Gast Aglaek Geschrieben 20. Juni 2005 Geschrieben 20. Juni 2005 Und auch Tolkien hat nichts anderes getan als unsere Welt gedeutet. Er hat - wie auch sonst kein Mensch dieser Erde - keine andere Welt erfunden. Du sagst expliziet, dass kein Autor die Welt in seinem Roman erfunden hat. Ich hingegen behaupte, dass alle Welten, die einem Roman zugrunde liegen erfunden sind. So als Dogma formuliert würde ich das nicht unterschreiben. Oder sagen wir mal so: durch Missverständnisse kann natürlich die Deutung der Wirklichkeit durch den Autor nicht erkannt werden; aber erst einmal ist sie im Text enthalten. Doch, jede Erzählung weist eine Struktur (die einfachste: Anfang - Mitte - Ende) auf, ohne die wir sie sonst nicht als Erzählung akzeptieren würden. "Ein Mann geht über eine Straße." ist keine Erzählung, "Ein Mann geht über eine Straße. findet 5 € und kauft eine Flasche Wein, die er abends mit seiner Frau trinkt." ist schon eher eine, auf Grund der Struktur. In gewissem Sinne schon natürlich. Aber das ist nicht beliebig. Bei dir klingt es so, als ob der literarische Roman hauptäshlich ein Produkt des Lesers ist. Diese Ansicht gibt es ja. Aber ich teile sie nicht. Genausowenig wie der Leser die Grammatik erfindet, erfindet er die Semantik und den Code, in dem literarische Texte verschlüsselt werden. Natürlich gibt es Mehrdeutigkeiten. Und es bedarf auch des Lesers, um sie wahrzunehmen. Aber sie sind im Text von vornherein enthalten und von dort her belegbar. Natürlich muss der Text im Mittelpunkt der Interpretation stehen. Aber deswegen ist auch der Autor für die Interpretation unerheblich. Eigentlich wollte ich nur sagen, dass kein literarischer Text nur die Welt deutet, sondern eine vom Autren erschaffene Welt ist. Zitieren
Fioridur Geschrieben 21. Juni 2005 Geschrieben 21. Juni 2005 . (Übrigens die Sprengung der Festung in Helms Deep erinnert mich an das geheimnisvolle Ende des Belagerungstechnikers Martinus in 'Ein Kampf um Rom' von Felix Dahn (kennt das noch wer?) ) <{POST_SNAPBACK}> Ja! Ich kenne es noch! Um auf Gyges zurückzukommen, das war kein ring der Macht, sondern nur ein unsichtbar machender Ring. Und er wird zu voyeuristischen Zwecken benutzt. Und zur ursprünglichen Frage fällt mir nur ein wort ein: Lächerlich! Zwerglein sitzen zu Gericht über einen Giganten und versuchen ihm am Zeug zu flicken, weil sie soviel Größe nicht ertragen. :auslach: Zitieren
Gast Inken Geschrieben 21. Juni 2005 Geschrieben 21. Juni 2005 Du sagst expliziet, dass kein Autor die Welt in seinem Roman erfunden hat. Ich hingegen behaupte, dass alle Welten, die einem Roman zugrunde liegen erfunden sind. Gut – aber Behauptungen nützen ja nichts. Ich habe allerdings auch bloß behauptet. Da können wir beide natürlich jahrelang immer weiter behaupten und sind keinen Schritt weiter Kommt immer auf den Sinn an, den man dem Begriff „Welt“ unterstellt. Wenn man damit meint: „jeder Mensch lebt in seiner eigenen Welt, schafft sich seine eigene Welt“ – dann würde ich dir recht geben. Die Ingrendientien sind zwar in jeder Welt gleiche, aber die Mischung nimmt jeder anders vor. Wären alle Welten – in diesem Sinne – gleich, gäbe es nicht so gravierede und andauernde Missverständnisse zwischen Menschen. Die resultieren daraus, dass der eine die Welt des anderen nicht verstehen oder erkennen kann. Ich meinte aber „Welt“ in einem anderen Sinn; eher umfassender. Ich meinte damit alles, was Menschen ausmacht. Und darin ist die Phantasie eines Schriftstellers inbegriffen. Als zweites strukturiert Narration zwar die Wirklichkeit, die Deutung wird jedoch vom Rezipienten übernommen So als Dogma formuliert würde ich das nicht unterschreiben. Oder sagen wir mal so: durch Missverständnisse kann natürlich die Deutung der Wirklichkeit durch den Autor nicht erkannt werden; aber erst einmal ist