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Homer - Ilias


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Geschrieben

Ich bin gerade am Lesen der Ilias in der Übersetzung von Roland Hampe, die mir sehr gut gefällt. Dieses ca. 2800 Jahre alte Epos fasziniert mich. Aufgefallen ist mir, dass die gefallenen Helden nicht namenlos sind, es wird sogar oft auch deren Biographie und familiäres Umfeld kurz umrissen. Es werden viele der Helden eben nicht als Kampfmaschinen geschildert, sondern beeindruckend menschlich. Mich beeindruckt zum Beispiel der sechste Gesang der Ilias sehr, besonders das Ende, wo der Held Hektor seine Gattin besucht, bevor er zurück zur Schlacht geht. Abgesehen davon, dass es eine der schönsten Szenen ist, beeindruckt mich die Szene mit Hektors Gattin und seinem Kind deshalb so sehr, weil hier einer der größten Helden als ein gefühlvoller Mensch geschildert wird, der nicht kämpfen will, sondern nur kämpft, weil er muss. Und dass die Gegner der Griechen nicht schlechter beschrieben werden als die Griechen, zieht sich durch - obwohl Homer ein Grieche war.

Auch Achilles, den man gewöhnlich als schreckliche Kampfmaschine kennt, wird nicht so schrecklich beschrieben, wie es seinem Ruf entspricht. Abgesehen von der Szene, wo er um Patroklos trauert, denke ich etwa daran, dass er sich gleich im ersten Gesang, nachdem ihm Agamemnon das Mädchen weggenommen hatte, zurückzog und weinte.

Der Stellenwert der Ehre und des Mutes ist in der archaischen Gesellschaft Homers ein völlig anderer als es bei uns der Fall ist. Wenn Ehre und Leben in Konflikt geraten, muss der Held das Leben lassen. Natürlich ist das jetzt ein wenig vereinfachend... Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Ehre auch heute noch in anderen Gegenden der Erde und bei uns bis in die nicht allzu entfernte Vergangenheit einen durchaus fast vergleichbaren Stellenwert hatte. Homer war nun aber ein großer Dichter und daher ist es nicht verwunderlich, dass er einen seiner Helden das archaische Konzept der Ehre hinterfragen lässt, und zwar ausgerechnet von Achilles. Allerdings kämpft er dann doch wieder - mit dem bekannten Ende.

Mich fasziniert auch die erzählerische Ökonomie Homers, die allerdings in der Odyssee stärker noch zu sehen ist als in der Ilias. Faszinierend ist auch, wie plastisch Homer schreibt. Selbst in den Details ist das zu merken, da schießt zum Beispiel jemand von der Mauer Troias einen Pfeil ab und trifft damit einen Griechen. Homer beschreibt diesen Vorgang vom Abschuss bis zum Eintreffen des Pfeils im Ziel so plastisch, dass es einem den Atem raubt.

Ich bin einfach begeistert!

  • 2 Monate später...
Geschrieben (bearbeitet)

Ich hatte - abgeschreckt durch die zwar recht umfangreichen, aber auch oft langatmigen "Sagen des klassischen Altertums" - lange keinen Blick mehr in die Ilias gewagt.

In Zukunft werde ich mir wohl Homers großes Werk zusammen mit der Odyssee noch einmal vornehmen, wahrscheinlich sogar die Ilias-Übersetzung von Roland Hampe.

Wer sich jedoch erst einmal nicht an die Versübersetzungen wagen will, sondern einfach nur die gewaltige Geschichte vom Fall Trojas mit seinen tragischen Gestalten und großen Kämpfen erleben möchte und in die Stimmung des Werkes eintauchen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen: "Schwarze Schiffe vor Troja", von Rosemary Sutcliff und vor allem Mittelerde-Künstler Alan Lee als Illustrator.

Lee's beeindruckende Bilder, z.b die Darstellung jener wirklich schönen uns bewegenden Szene zwischen Hektor, Andromache und dem kleinen Astyanax, bevor Hektor davonschreitet, lassen das Gelesene noch eindringlicher wirken. Eine fantastische Bearbeitung einer großen Sage.

Ich habe mein sehr hartes Urteil über die griechischen Helden, in denen ich eben nichts weiter als Kampfmaschinen sah, durch dieses Buch geändert. Natürlich sind sie auf dem Schlachtfeld genau das, aber jenseits davon gibt es eben noch eine andere Ebene - wie durch die Trauer um Patroklos oder Hektors Abschied gezeigt wird. Das Hinterfragen des Ehrenprinzipes gefällt mir, nachdem ich darauf aufmerksam geworden bin, recht gut, besonders durch Achilles selbst.

Wenn man bedenkt, das der Held Roland im altfranzösischen Rolandslied nicht an seinem ehrenhaften, aber aussichtlosen Kampf gegen die Mauren zweifelt und damit zu so etwas wie einem Vorbild für den Ritterstand der nächsten Jahrhunderte wurde und Achilles genau das tut, zeigt sich, das die Ilias trotz ihrer uralten Wurzeln und der archaischen, brutalen Gesellschaft, in der sie spielt, auch recht fortschrittliche Gedanken enthält, was ich zuerst nicht für möglich gehalten hätte.

Bearbeitet von Imrazor

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