Murazor Geschrieben 13. Dezember 2008 Geschrieben 13. Dezember 2008 An all diejenige, die "Zwerg im Tann" und "Diener des Dämonensterns" gelesen haben: Hier stelle ich das hinein, was sich zu der Fortsetzung entwickeln soll. Was ich geschrieben habe, ist sehr wenig im Vergleich zu dem, was noch geschrieben werden soll. Ich werde es nur schrittweise fortsetzen können. Ich bitte euch um eure Kritiken. Ich habe selbst schon einigen Leuten hier bei den Fanfictions üble Kommentare an den Kopf geschmissen und muss es also vertragen können, wenn ich selbst schlechte Kritiken bekomme. Wenn ich gute Kritiken bekomme, freut mich das natürlich. Ich erinnere diejenigen, die das lesen, daran, dass die Geschichte inhaltlich zwar schon skizziert, aber noch nicht klar geformt ist. Wenn also jemand Anregungen hat, nehme ich sie gerne entgegen. Wenn jemand mit etwas unzufrieden ist, vor allem was den Inhalt angeht, werde ich mir das zu Herzen nehmen. Und nun viel Spaß... Prolog: Kalter Sternenhimmel Der Befehlshaber des Winterlagers von Dun Bînar war eigentlich vorgewarnt. Nur waren die Nachrichten aus den Bergen, wo anscheinend die Ordnung blutig zusammengebrochen war, äußerst widersprüchlich und kaum geeignet, ein zusammenhängendes Bild der Lage zu ergeben. Dun Bînar lag an der Getreidestraße, die von der Ostseite der Schwarzen Berge über den Weißen Pass nach Westen, ins Reich von Notron führte. Vom Weißen Pass waren in den letzten drei Tagen Haufen von verwirrten und verängstigten Flüchtlingen- ausgeraubte Händler, Bauern, deren Höfe niedergebrannt worden waren, und Not- Krieger, die ihre Waffen bei ihrer panischen Flucht weggeworfen hatten- gekommen. Was sie gesagt hatten, war so verwirrend wie sie selbst verwirrt waren. Der Befehlshaber musste mal glauben, Trupps von zwergischen Freischärlern wären in den Tälern unterwegs, dann musste er annehmen, dass einer der Bergstämme wegen der Streitereien um die Zölle verrückt spielte, dann kamen wieder Meldungen von einem großen Kampforkkontingent, das ausgerastet war, vielleicht weil ihre Verpflegung schlecht war. Jede dieser Möglichkeiten klang einleuchtend und alle zusammen trugen sie nur zur Verwirrung bei. Sein Lager in der großen Senke von Dun Bînar stellte den größten Stützpunkt westlich des Weißen Passes dar. Hier waren sechstausend Not- Krieger untergebracht, deren Aufgabe es war, die Ruhe im Vorgebirge und am Pass, wo einige kleinere Truppen lagen, sicherzustellen. Der Befehlshaber von Dun Bînar entschied nach reiflicher Überlegung, nicht auszurücken. Erstens war Winter. Das ganze Vorgebirge war zugeschneit und er wollte keine Krieger durch die Kälte verlieren. Dun Binâr war ein Winterlager des Not- Heeres und kein Feldlager. Zweitens wollte er sich unter diesen Umständen nicht auf einen Gebirgskrieg mitten im Winter einlassen, noch dazu, wenn seine Gegner- egal wer sie waren- sicher in der Kriegsführung in den Bergen erfahrener waren als er. Drittens würde der Pass nach der Schneeschmelze ganz leicht wieder zu sichern sein. Durch ein wenig Wartezeit würde auch nichts verloren gehen. Weil der Pass ohnehin nicht benutzbar war, wurde in dieser Jahreszeit auch kein Handel abgewickelt, es würden weder Getreide noch Zolleinnahmen eingebüßt werden. Viertens war er sich sicher, dass seine Gegner- egal ob Orks, Bergmenschen oder ein Häuflein Zwerge- keine unmittelbare Gefahr für Dun Bînar selbst darstellten. Dun Binâr mit seiner Besatzung von sechstausend ordentlich bewaffneten Söldnern war ein starkes Lager und niemals würden es marodierende Orks, plünderende Bergmenschen oder wild gewordene Zwerge wagen das Lager anzugreifen. Immerhin war Dun Binâr kaum einen Tagesmarsch von den unterirdischen Orkfestungen weiter nördlich entfernt. Die kälteunempfindlichen Orkkrieger würden schnell da sein, falls Dun Bînar angegriffen würde und sich nicht selbst wehren könnte. Außerdem gab es ja nur eine Macht in der Nähe, die in der Lage wäre Dun Bînar so schnell und mit genügender Stärke anzugreifen, dass die Orks zu spät oder gar nicht kommen