Gast Firias Geschrieben 16. Januar 2005 Geschrieben 16. Januar 2005 (bearbeitet) So, da ich gestern hier "eingezogen" bin, hab ich beschlossen, euch mit meinem Fantasy-Original zu quälen Na ja, keine ANgst, ich glaube es ist gar nicht so schrecklich, auch wenn die ersten paar Zeilen nicht so toll gelungen sind. Ich hoffe sie gefällt euch, zuerst der Disclaimer und einen Teaser. Disclaimer: Sämtliche Figuren, Orte und Namen sind mein eigentum/gedankliches Material Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen ist rein zufällig und ungewollt Teaser: Der Regen peitschte gegen das Gesicht des jungen Reiters, eine dunkle Kapuze verbarg fast gänzlich die feinen Züge, die darunter lagen. Das Pferd, schwarz wie die von Blitz und Donner durchzuckte Nacht um sie herum rannte mit weit ausgreifenden Schritten. Schlamm spritze zu allen Seiten. Er ritt mit einer Hand, die andere unter seinem Mantel verborgen. Er wurde verfolgt, gleichauf ein weiterer Reiter, nicht weit dahinter Männerstimmen, deren markerschütterndes Brüllen im tosenden Wind fast unterging, und als kaum hörbare Silhouette eines Schreis rasende Panik bei den fliehenden Reitern heraufbeschwor, die ihren Pferden die Sporen gaben und mit flackernden Mänteln auf den Wald zuritten. Also denne, ich hoffe ihr habt Spaß daran Prolog Als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatte Adrien oft mit den anderen Kindern unter den Kirschbäumen gespielt. Im Sommer waren sie im kühlen Schatten des Blätterdachs gelegen, im Herbst hatten sie sich gegenseitig mit buntem Laub beworfen. Im Winter konnte man dort Figuren aus Schnee bauen und die breiten Stämme boten bei Versteckspielen ebenso viel Schutz wie bei einer Schneeballschlacht, während sie im Frühjahr mit den anderen Mädchen Blumenketten in allen Farben geflochten hatte. Doch eines Tages im Mai, Adrien war fast fünf, da war alles anders. Sie ging allein unter den Bäumen spazieren, und plötzlich lag es dort. Ein kleines Bündel, mitten im Saftigen Gras, dort unter den Kirschbäumen. Vorsichtig näherte sich Adrien, bis sie schließlich vor ihm stand, dem kleinen Bündel. Und es war ein Kind. Adrien ging in die Knie und beugte sich langsam nach vorn, bis sie in sein Gesicht sehen konnte. Es war kaum zu glauben, dort im Tupfenartigen Schatten der Kirschblätter lag ein kleines menschliches Wesen, ganz allein. Adrien kniete viele Minuten bewegungslos dort und beobachtete das kleine Kind. Dann sah sie sich um. Niemand kam. Also setzte Adrien sich schlicht und einfach neben den schlafenden Säugling und wartete. Vielleicht kam die Mutter ja bald? Vielleicht hatte jemand den Säugling einfach nur dort vergessen und würde ihn bald holen. Ja, so musste es sein. Sie brauchte nur zu warten... Sie sah sich um und schließlich blieben ihre dunkelgrünen Augen wieder am Anblick des winzigen Gesichtes hängen, auf dessen sanften Zügen der Schatten der Bäume sein stilles Spiel trieb. Wie alt mochte es wohl sein? Vier, fünf Monate? Ein sanfter Wind strich durch die Kronen der Kirschbäume und sanft rieselten ein paar pastellfarbene Blütenblätter hinab. Adrien blickte auf. Wie kleine Schmetterlinge schwebten sie hinab auf die Erde. Der warme Mittagswing trieb sie in Windungen federnder Leichtigkeit gen Boden. Auf seinem Weg ins weiche Frühjahrsgrün verlor sich eines der Blütenblätter und segelte langsam, fast zögerlich hinab, als wolle es den Maiwind in vollen Zügen auskosten. Es drehte einige Saltos im Frühjahrswind und dann blieb es auf der Stirn