichts. Für meinen Hausgebrauch reicht sie und (siehe oben Kapazitätenproblem) irgendwann muss man auch mal einen Schnitt machen um arbeitsfähig zu bleiben. Dein Argument kann ich nachvollziehen. Für mich stellt sich jedoch die Frage, was folgt daraus? Müssen alle Autoren (wenn man von der Gattung der Märchen abstrahiert) des 20. Jahrhunderts das Wissen in den Werken berücksichtigen. (Wo ist die zeitliche und inhaltliche Grenze, Rassismus und das Wissen darüber gab es ja auch in den vorherigen Jahrhunderten?). Und was bedeutet das für den Leser? Darf man bestimmte Autoren nicht mehr lesen, bzw. muss man immer sagen: „Habe ich gelesen, finde ich gut, aber… „ Um auf J.R.RT. zurückzukommen. Im Zweifelsfall überwiegt bei mir das Lesevergnügen bei Tolkien und ich würde seine Bücher ohne Einschränkung weiterempfehlen. Eine Meinung muss sich jeder für sich selbst bilden. Hier halte ich es mit Lichtenberg (Bücher sind wie Spiegel…)

Außerdem geht es nicht um General"verdacht", sondern höchstens um eine Analyse. Und um die Frage, ob die moderne Fantasy sich dieses Genre nicht wählt, um ihre Rassentriebe loszuwerden und von den Fans auch immer verteidigt zu werden.

Deine Frage: „ob die moderne Fantasy sich dieses Genre nicht wählt, um ihre Rassentriebe loszuwerden und von den Fans auch immer verteidigt zu werden." finde ich interessant und mag im Einzelfall auch nicht auszuschließen sein. Vor dem Hintergrund, dass Autoren wahrscheinlich an mehr als zwei bis Lesern interessiert sind (und die Verkaufszahlen ja auch darauf hindeuten, dass diese Rechnung aufgeht), glaube ich jedoch nicht, dass dies (auch wenn man aufmerksam bleiben muss) für das gesamte Genre von Bedeutung ist. Nicht rassistische sondern gut erzählte Geschichten werden gekauft. Und ich glaube auch nicht dass die Mehrheit der Fantasy Leser so dumm ist, Instrumentalisierungsversuche nicht zu bemerken.

Es sind in dem Roman auch nicht die Orks, die die Freiheit bedrohen. - Tolkien hätte sein Thema auch ohne sie durchziehen können. Und vielleicht sogar besser.

Genau das ist der Punkt, meiner Meinung nach stellt Sauron eine allgemeine (gesichtslose) Bedrohung dar. Du meinst vielleicht wäre die Geschichte ohne die Orks besser gewesen? Nur wie hätte J.R.R.T. dann erzählerisch Sauron weiterhin über so weite Strecken gestaltlos bleiben lassen können? Die Orks sind insofern für die Erzählung ein notwendiges Inventar. Nur wenn die Einführung stilistisch notwendig ist, fällt es mir persönlich umso schwerer im HdR rassistische Tendenzen zu entdecken. Klar kann man jetzt wieder anfangen und sagen: "aber Fakt bleibt, dass die Orks als Rasse dargestellt sind", bzw. „stilistische Notwendigkeiten sind ein Totschlagargument". Aber ich denke, dass bei derzeit 35.000 gegoogelten links zu den Stichwörtern „Tolkien, Rassismus" einiges nicht gesagt werden kann.

Und auch wenn dass jetzt ein wenig lahm und nach Rückzug klingt: Das ganze ist für mich vor allem ein tolles und spannendes Buch.

Gruß Jakob

Geschrieben

Hallo Jakob,

ich möchte um Entschuldigung bitten, wenn ich an manchen Punkten vielelicht etwas überzogen und auch verallgemeinert habe. Ich neige dazu, merke ich, in Foren manchmal gedanklich auch die Reaktionen einzubeziehen, die im Moment gar nicht gekommen sind. Für mich sah dein post so aus, als ob ein Durchgang von einem einzigen Beitrag genügt, um zu "entscheiden", was mit dem Werk Tolkiens los ist. Und darin kann ich mich natürlich geirrt haben.

