Rübezahl Geschrieben 14. Oktober 2007 Geschrieben 14. Oktober 2007 Ich denke, dass da vielleicht die nordische Mythologie ein wenig ins Spiel kommt, denn Ähnlichkeiten zwischen den Valar und den Göttern der nordischen Mythologie bestehen meiner Meinung nach schon. Vielleicht wollte Tolkien das dann ein wenig dem christlichen Mythos annähern. Ist aber nur Spekulation, ich kann das im Moment nicht belegen, aber vielleicht weiß jemand anderer mehr darüber (Rübezahl?). Sorry, ich kann in der Beziehung jetzt leider auch nichts belegen, weil ich zu faul bin, die HoMe zu durchstöbern. Ich kann nur meinen allgemeinen Eindruck wiedergeben: Meines Erachtens wollte Tolkien anfangs auf jeden Fall Göttersagen schreiben. Er war fasziniert von Kalevala und Edda und wollte auch "sowas ähnliches" schreiben. In den "Lost Tales" sind die Ainur noch sehr deutlich an die germanischen Gottheiten angelehnt. In dem dort präsentierten Weltbild befindet sich die "Nachtodwelt" der Menschen sogar in Arda: Nienna ist dort die Richterin der Menschen. Manche Toten behält sie in ihrer Halle "Fui", manche transportiert sie mit dem schwarzen Totenschiff Mornie nach Arvalin, das südlich von Valinor liegt, manche dürfen "bei den Göttern in Valinor" verweilen (obwohl Eru auch in diesem Frühstadium schon der Eine und Ewige Gott war), manche holt sich "Melko" und setzt sie in Angamandi (später: Angband) vielen Qualen aus. Aber dieses Weltbild, das sowohl an die griechische wie an die germanische Jenseitsvorstellung (und ein wenig an die christliche? Himmel, Hölle, Limbo?) angelehnt zu sein schien, wurde ja schnell aufgegeben. Möglich, dass es damit zusammenhing, dass Tolkien sich am Anfang noch gar nicht über seine Hauptthemen im klaren war. Als Hauptthemen nannte er ja später "death" (Menschen) und "serial longevity" (Elben) und die Tatsache, dass das eine Volk das andere um dessen "natürliche" Gaben beneidet. In diesem Zusammenhang musste der menschliche Tod dann, ganz wie bei uns, ein "Mysterium" werden. Das könnte einer der Gründe sein, warum er alles Stück für Stück immer mehr den christlichen Vorstellungen annäherte und neue lohnenswerte Themen, wie z.B. den Unterschied zwischen "Schöpfertum" und "Unterschöpfertum", entdeckte. Das sind aber jetzt nur lose Gedanken ... so don't quote me on that. In seinen Briefen erklärte er jedenfalls immer wieder, dass die Valar als literarische Figuren in etwa die Position der mythologischen Götter einnehmen, doch in der theologischen Hierarchie seines eigenständigen Mythos keine Götter sind, sondern einfach "spirits" und Sendboten Erus, deren genaue Wesensmerkmale sich einfach aus den "legends of the Elder Days" ergeben. Zitieren
dagnir Geschrieben 15. Oktober 2007 Autor Geschrieben 15. Oktober 2007 Ich muss ja für die Valar auch keine definierende Bezeichnung finden, sondern kann diese Problematik einfach erörtern. Was meinst du mit literarische Figuren? Einfach die Quellen für seine Figuren? Das habe ich noch nicht ganz verstanden. Aber die Möglichkeit, dass Tolkien am Anfang eine Göttersage schreiben wollte finde ich noch gut. Was unterscheidet die Elben genau von den Menschen? Haben die Menschen irgendwelche Fähigkeiten, welche die Elben nicht haben? Zitieren