sie im Text enthalten. Doch, jede Erzählung weist eine Struktur (die einfachste: Anfang - Mitte - Ende) auf, ohne die wir sie sonst nicht als Erzählung akzeptieren würden. "Ein Mann geht über eine Straße." ist keine Erzählung, "Ein Mann geht über eine Straße. findet 5 € und kauft eine Flasche Wein, die er abends mit seiner Frau trinkt." ist schon eher eine, auf Grund der Struktur. Wie jetzt - „doch“? Wo ist denn da jetzt der Widerspruch? Natürlich muss der Text im Mittelpunkt der Interpretation stehen. Aber deswegen ist auch der Autor für die Interpretation unerheblich. Der Autor ist für die Interpretation unerheblich? Kannst du das mal erklären, was du damit meinst? Zitieren
Gast Aglaek Geschrieben 23. Juni 2005 Geschrieben 23. Juni 2005 Der Autor ist für die Interpretation unerheblich? Kannst du das mal erklären, was du damit meinst? <{POST_SNAPBACK}> Der Autor ist deswegen für die Interpretation unerheblich, da wir den Text haben. Wir können z.B. Shakespeare nicht mehr fragen, was er mit seinen Texten erreichen wollte, bzw. welche Intention er in sie gelegt hat, da er tot ist, und wenn er noch leben würde, könnte we lügen. Außerdem, wenn der Autor erfolgreich seine Intention in den Text gelegt hat, so können wir diese anhand des Textes erkennen, wenn nicht, dann spielt es auch keine Rolle, was der Autor sagt, da seine Intention nicht im Text zu finden ist. Zitieren
Gast Inken Geschrieben 23. Juni 2005 Geschrieben 23. Juni 2005 Der Autor ist deswegen für die Interpretation unerheblich, da wir den Text haben. Wir können z.B. Shakespeare nicht mehr fragen, was er mit seinen Texten erreichen wollte, bzw. welche Intention er in sie gelegt hat, da er tot ist, und wenn er noch leben würde, könnte we lügen. Außerdem, wenn der Autor erfolgreich seine Intention in den Text gelegt hat, so können wir diese anhand des Textes erkennen, wenn nicht, dann spielt es auch keine Rolle, was der Autor sagt, da seine Intention nicht im Text zu finden ist. <{POST_SNAPBACK}> Oh - ich verstehe. Das unterschreibe ich freudig. Ich vergleiche das immer mit einem Regisseur, der im Programmheft versucht darzulegen, was er mit seiner Inszenierung "gemeint" hat. Und da gilt genau das gleiche: wenn man aus dem, was auf der Bühne zu sehen ist, nicht erschließen kann, was die Intention der Inszenierung ist, dann hilft ein nachträgliches Verbessernwollen (indem man "erklärt", was eigentlich hätte gestaltet sein müssen) auch nicht. Wirkt eher peinlich. Darum unterscheidet man ja auch "Textintentiion" und "Autorintention." Beides kann sehr auseinanderklaffen. Zitieren
Gast Aglaek Geschrieben 26. Juni 2005 Geschrieben 26. Juni 2005 Darum unterscheidet man ja auch "Textintentiion" und "Autorintention." Beides kann sehr auseinanderklaffen. <{POST_SNAPBACK}> Und dann ist der Text wichtig, da der Autor nicht greifbar ist. Zitieren
Brandanus Geschrieben 27. Juni 2005 Geschrieben 27. Juni 2005 (bearbeitet) Hi, Und dann ist der Text wichtig, da der Autor nicht greifbar ist. <{POST_SNAPBACK}> ....und wenn der Autor (erläuternde) Texte zu seinem Werk hinterlassen hat....? *duck-und-weg* Grüße, Brandanus. Bearbeitet 27. Juni 2005 von Brandanus Zitieren
Gast Aglaek Geschrieben 27. Juni 2005 Geschrieben 27. Juni 2005 Hi, ....und wenn der Autor (erläuternde) Texte zu seinem Werk hinterlassen hat....? *duck-und-weg* Grüße, Brandanus. <{POST_SNAPBACK}> Auch in erläternden Texten kann der Autor lügen. Außerdem, wenn seine Intetntion im Text zu finden ist, dann ist ja alles gut, wenn nicht, dann kann der Autor erläutern so viel er will, seine Intention steht nicht im Text festgeschrieben. Zitieren