Zu Deinem ersten Punkt: Durch die Gegenüberstellung „beabsichtigter" und „wahrgenommener" Rassismus war für mich eigentlich klar, dass der letztere der unbeabsichtigte ist. Wahrnehmung ist doch immer leserabhängig und liegt nicht vollständig in der Hand des Autors. Sorry, wenn das unklar ist.

Das sind zwei verschiedene Dinge: a. ist der Leser immer mit an der Deutung beteiligt; natürlich. b. muss in der künstlerischen Prodiktion (wenn auch nicht nur dort) zwischen bewusstem und unbewusstem Schaffen unterschieden werden.

a betrifft also die Leserseite b. betrifft die Autorenseite.

zu a. Der Leser ist immer mit dabei; egal, ob er Unbewusstes oder Bewusstes beim Autor wahrnimmt - und er muss sich seinen eigenen Anteil beim Dechiffrieren bewusst machen, wenn er das Werk nicht völlig missdeuten will. Das ist ein hermeneutisher Prozess, der bis zu einem gewissen Grad gelingen kann.

zu b. Auf der Autorenseite können einmal die theoretischen Erklärungen, Absichtserklärungen, Deutungen des eigenen Werkes, bewusste Kompositionsprinzipien etc. unterschieden werden - also seine bewussten Maßnahmen -, und die schöpferisch-kreative Komponente, die beim Schaffen von ästhetischen Werken in der Regel aktiv ist und sich dem bewussten Willen des Autors zumeist entzieht.

Wenn sich dieses "Schöpferische" nicht konkret im Werk als Struktur und ähnichem niedergeschlagen hat, ist es dem Analysierenden natürlich nicht zugänglich, und darum für die Literaturanalyse letztlich auch irrelevant. Was sich im Gehirn des Autors während des Schreibens abgespielt hat, ist nicht Gegenstand der Literaturanalyse.

Wohl aber ist ihr Gegenstand z.B. eine Analyse der Werte, die sich im Werk - als niedergeschlagene Struktur - beobachten lässt.

Der gedankliche Fehler, den du meines Erachtens gemacht hast, ist: dass du alles "Unangenehme", das sich im Werk eventuell niedergeschlagen hat, auf Konto des Lesers buchen möchtest, während das Angenehme von Tolkien selber stamme. Aber es gibt eben die Leserseite immer, und es gibt immer die Autorenseite. Und wir müssen so objektiv wie möglich das Werk zu dechiffrieren suchen - indem man die Leserseite als Zutat möglichst mitbeschreibt. Dennoch aber können wir den Autor nicht vor eventuellen seltsamen Wertvorstelleungen "entlasten", indem wir sie auf den Leser schieben.

Deinen Einwand mit der Gehirnwäsche verstehe ich nicht.

Das war überhaupt nicht auf dich bezogen, tut mir leid. Ich habe nur rhetorisch gefragt, ob man das Unbehagen an Tolkien sich wegoperiereren lassen soll oder so - weil das eben so oft gerügt wird von den Fans.

Danke für den Hinweis mit den Archetypen. Das wusste ich nicht, bzw. hatte ich bislang nicht so gesehen. Allerdings gibt es bei J.R.R.T ja auch innerhalb den Rassen (Zauberer, Hobbits,…) gut (Gandalf,Frodo ) und böse (Saruman,Gollum,…).

Das stimmt. Aber ich will ja auch weg von dem Schema gut-böse. Darin äußert sich eine eventuelle Neigung zu rasstistischem Denken ja nicht. Das ist für mich gar kein Gegenargument, dass es gute und böse Typen auf beiden Seiten gibt. Die Schwierigkeit liegt für mich eher darin, dass menschliche Eigenschaften - die eigentlich dem Individuum zugehören - von Tolkien per Rasse vorhanden sind. Die Hobbits also neigen zu Dümmlichkeit per Rasse. Auch die Fähigkeit, gut zu treffen - normalerweise eine individuelle Eigenschaft, die in allen Völkern vorkommt - ist bei Tolkien vererbt. Selbst die Vorliebe für runde Fenster ist per Rasse da.