würden. Das war das Zwergenreich von Amrohoc, das ein wenig vom Weißen Pass entfernt lag. Amrohoc war stark, aber es war schon seit vielen Jahren ein Verbündeter des Schwarzen Throns von Notron, seit der Zwergenkönig einen Vertrag unterzeichnet hatte. Durch den Vertrag waren die Zwerge von Amrohoc verpflichtet, sich nicht am Pass einzumischen, Notrons Truppen schwere und gute Waffen zu verkaufen und sich ansonsten aus allen Dingen, die nur Notron etwas angingen, herauszuhalten. Nun war es Nacht und nur einige Wachen gingen auf den Steinwällen des Lagers Streife, während fast alle schliefen. Im Lager brannten Feuer und Fackeln, die den harten Schnee gelb erleuchteten. Draußen erstreckten sich blaue Flächen aus kaltem, verkrustetem Schnee, zwischen denen einzelne gelbe Grasbüschel hervorragten, bis in die schwarze Dunkelheit. Für die Wachen war unterhalb der Steiwälle nicht viel zu erkennen. Man hatte die Wälder in der Gegend für das Lager abgeholzt, auch um freie Sicht zu bieten. Viel konnte man nicht erkennen, aber wer würde schon in der finsteren Winternacht einen Angriff auf das Lager versuchen? Die Wachen verharrten auf ihren Streifen hin und wieder, um zum Himmel hinaufzuschauen. Er war makellos. Nicht eine einzige Wolke bedeckte ihn und unzählige Sterne leuchteten in der eiskalten Nacht. Es würde gutes Wetter sein. Am nächsten Tag würde keine einzige Wolke am Himmel sein, aber die grelle Sonne würde die schneidende Kälte nicht vertreiben. Die Wachen schritten auf und ab. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es dämmerte. Die Nacht hatte schon lange gedauert. Die Leute in den Hütten und Häusern an der Südseite des Lagers schliefen ebenso wie die Krieger im Lager. Diese Bauern und Händler stammten aus der Gegend, sie lebten vom Bedarf der Not- Truppen an Nahrung, Holz und Kleidung. Etwa eintausend Menschen wohnten jetzt in den Hütten. Einige von den Söldnern im Lager hatten Beziehungen zu Bauernfrauen aus der Gegend. Das Erste, was einen Wachposten misstrauisch machte, war ein rotgoldenes Glimmen unterhalb des Steinwalls. Als er sich über die Brüstung beugte, um hinunterzusehen, surrte eine Sehne und er fiel röchelnd mit einem Armbrustbolzen im Hals rückwärts von der Mauer. Dann begann es. Ein wenig früher als erwartet, aber es dauerte noch einige Augenblicke, bis bemerkt wurde, das einige Wachen von Armbrustschützen getroffen tot umfielen. Dann näherte sich eine große Truppe von kleinen dunklen Gestalten den Mauern und die Zwerge, die unterhalb der Brüstung gewartet hatten, zündeten ihre Feuerringe, um sie dann in hohem Bogen über die Mauer auf die Hütten innerhalb des Lagers zu werfen. Der Feuerschein und die Schreie weckten das Lager endgültig auf. Die Krieger wurden aus den Betten geholt, aber noch wusste man gar nicht, wer angriff, während von denen, die sich auf die Brüstung wagten, viele von Bolzen getroffen wurden und zurückvielen und ein Pulk von schwarzen Gestalten gegen das westliche Lagertor vorging und sich mit Hämmern, Äxten und stählernen Brechstangen daran zu schaffen machte. Die zwergischen Feuerringe ließen die Hütten an den Rändern lichterloh brennen und die Verwirrung nahm zu, während sich ein harter Kern von Söldnern bereits voll bewaffnet in der Mitte des Lagers gesammelt hatte. Dann sausten Geschosse durch die Luft, je zehn auf einmal. Es waren Geschosse von zwergischen Wurgeschützen, sie waren aus schwarzem, gehärtetem Stein, der mit Eisen gemischt war. Sie waren so fest geschleudert, dass sie beim Aufschlagen unter den versammelten Söldnern je ein Dutzend Krieger in den Tod rissen. Die Reihen der Not- Söldner gingen auseinander, als vom Westtor der Ruf „Nôr- engor- Onrun!