Gast Perzman Geschrieben 1. März 2005 Geschrieben 1. März 2005 Langsam fielen die dicken Schneeflocken vom Himmel und kleideten das Land in ein weißes Gewand. Sie bedeckten die Bäume, die Wiesen und die Hügel. Die Berge, deren Spitzen von einer dauernden weißen Krone gesäumt waren, waren in dieser Szenerie das einzige, das kein Weiß zu tragen schien. An sich wäre dieses Bild malerisch, wäre da nicht ein kleines Detail, dass den Frieden dieses Augenblicks stören würde. An den Grenzen zu zwei kleinen Wäldern, die durch ein breites Tal getrennt wurden, marschierten gerade zwei Heere auf, bereit zur Schlacht. Auf der einen Seite standen die Dai'Hulut, eine alte Kriegerkaste und rechtmäßige Bewohner und Erben dieses Landes. Ein Volk stolzer Krieger, hochgewachsen, mit pechschwarzen Haaren und Mandelaugen. Sie waren nur wenige, ein paar tausend Mann stark vielleicht. Aber sie waren auf dem ganzen Kontinent berühmt für ihr Geschick im Umgang mit Waffen und Schmieden. Ihre Schwerter wurden von den Schmieden wieder und wieder gefaltet, von Magiern besungen und durch ihre Hände tötlich geführt. Ihre Rüstungen waren mit allerlei Runen verziert, die ihnen zusätzlichen Schutz verleihen sollten. Ihre Helme waren mit Visieren versehen, die Drachen nachempfunden wurden und lähmende Furcht in die Herzen ihrer Feinde sähten. Stolz standen sie da, während ihre Banner über ihnen wehten. Auf der anderen Seite stand das größte Heer, dass dieser Kontinent je gesehen hat. Es war die Armee von Kaiser Bardiel, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, alle Nationen unter seinem Banner zu Vereinigen. Ob sie wollten, oder nicht. Die Dai'Hulut waren nun das letzte Volk, dass seinen Plänen im Weg stand. Und gemessen an ihrer Truppenzahl war der Sieg vorbestimmt. Der Kaiser selbst hatte schon Position auf seinem Hügel bezogen um seinen finalen Sieg zu betrachten und die Taktik zu bestimmen. Mit ihm waren seine wichtigsten Generäle, seine Frau, die ihn den ganzen Weg begleiten und in der Wahl ihres Weges ebenso unfrei war, wie die mitgereisten Soldaten. Und selbstverständlich war Bardiel umgeben von einer zweiten Armee. Einer Armee der besten Köche seines Reiches, die ihn zu jeder Zeit mit allen Speisen und Köstlichkeiten versorgten, nach denen es ihm gelüstete. Genau wie die leichten Mädchen, die ihrem kleinen König Entspannung und Ablenkung nach schweren Staatsgeschäften versprachen. Es wäre wohl eine Lüge Bardiel als Kostverächter zu bezeichnen. Während die Heere aufmarschierten diskutierten die Generäle die Taktik. Es war ein sicherer Sieg. Es würde wohl einige Verluste geben, denn die Dai'Hulut waren wilde Krieger, aber allein durch ihre Truppenzahl würden sie den Sieg schon davontragen. Dementsprechend heiter und hoffnungsfroh war die Atmosphäre auf dem Kaiserhügel. Ganz anders sah es natürlich aus wenn man zu der ersten Kohorte gehörte, die dem Feind entgegentrat. In eben jener Kohorte stand auch Tristan. Und Tristan hatte in erster Linie Angst. Er zitterte am ganzen Leib, und das nicht wegen der Kälte. Seine Hand verkrampfte sich um sein Schwert und sein Magen schien sich wieder zusammenziehen zu wollen und seinen Inhalt herausbrechen, hätte er nicht schon sein ganzes Frühstück (was eh nur aus einem trockenen Stück Brot bestanden hatte) schon wesentlich früher herausgeürgt hätte. Links und rechts neben ihm sah er auch nur leere Blicke. Lediglich sein Vorgesetzter schien in freudiger Erwartung und spornte seine Männer immer wieder mit fadenscheinigen Sprüchen an. Einige in Tristans Truppe hatten schon Kampferfahrung, doch für ihn war es die erste Schlacht. Nicht nur die erste Schlacht, sondern sein erster Kampf überhaupt. Tristan hatte schon immer Charisma besessen und konnte sich so aus jeder Situation befreien. Doch diesmal schien er mit seinem blendenen Aussehen und seiner Wortgewandheit nix mehr bewegen zu können. Ein plötzlicher Schrei riss Tristan aus den wenigen Gedanken, die er greifen konnte. Langsam setzte sich seine Truppe in Bewegung und marschierte direkt auf die