des kleinen Kindes liegen. Adrien beugte den Kopf ein wenig hinab und ihre kupferroten Locken rutschten in ihr Gesicht. Mit einer alltäglichen Bewegung bändigte sie sie hinter ihren Ohren, wie sie es schon so oft getan hatte und ganz vorsichtig blies sie das schimmernde Blatt weg. Der Säugling rümpfte die Nase, doch verriet sein flaches und gemütliches Atmen, dass er noch schlief. Adrien lächelte und setzte sich wieder auf. Sie gab einen erstickten Laut von sich, als sie in knapp einhundert Metern Abstand ein schemenhafter Schatten über den Weg gleiten sah, der für Bruchteile einer Sekunde die mittägliche Ruhe mit dumpfen Schritten unterbrach. Einige Augenblicke starrte sie auf die Kurve, in der die schwarze Gestalt verschwunden war. Doch es regte sich minutenlang nichts und erneut legte sich Stille über die Allee, die durch nichts als den leisen Gesang der Vögel gestört wurde, die nach dem harten Winter in diese Gefilde zurückgekehrt waren. Plötzlich schlug der Säugling die Augen auf. Fast war Adrien überrascht, als sie in die saphirblauen Augen sah. Eine solche Farbe hatte sie noch nie zuvor gesehen. Es war nicht das blau des Meeres, nicht das des Himmels, weder die Farbe der Schwertlilie oder die eines Vergissmeinnichts. Das Kleinkind sah Adrien nur an, doch ihr wurde jäh ganz warm ums Herz. Und dann lächelte es. Der Abend dämmerte schon, als das Mädchen um eine Ecke bog. Das kleine Bündel fest im Arm und den ganzen Weg peinlichst darauf bedacht, dass ihm nichts geschah, sah es seine Mutter schon von weitem im Garten sitzen. Adrien legte einen Schritt zu und versuchte dabei, die Arme ganz still zu halten. „MAMA!“ Sie winkte und ihre Mutter blickte auf. Adrien stockte um zu sehen, dass der Säugling noch immer wohlbehütet in ihren Armen schlief und legte wieder beide Hände um das zarte Tuch, das ihn vor der Kühle des Abends schützte. Als die junge Frau ihre Tochter sah, stand sie auf und ging zum Gartentor. „Was hast du da?“ Fragte sie, als sie das kleine Bündel in Adriens Armen entdeckte. „Ich war bei den Kirschbäumen!“ Das Mädchen kam ein wenig schneller näher. „Ich habe mir Sorgen gemacht!“ Schließlich hatte Adrien ihre Mutter fast erreicht. „Es tut mir leid Mama. Aber ich konnte nicht weggehen. Schau mal, was ich gefunden habe!“ Adrien blieb am Gartentor stehen und ihre Wangen glühten vor Aufregung, als sie ihrer Mutter schlussendlich das Bündel hinhielt und ihr zeigte, was sie in den Armen trug. 1 Siebzehn Sommer waren vergangen, seit Adrien unter den Kirschbäumen das kleine Mädchen gefunden hatte- ihre Eltern hatten es aufgenommen und ihr einen Namen gegeben. Siebzehn Jahre war es her, dass dieser winzige Säugling ausgesetzt worden war. Aber jenes Findelkind war anders als die anderen Mädchen. Achtzehn Jahre musste Sara nun sein, doch entwickelte sie sich in allem so anders als Adrien und ihre Altersgenossinnen. Als Adrien achtzehn Jahre alt gewesen war, stand ihre Halbschwester ihr an geistigen und körperlichen Fähigkeiten sowie im Aussehen um nur zwei bis drei Jahre nach, doch nun schien der Altersunterschied immer größer zu werden. Adrien und ihre Generation zählte nun volle dreiundzwanzig Winter, doch Sara schien um keinen Tag älter als fünfzehn Jahre zu sein. „Sara!“ Der Ruf ihrer Mutter Mileen hallte aus der Küche. Sara zog die braune Schürze über ihr weißes Leinenkleid. „Ich komme!