Rübezahl Geschrieben 15. Oktober 2007 Geschrieben 15. Oktober 2007 (bearbeitet) Ich muss ja für die Valar auch keine definierende Bezeichnung finden, sondern kann diese Problematik einfach erörtern. Die definierende Bezeichnung hat Tolkien doch schon selbst gefunden: engelhafte Macht: "vala angelic power" (The Lord of the Rings, Appendix E). Was meinst du mit literarische Figuren? Einfach die Quellen für seine Figuren? Ja, in etwa. Wenn man die Ainur als literarische Figuren betrachtet, basieren sie ja auf bestimmten Einflüssen aus anderen Texten, z.B. eben auf Ideen der judäo-christlichen und germanischen Mythologie. Aus diesen Einflüssen machte Tolkien seine eigene Mythologie, und in dieser Mythologie sind die Ainur keine Götter. Ein vergleichbarer Fall sähe so aus: Jemand ist begeistert von der Artus-Sage und möchte auch sowas schreiben. Sein Artus heisst z.B. Heinrich und ähnelt König Artus in der einen oder anderen Hinsicht, aber mit dem Unterschied, dass sein Heinrich nicht der König ist, sondern ein kleiner Landgraf, der dem König untersteht. Aber die Möglichkeit, dass Tolkien am Anfang eine Göttersage schreiben wollte finde ich noch gut. Ja, aber Obacht, denn am Anfang war die Sache auch nicht einfach, denn die Valar waren dort ebenfalls weder die "höchsten Wesen" noch mit allem ausgestattet, was man gemeinhin als "göttliche Eigenschaften" auffasst. Das höchste Wesen war immer Ilúvatar, der Allvater, der Vater von allem. Die Mythologie wandelte sich nicht von einer polytheistischen zu einer monotheistischen Mythologie. Sie war vielmehr immer monotheistisch. Denn wie man es auch dreht und wendet: Elben, Menschen und Ainur waren allesamt immer die Geschöpfe Erus. In diesen frühen Fassungen war Tolkiens Freude an der germanischen Mythologie lediglich stärker im Text sichtbar als später. Man könnte auch sagen: Mit dem jungen Tolkien sind die Gäule durchgegangen, so dass er Figuren "Götter" nannte, die keine "Götter" sein konnten. Was unterscheidet die Elben genau von den Menschen? Haben die Menschen irgendwelche Fähigkeiten, welche die Elben nicht haben? Werden Elben getötet, gehen sie zu Mandos und können, wenn sie wollen, wiedergeboren bzw. wiederhergestellt werden. Sie sind an Arda gefesselt, solange Arda besteht. Wegen dieser Langlebigkeit werden die Elben irgendwann weltmüde und empfinden es als lästig, an eine Welt gefesselt zu sein, die in ihren Grundfesten teilweise von Melkor verdorben wurde. Deshalb beneiden sie die Menschen um den Tod. Stirbt der Mensch, geht seine Seele zuerst zu Mandos und verlässt Arda (und Ea) dann für immer. Die Elben empfinden diese Vorstellung, Arda verlassen und zur Ruhe kommen zu können, als befreiend und die Menschen als beneidenswert. Bearbeitet 15. Oktober 2007 von Rübezahl Zitieren
viator Geschrieben 15. Oktober 2007 Geschrieben 15. Oktober 2007 Mit dem jungen Tolkien sind die Gäule durchgegangen, so dass er Figuren "Götter" nannte, die keine "Götter" sein konnten. Wobei ich meine Zitate dem Material entnommen habe, das Tolkien nach Vollendung des Herrn der Ringe geschaffen hat. Es war also nicht nur der junge Tolkien. Allein der Kunstgriff, dass er die Elben die Valar als Götter bezeichnen lässt, rettet ihn ein wenig darüber hinweg. Wollte ich nur noch anmerken. ;) Zitieren
Rübezahl Geschrieben 15. Oktober 2007 Geschrieben 15. Oktober 2007 Ja, man könnte den Eindruck bekommen, dass er zwar eine elbische Mythologie schreiben wollte, aber lange Zeit von den "typischen Elementen und Vorstellungen" unserer menschlichen Mythologien nicht loskam. In "Myths Transformed" bestreitet er verschiedene kosmologische Aspekte, z.B. die flache Erdscheibe oder einen ähnlichen Aspekt, mit der Begründung: "Das kann so nicht sein, denn die Elben wissen durch die Valar, wie es wirklich war." Womöglich hat er u.a. daher begonnen, das Wort "gods" zu streichen, da ihm dämmerte, welche Elemente und Vorstellungen nicht elbisch, sondern nur menschlich sein können, da die Elben die Valar im Gegensatz zu den Menschen gut kennen und das Wort "gods" nur in den Sagen der Menschen Sinn ergäbe, er aber keine menschlichen Sagen schreiben wollte. PS: Ich hoffe, dieser Beitrag verursacht keinen Knoten im Leser. /X-) Zitieren