feindlichen Linien zu. Die Dai'Hulut standen lediglich da und schienen auf ihre Ankunft zu warten. Tristan stand in der dritten Reihe und konnte den Gegner perfekt sehen. Mit jedem Schritt schienen sie zu wachsen und mit jedem Schritt wurden sie bedrohlicher. Nachdem sie einige Meter auf den Feind zugerückt waren (Tristan wurde mehr geschoben als das er selbst ging) durchbrach ein zweiter Schrei die Stille. Doch diesmal kam er aus den Reihen der Dai'Hulut. Ehe Tristan wusste was passierte sah er eine dunkle Wolke auf sich zufliegen die rasch, mit einem surren, näher kam. Das nächste das Tristan sah waren schreiende und blutende Kameraden, die unter den Pfeilen zusammenbrachen. Während die Pfeile links und rechts von ihm einschlugen und nach jeder Lücke zwischen Helm und Kettenhemd suchten um ihren tödlichen Biss anzusetzen schloss Tristan die Augen und versuchte an seine Heimat zu denken. Jender Stadt, in der er nicht nur geboren wurde, sondern jeden Tag seiner 26 Jahre verbracht hatte. Seine erste Liebe, sein Studium und natürlich sein Vater. Das alles sah er. Als er die Augen wieder öffnete wünschte er sich, er hätte sie für immer geschlossen gehalten. Die Pfeile waren aus der Luft verschwunden. Dafür rannten nun die Dai'Hulut direkt auf sie zu. Wie immer, vollkommen still, vollkommen diszipliniert. Rasch kamen sie näher und schlugen mit einem lauten Krachen in ihre Reihen ein. Tristan sah die erste Reihe fallen, und schon kämpften die Männer direkt vor ihm. Tristan versuchte all seinen Mut zusammen zu nehmen. Er hob sein Schwert und schrie seinen wildesten Kampfschrei : ein schwächliches Krächzen. Und als dann plötzlich ein hühnenhafter Stahlkoloss vor ihm stand schwand all seine Kampfeslust. Er rammte sein Schwert in wilder Panik nach vorne und rannte los. Er rannte, rannte, rannte. Wohin ? Rannte er im Kreis? Immer wieder sah er kämpfende Männer. Sterbende Männer. Doch schließlich ließ er das Schlachtfeld hinter sich, doch drehte er sich nicht um. Er stürmte nur auf die Waldränder zu. Zurück nach Hause. Er bemerkte auch nicht die beiden berittenen Soldaten, die ihm hinterherpreschten. Er bemerkte auch nicht den Streitkolben, den einer schwang und versuchte den Kopf des Deserteurs zu treffen. Er bemerkte nur die Dunkelheit, die ihn umfing. Zitieren
Gast Perzman Geschrieben 3. März 2005 Geschrieben 3. März 2005 Huhu, würde mich über etwas Feedback freuen. Ist ein kurzes Kapitel in einer längeren Geschichte um den Charakter des Tristan einzuführen. Gefällt es euch oder gibt es was zu bemängeln? Und wenn ja, was??? Zitieren
Manwe Geschrieben 3. März 2005 Geschrieben 3. März 2005 (bearbeitet) Tristan wachte schließlich wieder auf. Doch wo war er? Was war mit ihm und überhaupt geschehen? Allmählich sammelte er seine Gedanken, doch es waren nur vereinzelte Fetzen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er sich alles Geschehene wieder zusammengereimt hatte. Er war gerannt, hatte leise wie aus weiter Ferne und wie in einer anderen Zeit Huftritte hinter sich vernommen. Er wusste nicht mehr, ob der Streitkolben ihn getroffen hatte? Was wusste er überhaupt noch über seine Pflicht, welche er missachtet hatte? Scham überkam ihn. Er war geflüchtet, wie ein hilfloses winziges elendes Tier. Er war ein Feigling und hatte dazu, zu seinen Missgeschicken und seiner schwachen Willensstärke, noch unsagliches Glück, unverdient oder nicht. Er war entkommen, in den schützenden Wald. Dort war es stockfinster. Das wahrscheinlich war auch der Grund, warum die Reiter ihre Suche aufgegeben hatten und umgekehrt waren, zurück zur Schlacht. Auf einen Feigling wie Tristan konnten sie ohne weiteres verzichten. Doch was nun? Er überlegte, ob er, um sich nicht selber zu bemitleiden, zurückkehren sollte, um nachzusehen, wie die Schlacht ausgegangen war, falls sie schon zu Ende war. Sollte er einmal in seinem Leben Mut beweisen oder sich verkriechen, nach Hause, um die geliebte Heimat wiederzusehen? Bearbeitet 3. März 2005 von manwe Zitieren
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