“ aus rauen Kehlen zu hören war. Die Zwerge griffen an. Das Tor brach unter der Gewalt ihrer Werkzeuge ein, dann schoben sich ihre Reihen in das Lager hinein. Gleichzeitig waren Zwergen mit Armbrüsten und Feuerringen oben auf der Brüstung der Mauer erschienen. Es folgte eine blutige Schlacht um Dun Bînar. Gegen die Zwerge, die zwischen Feuer und völliger Dunkelheit angriffen wie wilde Tiere, stand eine Ansammlung von tausenden Menschenkriegern mit Schwertern, Äxten und Speeren. Nur die Bogenschützen unter den Not- Söldnern fanden kein Ziel, das Feuer nahm ihnen die Sicht und vor ihnen standen die Reihen ihrer eigenen Kameraden. Die Armbrustschützen der Zwerge hingegen schossen ihre Bolzen frei in die Masse der Söldner hinein, während die Ringschleuderer mit rauem Gebrüll bis kurz vor die Söldner hinrannten, um dann ihre brennenden Feuerringe in die Menge hineinzuwerfen und selbst zurückzulaufen. Die zwergischen Wurfgeschütze arbeiteten schon nicht mehr, sie überließen ihren Fußtruppen das Feld. Als schließlich die Nahkämpfer der Zwerge, von Kopf bis Fuß in dicke Stahlrüstungen gepackt, mit Breitschwertern, Streithämmern und Äxten angriffen, dauerte es nicht lange, bis sich die Not- Krieger, nachdem ihre eigenen Hauptleute kaum mehr Befehlsgewalt hatten, zur Flucht wandten. Die Zwerge stürmten ihren Gegnern hinterher, als sich deren Masse durch das andere Tor hinausschob. Aber dort wurden sie schon erwartet. Niemand hätte daran gedacht, dass die Angreifer gar nicht die Hauptmacht der Zwergenstreitmacht gewesen waren. Aber so war es. Als die Fliehenden über die Felder rannten, wurden sie von Armbrustschützen auf den Hügelkuppen beschossen, wenn die Fliehenden durch das kahle Buschwerk liefen, erschienen links und rechts gedungene Axtkämpfer, die mit ihren Waffen auf die Not- Krieger einschlugen. So wurde die Flucht über das vereiste und verschneite Land zu einem Blutbad und im Schnee draußen lagen mehr Tote als innerhalb des Lagers. Die Kämpfe dauerten bis zum Sonnenaufgang, dann ließen die erschöpften Zwerge von den zweihundert Söldnern ab, die noch am Leben waren und, nachdem sie ihre Waffen weggeworfen hatten, in heilloser Flucht nach Norden rannten. Als die Sonne schien, stiegen vom Lager von Dun Bînar noch immer schwarze Rauchwolken in den makellos blauen Himmel auf. Auf den Feldern, die von hartem, aber makellos weißem Schnee bedeckt waren, lagen die dunklen Flecken toter Menschen. Unmittelbar hinter dem Lager lagen am meisten Tote, es wurden weniger, je weiter es vom Lager wegging. Die Berge wirkten, als hätte es das Grauen nie gegeben. Weiß, grau und makellos ragten sie weiter in den Himmel hinauf. Auf den Feldern waren Zwerge unterwegs, die nach ihren eigenen Gefallenen suchten. Auf einem Hügel stand, in Begleitung einiger Gefolgsleute, Fürst Anrahun, der Anführer der Zwergenstreitmacht. Er beobachtete das Treiben auf den Feldern. Dinur stellte sich neben ihn. Er hatte eine Wunde am Kopf, die notdürftig verbunden worden war. „Ein guter Erfolg.“, sagte Anrahun, der Dinur aus dem Augenwinkel links neben sich bemerkt hatte. „Dun Bînar besteht nicht mehr.“, sagte Dinur. „Sie werden es im Frühjahr nicht leicht haben, einen Angriff auf den Pass zu führen.“ Dinurs Blick fiel auf einen Haufen von unbewaffneten Menschen, die sich in nördlicher Richtung vom Lager entfernten. Anrahun sagte: „Das ist der Rest von den Bauern und Händlern und den Frauen der Söldner. Denen, die wir noch nicht getötet haben, habe ich erlaubt nach Norden zu gehen. Wir wollen mit ihnen keine Zeit verschwenden.“ „Es wird böses Blut geben.“, sagte Dinur daraufhin. „Wir haben eine sechsfache Übermacht bezwungen.“, sagte Anrahun grimmig. „Wie leicht die Menschen zu besiegen sind. Wir werden Notron mühelos standhalten können.“ Dinur atmete die kalte Luft ein. Er bemerkte mit unerklärlicher Verblüffung einen Schwarm schwarzer Raben, die über den Leichenfeldern hinwegflogen. „Wir haben es geschafft sie zu überraschen.“, sagte er. „Aber der Krieg wird sicher nicht leichter. Sie haben hunderttausende unter ihren Bannern.“ „Sie hätten die Macht der Zwerge nicht unterschätzen sollen. Sie hätten uns nicht zu beleidigen sollen.“, sagte Anrahun. „Die Sonne scheint, Dinur. Du könntest ein bisschen bessere Laune haben. Genieß das Sonnenlicht, auch wenn es blendet. Es ist so hell, dass es jedem Ork im Freien sofort die Haut verbrennen würde.