dagnir Geschrieben 15. Oktober 2007 Autor Geschrieben 15. Oktober 2007 *Würg* So der Knoten ist wieder draussen. Ich würd sagen, dass die Valar aus sicht der Menschen Götter waren, da sie von Illúvatar nichts wussten. Somit könnte Melkor als Teufel interpretiert werden, da er ja kein Valar ist. Beneiden die Elben die Menschen weil sie sterben können und die Menschen die Elben weil sie ewig leben? :kratz: Zitieren
Beleg Langbogen Geschrieben 15. Oktober 2007 Geschrieben 15. Oktober 2007 (bearbeitet) Beneiden die Elben die Menschen weil sie sterben können und die Menschen die Elben weil sie ewig leben? Ja, ich denke schon. Also sterben können die Elben natürlich schon, einfach nicht natürlich. Und Selbstmord ist für sie ja soweit ich weiss keine Möglichkeit - ausser in Ausnahmefällen, dort heisst es dann "vor Trauer dahinscheiden" und so. Ein wichtiger Unterschied zwischen Menschen und Elben ist in meinen Augen auch, dass die Elben eben "ewig" Zeit haben und somit auf eine andere Art leben. Ich habe den Eindruck, dass sie vor allem mit dem Alter etwas träge werden und bei weitem nicht so auf den Moment gerichtet sind wie die Menschen. Zeit ist für die Sterblichen nunmal viel wertvoller. Übrigens finde ich es super, dass du ein solches Thema als Maturaarbeit gewählt hast. Ich selbst muss mich auch schon sehr bald entscheiden. Bearbeitet 15. Oktober 2007 von Beleg Langbogen Zitieren
dagnir Geschrieben 15. Oktober 2007 Autor Geschrieben 15. Oktober 2007 Von wo kommst du denn? Bist du in der Sekunda? Zitieren
Rübezahl Geschrieben 15. Oktober 2007 Geschrieben 15. Oktober 2007 Ich würd sagen, dass die Valar aus sicht der Menschen Götter waren, da sie von Illúvatar nichts wussten. Das betrifft lediglich die ganz frühen Menschen des Ersten Zeitalters aus den Völkern Beors und Marachs. Die späteren Menschen des Ersten Zeitalters werden von den Elben über alle wesentlichen Aspekte bzgl. Ainur und Eru unterrichtet. Die Númenórer betreiben dann die erste gesellschaftlich organisierte menschliche Eru-Verehrung. Am Ende kippen sie unter Ar-Pharazôn lediglich wegen Saurons Lügengebilde wieder um. Beneiden die Elben die Menschen weil sie sterben können und die Menschen die Elben weil sie ewig leben? Ja, natürlich. Das gilt jedenfalls für die meisten Menschen. Ausnahmen sind die frühen Númenórer, Elros und seine unmittelbaren Nachfahren, die sich in ihrer absoluten Gottergebenheit aus freien Stücken zum Sterben hinlegen, bevor ihre biologische Lebensuhr abgelaufen ist. Aragorn stirbt auf die gleiche Weise und freut sich auf ein Wiedersehen mit Arwen auf der anderen Seite, denn daran glaubt er, u.z. auf der Basis elbischer Lehren. Zitieren
dagnir Geschrieben 16. Oktober 2007 Autor Geschrieben 16. Oktober 2007 Ah so vielen Dank für die Infos. Was sagst du zu Melkor? Naheliegend ist ihn mit dem Teufel zu vergleichen... Zitieren
Rübezahl Geschrieben 16. Oktober 2007 Geschrieben 16. Oktober 2007 Melkors satanische Rebellion: "But in this 'mythology' all the 'angelic' powers concerned with this world were capable of many degrees of error and failing between the absolute Satanic rebellion and evil of Morgoth and his satellite Sauron, and the fainéance of some of the other higher powers or 'gods'." (Letter No. 156 - - - To Robert Murray, SJ. [draft], 4 November 1954) Saurons satanistische Melkor-Religion, die er in Númenor einführt: "He [sauron] steadily got Arpharazôn's mind under his own control, and in the event corrupted many of the Númenóreans, destroyed the conception of Eru, now