Dass die Dümmlichkeit und Borniertheit der Hobbits eine Gegenseite hat und sie deshalb friedlich sein lässt - das ist schon richtig. Aber auch dies ist eben vererbt. Sie sind alle so - nicht aus eigener Leistung, sondern weil sie das in den Genen haben. Friedlichkeit nicht aus eigener menschlicher Entscheidung, sondern vorhanden wie blaue Augen oder so. Während die Orks unfriedlich sind weil sie das in den Genen haben. Sie schlachten sich selber ab, weil sie nicht anders können.

Das ist die Schwierigkeit bei Tolkien. Dem kann man aber auch was entgegensetzen: zum einen zeigt er einige Individuen, die aus iihrem festgelegten Genenschema ausbrechen: Gimli und Legolas u.a. Sogar das festgelegte Schema, dass nur Elben nach Aman können, wird durchbrochen. Man könnte den HdR also so lesen, dass hier zwar völlig regelwidrig menschliche Tugenden als in den Genen liegend dargestellt werden - dass diese aber vereinzelt überwunden werden.

So kann man zum Beispiel an Gesprächen mit Schagrat zeigen, dass da Ansätze sind, sich von dem "Orksein" zu befreien. Es gibt humane Regungen. So auch in dem Trollgespräch im Hobbit. Einer der drei Trolle zeigt tatsächlich fast vegetarische Neigungen und will die anderen beiden davon wegbekommen, Fleisch zu essen.

Auch wenn Tolkien selber in den Briefen manchmal diese Rassen doch eher über einen Kamm schert, so ist in sein Werk unbewusst vielelicht der Versuch des Ausbruchs eingeflossen. Und ich könnte dich jetzt mit deinen eigenen Waffen schlagen, lieber Jakob, :-) , wenn ich jetzt so gemein wäre und dein Argument benutze, das das Unbewusste auf Kosten des Lesers geht. Aber natürlich bin ich nicht so gemein. Ich denke, dass hier ein echtes Entlastungsmoment vorliegt. :-)

Und zum anderen kann man auch darauf verzichten, diese per Vererbung festgelegten Völker als Völker auf unsere Welt zu übertragen. Dass Tolkien selber in dieser Gefahr stand, ist vielleicht so. Aber es ist die Frage, ob wir es mitmachen müssen. Wir können diese Völker auch als "die Orks in uns", "die Elben in uns" sehen, die in uns manchmal starr und unveränderlich sind. Und aus dieser Starrheit befreit werden sollten.

Dein Argument, das alle (Autoren?) den Vorwurf bekommen haben sollen, ist von mir nicht intendiert.

Gut, dann habe ich deine Aussage vielleicht zu wörtlich genommen. Es klang für mich so, als ob man diesen Vorwurf eh bei jedem machen kann, dass man also bei Tolkien gar nicht mehr hinhören muss.

Für mich stellt sich jedoch die Frage, was folgt daraus? Müssen alle Autoren (wenn man von der Gattung der Märchen abstrahiert) des 20. Jahrhunderts das Wissen in den Werken berücksichtigen. (Wo ist die zeitliche und inhaltliche Grenze, Rassismus und das Wissen darüber gab es ja auch in den vorherigen Jahrhunderten?).

Ich sehe mich außerstande, über mehr als einen Autor gleichzeitig zu reden. Ich kann nur den einen untersuchen und gucken, welche Botschaft er in dieses Werk gelegt hat. Und was ich über Tolkien herausgefunden habe, gilt schon nicht mehr für Lewis, selbst wenn sie Freunde waren. Da muss wieder eine extra Untersuchung gestartet werden. Jeder Schriftsteller ist anders, und jeder verschlüsselt eine andere Botschaft. Weshalb du für alle Autoren des 20. Jahrhunderts eine gemeinsame Antwort suchst, verstehe ich nicht recht. Oder ein Genre (Fantasy) insgesamt beurteilen möchtest. Das geht doc h gar nicht.