Gast Inken Geschrieben 27. Juni 2005 Geschrieben 27. Juni 2005 Auch in erläternden Texten kann der Autor lügen. Außerdem, wenn seine Intetntion im Text zu finden ist, dann ist ja alles gut, wenn nicht, dann kann der Autor erläutern so viel er will, seine Intention steht nicht im Text festgeschrieben. <{POST_SNAPBACK}> Oder der Autor kann sich irren, beschönigen wollen, befangen sein, den Leser beeinflussen wollen, wie jeder Mensch auf Gottes Erden sein Werk und auch sich selbst in allen Tiefen nicht wirklich begreifen. Never trust the artist, trust the tale. D. H. Lawrence Zitieren
engelchen Geschrieben 27. Juni 2005 Geschrieben 27. Juni 2005 Ich glaube jeder Author (eigentlich kann ich das glaube weglassen)., holt sich von irgendwo her Inspirationen und vorallem in der Fantasyliteratur sind das nun mal im groben, die ganzen sagenumwobenen geheimnisvollen wesen: Trolle, Elfen/Elben, Zwerge, Orks, Goblins, Drachen. und die meisten davon nehmen irgendwo allte Sprachen und Mathen und Sagen mit auf, wnen auch nicht komplett, dann in Ansätzen. Aber macht es genau das nicht besonders spannend? Und selbst wenn Tolkien solche Elemten übernommen hat (schon allein die Sprachen die er schuf, lehnen sich ja irgendwie am Klang anderer nordischer Sprachen an) hat er ein vollkommen neues Meisterweg geschaffen. Auch wenn es Ringe der Macht schon wo anders gab: Ringe sind häufig ein Symbol von Macht. Na Und? Ich sehe Tolkien nicht als einen Dieb, sondern jemanden, der aus vorhandenen Mythologien und Symbolen die ihn persönlich beeinflussten ein vollkommen neues Werk schuf! Zitieren
Brandanus Geschrieben 27. Juni 2005 Geschrieben 27. Juni 2005 Oder der Autor kann sich irren, beschönigen wollen, befangen sein, den Leser beeinflussen wollen, wie jeder Mensch auf Gottes Erden sein Werk und auch sich selbst in allen Tiefen nicht wirklich begreifen. Never trust the artist, trust the tale. D. H. Lawrence <{POST_SNAPBACK}> der Autor irrt sich bezüglich der Intention seines Textes? Ging es nicht irgendwann um "Interpretation"? Ich glaube Aglaek ist verrutscht...oder so. Hm...die Autorenleugnung geht natürlich dann, wenn ich innerhalb der Lit.wiss. mit einem bestimmten Autorenbegriff arbeite und vor allem Anhänger der (anscheinend wieder aufblühenden) Theorie einer universalen Intertextualität bin. "Zu meiner Zeit" (*räusper*: "früher") waren Gender Studies und Cultural Studies ziemlich hoch im Kurs und das setzt für die Textanalyse (umfassendes) Wissen über den Autor voraus. Das Pendel schlägt wohl ein bisschen zurück, aber solange wir uns nicht über den Begriff des "Autors" einigen (was den Rahmen des Forums und meine Zeit sprengt...), würde ich feststellen wollen: es gibt verschiedene Autorenkonzepte. Die "Irrelevanz" des Autors kann begründet werden, aber die Ansicht, der Autor sei durchaus relevant, kann ebenfalls begründet werden. In jedem Fall richtig scheint mir die Feststellung, dass man dem Autor nicht unbedingt trauen muss. (Beschussvorlage für die Vollversammlung?) Grüße, Brandanus. Zitieren
Gast Inken Geschrieben 27. Juni 2005 Geschrieben 27. Juni 2005 Autorenleugnung? Wi kann man denn leugnen, dass ein Autor das Werk geschrieben hat? Das war meines Erachtens nicht der Punkt. Ich zumindest habe das so gemeint, wie ich oben mit dem Beispiel des Regisseurs veranschaulichen wollte. Pendel hin oder her. Psychologisch ist es einfach nicht möglich, dass ein Mensch ein Kunstwerk völlig bewusst gestaltet. Und von Tolkien wissen wir, dass er auch gar nicht daran interessiert war. Er vertraute viel mehr der Intuition als dem bewussten "Machen". Beispiel Bertold Brecht. Er wollte seine Dramen kommunistisch schreiben - er wollte Werbung für seine Ideologie machen. Deshalb wurde er zunächst im Westen auch nicht gespielt. Bis man dann entdeckte, dass der Dichter Brecht nicht identisch war mit dem Ideologen Brecht. Seine Werke erkannte man als künstlerische Gestaltung mehr allgemeinmenschlicher Art (jetzt nicht wörtlich nehmen, ich hebe es ab gegen ideologsche Programmdichtung). Zur Zeit des Postitivsmus (innerhalb der Literaturauffassung) fasste man den Menschen fast als eine Art Maschine auf. Da glaubte man: wenn man alles von der Biographie eines Menschen weiß, dann kann man jeden Satz des dichtersichen Werkes auf ein konkretes Erlebnis beziehen. Das muss jeder für sich selber entscheiden, wie er sich den künstlerisch Gestaltenden vorstellt. Vieles ist auch eine Frage der Selbstbeobachtung. Zitieren