represented as a mere figment of the Valar or Lords of the West (a fictitious sanction to which they appealed if anyone questioned their rulings), and substituted a Satanist religion with a large temple, the worship of the dispossessed eldest of the Valar (the rebellious Dark Lord of the First Age)." (Ibid.) Und weitere Stellen. Er sagt aber auch häufig, eine Mythologie müsse bestimmte althergebrachte Motive verwenden, wenn sie ein Stückchen "Wahrheit" beinhalten will. Ein Adjektiv, das er in diesem Zusammenhang oft gebraucht, ist "inevitable", unausweichlich. Elemente wie Melkors Verhalten und der "(Sünden-)Fall" verschiedener Figuren seien, sozusagen, mythologische Universalien, die vorkommen müssen, wenn der menschliche Leser im Mythos seine eigene Natur wiederfinden will. Ob Tolkien sich hier ein wenig an der Bibel orientiert oder nicht, muss wohl jeder für sich herausfinden. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es wäre deine eigene Interpretations- und Analyse-Arbeit. :ka: Zitieren
dagnir Geschrieben 17. Oktober 2007 Autor Geschrieben 17. Oktober 2007 Ja das ist so. Mein Ziel ist es, im Schlusswort ergründen zu können, ob und wie fest sich Tolkien von der Bibel beeinflussen liess und wie wichtig die Elemente der nordischen Mythologie waren. Zudem möchte ich noch herausfinden, was Tolkien bewog als strenger römisch katholischer Christ eine eigene Schöpfungsgeschichte zu schreiben. Ich weiss, dass er in keiner Weise an seine eigene Welt glaubte, jedenfalls nicht öffentlich. Ich persöndlich glaube ihm auch wenn er vor seinem Tod noch bezeugt ich bin ein gläubiger Christ. Was meint ihr dazu? Zitieren
Rübezahl Geschrieben 17. Oktober 2007 Geschrieben 17. Oktober 2007 ;-) Kleiner Lektüre-Hinweis als Anmerkung: Letters Carpenter-Biographie On Fairy-Stories Findet man in jeder Universitätsbibliothek. Mit diesem Hintergrundwissen bekommt man sicher ein Bild davon, wie die eigene Argumentation zum Thema aussehen könnte. Zitieren
Gast Radagast der Braune Geschrieben 18. Oktober 2007 Geschrieben 18. Oktober 2007 @ dagnir: Tolkien hat an seine erfundene Mythologie sicher nicht geglaubt, wär täte das denn? Er sehnte sich aber mit Sicherheit nachetwas mehr Phantastik in der sonst eher schlicht-langweiligen Christlichen Theologie. Eine Theogonie mit vielen Göttern ist interressanter als eine so unspektakuläre wie im Buch Genesis. Meiner Meinung nach hat Tolkien sich wohl auch in seinen eigenen Glaubensfragen und Vorstellungen mit Mystik oder christlicher Gnosis befasst. Das schließe ich zumindest aus Diskussionen wie der "Athrabeth Finrod Finrod ah Anred" und anderen Texten aus der HoME 10 ( Morgoths Ring ), sowie den Überlegungen zu Wiedergeburt, Unsterblichkeit etc. Da tauchen viele gnostisch-philosophische Lebensfragen auf. Zur Schöpfung des Einen Gottes vs. der durch die Ainur im AT und den Silmarillion finde ich den Namen Elohim interressant. Der ist nämlich die Plural des hebräischen Götternamens Elo(a)h. So könnte man auch übersetzen, am Anfang schufen die Elohim Himmel u. Erde. Der Name Elohim wird auch für die 4. Engelshierarchie ( gr. Exusiai, lat. Protestates, Luther: Gewalten, neuzeitl: Geister der Form ) gebraucht, und könnte mit Mächtige übersetzt werden. Das hilft zwar wahrscheinlich niemandem weiter, aber die "Mächtigen" und die "Mächte von Arda" passen doch irgednwie zusammen. Es fiel mir grade so ein... Liebe Grüße Radagast Zitieren