“ „Sie werden sich wieder erholen, fürchte ich.“, sagte Dinur trotzdem. „Und ich fürchte für sie, dass sie sich, wenn überhaupt, erst in vielen Jahren davon erholen werden. Ihre Dummheit zu glauben, sie könnten weiter südlich einen Krieg gegen die Menschen und die Elben führen, macht unseren Sieg hier noch viel größer. Dun Bînar ist erobert und wir haben ihre wichtigste Nachschublinie gekappt. Unsere Brüder auch aus den anderen Städten unseres Volkes sind gerade dabei die kleineren Lager von der Landkarte zu fegen. Notron verliert Truppen und es verliert sein Getreide für seine anderen Truppen, denn sie haben die Vorräte für den Feldzug im Süden zum Teil hier unten gelagert.“, sagte Anruhun. „Wir müssen uns mit anderen Völkern verständigen, denn weit jenseits der Berge können wir unseren Krieg nicht führen.“, sagte Dinur. „Wir werden sehen, was sich machen lässt. Aber sie werden lange brauchen, um sich zu erholen. Was geschehen ist, kann nicht durch Blutgeld oder Entschuldigungen wieder gutgemacht werden. Du solltest stolz sein auf jedes kleine Stück Rache für das, wovon du uns Zeugnis abgelegt hast.“ Dinur nickte, aber er dachte nicht gerne daran. Die Raben kreisten über dem blutigen Feld. Zwei Zwerge trugen einen gefallenen Kameraden weg, um ihn später würdig zu bestatten. Anrahun fuhr fort: „Wie viel, glaubst du, haben sie erfahren?“ Das war genau die Art von Frage, vor der Dinur gezittert hatte. Aber er zwang sich zu antworten: „Viel zu viel, fürchte ich. Zu wenig, um Erkundigungen eintreiben zu können, hoffe ich. Aber wenn sie von ihren beiden Handlangern genug erfahren haben, werden sie alle Hebel in Bewegung setzen, um herauszufinden, was genau geschehen ist. Vielleicht haben sie es auch schon getan.“ „Du glaubst nicht, dass er überleben wird?“ „Es könnte sein, dass er überlebt. Die Berge dort sind unübersichtlich. Wenn sie doch kommen, kann man sich dort immer irgendwo verstecken. Und die Stämme dort helfen sich untereinander.“, sagte Dinur, schwieg eine Weile und fuhr dann fort: „Das hoffe ich für ihn. Ich konnte ihn nicht mitnehmen. Ich hätte ihm die Wahrheit sagen müssen, damit er mitkommt. Die Wahrheit wäre gewesen, dass sein Dorf in höchster Gefahr ist. Aber dann hätte er seine Leute gewarnt und so viele Flüchtlinge hätten Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Außerdem hätte ich nicht ahnen können, wie sich die anderen verhalten.“ „Das kann ich verstehen.“, sagte Anrahun, aber es wirkte kaum tröstend. „Du hast ihm aber nichts dagelassen, woran sie erkennen könnten, dass er mit uns zu tun hatte?“ „Nein.“, sagte Dinur knapp. „Gut, denn das wäre sein Todesurteil.“, sagte Anrahun und sah wieder auf die Felder hinunter. „Es ist vorbei, lass uns gehen.“, sagte er dann. Die Jäger Schnee und Regen fielen gleichzeitig und der Himmel blieb grau über den von kaltem Dunst umschleierten Berggipfeln. Die Wälder waren entlaubt und die Nadeln waren fast schon braun, unter den knorrigen Ästen war der Boden von einer Schneeschicht bedeckt, durch die sich die Jäger mühsam hindurch kämpfen mussten. Es war ein Trupp von zwanzig Männern in dichter Winterkleidung aus Leder, Fellen und Wolle. Sie trugen Fellkapuzen und Fäustlinge, ihre Stiefel waren so dick, dass sie ihre Zehen darin nicht bewegen konnten, aber sie schützten vor der Wärme. Die Jäger trugen Wurfspeere und einfache Bögen. Ein großer schwarzer Hund lief mit. Die hinteren Männer zogen einen Schlitten mit Jagdbeute: Fleisch und Felle. Diese Jäger waren Saena, sie stammten aus einem Hirtenvolk, das seit Urzeiten im Winter in den Bergtälern auf Jagd ging, dann, wenn sich die Tiere von den Hängen zurückgezogen hatten und leichter zu finden waren. Sie hatten zwei Steinböcke, einen Hirsch und- ihr ganzer Stolz- sogar einen Bären erlegt. Nun war die Jagdzeit vorüber und die zwanzig Jäger waren auf dem Weg zu den Gräbern, wie sie den alten Versammlungsort der Jäger ihres ebenso alten Volkes nannten, das seit Anbeginn der Zeit in den Bergen lebte und andere, später eingewanderte Völker mied. An den Gräbern, einer Gruppe