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Zeichentrickfilm 'Der Herr der Ringe' von 1978


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Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Ich habe mir den Zeichentrickfilm jetzt noch einmal angesehen.

 

Zum ersten Mal gesehen habe ich ihn so ca 1980 (im Kino), also nicht lange nach seiner Weltpremiere, und ich kann mich an meine damalige Reaktion noch ziemlich gut erinnern:

 

ich habe fast geweint vor Enttäuschung. Ich fand den Film so hundsmiserabel, dass ich danach nichts mehr davon wissen wollte. Nicht, dass ich den Roman selber so hoch-qualitativ fand. Aber der Film schlug mir dem Fass den Boden aus.

 

Jetzt, wo ich ihn mir noch einmal angesehen habe, kann ich meine damalige Reaktion ein wenig begründen:

Ich erlebte ihn als bar jeglicher inneren Tiefe. Er malte nur Äußerlichkeiten aus, die man sich insgesamt hätte schenken können.

 

Festmachen kann ich das u.a. an der Gandalf-Figur, der als Märchnezauberer mit albernem Pathos seine Sätze aufsagte.

Ich hatte den Film damals in deutschem Synchron gesehen, da war das Pathos so grauenvoll in meinen Ohren, dass es mir schon peinlich war.

So etwas war zu diesen Zeiten am Theater zum Beispiel schon "pfui", Kitsch ohnegleichen. Es wäre auf der Bühne ausgebuht worden.

 

Jetzt, beim Wiederschauen, sah ich ihn in englischem Original. Es wirkte sprachlich nicht ganz so verheerend auf mich wie damals auf Deutsch, aber es ist dennoch für mich ein "no go". Das pathetische Aufsagen von Texten verfehlt die innere Gestaltung, und darum wirkt der Trickfilm auch jetzt auf mich wie ein sehr dilettantischer Amateurfilm.

 

Der Buch-Gandalf hat durchaus sehr interessante und widersprüchliche Aspekte - der PJ-Gandalf hat sie auch, wenn auch verändert. Beim Trickfilm-Gandalf sind diese Aspekte anscheinend alle gestrichen worden, und übrig bleibt ein Klischee-Zauberer.

 

Die Szenerie selber gefällt mir, auch die Technik, die damals in der Tat innovativ war und eigentlich interessantes Potential hatte.

Aber hier wurde - wie ich es jetzt audrücken wurde - "Fantasy" in seiner übelsten Gestalt produziert.

 

Nicht "Phantastik", sondern substanzloses Aneinanderreihen von undurchrdachten platten Märchen- und Fantasyfiguren. Jedes Grimmsche Märchen scheint mir ein Edelstein im Vergleich mit diesem Trickfilm.

 

Für möglich halte ich es, dass ich Bakshi in anderen Trickfilmen nicht so substanzlos wahrnehmen würde. Vielleicht konnte er nur mit Tolkien nichts anfangen, las ihn halt so oberflächlich, wie der Film es dann für mich rüberbringt.

 

Fazit:

Nicht also aus technischen Gründen finde ich diesen Film dilettantisch, sondern aus Gründen der Inszenierung. Gute filmische Inszenierungen gibt es, seit es Film überhaupt gibt. Man braucht dazu keine besonderen technischen Voraussetzungen.

 

Darum lasse ich in dem Sinne auch keine Entschuldigungen wie "damals war man halt noch nicht so weit" gelten. Doch, man war damals schon lange so weit, in die Tiefe eines Stoffes einzudringen und zur Not mit wenigen Mitteln zu vermitteln.

 

Geschrieben (bearbeitet)

Das hast du sehr schön erklärt Dunderklumpen! Ja, ich finde Gandalfs Rumgehampel auch voll kitschig. Besonders in der Szene wo er Frodo über den einen Ring aufklärt. Nur optisch der Gandalf von Bakshi in Ordnung.

Bearbeitet von Tolkien Verehrer
Geschrieben

In deutscher Sprache. Auf English habe ich ihn nur kurz durchgeflogen. Ist es auf English besser Dunderklumpen?

Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Ich müsste den Film auf Deutsch erst wieder hören. Ich sah die deutsche Fassung ja 1980. Das Original, das ich mir vor ein paar Tagen angesehen habe, schien mir, von der pathetischen Sprache her, ein klein wenig weniger schlimm. [:]

 

Ich werd mal versuchen, an das Material wieder heranzukommen. Dann kann ich besser vergleichen.

Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben (bearbeitet)

Deine Kritik ist durchaus berechtigt, Dunderklumpen, auch wenn ich - wie bereits gesagt - mit dem Film nicht so hart in Gericht gehen würde.

 

Aber ich finde, der Satz: "Damals war man halt noch nicht so weit." ist doch nicht so ganz falsch.

 

Das wertet den Film bei objektiver Betrachtung wohl nicht auf, kann aber meines Erachtens manches erklären.

 

Ich glaube, dass die allgemeine Wahrnehmung von Tolkiens Werken in den letzten gut 30 Jahren sich erheblich gewandelt hat. Die allgemeine Anerkennung für Tolkiens Bücher ist stetig gewachsen, meine ich. Ich könnte mir daher vorstellen, dass Bakshi damals eine etwas andere Vorstellung davon gehabt haben könnte, wer seinen Film wohl mit welcher Erwartungshaltung ansehen wird. Im Fantasy-Genre waren damals die Sword & Sorcery-Romane sehr beliebt. Die Leute erinnerten sich an Robert E. Howard (und begannen ihn vielleicht auch mit anderen Augen zu sehen) und Michael Moorcock wurde bekannt. Was ich damit sagen will: Es war einfach ein anderes Umfeld und eine andere Kinolandschaft in der der HdR-Zeichentrickfilm entstand.

 

Wenn Du sagst, man war damals schon so weit, in die Tiefe eines Stoffes einzudringen und dies zur Not mit wenigen Mitteln zu vermitteln, hast Du ganz allgemein gesprochen natürlich recht. Aber im Bereich des Zeichtrickfilms habe ich da noch meine Zweifel. Der wurde damals eben weitgehend in die Ecke "Kinderfilm" gestellt und nicht ernst genommen. Ich will nicht bestreiten, dass es auch damals schon Ausnahmen gab. Ich würde dabei etwa an "Unten am Fluss" (Watership Down) denken, der 1978 entstand und da schon recht gute Ansätze zeigte. Aber auch Watership Down war primär als Kinderfilm ausgelegt.