dagnir Geschrieben 18. Oktober 2007 Autor Geschrieben 18. Oktober 2007 Wer an seine eigene Mythologie glaubt? Schau dir einmal die Gurus von Sekten wie z. B. der Klon-Sekte http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sa...2393/index.html an. Die glauben an ihre eigenen Geschichten. Bei Tolkien hätte dies durchaus auch passieren können, denn er war ein Genie (nahe beim Wahnsinn) und seine Welt die er schuf hätte problemlos der Wirklichkeit entsprechen können. Dein Vergleich mit Elohim ist interessant aber wie du schon gemerkt hast, hat er für meine Arbeit keine bedeutung. Valnior mit dem Gerten in Eden zu vergleichen. Was sagt ihr dazu? Zitieren
Rübezahl Geschrieben 18. Oktober 2007 Geschrieben 18. Oktober 2007 Eine Theogonie mit vielen Göttern ist interressanter als eine so unspektakuläre wie im Buch Genesis. Meinst du zufällig Kosmogonie, nicht Theogonie? Die Theogonie bezeichnet nämlich die Herkunft und Entstehung der Götter oder des Gottes. Weder Genesis noch Silmarillion schildern eine solche Entstehung. Nebenbei gibt es im Silmarillion aber übrigens nur einen Gott. Zur Schöpfung des Einen Gottes vs. der durch die Ainur im AT und den Silmarillion finde ich den Namen Elohim interressant. *seufz* Im AT gibt es einen Schöpfergott, im Silmarillion gibt es einen Schöpfergott. Einen Gott. One. Eins. 1. :help: Zitieren
dagnir Geschrieben 18. Oktober 2007 Autor Geschrieben 18. Oktober 2007 Haha rübenzahl ich fühle mit dir! Aber was sagst du dazu Valinor mit dem Garten in Eden zu vergleichen? Zitieren
Rübezahl Geschrieben 18. Oktober 2007 Geschrieben 18. Oktober 2007 Aber was sagst du dazu Valinor mit dem Garten in Eden zu vergleichen? Nun ja, man kann alles mit allem vergleichen und dabei Übereinstimmungen und Unterschiede feststellen. Ein Vergleich zwischen Eden und Aman, dem "Earthly Paradise" (Letter No. 181 - - - To Michael Straight [drafts], not dated; probably January or February 1956), könnte natürlich interessant sein, wäre aber sehr komplex. Aman ist nicht nur Schauplatz des elbischen "Sündenfalls" in Alqualonde, inklusive Verbannung der Noldor, es finden sich bei Tolkien auch Hinweise auf eine symbolische Verknüpfung zwischen der Aman-Nachbildung Lothlórien und der christlichen Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies (siehe z.B. Letter No. 96). Gleichzeitig verarbeitet er an den Stellen, die von der Überfahrt nach Tol Eressea handeln, Elemente der irischen Immram-Geschichten, die christliche Inhalte und Aussagen haben, aber auf Motiven der alten vorchristlichen irischen Mythologie basieren. Die vorchristlichen Iren glaubten an Zauberinseln (Paradies für die Lebenden und die Toten) im Sonnenuntergang. Tolkien verschmilzt Motive unterschiedlicher Herkunft zu etwas Neuem und betont häufig, dass er sein Werk als eigenständig verstanden wissen will, z.B. hier: "In the cosmogony there is a fall: a fall of Angels we should say. Though quite different in form, of course, to that of Christian myth. These tales are 'new', they are not directly derived from other myths and legends, but they must inevitably contain a large measure of ancient wide-spread motives or elements. After all, I believe that legends and myths are largely made of 'truth', and indeed present aspects of it that can only be received in this mode; and long ago certain truths and modes of this kind were discovered and must always reappear. There cannot be any 'story' without a fall – all stories are ultimately about the fall – at least not for human minds as we know them and have them." (Letter No. 131 - - - To Milton Waldman, not dated, probably written late in 1951) Möglicherweise war ihm aber aufgefallen, dass Christen und Heiden die Sehnsucht nach dem Paradies teilen, und wollte diese Gemeinsamkeit irgendwie abbilden. Das wäre jedenfalls eine naheliegende Vermutung. Aber über solche Themen kann man 100 Seiten schreiben, ohne zu einem handfesten Ergebnis zu kommen. Deshalb würde ich den Themenkreis an deiner Stelle stark einschränken, lieber wenige Themen mehr oder weniger gründlich behandeln, anstatt viele Themen oberflächlich zu streifen. Und die drei angegebenen Sekundärliteraturen würde ich lesen. Lies sie, mach dir ein eigenes Bild. ;-) Zitieren