“ Mit einem Lederband schnürte sie sich wie jeden Tag das helle Haar zu einem glänzenden Knoten zusammen. Dann trat sie aus ihrem Zimmer in den sonnendurchfluteten Flur. Da ihr Vater Kaufmann war, besaß die Familie ein großes Heim, allerdings war der Herr des Hauses meist unterwegs. „Sara?“ Wieder drang Mileens Stimme durch die gemütlichen Räume. „Hier bin ich.“ Das Mädchen trat neben sie. „Guten Morgen Mama.“ „Guten Morgen.“ Mileen lächelte und gab Sara einen Kuss auf die Wange. „Wo ist Adrien?“ Sara blickte sich um. „Sie ist schon sehr früh rausgegangen. Ich weiß nicht wohin, aber ich glaube sie unternimmt etwas mit ihren Freunden.“ „Ach so.“ Sara nickte. „Kann ich dir etwas helfen?“ Mileen dachte kurz nach. „Du könntest mir schon etwas helfen. Adrien hat den Stall schon gemistet, aber Heron braucht etwas Bewegung.“ Ihre Tochter lächelte. „Danke Mama.“ „Na geh schon!“ Mileen schmunzelte, doch als Sara sich umdrehte um zu den Ställen zu laufen, hielt sie sie noch einmal zurück. „Hier!“ Sie gab ihrer Tochter einen Rucksack. „Was ist das?“ „Dein Frühstück.“ „Danke.“ Sara nahm ihrer Mutter den Beutel aus der Hand und gab ihr einen Kuss. „Wiedersehen!“ „Bis später!“ Lächelnd sah Mileen ihr nach. Währenddessen war Sara schon auf dem Weg zu den Pferden. Im Stall nahm sie sich Herons Trense und lief dann weiter. Vier Stuten standen auf einer großen Koppel, zwei davon hatten Fohlen. Doch Sara lief an den wiehernden Tieren vorbei, weiter zur Hengstkoppel. Da war er, inmitten des halb abgefressenen Gases stand der Rapphengst. Vorsichtig schlüpfte Sara zwischen den Zaunlatten hindurch und lief auf Heron zu. „Guten Morgen mein Hübscher...“ mit einem Lächeln und einer sanften Handbewegung strich sie dem Tier über die Nüstern. Sein Fell glänzte wie eh und je. „Du scheinst tatsächlich ein wenig eitel zu sein, mein Guter, du bist nie schmutzig.“ Sie lachte, als der Hengst ihre Hand leckte. „Du sollst nicht betteln.“ Das Mädchen zog ein Stück Karotte aus der Schürzentasche und hielt sie dem Tier unter die Nase. Dass es eine Rübe vom letzten Frühling war, die schon einiges ihres Saftgehaltes eingebüßt hatte, störte ihn nicht. „Wir reiten jetzt aus.“ Flüsterte Sara. Heron ließ sich wie gewohnt die Trense überstreifen, dann führte Sara ihn hinaus und stieg auf. Sie brauchte schon seit Jahren keine Hilfe mehr dabei, Herons kräftige Mähne genügte um sich auf seinen seidigen Rücken emporzuziehen. Eine Viertelstunde ritt Sara im Schritt, bis sie ihre Lieblingsstrecke erreicht hatte. „Na Heron? Wollen wir galoppieren?“ Sara lächelte, als sie spürte, wie sich unter ihrer Hilfestellung seine Muskeln erst zu einem leichten Trab und einen Augenblick später zu einem kräftigen Galopp anspannten Fast stürmisch prasselten seine breiten Hufe auf die trockenen Feldwege hinab und ließen nichts als Staub zurück. Hier fühlte sie sich wohl, auf Herons kräftigem Rücken, hin- und hergewiegt von seinen weit ausgreifenden Tritten, mit dem Duft frischer Wiesen, vermischt mit dem Geruch eines Pferdes in der Nase. Erst zum Sonnenuntergang hin kehrte Sara nach Hause zurück. Sie brachte Heron zurück auf seine Koppel, nachdem sie ihn mit einer groben Bürste den Staub aus dem Fell gestriegelt hatte, dann machte sie sich auf den Weg ins Haus. Doch als sie wieder durch den Stall ging, um die Trense des Hengstes wegzuräumen, fielen ihr neben den üblichen vier Stuten und deren Fohlen zwei weitere Fuchsstuten auf. Ihr Vater war nach Hause zurückgekehrt. Sara zupfte sich einige Heuhalme aus dem Haar und strich ihre Kleider glatt, dann lief sie ins Haus. Piet stand in der Küche, neben ihm Mileen, sie hatte einige Teller in der Hand und lächelte Sara an, als sie das Zimmer betrat. Piet folgte dem Blick seiner Frau und bemerkte das Mädchen und ein freudiges Grinsen erhellte seine Züge. „Sara!