Brandanus Geschrieben 28. Juni 2005 Geschrieben 28. Juni 2005 Autorenleugnung? Wie kann man denn leugnen, dass ein Autor das Werk geschrieben hat? gar nicht, niemand sagte "Autorenschaft leugnen". Das war meines Erachtens nicht der Punkt. ...hatte ich das so gemeint oder gar geschrieben? Nein. "Leugnen" steht hier im Kontext verküzend für "die Rolle des Autors bei der Interpretation leugnen", darum ging es ja meiner Meinung nach: die Dekonstruktion des Autors, oder: "der Tod des Autors." Ich beziehe mich auf einen gewissen Diskurs in der Lit.wiss., wie er z.B. hier: http://iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisfor...tor-inhalt.html beschrieben wird. Den Vergleich mit dem Programmheft (des Regisseurs) kann ich so nicht nachvollziehen. Grüße, Brandanus. Zitieren
Gast Aglaek Geschrieben 4. Juli 2005 Geschrieben 4. Juli 2005 der Autor irrt sich bezüglich der Intention seines Textes? Ging es nicht irgendwann um "Interpretation"? Ich glaube Aglaek ist verrutscht...oder so. <{POST_SNAPBACK}> Mit Intention meinte ich das, was der Autor mit seinem Text bewusst bezwecken will. Interpretation geht aber, so wie ich den Begriff verstehe, vom Rezipienten aus. Ein Autor kann während des Schreibens seinen Text nicht interpretieren, das kann erst geschehen, wenn der Text fertig ist. Zitieren
Gast Inken Geschrieben 4. Juli 2005 Geschrieben 4. Juli 2005 gar nicht, niemand sagte "Autorenschaft leugnen". Doch - du. In deinem obigen post. ...hatte ich das so gemeint oder gar geschrieben? Nein. "Leugnen" steht hier im Kontext verküzend für "die Rolle des Autors bei der Interpretation leugnen", darum ging es ja meiner Meinung nach: die Dekonstruktion des Autors, oder: "der Tod des Autors." Nein - darum ging es in der Disussion nicht. Diese Thematik hast du erst hineingetragen. Ich bin da jetzt etwas verwirrt und weiß nicht mehr recht, worüber wir reden. Da musst du etwas missverstanden haben. Ich beziehe mich auf einen gewissen Diskurs in der Lit.wiss., wie er z.B. hier: http://iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisfor...tor-inhalt.html beschrieben wird. Dachte ich mir schon. Aber das ist wirklich ein ganz anderes Thema. Der Unterschied zwischen Autorintention und Werkintention - worüber wir hier reden - ist zwar vorhanden, aber beide Intentionen können nebeneinander sein. Sind auch nebeneinander. Den Vergleich mit dem Programmheft (des Regisseurs) kann ich so nicht nachvollziehen. Ist doch aber ganz einfach. Ein Künstler hat alles mögliche im Kopf, was er alles mit seinem Werk "beabsichtigt" - und dann kommt nachher etwas ganz anderes heraus. Zitieren
Arwen Evenstar Geschrieben 9. August 2006 Geschrieben 9. August 2006 Geklaut hat Tolkien die Idee sicher nicht - dafür sind die Quellen, von denen er seine Geschichten haben könnte, einfach noch zu weit von HdR entfernt. Wie schon gesagt, er hat sich an Sagen und Mythen orientiert (was ich übrigens auch gerne mache, daraus lassen sich ganz neue Geschichten schreiben, wenn man die Mythen lange genug betrachtet und auf sich wirken lässt ), also könnte es gut sein, dass er sich z.B. die Tatsache, dass der Ringträger unsichtbar wird, aus der Erzählung vom Ring des Gyges "geklaut" hat. Ich halte die Geschichten vielmehr für welche, die aus Bausteinen älterer Erzählungen entstanden sind ;) Zitieren
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