 

Fallen Dir Beispiele von Zeichentrickfilmen bis 1980 ein, die solchen Ansprüchen gerecht würden, wie Du sie (natürlich in der Sache nicht zu Unrecht) an den HdR-Zeichentrickfilm stellst? Ich glaube das wird schwierig werden. Bakshi hat sich seinerzeit einer Aufgabe gestellt, die ich als sehr schwierig ansehe: die zur Verfügung stehenden Mittel, den Stoffumfang der Geschichte, die Bewertung der Phantastischen Literatur allgemein (ich glaube, Du hast in einem anderen Thread mal etwas zur Anerkennung Michael Endes geschrieben...) und das Belächeln von Zeichentrickfilmen als Kinderfilme im besonderen. Vielleicht war er mit all diesen Problemen überfordert und ist im Ergebnis "gescheitert", das mag sein. Trotzdem glaube ich, dass der HdR-Zeichentrickfilm - bei all seinen unbestrittenen Schwächen - ein früher Ansatz war, den Zeichentrickfilm technisch und inhaltlich auf eine neue Ebene zu führen.

 

Ich pflichte Dir auch darin bei, dass die filmische Inszenierung mit Mängeln behaftet ist. Da lag eine erhebliche Schwachstelle des Zeichentrickfilms. Ich bin damals mit Freunden im Kino gewesen, die den HdR teilweise noch nicht gelesen hatten. Die haben den Film an vielen Stellen garnicht richtig verstanden. Für mich war alles klar, aber ich kannte eben das Buch vorher, deswegen fällt es mir schwer, sich in jemanden hineinzuversetzen, der den Stoff nicht vor dem Film kannte.

 

Ich finde es schon allgemein schwierig, einen Zeichentrickfilm und einen normalen Spielfilm miteinader zu vergleichen. Bei den beiden HdR-Verfilmungen von Bakshi und PJ waren jedoch die Grundvoraussetzungen zusätzlich derart unterschiedlich, dass man die Filme kaum aneinander messen kann.

 

Kritik am Zeichentrickfilm ist natürlich trotzdem möglich und vielfach berechtigt. Nur sollte man die vorgenannten Aspekte - meine ich - auch in die Bewertung mit einfließen lassen, wenn man dem Zeichentrickfilm unter verschiedenen Aspekten gerecht werden will. Bei allem Negativpunkten hatte der Film für mich auch seine positiven Seiten.

 

Was Du als 'dilettantischen Amateurfilm' siehst, betrachte ich eher als 'Pionierleistung'. Beides ist durch Unvollkommenheiten geprägt, es gibt dem ganzen aber eine etwas andere Note.

 

Eine Verfilmung des HdR geht (vor allem heute) natürlich besser, da besteht wohl ein breiter Konsens.

Bearbeitet von Joran aus den Schatten
Geschrieben

Interessante neue Aspekte, dank euch!

 

Ich muss euch zustimmten, der Film hat nicht sehr viel tiefe und vieles wird pethetisch gesprochen. Jetzt wo ihr es erwähnt fällt mir Galadriels Monolog wieder ein, furchtbar ;)

Das liegt aber meines Erachtens nicht daran, dass der Trickfilm damals noch nicht so weit gewesen wäre. Stanislawski, der mit seinen Ansätzen viel für die Glaubwürdigkeit auf den Bühnen getan hat, war damals schon wieder überholt und ich finde, es gibt genug Zeichentrickfilme, die richtig vieltiefe liefern, auch wenn (oder gerade weil?) sie für Kinder gemacht wurden.Beispiele finden sich in der Disney-Reihe: Bambi (1942) und Susi ud Strolch (1955), um mal zwei zu nennen. Und die sind durchaus auch für Erwachsene sehenswer, finde ich. Und den schon genannten Watership Down als "Kinderfilm" zu bezeichnen, finde ich etwas gewagt, der hat durchaus Alptraumpotential!

 

Mich störrt auch einiges an dem Film, auch die pathetischen Szenen haben mir nicht wirklich zugesagt (die Figuren gehen im Kreis und leiern den Text runter) (ich hab ihn bis jetzt nur auf Deutsch gesehen). Aber er hat auch seine Reize auf mich, vielleicht auch gerade wegen der naiven inszenatorische Herangehensweiße.

Gast Dunderklumpen
Geschrieben
Aber ich finde, der Satz: "Damals war man halt noch nicht so weit." ist doch nicht so ganz falsch.

 

Ich habe diesen Satz auf die Kunst der Sprechregie und der Rollen-Regie beschränken wollen. Ich war genau zu dem Zeitpunkt, als ich diesen Film sah, Regieassistent am Theater. Und ich hab davor die Aufbruchzeit ab Ende der Sechziger Jahre an den Theatern miterlebt, wo dieses Pathos und diese Äußerlichkeit mit eisernen Besen - was natürlich so auf keinen Fall richtig war - von den Bühnen gefegt wurde.

 

 

Wenn Du sagst, man war damals schon so weit, in die Tiefe eines Stoffes einzudringen und dies zur Not mit wenigen Mitteln zu vermitteln, hast Du ganz allgemein gesprochen natürlich recht. Aber im Bereich des Zeichtrickfilms habe ich da noch meine Zweifel.

 

Genau über diesen Punkt hatte ich tatsächlich nachgedacht - allerdings relativ flüchtig -, bevor ich mein post abschickte. Ich hatte bei Bakshi selber nachgeschaut, der ja schon davor bekannte Trickfilme gedreht hatte -"Fritz the Cat" z.B.-, und ich erinnerte mich an Walt Disney und an "Das Dschungelbuch" von 1967. Sie sind natürlich alle vom Text her leichter zu bewältigen als "The Lord of the Rings" - aber dann soll man das nicht machen, wenn man keine Erfahrung mit literarischen Texten und epischer Tiefe hat.

 

Die englischen Sprecher jedenfalls sind meinem Gehör nach Theaterschauspieler, und deren "Spreche" war zu dieser Zeit zumindest in Deutschland schon längst ein "no go" geworden. Und die deutsche Synchron ist ja nach meiner Erinnerung dann noch so richtig unerträglich.

 

Pathos an sich ist aber nicht automatisch schlecht. Es ist nur dann schlecht, wenn es den Mangel an Tiefe bzw. Mangel an Rollenverständnis überdecken soll. Und das sieht mir bislang ganz danach aus.

Die Sprechregie und Rollenstudium haben mit Trick ja eigentlich nichts zu tun.

 

Ach, da fällt mir natürlich mein Lieblings-Trickfilm ein: der, der so heißt wie mein Nick: "Dunderklumpen". Der ist 1974 gedreht worden - also 4 Jahre vor Bakhis Film - , und sein wunderbarer Erschaffer ist Per Åhlin, der sogar 6 Jahre älter ist als Bakshi.

 

 

Ich finde es schon allgemein schwierig, einen Zeichentrickfilm und einen normalen Spielfilm miteinader zu vergleichen. Bei den beiden HdR-Verfilmungen von Bakshi und PJ waren jedoch die Grundvoraussetzungen zusätzlich derart unterschiedlich, dass man die Filme kaum aneinander messen kann.