“ „Vater!“ Das Mädchen sprang ihm in die Arme. „Du bist wieder da!“ Dann löste sie sich aus der Umarmung und sah ihm in die Augen. „Ich dachte, du kämst erst in ein paar Wochen nach Hause!“ Piet strich ihr übers Haar. „Ich hatte alles früher erledigt und auf unserer nächsten Route wären wir hier in der Nähe durchgekommen, da dachte ich, wir machen einen kleinen Umweg und genehmigen uns ein warmes Bett und eine anständige Mahlzeit.“ Er lachte. „Ihr?“ Sara musterte ihn fragend. Ihr Vater nickte und ergriff erneut das Wort. „Heute ist Cahl unser Gast, er ist ein alter Freund, den ich auf meiner letzten Reise wiedergetroffen habe. Er wird bis morgen früh bei uns bleiben. Dann reiten wir gemeinsam weiter. Erst jetzt, als ihr Vater in seine Richtung winkte fiel Saras Blick auf den etwas betagten Mann, mit schütterem Haar, der am Tisch saß und sie anlächelte. „Hallo.“ Sie versuchte sein Lächeln zu erwidern. Dann wandte sie sich wieder ihrem Vater zu. „Du gehst morgen schon wieder?“ Er nickte. „Ja, leider. Es ist beinahe Herbst, das Geschäft kann nicht warten.“ Sara seufzte. Mileen deckte den Tisch. „Setzt euch, das Essen ist fertig.“ „Soll ich Adrien holen?“ Mileen nickte. „Sie ist in ihrem Zimmer.“ Sara machte sich auf den Weg. Am Zimmer ihrer Schwester angekommen, klopfte sie ein paar mal sacht. „Adrien!?“ Sie öffnete die Tür. Adrien lag auf ihrem Bett und sah sie an. „Was willst du!?“ Ihre Stimme klang kühl. „Komm essen.“ Mehr sagte Sara nicht, sie drehte sich um und schloss geräuschlos die Tür. Kurze Zeit später saßen alle bei Tisch und aßen. Sara war unbehaglich zu Mute, Cahl fixierte sie mit den Augen und jedes Mal, wenn das Mädchen den Kopf hob und ihre Blicke sich trafen lächelte er, aber seine grauen Augen blieben kühl und nachdenklich beherrscht. Nach dem Essen hätte Sara viel lieber ihrem Vater zugehört, wie er von seiner letzten Reise erzählte, doch Cahl war ihr unheimlich und Adrien sprach wie so oft kaum mit ihr. Also ging sie bald ins Bett. Doch schlafen wollte sie nicht. Sie lag in ihren weichen Kissen und rührte sich nicht. Das Mondlicht warf helle Muster an die Decke, der warme Schein des Feuers in der Küche und das Licht einiger Kerzen im Flur drang durch den Spalt der geöffneten Tür und sie konnte die leisen Stimmen Cahls und dem Rest ihrer Familie vernehmen. Langsam und ungewollt wurde sie müder und die Augen fielen ihr fast zu. Doch als Adrien geräuschvoll in ihr Zimmer ging und die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ, wich die Trunkenheit des Schlafes auf ihren Augen jäh einem Gefühl der hellen Wachsamkeit. Sie versuchte, zu hören, was die Stimmen in der Küche sprachen. Sie konnte nur ihren Vater und Cahl hören, scheinbar war Mileen schon im Bett. „Das Mädchen...“ begann Cahl, „wie alt ist sie?“ „Welche der beiden meinst du?“ Piet lächelte zögernd. Er wusste, von welcher seiner Töchter Cahl sprach. „Sara.“ Seine Vermutung hatte sich bestätigt, was hatte er von Cahl auch anderes erwartet? Trotzdem zögerte Piet zu antworten. „Vor zwei Wochen wurde sie achtzehn.“ Cahl nickte langsam. „Wer sind ihre Eltern?“ Fragte er dann. „Ich weiß worauf du hinauswillst.“ Sein Gegenüber lächelte. „Das dachte ich mir.“ Cahl hob die Augenbrauen, ein Grinsen huschte über seine schroffen Züge. Piet schüttelte den Kopf, wieder ernst geworden. „Ich weiß nicht wer ihre Eltern sind, aber glaubst du vielleicht, daran habe ich noch nie gedacht?