Gast Nauralass Geschrieben 22. November 2005 Geschrieben 22. November 2005 Leseproben von „Adrians Queste“ London 1980 […] Der Antiquitätenhändler geht nach draußen und ich höre ihn die Läden schließen, altmodische schwere hölzerne Monster mit Metallbeschlägen, während ich von Regal zu Regal schlendere. Hier scheint nicht viel los zu sein, denn der Besitzer hat ganz offensichtlich genügend Zeit, um jedes einzelne Exponat gründlich zu reinigen. Nirgends ist auch nur ein Körnchen Staub zu finden. In einer Vitrine liegen säuberlich nebeneinander gereiht militärische Auszeichnungen. Ich erkenne mehrere Eiserne Kreuze und einen Pour Le Mérite. Daneben sind Automodelle gesammelt. Besonders schön sind ein Aston Martin 45 und ein Bugatti, dasselbe Modell, in dem die Tänzerin Isabella Duncan starb. In einigen tiefen Regalen sind die unterschiedlichsten Dinge ausgestellt, Wandkerzenhalter, Tintenfässer, Trinkhörner und japanische Miniaturen. Nach welcher Systematik dieses Sammelsurium geordnet ist, wird mir nicht klar. Alles liegt bunt durcheinander. Nur eine Gruppe aus Porzellan auf dem Boden ist anders und fällt mir daher besonders auf. Ein großer Deutscher Schäferhund sitzt neben einer grauen Perserkatze, die ihn mit Buckel und gesträubten Schwanz anfaucht, und hechelt freundlich zu einer hoch aufgerichteten Königskobra hinüber, die ihrerseits gerade die Katze fixiert, über die sie sich zu ärgern scheint. Oder meint sie doch den Hund? Zwei Angreifer und ein unbedarfter Dritte mit leicht dümmlichem Grinsen. Alle drei sind lebensgroß und daher stimmen auch die Größenverhältnisse der einzelnen Teile zueinander, das Arrangement wirkt überaus lebendig, und ich bin mir sicher, dass diese einzelnen Figuren mit Absicht so platziert worden sind. Zwischen dem Flaschenbürstenschwanz der Katze und dem aufgerollten Schlangenleib schimmert undeutlich ein schmaler Kreisbogen aus Metall. Es ist der Teil eines Ziffernblattes, soviel kann ich erkennen, als ich mich vorsichtig nach vorne beuge und in den nicht so gut ausgeleuchteten Teil des Regals hinter der Tiergruppe spähe. Wirklich. Es ist eine Uhr und ich hole sie behutsam hervor, um sie näher zu betrachten. Eigentlich ist es eine große Taschenuhr. Erst die Halterung, in die sie lose eingelegt werden kann, verwandelt sie in eine Art von Standuhr. Diese Halterung ist aus Steinstücken zusammengesetzt, seidenmattschwarz und schwer, das Material erinnert an Teerbrocken. die zeit versickert und das sanfte zwielicht greift immer mehr um sich. obwohl ich erst heute morgen eine neue adamantspitze eingesetzt habe, wobei ich mit entsetzen feststellen musste, dass mein vorrat daran zu schnell schwindet, lässt sich der stichel nur schwer in das metall treiben. es mag auch an meinen händen liegen, die bereits völlig von blasen übersät sind. Ich zucke zusammen. Meine Fingerspitzen sind plötzlich kalt und gefühllos. In meinen Ohren summt es wie bei einem Tinitus-Anfall. Auf meiner rechten Schulter liegt die Pranke des Geschäftsinhabers. „Magst du Uhren?“ […] Irgendwo im deutschsprachigen Raum, fünfundzwanzig Jahr später […] Eines Tages ziehe ich ein letztes Mal um – so hoffe ich wenigstens – und wieder packe ich Koffer aus. Die Wohnung ist klein, sie liegt nicht eben in der feinsten Gegend, aber für mich passt sie, die Miete ist günstig für jemanden, der eine Scheidung und ein paar weitere Unerfreulichkeiten hinter sich hat, und mehr verlange ich nicht mehr vom Leben. Es ist Abend, Sommer, durch die offenen Fenster dringen die Geräusche der Vorstadt. Kinder schreien auf der Straße. Sie rufen sich Wörter zu, die ich in ihrem zarten Alter nicht mal meinem ärgsten Feind zugerufen hätte. Nicht nur ich habe mich verändert. Auch die Welt ist anders geworden, zuerst kalt, dann gefährlich, zuletzt voller Grausamkeit und Gewalt. Lange hatte ich mich dagegen gestemmt, hatte wohl auch mit Gleichgesinnten dagegen geredet, geschrieben, gekämpft. Aber niemand kann jeden lieben – und so