dagnir Geschrieben 18. Oktober 2007 Autor Geschrieben 18. Oktober 2007 Ja ich schränke meine Arbeit schon so ein, indem ich nur den Anfang der beiden Bücher zu vergleichen suche. Leider erschwert sich dies dadurch, dass ich von beiden Büchern mehr kenne als nur den Anfang. Ich habe gemerkt, dass es vielleciht klüger gewesen wäre, deine Texte als Sekundärliteratur beizuziehen. Aber ich wollte mich vorallem auf meine eigenen Ideen stützen und die Zeit drängt. ;-) Zitieren
Rübezahl Geschrieben 18. Oktober 2007 Geschrieben 18. Oktober 2007 Ja, wenn es nur der Anfang sein soll, dann hättest du mit der Verbannung der Noldor doch schon mal eine Ähnlichkeit zwischen Silmarillion und biblischer Geschichte gefunden. Die eine Verbannung könntest du nun mit der anderen vergleichen (Übereinstimmungen und Unterschiede). Da der Verbannung ein Brudermord vorausgeht, hätte man sogar einen Bezug zu Kain und Abel. Was meines Erachtens aber lediglich veranschaulicht, dass gewisse althergebrachte Motive eben "inevitably" auftauchen müssen, wenn man einen Mythos schreiben will. Na ja, ist jetzt auch wurscht. :essen: Zitieren
dagnir Geschrieben 18. Oktober 2007 Autor Geschrieben 18. Oktober 2007 Ja diese Idee Tolkiens finde ich toll und werde ich in meine Arbeit integrieren. Vielen Dank! Zitieren
Alatariel Geschrieben 19. Oktober 2007 Geschrieben 19. Oktober 2007 Hallo! Eure Diskussion ist wirklich spannend mitzuverfolgen. Ich wollte noch einmal kurz etwas zu Satan als "gefallenem Engel" und Melkors "rebellion" anmerken: Dagnir, wenn du die Schöpfungsgeschichten vergleichen möchtest kommst du nur allein damit an diesem Punkt fürchte ich nicht weiter. Wie du schon richtig erkannt hast, muss man an solchen "themenübergreifenden" Sujets anderes Hintergrundwissen mit einzubeziehen um eine glaubhafte Argumentation führen zu können. Denn Satans "Fall" wird in der Schöpfungsgeschichte ja nicht beschrieben. In der Genesis heißt es dann einfach "Und die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde..." Hinzu kommt, dass in der Bibel der "Fall" Satans gar nicht so beschrieben wird, wie er bei uns nun volkstümlich bekannt ist. Die Vorstellung von einem Engel, der von Gott aufgrund seines Hochmuts verstoßen wird, stammt meines Wissens aus jüdischen Erzählungen (die Betonung liegt hier auf Erzählungen, sie sind keinesfalls als jüdische Lehren zu verstehen). Interessanterweise findet sich dieses Motiv des Höllensturzes dennoch in allen 3 monotheistischen Religionen in Anspielungen wieder (vgl. die Dschinns im Islam). In Jesaja 14, 12 steht: "Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie bist du zur Erde gefället, der du die Heiden schwächtest! Gedachtest du doch in deinem Herzen: Ich will in den Himmel steigen und meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen; ich will mich setzen auf den Berg des Stifts, an der Seite gegen Mitternacht; ich will über die hohen Wolken fahren und gleich sein dem Allerhöchsten. Ja, zur Hölle fährest du, zur Seite der Grube." Ursprünglich beziehen sich diese Verse auf den König von Babel, aber sie wurden später dann mit Hinblick auf eben jenen Höllensturz Satans interpretiert. Satan, der sich über Gott erhebt "fährt zur Hölle" (hier auch interessant, die Entwicklung des Beinamens "Luzifer", der Lichtträger. Luzifer war der Name für den Planeten