 

Das habe ich nicht getan. Als ich 1980 im Kino saß, war Jacksons Film noch nicht gedreht. ;-)

 

 

Was Du als 'dilettantischen Amateurfilm' siehst, betrachte ich eher als 'Pionierleistung'.

 

Was die Technik betrifft, magst Du ja Recht haben. Ich hatte das Rollenstudium und Sprechregie als "amateurhaft" bezeichnet und das von der modernen Technik getrennt.

 

 

Gast Dunderklumpen
Geschrieben (bearbeitet)
Jetzt wo ihr es erwähnt fällt mir Galadriels Monolog wieder ein, furchtbar ;)

Das liegt aber meines Erachtens nicht daran, dass der Trickfilm damals noch nicht so weit gewesen wäre. Stanislawski, der mit seinen Ansätzen viel für die Glaubwürdigkeit auf den Bühnen getan hat, war damals schon wieder überholt

 

Stanislawski war mein Leib- und Magen-Theaterpädagoge, da hast Du grad den richtigen genannt. Überholt ist er bis heute nicht, allerdings wurde er weiterentwickelt. ->

 

Lee Strassberg, wahrscheinlich noch bekannter als Stanislawski, hat die Stanislawski-Methode in die USA geholt und die wurde dort vor allem gerade für Film-Schauspieler das ABC der Filmdarstellungs-Kunst, und schon seit den Dreißiger Jahren*. Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Method_Acting

 

Bakshi wird damit also vertraut gewesen sein, und seine Sprecher auch.

 

Dennoch gibt es auch für mich zwe Stellen, die mich berührt hatten: eine schon 1980, eine andere gestern. Das waren aber beides nur jeweils maximal 1 Minute. Beide Stellen waren übrigens so gut wie stumm.

 

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* Hier habe ich mich in der Jahreszahl vertan. Strassbergs Schauspielwerkstatt wurde erst 1947 gegründet - aber immer noch sind das 30 Jahre früher als Bakhis Verfilmung.

Bearbeitet von Dunderklumpen
Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben

Welche beiden Szenen waren es denn, die Du gut fandest, Dunderklumpen? Bei mir gibt es solche auch.

 

Was die von Euch genannten Zeichentrickfilme betrifft, mag ich diese sämtlich auch (bis auf 'Dunderklumpen', den ich noch nicht gesehen habe und von dem ich dachte, er sei eine Kombination von Zeichentrick- und Realfilm) und halte sie für hervorragende Filme. Bei Disney würde ich auch den Zeichentrickfilm 'Robin Hood' (schon alleine wegen der wundervollen deutshen Sprecher) noch mit aufnehmen. Aber ich sehe diese dennoch hinsichtlich des verarbeiteten Stoffs als kaum vergleichbar mit dem HdR an. Alleine das Dschungelbuch hätte eine ähnliche Herausforderung darstellen können, aber der wundervolle Disney-Film entfernt sich dafür sehr weit von der Vorlage und ist eben doch vornehmlich ein (genialer) Kinderfilm, den sich auch Erwachsene sehr gerne ansehen. Überhaupt bin ich der Meinung, dass wirklich gute Kinderfilme immer auch für Erwachsene sehenswert bleiben.

 

Watership Down hatte ich gerade deswegen genannt, weil er von den Filmen, die mir einfielen noch am wenigsten ein Kinderfilm war. Teilweise wird er auch als einer der ersten ernstzunehmden westlichen Zeichentrickfilme für Erwachsene gepriesen. Aber er läuft dann doch im Kinderprogramm... Und es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Zeichtrickfilme für Kinder mitunter erstaunlich harte Szenen mit Alptraumpotential enthalten. Mir fallen hier diverse Szenen aus Disney-Filmen ein (z.B. bei 'Tarzan' die Szene in der seine Eltern getötet werden oder in der sich der Großwildjäger an einer Liane erhängt; oder im 'König der Löwen' der Tod des Vaters).

 

Ich glaube, selbst wenn die Sprechregie besser gelungen wäre, hätte Bakshi mit seinen Möglichkeiten damals keine angemessene oder gar "geniale" HdR-Verfilmung schaffen können. Sie hätte besser sein können, aber eben kaum wirklich sehr gut. Von daher sehe ich den Film vor dem zeitlichen Hintergrund als interessant an, nicht als besonders gelungen.

 

Deine Aussage, Bakshi hätte vielleicht besser die Finger von dem HdR lassen sollen, ist vielleicht aber richtig. Aber damals habe ich mich noch gefreut, überhaupt den Versuch einer Umsetzung des HdR im Film zu sehen. Manches an dem Film hat mir auch gefallen, zum Beispiel die Szene an der Wetterspitze.

 

Ich habe aus den von Euch genannten Gründen Zweifel, ob Baksi selbst mit dem Ergebnis wirklich ganz zufrieden war (mal losgelöst von der deutschen Synchronisation, auf die er vermutlich persönlich wenig Einfluss hatte). Manchmal ist man ja nachher schlauer...

Geschrieben

Ich glaube, dass Herr Bakshi später auch mal zugegeben hat, dass man den Herrn der Ringe wohl nie würdig verfilmen könnte. Ich habe den Film von einer Freundin auf Blu-Ray geschenkt bekommen. Dort wird rund 40 Minuten auf die Entstehung des Zeichentricks eingegangen. Leider macht Bakshi dort fast nur Eigenwerbung. Ich finde, dass man bei einem Making-of mehr auf den Film selbst eingehen sollte.

Geschrieben
Deine Aussage, Bakshi hätte vielleicht besser die Finger von dem HdR lassen sollen, ist vielleicht aber richtig. 

Manches an dem Film hat mir auch gefallen, zum Beispiel die Szene an der Wetterspitze.

 

Wenn ich mir das Making-Off vergegenwertige, das eigentlich eine Art Interview mit Bakshi ist, mochte Bakshi den Herrn der Ringe seit dem ersten Lesen, und die Umsetzung in einen Zeichentrickfilm war ihm ein persönliches Anliegen in das er viel Energie gesteckt hat. Ich bin ganz und gar nicht der Meinung, das er es gar nicht erst hätte versuchen sollen.

 

Ich habe den Film eigentlich immer gemocht. Er baut eine schöne Atmosphäre auf, arbeitet mit unterschiedlichen Zeichenstilen und Tricktechniken und legt auch Wert auf kleine Details (zwischen Bilbos Weggang aus Hobbingen und den Beginn von Frodos Reise vergehen bei Bakshi 17 Jahre) und eigentlich unnötiges, das aber der Atmosphäre dient (z.B. als Aragorn den Hobbits auf den Wetterspitze von Beren und Luthien erzählt).

Bakshi läßt sich am Anfang der Geschichte sogar viel Zeit für das Erzählen (die Einführung in den Hintergrund finde ich ganz gelungen). Erst später zieht er das Tempo leider an.