verlor ich durch meine Schuld alles, was mir teuer war. Zuerst mein Kind, dann meine Frau, zuletzt meine Berufung und meinen Beruf. Nun bin ich ruhig geworden, abgestumpft vielleicht, aber jedenfalls schmerzfrei, wenn auch nur durch Resignation. Meine Tür ist fest verschlossen. Endlich habe ich die notwendigsten Reparaturen erledigt – die Wohnung ist in einem überaus desolaten Zustand – und nun kann ich mich meiner Belohnung zuwenden, das heißt, ich packe meine Bücher aus. Es sind stille treue Freunde, manche begleiten mich schon vierzig Jahre und länger. Behutsam stelle ich sie an ihren neuen Platz. Zum Schluss, ganz unten, am Boden der Bücherkiste, liegt wie immer in mürb gewordenem Papier die Uhr. Ich greife danach, doch diesmal zerfällt die Verpackung unter meinen Fingern, und ich packe fest zu, ehe sie zur Erde fallen kann. vieles habe ich zusammengetragen, aus vollständigem und aus fragmenten, die hier in den regalen der bibliotheken von koros zuhauf liegen, vieles davon unsortiert und noch ungelesen, raschelndes blätterwerk voller schicksale – viel unbeschwert heiteres und viel ernstes, das geeignet wäre, länger darüber nachzusinnen, als ich zeit haben werde – das hier ruhte, bis ich es aus seinen staubigen hüllen befreite. Mein Herz rast plötzlich los, der Puls fliegt, Schweiß strömt über mein Gesicht. Mit weichen Knien tappe ich zu meinem Sofa. Es wird dunkel. […] […] Es entspinnt sich eine seltsame Unterhaltung, bei der ich mir vorkomme wie ein Holzstück unter Rosenbüschen. Meine Gegenüber versuchen es offensichtlich in mehreren Sprachen. Antworten kann ich auf keine. Alle Anwesenden, insgesamt sind es vierunddreißig, lächeln freundlich, aber so recht kommen wir nicht weiter. Endlich deutet einer in einer blauen Robe auf sich selbst. „Elrond.“ Aha. Ich lege die Hand auf mein Herz: „Adrian“. Dann wiederholt er: „Im Elrond.“ Ich schlussfolgere, dass das heißen soll: „Ich bin Elrond.“ Ich lächle und wiederhole „Im Adrian“. So. Jetzt hätten wir einander vorgestellt. Er macht eine weite Bewegung mit dem Arm und deutet über die Terrasse und das Tal, in das wir hinabsehen können. „Imladris.“ Auch gut. Er guckt mich fragend an. Tja. Was soll ich jetzt darauf sagen? Vielleicht will er wissen, woher ich komme. Ja. Das wird es wohl sein. Ich deute wieder auf mich, dann irgendwo umbestimmt in die Luft und ich will etwas sagen. Dann lasse ich die Hand wieder sinken. Ich weiß es nicht. Ich versuche angestrengt, mich zu erinnern, aber ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung. Schweiß tritt auf meine Stirn. Wo komme ich her? Dumpf entsinne ich mich, dass es laut war. Herumgesause und Dröhnen. Aber es ist wie ein lang entschwundener und zum größten Teil vergessener Traum, ungreifbar der Inhalt, unfassbar der Sinn. Es fällt mir nicht ein. Es fällt mir nichts mehr ein … Ich lalle sinnlose Silben, meine Hände zittern. Mein Begleiter bricht mit einer kleinen Geste die Befragung ab und bringt mich zurück in mein Zimmer. Ich hole meine Besitztümer hervor und breite sie auf dem Bett aus. Ich weiss, wozu sie dienen. Aber ich kenne ihren Namen nicht mehr … […] […] Vor allem mit Nellas gab es viel Gelächter, insbesondere anfänglich, als noch oft „das Lied den Sänger vortrug“, lange Zeit einer meiner beliebtesten Versprecher, oder wenn ich für meine Begriffe vollkommen lautlos durch den Wald schlich und sie mir bedeutete, dass ich mindestens meilenweit zu hören sei. Trotzdem sie wie alle vom Schönen Volk die Heiterkeit mehr liebte als den Ernst, so nahm sie es mit ihre Aufgabe, mir alles beizubringen, was notwendig war, sehr genau, obwohl in ihrem vollkommen gleichmäßigen Gesicht die jadegrünen Augen meist vor mühsam verhaltener Lust am Lachen funkelten. Um mein Gehör zu schärfen, hieß sie mich auf einem Stein setzen und verband mir die Augen. Dann sollte ich „Daro!“ (Halt) rufen, sobald ich ihre Schritte vernahm. Und während ich so angestrengt horchte, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte, stand sie plötzlich vor mir, raunte: „Mae govannen, lathron.