Venus, den Morgen- oder Glanzstern in der Antike). In einem apokryphischen Text der Geschichte von Adam und Eva, bezeugt der Teufel allerdings auch, dass er wegen der Menschen auf die Erde geworfen wurde (vgl. Abschnitt 12). Wenn du dich weiter mit dieser Thematik beschäftigen möchtest, wäre das apokryphische Buch Hennoch sicher interessant. Dort findest du auch noch Motive im bezug auf "creation" und "sub-creation", denn die Erzengel sind dort soweit ich mich erinnere teilweise an der Schöpfung beteiligt. Vielleicht übersteigt das jetzt aber auch den Sinn und das Ausmaß deiner Arbeit. Ich weiß ja nicht genau wie detailiiert du es haben möchtest. Herzliche Grüße Alan Zitieren
Gast Radagast der Braune Geschrieben 19. Oktober 2007 Geschrieben 19. Oktober 2007 Ich wollte mich nochmal zu den zahlreichen freundlichen Anmerkungen zu meinem/r vorigen Post melden. ( Wird zwar mittlerweile niemanden mehr jucken, aber egal ). Ich meinte Theogonie, vielleicht auch bloß Schöpfung, nicht Kosmologie. Wobei da dasselbe gilt, es istmit mehreren Göttern versch. Qualitäten einfach interressanter als mit einem einzigen, unemotionalen Schöpfer. Das tolle an Sekten, die an ihre eigenen Phantasien glauben, ist doch, dass sie das für göttliche Offenbahrung halten etc. Tolkien war sich seiner Rolle als Autor bewusst, wäre doch interressant zu sehen, wieviele Anhänger eine Eru-Sekte bekommen würde. Die Schöpfung würde ich im Silmarillion den Ainur zuschreiben, NICHT Illuvatar. Der hat die Ainur geschaffen, aber die Ainur schufen, wenn auch von ihm z.T. kontrolliert, die Welt. Das heißt, er ließ die Ideen ( bzw. Musikalischen Themen ) der Ainur konkrete Wirklichkeit werden. Oder habe ich da prinzipiell was falsch verstanden? Anschließend stiegen die Valar zur Erde herab und waren da doch eindeutig ud mit allihren Kräften selbst am Machen und Tun. ( Hier könnte man möglicherweise kurz die "Mächtigen", Elohim, mit den "Mächten von Arda", Valar, vergleichen ). Zitieren
Rübezahl Geschrieben 19. Oktober 2007 Geschrieben 19. Oktober 2007 Ich meinte Theogonie, vielleicht auch bloß Schöpfung, nicht Kosmologie. Du meintest weder Theogonie noch Kosmologie, sondern Kosmogonie. Die Schöpfung würde ich im Silmarillion den Ainur zuschreiben, NICHT Illuvatar. Der hat die Ainur geschaffen, aber die Ainur schufen, wenn auch von ihm z.T. kontrolliert, die Welt. Das heißt, er ließ die Ideen ( bzw. Musikalischen Themen ) der Ainur konkrete Wirklichkeit werden. Oder habe ich da prinzipiell was falsch verstanden? Ja, weil Eru die Welt erschafft: "Eä! Let these things Be!" (Ainulindalë). Das ist die Schöpfung. Die Tätigkeiten der Ainur sind dagegen auf der selben Stufe angesiedelt, auf der sich die Tätigkeiten der Elendili befinden: Sie setzen Stein auf Stein, bis Minas Tirith steht. Zitieren
viator Geschrieben 19. Oktober 2007 Geschrieben 19. Oktober 2007 Ich meinte Theogonie, vielleicht auch bloß Schöpfung, nicht Kosmologie. Du meintest weder Theogonie noch Kosmologie, sondern Kosmogonie. Nun erschafft Illúvatar auch die Ainur und daher haben wir es hier auch mit einer Theogonie zu tun, zumindest aus der Sicht der Elben, die, wie ich oben durch Zitate belegt habe, in Morgoth's Ring die Valar als Götter bezeichnet haben. Auch wenn das im vorliegenden Mythos nur eine untergeordnete Rolle spielt, so sollten wir darauf doch nicht ganz vergessen. Im Wesentlichen geht es in diesem Schöpfungsmythos allerdings weniger um eine Theogonie als um eine Kosmogonie. Daher halte ich 'Kosmogonie' ebenfalls für den hier passenderen Begriff. Schöne Grüße, viator Zitieren
Empfohlene Beiträge
Dein Kommentar
Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.