Ich mag auch die Art der Dialoge. Sie harmonieren gut mit der Filmusik. Und Pathos hat mich persönlich nur selten gestört. Man kann dem Film durchaus Bakshis Begeisterung für den Stoff anmerken.

Gast Dunderklumpen
Geschrieben (bearbeitet)

Toll, dass hier jetzt ein breites Meinungsspektrum im konkreten Dialog miteinander entsteht - so etwas liebe ich. Denn man selber ist doch immer irgendwie einseitig, bei mir durch meine damalige bittere Enttäuschung und meine spezifischen Ansprüche gesteuert.

Erst die verschiedenen Sichtweisen zusammen machen ja die Rezeption aus.

 

 

Welche beiden Szenen waren es denn, die Du gut fandest, Dunderklumpen? Bei mir gibt es solche auch.

 

Die erste Szene betrifft die Begegnung der Hobbits mit Streicher in Bree. >

 

Sam bezweifelt Streichers Glaubwürdigkeit, da zieht Streicher sein Schwert, streckt es bedrohlich in die Höhe und sagt sinngemäß: 'Ihr habt keine Wahl. Wenn ich den Ring haben wollen würde, könnte ich ihn haben: JETZT!'

Dann wird das Schwert dem Zuschauer als Ganzes gezeigt. und man sieht, dass dem Schwert ein groß Teil der Spitze fehlt: Streicher könnte also mit diesem untauglichen Schwert keineswegs den Ring kriegen.

Mir gefiel daran dieses Widersprüchliche. Dass Streicher die ganze Zeit mit einem zerbrochenen Schwert herumläuft, das er gar nicht anwenden kann oder gar will.

 

Die zweite Szene ist in Bruchtal und betrifft Bilbo beim Abschied von Frodo. Bilbo hat Frodo das Mithrilhemd und sein Schwert Stich gegeben und bittet ihn schließlich, Lieder mit zurückzubringen. Dann steht Bilbo am Fenster - mit dem Rücken zum Publikum und zu Frodo - und beginnt ein Lied zu singen 'Ich sitze am Feuer und denke an das, was ich gesehen habe...'

Frodo merkt, dass Bilbo für ihn nun nicht mehr erreichbar ist und geht hinaus.

 

Die Art, wie die Trickfigur sich am Fenster hin- und herschaukelt, zeigt, wie schwer es Bilbo einerseits fällt, auf die Abenteuer, die nun die anderen begehen, zu verzichten; und andererseits zeigt es, dass er Ersatz im Dichtertum gefunden hat, wo alles Erlebte sich nur noch im Geiste abspielt und "verdichtet" wird.

 

Mir gefällt daran, wie es so sinnträchtig gemacht wird, dass es "eine andere Welt" ist, zu der Bilbo Zugang gefunden hat und wo Frodo nicht mehr enthalten ist, es sei denn, er bringt Lieder und Erzählungen zurück.

 

 

(bis auf 'Dunderklumpen', den ich noch nicht gesehen habe und von dem ich dachte, er sei eine Kombination von Zeichentrick- und Realfilm)

 

Ja, das ist eine Kombination. Die Dunderklumpen-Figur ist Trick, und ein paar Puppen und Teddies, die in der Mittsommernacht lebendig werden, sind ebenfalls Trick.

 

 

Ich glaube, selbst wenn die Sprechregie besser gelungen wäre, hätte Bakshi mit seinen Möglichkeiten damals keine angemessene oder gar "geniale" HdR-Verfilmung schaffen können. Sie hätte besser sein können, aber eben kaum wirklich sehr gut.

 

Da bin ich entschieden anderer Meinung. Die Fähigkeit zur guten Regie hat ein Mensch entweder oder er hat sie nicht. Das hat nichts mit der Zeit zu tun, in der er inszeniert. Manche Filme aus den frühen Jahren sind bis heute unübertroffen. Warum? Weil da jemand den Stoff verstanden hat bzw. in der Lage war, ihn zu verstehen.

 

An Gandalf vor allem scheint mir Bakshi komplett versagt - oder verhoben - zu haben. Auch an anderen Personenführungen im Film, aber an Gandalf - diesem Fuchtelzauberer - ist mir das am deutlichsten. 

Bearbeitet von Dunderklumpen
Geschrieben

Stanislawski war mein Leib- und Magen-Theaterpädagoge, da hast Du grad den richtigen genannt. Überholt ist er bis heute nicht, allerdings wurde er weiterentwickelt. ->

 

Ok, "überholt" war vielleicht das falsche Wort. Aber überarbeitet ist er. Ich denke, fast jede vernünftige Theaterausbildung wird auf seiner Methode aufbauen, auch die, nach der ich gerade lerne. Aber man geht halt mitlerweile ein paar Schritte weiter.

 

Lee Strassberg, wahrscheinlich noch bekannter als Stanislawski, hat die Stanislawski-Methode in die USA geholt und die wurde dort vor allem gerade für Film-Schauspieler das ABC der Filmdarstellungs-Kunst, und schon seit den Dreißiger Jahren*. Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Method_Acting

* Hier habe ich mich in der Jahreszahl vertan. Strassbergs Schauspielwerkstatt wurde erst 1947 gegründet - aber immer noch sind das 30 Jahre früher als Bakhis Verfilmung.

 

Method Acting halte ich für ein zweischneidiges Messer, nach dem, was ich bis jetzt darüber gehört habe. Die Ergebnisse können gewaltig sein, die Auswirkungen auf die Schauspieler aber ebenso. Bis zu einem gewissen Maß ist es gut, aber man muss (für sich selbst) wissen, wann man aufhört.

 

Wie schon angedeutet, ich bin Schauspielschüler und würde mich gern weiter mit dir, Dunderklumpen, austauschen, aber das hier ist wohl der falsche Ort dazu.

 

 Überhaupt bin ich der Meinung, dass wirklich gute Kinderfilme immer auch für Erwachsene sehenswert bleiben.

 

+1

 

Kinder sind, meiner Meinung nach, erbarmungsloser, was Qualität betrifft, als Erwachsene, bis man eben durch minderwertige Qualität abgestumpft ist, was in unseren Zeiten leider viel zu früh der Fall ist.

 

Watership Down hatte ich gerade deswegen genannt, weil er von den Filmen, die mir einfielen noch am wenigsten ein Kinderfilm war. Teilweise wird er auch als einer der ersten ernstzunehmden westlichen Zeichentrickfilme für Erwachsene gepriesen. Aber er läuft dann doch im Kinderprogramm... Und es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Zeichtrickfilme für Kinder mitunter erstaunlich harte Szenen mit Alptraumpotential enthalten. Mir fallen hier diverse Szenen aus Disney-Filmen ein (z.B. bei 'Tarzan' die Szene in der seine Eltern getötet werden oder in der sich der Großwildjäger an einer Liane erhängt; oder im 'König der Löwen' der Tod des Vaters).