“ (Hallo, Lauscher.). Meist fanden wir uns dann beide kichernd im Gras wieder, weil ich vor Schreck von meinem Sitz gefallen war. Bei den zahllosen Wettläufen war ich mit schöner Regelmäßigkeit atemloser Letzter, nur beim Schwertkampf und beim Bogenschießen fühlte ich mich bald sicher. Schnell hatte ich begriffen, dass ich meinem Körper nicht sagen musste, wie er sich zu bewegen hatte. Ich musste nur mein Ziel im Auge behalten, der Rest ergab sich wie von allein. Wie es ja meistens so ist, dass wir das, was wir gerne tun, öfters tun und damit unsere Fähigkeiten darin noch weiter steigern und damit wieder mehr Freude daran haben, so war binnen kurzer Zeit vor allem der Bogen mein ständiger Begleiter geworden. Eines Tages war es soweit und im Lauf spaltete ich Nellas Pfeil. Sie quittierte es mit einem anerkennenden Nicken. Dann jedoch wiederholte ich dieses Kunststück mehrmals hintereinander und ein unbekanntes Hochgefühl übermannte mich. Plötzlich wurde sie ernst. „Ich glaube fast, ich werde einen neuen Meister für Euch finden müssen.“ Von da an unterrichtete mich Glorfindel, Elronds Hauptmann, in allen Waffenübungen. Als er meine Fähigkeiten das erste Mal sah, nahm er sie lediglich zur Kenntnis, schien aber nicht sonderlich beeindruckt. Er führte mich zu den Pferden. Aus dem Sattel heraus zu schießen, erwies sich als tausendfach schwieriger. Aber ich war nicht gewillt, jetzt zurückzustecken, und verbrachte daher jede freie Stunde, in der nicht Elrond mich in Sprache, Schrift, Mathematik und Geschichte unterrichtete, auf einem Pferderücken. Inzwischen vergingen die Jahre wie Tage, ich zählte sie zwar, aber sie zählten nicht für mich. Ich wuchs in der Obhut von Imladris und eines Tages begleitete ich Elrond das erste Mal in den Rat von Bruchtal. […] […] Mithrandir stützte sich mit beiden Händen auf die Brüstung. „Erinnerst du dich eigentlich noch daran, wie es war, als du hier hergekommen bist? An die erste Zeit, meine ich?“ Das war eine verblüffende Wendung des Gesprächs. “Ja, schon.“ Er stieß scharf die Luft aus. „Und hast du dich jemals gefragt, wie du hier hergekommen bist?“ „Sicher.“ „Und – hat es dir jemand erzählt?“ „Nein…“ „Nein. Aha. Also bleibt dies mir überlassen. Nicht zu unrecht natürlich. Immerhin war ich es, der dich gefunden hat, oder genauer gesagt, ich fand ein Bündel Knochen, Sehnen und einige wenige Muskeln, das alles wurde von Fieber geschüttelt und war mehr tot als lebendig. Ich habe dich auf mein Packpferd gebunden und dich quasi als Gastgeschenk zu Elrond gebracht, den ich damals das erste Mal besuchte. Es ist seltsam. Gelegentlich ist die Unpünktlichkeit eines Anderen, mit dem du verabredet bist, der Schlüssel zu etwas Unglaublichen und Unerhörten. Nur weil Pallando nicht beim Nurnenmeer erschien und ich andrerseits Elrond mein Kommen bereits angekündigt hatte, bin ich quer durch den Düsterwald geritten, um Zeit zu gewinnen – und dich zu finden. Wäre Pallando pünktlich gewesen, dann wäre ich weitaus gemütlicher darum herumgeritten und du wärst tot.“ Ich wiegte den Kopf. „Der Zufall ist ein unzuverlässiger Geselle, wenn man ihm sein Leben anvertrauen muss.“ „Oh, ich glaube in der Zwischenzeit nicht mehr, dass es Zufall war, sondern eine Art von Bestimmung. – Es wird kalt, lass uns hineingehen.“ Wir setzten uns an den Kamin. Mithrandir griff nach dem Becher mit Kräuterwein und begann danach seine Pfeife zu stopfen. Er widmete sich dem Anzünden des Tabaks mit besonderer Aufmerksamkeit. Endlich sprach er weiter. […] Zitieren
Leithian Geschrieben 23. November 2005 Geschrieben 23. November 2005 wow, deine geschichte fängt schon mal gut an! *hupf und sich auf mehr freut* Gruß, Leithian PS: nur den zusammenhang zwischen geschichte und uhr kapier ich irgendwie nicht. ist die uhr das portal zu mittelerde? (sorry, bin nur neugierig) Zitieren
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