“ „Vor neunzehn Jahren gab es dort oben Krieg, weißt du noch?“ Piet seufzte. „Wer nicht!? Wir haben nichts abbekommen, solange wir uns von den Wäldern fernhielten, aber es war trotzdem gefährlich.“ „Und trotzdem habt ihr das Kind aufgenommen?“ Cahl stützte sich auf den Tisch und mit seinen grauen Augen verfolgte er Piets Mine. „Du kennst Mileen. Sie konnte sie ja nicht dorthin zurückbringen. Und sie haben bei uns nicht gesucht, Sara war hier sicher. Wir nahmen an, ihre leibliche Mutter hatte sie nur ausgesetzt, um sie von denen fernzuhalten und das heißt, sie wusste, dass man dem Mädchen hier nichts antun würde.“ Cahl nickte. „Vielleicht haben sie es mittlerweile aufgegeben, es gab schon lange kein Geräusch von ihnen.“ Piet seufzte. „Ich hoffe es. Wir wussten damals nicht einmal genau, worum es ging, aber eins haben alle mitbekommen, die hier in der Umgebung lebten; etwas das nicht hätte geschehen dürfen passierte. Alle denken, sie hätten aufgehört, aber irgendetwas sagt mir, dass es noch nicht vorbei ist. Sie machen weiter, und irgendwann machen sie vor uns nicht mehr Halt.“ Cahl nickte wieder gedankenverloren. „Und dann werden sie sie finden. Ich glaube auch, das da oben etwas vorgeht, die sind hartnäckig. Sie haben so viel Zeit, da geben sie nicht nach neunzehn Jahren auf. Wenn die Sache so unwichtig gewesen wäre, hätten sie gar nicht erst damit angefangen, sich gegenseitig umzubringen, wenn du mich fragst. Aber seit zehn Jahren hat niemand mehr die Drachen gesehen. Das macht mich doch stutzig.“ Piet schnaubte nachdenklich. „Vielleicht ist es aber auch wirklich vorbei.“ Cahl sah ihn fragend an. „Du willst es ihr also nicht einmal sagen?“ Piet winkte ab. „Ach lassen wir das. Willst du noch etwas trinken?“ Cahl nickte, er wusste Piet würde jeder weiteren Frage diesbezüglich ausweichen und beließ es dabei. Stattdessen hielt er seinem Freund den Becher hin und Piet schenkte nach. „Was ist eigentlich mit Adrien?“ Piet blickte auf. „Was soll mit ihr sein?“ Sein Gegenüber schmunzelte. „Sie ist dreiundzwanzig, volljährig.“ Piet wiegte den Kopf. „Sie ist hübsch und weiß noch nicht, wen sie nehmen soll.“ Cahl konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „So viele Freier?“ Piet lächelte. „Nicht direkt, aber ein paar. Der Sprössling des Bauern unter anderem. Ich glaube aber, der Sohn des Kleinhändlers am anderen Ende des Dorfes gefällt ihr.“ Sara konnte nicht schlafen. Das Gespräch der beiden Männer ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie wusste, sie war nicht ihre leibliche Tochter und auch, dass sie viel zu jung aussah für ihr Alter. Deshalb mieden die anderen sie ja auch. Selbst Adrien war in den letzten Jahren immer abweisender geworden. Sie war ihnen unheimlich. Aber wieso musste man sie beschützen? Sie hatte immer gedacht, ihre Mutter war nicht mit ihr klargekommen, wollte ein neues Leben beginnen, aber nicht, dass sie sie nur ausgesetzt haben musste, um sie zu beschützen. Und was hatte Cahl mit Krieg und Drachen gemeint? Wer waren die Leute ‚dort oben’? Sie kannte den Wald, etwa zwei Stunden zu Pferd von hier entfernt. Sie wusste es nicht genau ob es zwei oder drei Stunden auf den Berg waren, jeder ritt einen großen Bogen von mehreren Meilen um den oberen Teil des Waldes herum, der auf der Spitze der Hügelgruppe im Osten begann und sich noch viele Hektar nach Norden hinzog; Und nur die Kühnsten wagten sich