 

Der Unterschied zwischen den von dir genannten Szenen und Watership Down liegt in der Darstellung. Bei Tarzan sieht man zwar blutige Fußspuren und es ist in jederder Szenen klar, was geschehen ist, jedoch hab ich bisher in noch keinem Disney-Film wirkliche Verletzungen gesehen. Man sieht nicht die Leichen der Eltern und auch keine Hufspuren auf Mufassa. Man verzichtet auf das "Unschöne". Bei Watership Down ist das nicht der Fall.

 

Alptraumpotential will ich Disney aber auf keinem Fall abstreiten, aber allein schön die Alpträume in dem Hasenfilm find ich schon sehr heftig.

 

Aber auch das wär eigentlich ein eigenes Thema wert, drum hör ich hier mal jetzt auf.  ;)

Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben

Nun, das sehe ich nicht so drastisch, Dunderklumpen.

 

Szenen, wie Du sie selbst treffend beschrieben hast und auch die von Torshavn und mir angesprochene Szene an der Wetterspitze haben mich immer wieder für den Film eingenommen und über die Mängel an anderen Stellen hinwegsehen lassen, gerade weil ich ihn eben als eine Art Pionierleistung betrachte und vor dem zeitlichen Hintergrund sehe. Ich führte das schon aus und will nur noch kurz ergänzend darauf hinweisen, dass der HdR-Zeichentrickfilm eine FSK von 12 hat, Watership Down von 6 und die anderen oben genannten Zeichentrickfilme nach meiner Erinnerung sämtlich eine FSK 0. Auch wenn ich die FSK von Filmen manchmal nicht nachvollziehen kann, sehe ich hier weiterhin graduelle Unterschiede zwischen den oben angeführten Filmen hinsichtlich der Zielgruppe, wie sie sich in der FSK-Abstufung wiederspiegeln. Bakshis Film betrachte ich daher auch thematisch als einen Versuch, dem Erwachsenenfilm im Zeichentrick einen Raum zu schaffen. Für mich war es damals der erste Zeichentrickfilm, den ich im Kino gesehen habe, der ein Kinderpublikum als Zielgruppe gänzlich ausschloss. Und das in einer Zeit, als es dem Zeichentrickfilm insgesamt nicht so gut ging. Ich räume allerdings ein, dass ich Watership Down mit meinen Kindern erst gesehen habe, nachdem sie etwas älter waren (ich meine 8 und 10) und nachdem ich zuvor das Buch mit ihnen gelesen hatte. Deshalb habe ich ihn ja auch als ein weiteres Beispiel für einen Zeichentrickfilm genannt, der bereits in diese Richtung geht.

 

Ich bin nicht der Ansicht, dass ein Film, der im Zeitpunkt seiner Entstehung gut ist, zwingend auch später vom Publikum unverändert geschätzt wird. Zu vielen alten Filmen (bis hin zur Stummfilmzeit) etwa finde ich persönlich heute nur noch sehr schwer einen Zugang, muss ihn mir schon eher mühsam erarbeiten, auch wenn die Filme zu ihrer Zeit cineastische Höhepunkte waren. Eine persönliche Erfahrung: In der Oberstufe haben wir im Kunstunterricht Ende der 80er einmal 'High Noon' und 'Der Dritte Mann' untersucht und gegenübergestellt. Ich fand das sehr interessant und ich mag beide Filme. Allerdings war ich damals ziemlich alleine auf weiter Flur. Die anderen Kursteilnehmer fanden die Filme schrecklich und es wollte damals schon etwas heißen, wenn Schüler lieber normalen Unterricht machen wollten, als ausnahmsweise einmal fernzusehen... Wenn Du schreibst, Dunderklumpen, ab Ende der 60er Jahre habe man den Pathos und solche Äußerlichkeiten mit eisernem Besen von den Bühnen gefegt, verstehe ich das als Theater-Laien so, dass auch am Theater die früheren Inszenierungen zu dieser Zeit (jedenfalls von den damaligen Intendanten etc.) nicht mehr sehr geschätzt wurden, auch wenn sie zuvor einmal als hervorragend galten.

 

Natürlich gibt es Filme, die man bislang als "zeitlos" betrachten kann. Aber das sind sehr wenige Ausnahmen (die besten der besten wenn man so will) und es wäre interessant dort einmal zu untersuchen, warum sich diese Filme über lange Zeiträume halten können, also nicht dem Zeitgeist unterliegen, und andere eben nicht.

 

Dass ich persönlich nicht traurig bin, dass Bakshi den Film gedreht hat, wurde hoffentlich deutlich,Torshavn. Zunächst einmal sehe ich (fast) jeden Film, der gedreht wird, erst einmal als Gewinn, selbst wenn ich ihn vielleicht nicht mag und er keinen Gewinn für mich persönlich darstellt. (Ich würde auch von PJs Hobbit-Verfilmung nicht sagen, dass es sie besser nicht geben sollte, auch wenn sie mich zunächst einmal sehr enttäuscht hat.) Meine Aussage war eher so gemeint, dass Bakshi sich an eine Aufgage getraut hat, die er damals meines Erachtens aus den genannten Gründen nicht perfekt bewältigen konnte. Die Entscheidung, ob man sich den Film tatsächlich als nicht existent wünscht, kann jeder nur für sich selbst treffen und sie hängt sehr davon ab, welche Ansprüche man an den Film stellt. Von einer perfekten Verfilmung des HdR ist der Zeichentrickfilm auch meiner Meinung nach noch entfernt. Viele der von den anderen Teilnehmern vorgetragenen Kritikpunkte kann ich jedenfalls nachvollziehen, auch wenn sie mich oft nicht so sehr gestört haben wie den jeweiligen Kritiker. Ich habe diese Punkte oft aber auch als verbesserungswürdig angesehen. Auch mir gefielen die Zeichnungen der Elben nicht so gut. Die Darstellung von Aragorn fand ich hingegen ganz passend, auch wenn ich ihn mir selbst beim Lesen des Buches anders vorgestellt hatte. Die Darstellung des Balrog war ein wenig plump. Die Kombination der neuen Tricktechniken mit den alten ist an vielen Stellen des Films noch "unbeholfen", weshalb etwa die Orks manchmal wie in den Film hineingesetzte Fremdkörper wirken. Und so gibt es einige Punkte, die Bakshi auch für meinen Geschmack hätte besser machen können.

 

Berücksichtigt man die Probleme, die Bakshi zu bewältigen hatte, finde ich den Film zwar verbesserungsfähig und sicher nicht genial, insgesamt aber ganz in Ordnung und ich mag eine Reihe schöner Szenen.

 

Absolut richtig finde ich Deine Aussage, Dunderklumpen, dass erst die verschiedenen Sichtweisen zusammen eine Rezeption ausmachen. Deshalb wollte ich nur ergänzend auf ein paar Gesichtspunkte hinweisen, die mir zuvor nicht hinreichend berücksichtigt schienen.

Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben (bearbeitet)

@ Bregalad

 

Du hast in Teilen recht, wenn Du die Unterschiede zwischen Watership Down und König der Löwen oder Tarzan ansprichst. Andererseits ist meines Erachtens eine konkrete Darstellung von Verletzungen nicht unbedingt notwendig, um Alpträume hervorzurufen, wie auch umgekehrt alleine die Darstellung von Verletzungen keine Furcht erregen oder Alpträume auslösen muss.

 

Zu Watership Down hatte ich eben parallel zu Dir noch ein paar Worte verloren.

 

Ich glaube der Tod von Mufassa nimmt viele Kinder erheblich mit und die Szene finde ich persönlich auch sehr einprägsam und eindrucksvoll.

 

Bei Tarzan ist es so, dass man den an der Liane Erhängten deutlich im Schattenriss sieht (ich meine während eines Blitzes). 'Tarzan' habe ich mir damals zuerst als Import-Video besorgt. Und ich hatte später den Eindruck, die europäische DVD-Variante sei an dieser Stelle sogar noch etwas entschäft. Ich müsste die beiden Szenen noch einmal gegenüberstellen.

 

Bei Taran und der Zauberkessel beispielsweise habe ich damals im Kino erlebt, wie fast alle Kinder zu weinen begonnen haben. (Danach habe ich Nachmittagsvorstellungen bei Disneyfilmen eher gemieden. ;) ) Dabei hatte Jeffrey Katzenberg den Film schon vor dem Kinostart erheblich kürzen lassen, weil er selbst ihn für viel zu brutal hielt. Laut Wikipedia um sage und schreibe volle 13 Minuten!

 

Die Liste ließe sich meines Erachtens beliebig verlängern. Aber Du hast Recht, das würde an dieser Stelle zu weit führen und vom eigentlichen Thema ablenken.

Bearbeitet von Joran aus den Schatten
Gast Dunderklumpen
Geschrieben (bearbeitet)
Method Acting halte ich für ein zweischneidiges Messer, nach dem, was ich bis jetzt darüber gehört habe. Die Ergebnisse können gewaltig sein, die Auswirkungen auf die Schauspieler aber ebenso.

 

Sehe ich auch so. Ich lehne eine Methode ab, die tief in die Psyche des Schauspielers greift, und zwar fremdbestimmt. Es ist ja der Ausbilder oder Regisseur, der den Schauspieler dazu nötigt. Es muss nach meinem Dafürhalten dem Schauspieler überlassen werden, was und was nicht er an persönlich Erlebtem in die Rolle mit einbringt.

 

Den Hinweis auf Strassberg habe ich auch nur gebracht, um nachzuweisen, dass das rein äußerliche Pathos in Filmstudios der USA noch früher als in Deutschland verschwunden war. Was ich freilich nicht weiß: ob es auch Gegen-Haltungen gab.

 

Allerdings haben weder Stanislawski noch Lee Strassberg meines Wissens mythische Figuren in ihrer Hoch-Zeit gestaltet; Stanislawski fand aber im Alter zu diesen mythischen Formen in seiner Regie. Wäre interessant, darüber Material zu finden.

 

Im Übrigen denke ich, dass auch Strassberg weiterentwickelt wurde.

Peter Jackson hat, so viel ich erfahren habe, bei seiner "Hobbit"-Arbeit mit den Darstellern Stanislawski-Methoden noch und nöcher angewandt: jeder Darsteller hat für seine Figur Hintergründe entwickelt, ohne dass diese direkt in die Rollengestaltung eingingen. Sie färbten aber, so hoffe ich jedenfalls, das konkrete Spiel.

 

Übrigens war das auch Tolkiens Methode beim Schreiben. Auch er entwickelte Hintergründe, die in die literarische Welt selber so nicht eingingen, aber die Figuren runder machten.

 

Solche Sachen verhindern konsequent das Aufsagetheater, und das ist in Bakshis Verfilmung leider eben nicht der Fall, bis auf wenige Ausnahmen.

Weil es diese Ausnahmen aber gibt, denke ich, dass Bakshi schon wusste, um was es geht - dass er es aber insgesamt nicht hingekriegt hat.

Bearbeitet von Dunderklumpen
Geschrieben

@ Dunderklumpen:

       +1!

 

@ Bregalad

 

Du hast in Teilen recht, wenn Du die Unterschiede zwischen Watership Down und König der Löwen oder Tarzan ansprichst. Andererseits ist meines Erachtens eine konkrete Darstellung von Verletzungen nicht unbedingt notwendig, um Alpträume hervorzurufen, wie auch umgekehrt alleine die Darstellung von Verletzungen keine Furcht erregen oder Alpträume auslösen muss.

 

+1

Generel spielt man auch damit, bestimmt Sachen nicht zu zeigen, da die menschliche Vorstellungskraft viel schlimmer Bilder hervorbringen kann als dies ein Film je schaffen würde. Richtig hochwertige Horrorfilme spielen damit, plumpere (oft Fortsetzungen von Erfolgsfilmen) gehen mehr auf grausige Darstellungen. Die sind zwar ekelig und man kann teilweiße nicht hinschauen, aber der größere Gruselfaktor ist bei was anderem.

Bei FSK 0 bin ich aber sehr froh, dass auf solche Darstellungen verzichtet wird, oder, im Falle von Mufassa, zwar der tote, aber doch unverletzte Körper gezeigt wird. Kinder haben zwar eine lebhafte Fantasie, aber man muss diese nicht auch noch mit Bildern füttern.

 

 

Jeder Film ist ein Produkt seiner Zeit, wie auch jede Theateraufführungen und jedes Produkt anderer Kunstgattungen. Dabei gibt es bei allen Sachen, die als Zeitlos gelten und die immer wieder hervor geholt werden. Hierbei haben natürlich Vorführungen einen Nachteil, weil sie live sind.

Nun gibt es in der Kunst immer Strömungen, manche setzen sich durch, zu manchen gibt es Gegenströmungen, andere sind nur kurzzeitig präsent und verschwinden dann wieder und so weiter und so fort. Stanislawskis Methode war bahnbrechend und auch, wenn man sich jetzt überhaupt nicht auf ihn beruft und seinen perfektionistisch-realistischen Stil verpömt, so will doch fast jeder Schauspieler und Regisseur möglichst nahe an die Quintessenz dran: Die Wahrheit der Gefühle! Egal in welcher Situation, in welchem Stil, es soll echt, gefüllt, sein. Und gegen einen gefüllten Pathos kann man auch nichts einwenden.

Und eben das fehlt bei den pathosvollen Monologen in Bakshis Verfilmung (allerdings nicht nur bei der ;) ). Die sind leer. Und Stanislawskis System war zu dieser Zeit schon weit verbreitet.