großer, vor Urzeiten aufgestellter Steine mit heiligen Zeichen, wo man um diese Zeit die Zauberer finden konnte, wurde der nahende Beginn des Frühlings gefeiert. Die Jäger würden bald zu ihren Sippen zurückkehren und wieder auf die Herden aufpassen. Bei den Gräbern würden sie die Götter anbeten, um ihren Segen für dieses Jahr und ihren Schutz vor den Eindringlingen in ihre Welt bitten. Es gab viel, worum man die Götter bitten musste. In den Bergen hatten die alten Götter der Saena, eines Volkes, das einst viel größer gewesen war, noch immer etwas zu sagen und die Feste nach den Gebeten wurden noch mit Inbrunst gefeiert. Früher waren bei den Gräbern viele tausend Saena zusammengekommen, heute würden es einige hundert sein. Die Zeit hatte ihre Opfer gefordert, denn auch die Saena waren zwischen die Fronten geraten. Ein knurrendes Bellen des Hundes schreckte die Jäger aus ihren Gedanken auf. Der Hund knurrte zur linken Seite hin und sprang hin und her, anscheinend unschlüssig, was er machen sollte. Der vorderste Jäger- er hieß Husas und war der erfahrenste- stieß einen scharfen Pfiff hervor und beobachtete den Wald. Er hatte ein graues Tier gesehen, das in dieselbe Richtung wie die Jäger lief. Es war zu schnell wieder verschwunden, als dass er etwas anderes als das graue Fell hätte erkennen können. Die hinteren Jäger blieben stehen und griffen nach ihren Jagdwaffen. Aber selbst der mit gefrorenem Fleisch bepackte Schlitten konnte keine Wölfe oder andere Tiere dazu bringen einen Trupp bewaffneter Jäger anzugreifen. „Ein Wolf oder ein Graufuchs.“, sagte ein Jäger und war schon dabei nach einem Pfeil aus seinem Köcher zu greifen. „Wir gehen weiter.“, sagte Husas. „Und passt auf den Hund auf.“ Sie stampften weiter durch den Schnee. Es regnete und schneite zugleich und immer wieder fielen dicke Schneeballen von den Ästen und Zweigen. Vor ihnen ragten in einiger Entfernung die Berggipfel empor, wo die Gräber lagen. Es war eine lange Felswand, über denen das hoch gelegene Feld mit den Gräbern lag. Die Felswand ragte wie eine lange dunkle Wolkenfront in den Himmel hinauf. Aber es war noch weit bis dahin. Von diesem Ort ging eine düstere Magie aus. Es war ein von den alten Göttern geheiligter Ort, den sie erreichen wollten. Es dauerte nicht mehr lange, bis zwischen den vielen braunschwarzen Baumstämmen und dem Weiß des Schnees wieder ein grauer Schatten auftauchte. Niemand außer Husas hatte ihn gesehen und er ging weiter. Selbst der Hund hatte nicht angefangen zu knurren, aber er war unruhig und der zweite hintere Jäger hielt ihn an einem ledernen Band um seinen Hals fest. Sie gingen einen leichten, fast waagrechten Hang hinunter. Ihr Jagdgebiet hatten sie schon lange verlassen. In dieser Gegend siedelten keine Bauern oder Hirten in festen Dörfern. Dieses Land war bis auf die hin und wieder hin durchziehenden Saena menschenleer. Die Berge waren fast immer menschenleer und die Jäger der Saena hatten auch nicht das Bedürfnis nach den Siedlungen anderer Völker zu suchen. Weiter nordwestlich, etwa aus der Richtung, aus der sie kamen, gab es einige kleine Dörfer, wo es einige gute Bergweiden für Rinder gab. Aber sonst hatten fast alle Völker, die im Laufe der Jahrhunderte aus dem Norden und dem Westen in Richtung der Wolkenberge gezogen waren, nur Wohnsitze an den Grenzen der Berge genommen und nicht dort, wo die Berge richtig hoch waren und wo der Winter in den Tälern doppelt so lange wie sonst dauern konnte. Hier waren die Saena noch immer fast unumschränkte Herren, auch wenn sie weniger waren und man ihre verstreuten Gruppen kaum finden konnten. Die Sippen mit den Herden befanden sich ja ohnehin immer weiter südlich, während die Trupps von Heranwachsenden zusammen mit einigen Älteren im Winter auf die Jagd gingen. Jetzt fing der Hund wieder wütend an zu knurren. Husas hatte nichts gesehen, aber drei von den anderen Jägern anscheinend schon. Sie starrten unruhig nach links. Der Hund musste mit aller Gewalt festgehalten werden, um zu verhindern, dass er sofort knurrend weglief. Sie wussten ja nicht, womit der Hund kämpfen würde, und sie hatten ihn schon einmal verloren bei der Jagd. Zwei von den Jägern hatten sogar schon Pfeile auf die Sehnen gelegt und die anderen waren kurz davor. „Habt ihr etwas gesehen?