Und was bedeutet das für den Leser? Darf man bestimmte Autoren nicht mehr lesen, bzw. muss man immer sagen: „Habe ich gelesen, finde ich gut, aber… „

Ich weiß nicht wirklich, worauf du hinauswillst. Letztlich klingt es dann doch wieder so für mich, dass man Werke einfach unhinterfragt lesen soll, nicht groß nachdenken soll. Wie kann ich wissen, was meine Überlegungen für "den" Leser bedeuten? Soll ich meine Ansichten jetzt danach richten? Sollen wir die Wahrheit nicht mehr suchen, weil wir Rücksicht zu nehmen haben darauf, ob sie vielleicht irritiert?

Um auf J.R.RT. zurückzukommen. Im Zweifelsfall überwiegt bei mir das Lesevergnügen bei Tolkien und ich würde seine Bücher ohne Einschränkung weiterempfehlen. Eine Meinung muss sich jeder für sich selbst bilden. Hier halte ich es mit Lichtenberg (Bücher sind wie Spiegel…)

Na ja. So kann man auch unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen...

Und auch wenn dass jetzt ein wenig lahm und nach Rückzug klingt: Das ganze ist für mich vor allem ein tolles und spannendes Buch.

Joo - es gibt solche Threads, wo jeder seinen Eindruck über das Buch oder den Film schildert: ob es ihm gefallen hat, ob es spannend war etc.

Aber inzwischen sind wir ja weiter. Viele Tolkienforen sind inzwischen tot, weil man das nicht jahrelang so weitermachen kann. Darum gehen viele Themen jetzt mehr in die Tiefe, stellen neue Fragen, suchen neue Antworten, und sind auch kritischer.

Ich gebe aber zu, dass das für einen Fan, der frisch in ein Forum kommt und seine Begeisterung über Tolkien artikulieren und teilen möchte, irritierend ist. Da weiß ich keinen Ausweg außer dem Rat, solche Threads nicht zu lesen, wo man Gedanken äußert, die vielleicht nicht angenehm sind.

Tschüs Wando

Geschrieben

Hallo Wando,

meine Güte. Wirklich beeindruckende und interessante Ausführungen. Ich habe übrigens kein Problem mit den potenziell unangenehmen Stellen bei Tolkien. Ich finde sie für eine Gesamtbewertung jedoch nicht ausreichend.

Dein Zitat:

Wenn sich dieses "Schöpferische" nicht konkret im Werk als Struktur und ähnichem niedergeschlagen hat, ist es dem Analysierenden natürlich nicht zugänglich, und darum für die Literaturanalyse letztlich auch irrelevant. Was sich im Gehirn des Autors während des Schreibens abgespielt hat, ist nicht Gegenstand der Literaturanalyse.

Wohl aber ist ihr Gegenstand z.B. eine Analyse der Werte, die sich im Werk - als niedergeschlagene Struktur - beobachten lässt.

Zu der unbewussten Seite: Klar der Schöpfungsprozess ist nicht direkt beobachtbar, dennoch existieren ja Indizien (bspw. Briefe, Biographien) die Aufschluss über den Schaffungsprozess geben. (Vielleicht hat ja irgendjemand Infos darüber?). Ich glaube der Punkt an dem wir aneinander möglicherweise vorbeireden ist dass Du eine Literaturanalyse nach eindeutig trennbaren Kriterien vornehmen möchtest, wie Sie möglicherweise an der Uni gelehrt werden (ich weiß es nicht, da ich kein Germanist bzw. Sprachwissenschaftler bin). Dies ist ohne Zweifel hilfreich, um Probleme besser zu strukturieren. Für Dich sind die Schaffungskomponenten auf der Autorenseite trennbar. Ich denke hingegen schon, dass es eine Beziehung zwischen dem Unterbewussten und dem Bewussten gibt, die nicht so eindeutig ist. Deshalb auch der Versuch im ersten posting, die Biographie mit zu erwähnen. Und ob die reine Strukturanalyse wirklich ausreicht, um zu einem eindeutigen Ergebnis für das Gesamtwerk zu kommen, ist für mich zumindest fraglich. Die Strukturanalyse ist, auch wenn es objektive Kriterien gibt, wohl nicht wiederum nicht unabhängig von dem Analysten.