 

Man sollte einen Film aber auf keinen Fall auf sowas reduzieren. Mir hat zwar einiges nicht so gefallen, aber im großen und ganzen hatte ich viel Spaß beim sehen. Mal eine Alternative zu den PJ-Filmen ;)

Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Was bedeutet bei Dir "+1", Bregalad? Du schreibst das öfter statt oder zusätzlich eines Kommentars, so bei Joran und auch bei mir. Hab das noch nie sonst bei jemandem gelesen.

Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben

Ich bin mit den von Euch (Dunderklumpen und Bregalad) angesprochenen Theorien nicht vertraut und andere Leser dieses Threads - vermute ich - auch nicht. Es fällt mir daher schwer Euren Ausführungen zu folgen.

 

Es wäre nett, wenn Ihr einmal den Versuch unternehmen könntet, für einen Laien verständlich darzustellen, was die Theorien von Stanislawski und Strassberg im groben besagen und wie man hieraus Schlussfolgerungen oder Maßstäbe für die Bewertung des HdR-Films ableiten kann. Wenn Ihr aber meint, dass das zu weit führt, werde ich mal sehen ob ich mir anderweitig hierzu etwas anlesen kann.

 

Habe ich das richtig verstanden, dass jeder Schauspieler für seine Rolle über den eigentlichen Gegenstand des Stücks/Films hinaus einen eigenen individuellen Hintergrund entwickeln bzw. sogar mit seinen eigenen Erfahrungen/seiner eigenen Person verknüpfen soll, um so der Rolle mehr Tiefe und Individualität zu geben? So deute ich Eure Hinweise u.a. auf Method Acting und deren Einfluss auf die Psyche des Schauspielers. Mir ist noch nicht klar, wie solche Ansätze sich auf einen Zeichentrickfilm übertragen lassen, bei dem es keine Schauspieler gibt. (Bei ganz modernen Techniken, wie sie PJ etwa bei Gollum angewandt hat, wäre dies ja denkbar. Da steht ein Schauspieler hinter der später am Computer graphisch "überarbeiteten" Figur.)

Gast Dunderklumpen
Geschrieben
Mir ist noch nicht klar, wie solche Ansätze sich auf einen Zeichentrickfilm übertragen lassen, bei dem es keine Schauspieler gibt.

 

Ich für meinen Teil hatte zu einem großen Teil von den Schauspielern gesprochen, die den Text sprechen. Im englischen Wikipedia stehen auch die Namen der Schauspieler. John Hurt hat, wie ich eben rausgefunden habe, den Aragorn gesprochen. Wer den Gandalf gesprochen hat, habe ich noch nicht raus.

 

Das Gefuchtele von Gandalf allerdings ist natürlich Figurenregie. Da drückt der Regisseur auch seine Vorstellung von der Figur aus. Wenn Gandalf mit seinem langen Finger den Bilbo - oder Frodo - fast aufspießt, um ihn zu zwingen, den Job des Ringwegwerfens zu übernehmen: dann ist das die Deutung des Regisseurs.

 

Leider muss ich jetzt aber gleich weg, darum muss ich aufhören.

Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben

Ah ja, richtig. Das war mein Fehler.

 

Irgendwie beschäftige ich mich bei dem Film gedanklich vor allem mit den Bildern und der Musik, weniger mit der Sprache. Deswegen vermenge ich das immer wieder versehentlich.

 

Habe mir gestern wegen Deiner Beiträge extra noch einmal einzelne Szenen erst in deutscher und dann unmittelbar danach in englischer Sprache angehört. Vielleicht habe ich die falschen Szenen ausgewählt, aber ich persönlich fand die deutsche Synchronisation nicht so viel schlechter.

 

Was Gandalfs Szene mit dem Finger angeht, meinst Du doch die Situation kurz bevor Sam entdeckt wird. Die von Dir angesprochene Geste Gandalfs ist natürlich da, aber auch bei Bakshi kommt Frodo erst unmittelbar danach selbst zu dem Schluss, dass er das Auenland verlassen will, um es zu schützen. Gandalf hat ihn hierzu nicht aufgefordert, sondern nur - eindringlich und zutreffend - die bestehenden Gefahren geschildert. Und Gandalf lächelt warmherzig, nachdem Frodo sich zu diesem Opfer selbst bereit erklärt. Erst danach bestätigt Gandalf, dass auch er dies für den richtigen Weg hält. So falsch finde ich diese Darstellung nicht. Vor allem sehe ich darin sehr viel Sorge Gandalfs, aber gerade keinen ausgeübten Zwang.

Geschrieben
Was bedeutet bei Dir "+1", Bregalad? Du schreibst das öfter statt oder zusätzlich eines Kommentars, so bei Joran und auch bei mir. Hab das noch nie sonst bei jemandem gelesen.

 

Bedeutet eigentlich nur, dass ich euch zustimme...

Ist im Einradforum, in dem ich unterwegs bin, gang und gäbe, da man es hier aber wohl nicht kennt, werde ich versuchen, darauf zu verzichten.

Geht halt wesentlich schneller und einfacher als ein "ich stimme dir zu" oder "du hast vollkommen recht", vorallem, wenns weiter nichts zu sagen gibt.

 

Ich bin mit den von Euch (Dunderklumpen und Bregalad) angesprochenen Theorien nicht vertraut und andere Leser dieses Threads - vermute ich - auch nicht. Es fällt mir daher schwer Euren Ausführungen zu folgen.

 

Es wäre nett, wenn Ihr einmal den Versuch unternehmen könntet, für einen Laien verständlich darzustellen, was die Theorien von Stanislawski und Strassberg im groben besagen und wie man hieraus Schlussfolgerungen oder Maßstäbe für die Bewertung des HdR-Films ableiten kann. Wenn Ihr aber meint, dass das zu weit führt, werde ich mal sehen ob ich mir anderweitig hierzu etwas anlesen kann.

 

Habe ich das richtig verstanden, dass jeder Schauspieler für seine Rolle über den eigentlichen Gegenstand des Stücks/Films hinaus einen eigenen individuellen Hintergrund entwickeln bzw. sogar mit seinen eigenen Erfahrungen/seiner eigenen Person verknüpfen soll, um so der Rolle mehr Tiefe und Individualität zu geben? So deute ich Eure Hinweise u.a. auf Method Acting und deren Einfluss auf die Psyche des Schauspielers. Mir ist noch nicht klar, wie solche Ansätze sich auf einen Zeichentrickfilm übertragen lassen, bei dem es keine Schauspieler gibt. (Bei ganz modernen Techniken, wie sie PJ etwa bei Gollum angewandt hat, wäre dies ja denkbar. Da steht ein Schauspieler hinter der später am Computer graphisch "überarbeiteten" Figur.)