“, fragte Husas. Er hatte noch nicht nach seinem Bogen gegriffen. Einer der Jüngeren antwortete: „Irgendetwas Großes. Vielleicht ein Wolf. Ein Fuchs wird es wohl nicht sein.“ „Es kann schon ein Fuchs sein.“, sagte ein anderer, der schon den Pfeil angelegt hatte und bereit war zu schießen. „Ich möchte wissen, wo der ist. Ein Fuchs wär jetzt nicht schlecht.“ „Weil du sonst nichts erlegt hast.“, spottete wieder ein anderer, aber auch der war unruhig. Husas war das leid. „Wir gehen weiter. Lasst euch nicht von einem Fuchs aus der Ruhe bringen. Wir sind nicht mehr auf der Jagd.“, sagte er und ging weiter. Der Gedanke, dass es vielleicht gar keines von den Tieren war, die zum gewöhnlichen Jagdwild oder zu den gewohnten Tieren überhaupt gehörten, schlimmer als ein Bär, blieb unausgesprochen, aber Husas war sich sicher, dass sich die jungen Männer fürchteten. Er war der Älteste von den Jägern und hatte die meisten erst hierher geführt. Dass es diese Halbstarken geschafft hatten einen wütenden Bären mit ihren Speeren zu erlegen, hatte ihn überrascht. Sie würden es bei dem Fest noch weit bringen. Die Jagden in den einsamen Bergtälern waren immer eine Probe, bei der die jungen Männer ihren Mut und ihre Stärke beweisen konnten. Wer sich bewährte, würde ein begehrter Bräutigam sein. Die Saena führten keine Kriege. Hin und wieder gab es Streitigkeiten zwischen den Sippen in den Sommerlagern, wenn ein Mann den anderen um eine Frau beneidete und ihn erschlug. Aber große Kämpfe wurden vermieden und die Saena lebten auch zu verstreut und das Leben war zu hart, um Kriege zu führen. Deswegen wurde die Bekanntschaft von Menschen aus anderen Völkern oder Zwergen auch nach Möglichkeit gemieden. Sie brachten Kriege, große Heere und dann wurde viel Blut vergossen. Also hielten sich die Saena von ihnen fern. Aber es war nicht immer vermeidbar, dass solche Dinge in die Welt der Saena eindrangen und die Berge schützten zwar vor feindlichen Königen, aber nicht vor anderen Gefahren, die einzeln in die Täler kamen und einsame Jäger und Herden angriffen… Der Gedanke, dass in diesen Wäldern eines von den Wesen, die man nur aus den Sagen und Geschichten kannte und weiter nur daraus kennen wollte, war, eine Troll oder eines dieser Wesen, die in Gestalt gewöhnlicher Tiere angriffen und doch viel gefährlicher waren, schwebte in den Köpfen, wurde aber nicht ausgesprochen. Dann war da ein Geräusch, von dem Husas zuerst meinte, dass es der Hund wäre: Das Trommeln von Pfoten auf dem Boden, in schnellem Lauf. Aber es war nicht der Hund. Der Hund stand still und knurrte wütend und bellte. Die Jäger hinter Husas erschraken und griffen sofort mit zittrigen Händen nach den Bögen und Speeren. Der Hund riss sich mit aller Gewalt los und lief knurrend zwischen die Bäume. „Gata!“, rief Husas den Hund, aber der lief knurrend weiter. Hinter ihm blieben die Jäger zurück, die alle die Hände an den Waffen hatten, aber unschlüssig waren, ob sie dem Hund folgen wollten. Er war schon einmal weggelaufen und sie hatten ihn tagelang gesucht, denn es war ein guter Hund. Husas hatte nicht nach seinen Waffen gegriffen. Er war ein alter Jäger und wurde selten unruhig. Zumindest wollte er den Jüngeren nicht zeigen, dass er unruhig war. Der schwarze Hund stand ein Stück von ihnen entfernt zwischen Birken und schien nach dem, was so bedrohlich war, zu suchen. Es war ein grauer Fleck, der kurz zwischen zwei Birken in der Nähe des Hundes erschien und dann wieder verschwand. Dann drehte sich der Hund sofort um und rannte so schnell er konnte wieder zu den Jägern zurück. Ein leises Winseln war zu hören. „Das ist ein Troll.“, sagte einer der hinteren, obwohl es klar war, dass auch er nur den grauen Fleck gesehen hatte. Andere schüttelten den Kopf. Einer der Jäger, der näher bei Husas war, drehte sich zu ihm um. „Ich habe einen Mann gesehen. Er ist in dieselbe Richtung gegangen. Er trug graue Felle wie wir.