Damit die Analyse zunächst intersubjektiv nachvollziehbar ist, sind nämlich zunächst nur die Auswahlkriterien, die eine Rolle spielen nachprüfbar. Da ich die Kriterien nicht kenne, nehmen wir mal (in einem naiven Modell) an, dass es x Kriterien gibt, die den Rassismusvorwurf belegen und y, die das nicht tun. Wenn man x als ganzzahlige positive Zahl belegt und y als ganzzahlige negative Zahl, dann kann möglicherweise von Rassismus gesprochen werden, wenn die Summe der Parameter größer Null ist (Das setzt natürlich voraus, dass jeder Punkt gleich gewertet wird, was ich nicht für sehr realistische halte). Nun sind manche Werte wahrscheinlich nicht eindeutig (Kann die Darstellung der Menschenrasse mit x oder y belegt werden?). Letztlich wird also auch die Strukturanalyse nicht ohne Werturteile auskommen und vermutlich abhängig von den Analysten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist der der Wertemalgamation. Das ist nicht mal von den Ökonomen eindeutig gelöst. Insofern denke ich, dass Deine Vorgehensweise zwar hinsichtlich der Struktur Vorzüge hat, aber die grundsätzliche Problematik, zu einer eindeutigen Bewertung zu kommen nicht lösen wird.

Dein Zitat:

Dass die Dümmlichkeit und Borniertheit der Hobbits eine Gegenseite hat und sie deshalb friedlich sein lässt - das ist schon richtig. Aber auch dies ist eben vererbt. Sie sind alle so - nicht aus eigener Leistung, sondern weil sie das in den Genen haben. Friedlichkeit nicht aus eigener menschlicher Entscheidung, sondern vorhanden wie blaue Augen oder so.

Nun ja, das kann man ja auch anders sehen, da J.TR.R.T dann doch seinen Protagonisten individuelle Handlungsmöglichkeiten aus Liebe oder Mitleid zugesteht und sie sich so aus der „genetischen Vorbestimmtheit" befreien können (bspw. Sam, der Frodo befreit). Zum Stichwort Hellhörigkeit. Aber das schreibst Du ja selber. Bei biologischen Analogien sollte man übrigens besonders hellhörig sein. Hinsichtlich der beereits erwähnten Gespräche von Schagrat im HdR teile ich Deine Meinung.

Dein Zitat:

Und ich könnte dich jetzt mit deinen eigenen Waffen schlagen, lieber Jakob, , wenn ich jetzt so gemein wäre und dein Argument benutze, das das Unbewusste auf Kosten des Lesers geht.

Nun ja, in einer Bilanz spricht man von Kosten und Nutzen. Insofern sehe ich da keinen Widerspruch, da ja das Unbewusste zu Gunsten des Lesers geht. Und von welchem Schwert wird man lieber getroffen als dem rhetorischen? :cool:

Dein Zitat:

Auch wenn Tolkien selber in den Briefen manchmal diese Rassen doch eher über einen Kamm schert

Interessant. Wo sind die Briefe denn erschienen. Interessant auch, dass Du hier Quellen außerhalb des originären Werks zu Rate ziehst. Insofern ist der Blick in das Leben für eine Exegese vielleicht doch hilfreich.

O.K. Das soll erst einmal reichen. Nochmals vielen Dank für Deine Anmerkungen Dir und allen, die dies an einem Freitag lesen wünsche ein schönes Wochenende. PS Irgendwie hat diesmal die Zitateinfügentaste nich richtig funktioniert, Sorry. :cool::cool:

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