 

Deine Interpretation ist im großen und ganzen richtig.

Bei Bakshis Film gab es allerdings nicht nur die sprechenden Schauspieler, sondern auch die für das Rotoverfahren. Ich hab allerdings die Szenen, die das betrifft, nicht mehr wirklich im Kopf, aber ich glaube, das waren hauptsächlich Massenszenen. Da kommt natürlich die innere Tiefe jedes einzelnen Orks nicht so zur Geltung, weshalb es nicht schlimm ist, wenn die fehlt.

Allerdings sollte sich auch ein Regisseur (Stanislawski war ja in erster Linie auch einer) sich über seine Figuren Gedanken machen, vor allem, wenn keine Schauspieler da sind.

 

Was auch von Stanislawski kommt, ist der sogenannte "Subtext", also der Text, den die Figur zwar denkt, aber nicht sagt. Ein "Wie geht es dir?" kann ja die unterschiedlichsten Bedeutungen haben, die gemeinte sollte dann im Subtext stehen. So wird der gesamte Text bearbeitet und der Schauspieler erarbeitet damit seine ganz persönliche Bedeutung, die er in den Text stecken möchte. Natürlich sollte das im gegenseitigen Einverständnis mit dem Regisseuer passieren, nicht dass beide zwei vollkommen unterschiedlichen Varianten folgen, die sich nicht in Einklang bringen lassen.

Je besser ein Schauspieler nun seine Figur kennt, desto tiefer kann auch der Subtext gehen. Darum ist es auch wichtig, sich seine Figur komplett zu bauen, sich quasi einen kompletten Lebenslauf und so weiter für die Figur auszudenken.

 

Dann geht es auch noch darum, die Gefühle, die die Figur hat, auch selbst zu erleben, und nicht nur so zu tun, als ob man jetzt z.B. traurig wäre. Einige meiner Dozenten sagen auch immer wieder, bevor man nun mit falschem (also kein wirklich erlebtes) Gefühl den Text sagt, sollte man ihn dann lieber komplett ohne sagen, dann bekommt der Zuschauer immerhin den unverfälschten Text mit.

Natürlich holt sich der Schauspieler diese Gefühle in erster Linie aus sich selbst, er denkt an was trauriges, an was fröhliches, oder was er halt gerade braucht.

Hier setzt Method-Acting an, soweit ich weiß. Ich hab damit selbst noch keine eingehendere Erfahrung gemacht sondern nur von anderen was davon gehört. Die Grenze zwischen Method und Nicht-Method ist auch keine fixe, leicht erkennbare, sondern eine fließende Grenze.

Bei "normalen" Rollen ist das noch ganz harmlos, man holt sich halt bestimmte Erinnerungen oder stellt sich vor, was wäre wenn (ähnlich dem Gedankengang, den man zur Erschaffung eines Patronus in Harry Potter braucht). Gefährlich wird das halt bei "extremen" Figuren. So hab ich z.B. gehört, dass einem Lehrer gesagt hätten, man solle sich ganz gezielt und konkret vorstellen, wie man lebendigen Leibes verbrennt oder wie die Familie vor einem getötet wird. Das finde ich schon sehr extrem und mich wundert es nicht, dass sowas ernsthafte psychische Probleme hervorrufen kann.

 

Das ist noch nicht die Quintesenz aus Strassbergs System, aber wie gesagt, so genau kenn ich mich da nicht aus und ich möchte nichts falsches sagen.

 

Was ich an den Monologen von Gandalf und Galadriel bemängle, ist halt eben, dass hinter dem Text nicht wirklich was steht. Er ist groß aufgemacht und dargestellt, sagt aber im Grunde nichts aus. Wie ein Politiker, der halt abliest, was seine Sekretärin ihm geschrieben hat, im Gegensatz zu einem Politiker, der weiß, was er sagt und was er davon hält.

Und das ist halt eben nicht nur eine Aufgabe des Schauspielers, sondern auch des Regisseurs, der ja für das Gesamtwerk zuständig ist. Wie weit Bakshi allerdings an der deutschen Synchronisation beteiligt war, weiß ich nicht ;)

Gast Dunderklumpen
Geschrieben (bearbeitet)
Vielleicht habe ich die falschen Szenen ausgewählt, aber ich persönlich fand die deutsche Synchronisation nicht so viel schlechter.

 

Leider kann ich dazu zu diesem Zeitpunkt kaum noch mehr sagen, weil ich den Film auf Deutsch ja vor über 30 Jahren gesehen habe, und auch nur einmal. 

 

 

Was Gandalfs Szene mit dem Finger angeht, meinst Du doch die Situation kurz bevor Sam entdeckt wird. Die von Dir angesprochene Geste Gandalfs ist natürlich da, aber auch bei Bakshi kommt Frodo erst unmittelbar danach selbst zu dem Schluss, dass er das Auenland verlassen will, um es zu schützen.

 

Mir ging es an der Stelle nur um die Gestik Gandalfs. Sie war mir grade eingefallen, aber seine Gestik ist insgesamt theatralisch. Eben typisch für Amateurtheater. Die Anfänger unter den Amateuren schlagen sich auf die Brust, um zu "demonstrieren", dass sie jemanden lieben.

Ich meinte die Stelle in der Höhle, nachdem der Ring in das Kaminfeuer geworfen wurde.

Hör Dir doch nur mal an, wie Gandalf den Ringspruch aufsagt. Wie er den Arm in die Luft streckt, wenn er vom Dunklen Lord spricht. Wie er die Hände vor das Gesicht legt, um die "Schatten" zu demonstrieren, von denen er gerade spricht. Bei "corrupt" imitiert er das Wort mit einer Handbewegung, bei "destroy" ahmt er das "destroy" mit der anderen Hand nach.

 

Erklären könnte ich mir diesen Totaldilettantismus eventuell so, dass eben wirklich ein Schauspieler das erst vorgespielt hat, damit es dann in Zeichentrick übersetzt werden kann. Der Schauspieler hat dann vielleicht geglaubt, er müsste maßlos übertreiben, damit das dann eben als Trickfigur funktioniert.

 

Noch eher aber erklären tu ich mir das so, wie ich schon mal sagte: dass entweder der Schauspieler oder der Regisseur oder beide einfach mit Gandalf nichts anfangen konnten. Darum griffen sie dann zu diesen permanent überflüssigen Gebärden.

 

Joran, ich finde das toll, dass Du anfragst, damit Du unsere Aussagen besser verstehen kannst, statt uns aus dem Thread zu schmeißen.

Aber es ist unglaublich schwer, zu erklären, warum man einen gesprochenen Text als dilettantisch gesprochen bezeichnen muss. Oder eine Gestik als hohles Pathos - leeres Pathos - bezeichnen muss. 

Vielleicht kriegen Bregalad und ich das aber noch hin... :-)

Bearbeitet von Dunderklumpen

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