“ Husas nickte. „Wir gehen weiter.“; sagte er mit entschlossener Stimme. Wie die jüngeren Jäger ihn entgeistert von hinten anstarrten, sah er nicht. Aber er ging entschlossen weiter und stampfte durch den Schnee. Das ging eine Weile so, auch wenn die Jäger immer wieder ängstlich nach links schauten und die Waffen ständig in den Händen hielten. Dann war wieder das Getrommel zu hören. Und der jüngste schrie entsetzt auf. „Es kommt!“ Und dann war da wieder der graue Fleck, jetzt schon bedrohlich näher, ein Stück links hinter Husas, zwischen Birkenstämmen und sehr schnell. Es war nicht zu erkennen, was es war. Der Hund knurrte nicht, sondern er winselte und die Pfeile an den Sehnen zitterten. Das Getrommel dauerte einige Augenblicke, dann verebbte es, eine kurze Pause entstand, dann war es wieder zu hören, aber weiter weg. Einige Jäger atmeten auf. „Es geht weg von uns.“, sagte einer mit einem Seufzer der Erleichterung. Die Angst und gleichzeitig die Erleichterung standen jedem ins Gesicht geschrieben. „Wir gehen weiter!“, befahl Husas. Widerwillig und noch immer wachsam zur Seite schauend, folgten ihm die anderen Jäger. Von dem grauen Fleck und dem Getrommel war nichts mehr zu hören. Der Wald schien wieder ruhig und friedlich, als hätte es hier nie etwas gegeben, was die Jäger erschreckt hätte. Aber niemand von den anderen Jägern hatte den in graue Felle gekleideten Mann gesehen, der jetzt knapp hinter Husas ging. Husas hatte den Mann schon bemerkt. Er war älter als er selbst, sehr sehnig, hatte einen Bart, der genauso grau war wie die Felle, die er trug, und ging schnell genug, um bald gleichauf mit Husas zu sein. „Wie war die Jagd?“, fragte er. „Wir haben zwei Steinböcke, einen Hirsch, einige kleine Tierchen und einen Bären erlegt.“, antwortete Husas, ohne den Mann anzuschauen, denn der Blick des Mannes war sehr durchdringend. „Ein Bär? Nun, ich habe das Fell gesehen. Der, der das geschafft hat, wird sicher eine schöne Frau zur Braut bekommen.“, sagte der Mann. „Sonst noch etwas?“ „Uns ist ein Junge begegnet von vielleicht zwölf Jahren.“, antwortete Husas. „Er war schon seit vielen Tagen auf der Flucht, halb verhungert und schon fast tot. Wir haben ihn eine Woche lang durchgefüttert. Er hat unseren Hund wiedergefunden und uns zurückgebracht.“ Der Mann nickte. „Dieser Hund? Nun, es war wohl einer von den Berg- Chori, nehme ich an. Er wird wohl aus einem der Dörfer gekommen sein, die verwüstet wurden. Ich war zufällig in der Nähe unterwegs, als diese Reiter eines der Dörfer angegriffen haben. Sie hatten einen Drachen mit dabei.“ Husas zitterte gegen seinen Willen. „Ein Drache, Herr? Haben sie sich wieder zurückgezogen?“ „Ihr kleiner Ausflug in den Bergen scheint vorbei zu sein. Die Reiter haben sich zusammen mit ihren Gefangenen wieder zurückgezogen. Der Drache ist jetzt auch wieder weg. Sie haben mindestens zehn von den Dörfern niedergebrannt. Zumindest wird es jetzt nicht mehr viel Streit mit den Berg- Chori um die Jagdgründe in den Tälern geben.“ „Besteht für uns Gefahr?“, fragte Husas. „Nicht wirklich. Sie haben sich ja wieder zurückgezogen. Ich weiß nicht, was sie eigentlich gewollt haben. Aber ich glaube auch, dass wir damit nichts zu tun haben. Aber wir müssen vorsichtig sein. Ich habe erfahren, dass weiter nördlich einiges in Bewegung gekommen ist. Große Ansammlungen von Kriegern unter den dunklen Bannern. Aber auch andere. Sie stellen große Heere auf. Weiter südlich fließt viel Blut. Und sie jagen Zwerge, das ist sicher. Wieso, weiß ich auch nicht. Aber sie jagen Zwerge, fesseln sie und sperren sie ein.“ Husas fragte sich, ob die anderen Jäger nicht langsam stutzig geworden waren, weil auf einmal einer mehr dabei war. Aber weiter hinten rührte sich nichts. Vielleicht hatte der Mann auch da vorgesorgt. Er fragte weiter: „Das klingt so, als ob es uns gar nichts angeht.