ganz unten am Waldrand entlang. Ganz so, als ob sie fürchteten, die Bäume würden plötzlich zum Leben erwachen und sie auf Nimmerwiedersehen hineinschleppen. Es wurde stets erzählt, dass die Händler und Wanderer dies nur deshalb taten, weil dort im Wald Wölfe lebten und man sich sehr leicht im Gewirr der Stämme verirren konnte. Sara hatte Anfangs nicht daran gezweifelt, es schien plausibel nicht hineinzugehen, aber wieso lebte im Umkreis von mindestens fünf Kilometern keine Menschenseele am fuße der Hügel? So groß konnte die Angst vor Wölfen nicht sein, das hatte sie immer schon zum nachdenken gebracht. Selbst vor fünf Jahren, als wegen des harten Winters vielen Familien das Holz ausging und sogar drei Menschen erfroren wagte niemand, Holz aus dem Forst im Osten zu schlagen, stattdessen holzten sie den kleinen Wald im Westen fast vollständig ab. Vor allem anderen, wer sollte sich dort bekriegen? Sie waren drei Tagesreisen weit das einzige Dorf im Osten des Landes und was dann folgte reichte bei weitem nicht aus, um einen Krieg mit Drachen zu veranstalten, vor dem sich scheinbar alle fürchteten. Abgesehen davon gab es schon lange keine Drachen mehr... der Letzte wurde angeblich vor zwei Jahrhunderten getötet, falls es sie überhaupt je gab. Zudem, vor zehn Jahren war sie selbst erst neun gewesen, hätte man in dem Jahr Drachen gesichtet, müsste sie sich doch erinnern können, oder? Immer mehr Fragen taten sich in Sara auf, keine war beantwortet als sie viele Stunden später in einen unruhigen Schlaf fiel, aus dem sie schon früh erwachte. Ihr Haar war recht wirr, als sie Mileen am nächsten Morgen in der Küche half. Natürlich bemerkte etwas, immer wieder warf sie dem Mädchen besorgte Blicke zu, bis sie schließlich fragte „was ist passiert Sara? Hast du schlecht geschlafen?“ Sie nickte stumm. „Wann reisen sie wieder ab?“ Fragte sie dann leise. Mileen betrachtete sie fragend. „Cahl und dein Vater?“ Vater. Das Wort verpasste Sara einen Stich. Man wollte ihr nicht sagen, woher sie kam, obwohl sie es genau wussten, und verlangte von ihr, sie weiterhin als ihre Eltern zu bezeichnen. Natürlich, sie hatten sie aufgenommen und ihr damit wahrscheinlich das Leben gerettet und sie liebte sie, ohne Zweifel, aber sie belogen sie. Das Mädchen nickte wieder still. „Schon nach dem Frühstück. Du kannst sie holen, sie sind draußen im Stall.“ „Ja.“ Sara drehte sich um machte sich schnellen Schritts auf den Weg, bis sie aus Mileens Sichtfeld war. Dann verlangsamte sie ihr Tempo und ging gemächlicher. Sie wissen, woher sie kommt, von wo ihre Eltern einst in diese Gefilde kamen, wollen es ihr aber nicht sagen. Sie hatte sich damit abgefunden, dass niemand wusste, wer ihre Eltern waren, aber dass sie ihr nicht einmal sagten, dass sie wenigstens etwas wussten, nagte an ihr. Doch als sie ihren Vater am Koppelzaun der Stuten sehen sah, wich ihr Ärger ein wenig. Achtzehn Jahre hatte sie ihn geliebt, und tat es auch jetzt noch. Wahrscheinlich, sagte sie sich, wollte man ihr keine falschen Hoffnungen machen. Darum hatten sie ihr nichts erzählt. In der Nacht hatte es geregnet und ein dünner Nebelschleier lag in der lauen Herbstluft, in der man noch immer einen Hauch von Sommerregen riechen konnte. Sie näherte sich Cahl und ihrem Vater. „Guten Morgen!“ Ihre Stimme zitterte ein wenig als sie neben die beiden trat. Piet lächelte, legte den Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Guten Morgen.“ Auch Cahl nickte ihr zu und seine Augen lächelten diesmal mit. Vergessen hatte Sara den gestrigen Abend nicht, aber sie verstand es jetzt besser, auch wenn das, was sie tröstete nichts als wage Vermutungen zu sein schienen. Als das Frühstück beendet war, erhob sich Cahl. „Ich werde mich um die Pferde kümmern, dann können wir in einer halben Stunde losreiten.“ Piet sah ihn aufgrund seiner plötzlichen Eile ein wenig überrascht an. „Soll ich dir helfen?“ Doch Cahl schüttelte den Kopf. „Wenn eines der Mädchen mir vielleicht zur Hand gehen könnte... Sara?“ Das Mädchen hob den Kopf. Ihr war nicht ganz geheuer dabei, Cahls Mine verheimlichte etwas. Ein Muskel in seiner rechten Wange zuckte. Er war nervös. „In Ordnung.“ Sara stand auf. Als die beiden das Zimmer verließen, sah Piet ihnen misstrauisch hinterher. „Wir sollten die Pferde putzen, sie haben es nötig. Haben sich gewälzt und sind voller Schlamm.“ Meinte er. Als sie die Tiere von der Koppel geholt hatten und gerade putzten begann Cahl zu sprechen. „Wie alt bist du?“ Sara sah ihm in die Augen. Die Nervosität war aus seinem Gesicht gewichen. Doch was sollte das nun? Er wusste, wie alt sie war. „Fünfzehn.“ Sara wich seinen durchdringenden grauen Augen nun aus. „Ganz sicher?“ Er hob eine Augenbraue. „Kann es nicht eher sein, dass du achtzehn bist?“ Das Mädchen zögerte zu antworten, bis sie nach einigen Augenblicken erwiderte „eh... ja. Woher...“ Sara tat, als wäre sie überrascht. Er durfte nicht wissen, dass sie ihr nächtliches Gespräch belauscht hatte. Cahl nickte. „Du kennst mich nicht mehr, das habe ich mir fast gedacht. Sie hatten dich gerade ein halbes Jahr, da war ich das letzte mal hier bei euch.“ Dann hielt er in der Bewegung inne, suchte Saras Blick. „Hör zu, ich weiß, wer du bist.“ Sara starrte ihn an. Was trieb er für ein Spiel? Sie schwieg, überrumpelt wie sie war. Erst nach einigen Augenblicken fand sie die Sprache wieder. Es nütze nichts, sie musste mit der Wahrheit herausrücken, auch wenn es sie einiges kostete, denn sie fühlte sich doch ein wenig schuldig, gelauscht zu haben. „Ich... ich habe gehört, was sie gestern mit meinem Vater geredet haben.“ „Das dachte ich mir schon...“ der Alte zog einen Mundwinkel hoch und klopfte die Bürste aus. „Das dachte ich mir schon,“ wiederholte er sich, „du hast kaum geredet heute Morgen. Außerdem, Ihr habt gute Ohren. Du musst jetzt eine Menge Fragen haben.“ Sara nickte. „Können Sie sie mir beantworten?“ Cahl lächelte. „Ich glaube ja. Also, hör mir zu, du bist nicht wie die Leute von hier.“ Sara hob eine Augenbraue. „Das ist nichts neues.“ Sagte sie langsam, unsicher, auf was Cahl hinauswollte. Er nickte und fuhr fort. „Du bist wie kein Mensch auf dieser Welt, weil du kein Mensch bist.“ Er schwieg nun, beobachtete, wie jegliche Farbe aus Saras ohnehin fast weißem Gesicht wich und ihre dunkelblauen Augen allen Ausdruck verloren. Er sah zu, wie sie fragend um sich blickte, als erwartete sie eine weitere Überraschung und erst nach einigen Augenblicken fand sie ihre Stimme wieder, doch mehr als ein klägliches, leises Wort ließen ihre Lippen nicht zu. „Was?“ Cahl nickte. „Aber wer... was bin ich dann?“ Saras Stimme zitterte und war nunmehr nichts als ein heißeres Flüstern. Ihr Gegenüber hob zu einer Erklärung an, doch seine Stimme erstarb, bevor er auch nur ein Wort vollendet hatte. „Vater sagt, ich solle euch helfen.“ Adrien stand im Türrahmen des Stalleingangs. ------- Ich hoffe auf eure Reviews Fi Bearbeitet 16. Januar 2005 von Firias Zitieren
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