“ „Ich glaube auch nicht, dass es uns etwas angeht. Aber wir Saena und unsere Verwandten, die dieselben Götter anbeten und in festen Dörfern bei den Chori leben, werden noch Schwierigkeiten bekommen. Nun, das ist nicht unsere Sache, aber wir sollten aufpassen, dass nicht jemand versucht sich bei uns Futter zu besorgen.“ „Wer soll gewinnen? Was wäre für uns am besten?“, fragte Husas. Er wusste wenig von den großen Dingen da draußen, aber sie schienen immer wichtiger zu werden. „Auf jeden Fall nicht die, die gerade die Herrschaft inne haben.“, antwortete der Mann. „Sie hassen die alten Götter und wegen ihnen schwindet ihre Macht. Und sie verstehen sich auf alle Arten der Magie. Ja, die schwarzen Krieger verstehen sich darauf. Wir werden abwarten müssen.“ „Wird es bei den Gräbern darum gehen?“, fragte Husas. „Vielleicht. Sag, wo ist der Junge jetzt hin?“ „Wir wollten ihn eigentlich zum Gehen auffordern, weil er nicht zu uns gehört. Aber er ist von selbst gegangen. Wir haben ihm ein bisschen was zum Essen geschenkt. Und wir haben ihm gezeigt, wie er am besten zu den Chori kommt.“ „Das schafft er nicht.“, sagte der Mann. „In den Bergen sind schon viele verhungert. Es muss noch nicht einmal Winter sein, damit man nichts zum Essen findet.“ „Er hat es schon vorher weit geschafft.“, meinte Husas. „Naja. Ist auch egal. Wir sollten uns nicht um die Belange anderer Leute kümmern. Ich habe auch anderes zu tun.“, sagte der Mann. Im nächsten Augenblick winselte der Hund und die anderen Jäger schraken zusammen. Eine graue Gestalt, kurz deutlich als großer grauer Wolf zu erkennen, schien kurz vor Husas ihren Weg gekreuzt zu haben, dann verschwand sie im Wald. Das Getrommel der Pfoten war noch eine Weile zu hören. Verwundert sahen die jungen Männer dem Wolf und Husas dem Zauberer nach. Zitieren
Murazor Geschrieben 15. Dezember 2008 Autor Geschrieben 15. Dezember 2008 Wenn jemand von den Orts- und Völkernamen verwirrt ist, kann ich ja noch eine Karte hinzustellen. Ich hoffe nicht. Hier beginnt jetzt die eigentliche Geschichte: Erster Teil: Rotschild I. Der Frühling sollte schon gekommen sein, in den Tälern jedoch herrschten Hunger, Kälte, Frost und Elend und in den Hochwäldern roch es nach Tod und Verwesung und es klang nach Stöhnen und Sterbensschreien. Zwei Alburgenreiter in voller Rüstung und mit voller Bewaffnung ritten oberhalb des Onael, den sie hier oben noch schäumen hörten, durch die kahlen Buchenwälder den Weg zu den Quellen hinauf. Die Quellen unterhalb der felsigen Bergkuppe gaben frisches Wasser, das nicht nach Blut und Verwesung schmeckte. Und frisches, sauberes Wasser brauchte jeder, der in den Bergen oberhalb des Onael westlich von Aeldun unterwegs war. Die Wachen an den Quellen mussten verstärkt werden. Die beiden Alburgen kannten die Gegend und den Weg schon. Hinter einer Biegung, wo es flacher wurde, lagen fünf Leichen neben dem Weg. Es waren Chori- Krieger vom Stamm der Muthan, ihre Verbündeten, und sie lagen schon seit drei Tagen dort, von Pfeilen durchbohrt. Die Leichen waren starr, aber die Kälte, die Schnee auf den Körpern gelassen hatte, hatte sie gefroren und das Fleisch verrottete nur langsam. Weiter oben würde die Alburgen noch ein Dutzend Chori verstreut zwischen den Buchenstämmen und Felsbrocken am Berghang liegen sehen. Die Hänge waren übersät mit Toten. Es waren einige Buganden und vielleicht auch Elben unter den Toten, aber es waren in der großen Mehrheit Chori, Söldner aus den Stämmen unter dem Banner des Dämonensterns, aber auch einige Krieger aus den Hilfstruppen aus Aeldun. Sie waren durch die Bergwälder oberhalb des Onael verfolgt worden, gejagt von einem Kriegshaufen von mit Äxten und Spießen bewaffneten Bunganden und einigen elbischen Bogenschützen. Das war drei Tage her. Der Ansturm war abgewehrt worden, die Angreifer hatten sich geschlagen hinter die Berge zurückziehen müssen. Die beiden Alburgen- sie hießen Othric und Aemal- waren stolz zu den Truppen zu gehören, vor denen sich die Buganden und Elben unter schweren Verlusten hatten zurückziehen müssen. Aber es gab noch immer einige Versprengte. Die Berge waren unübersichtlich. Die Übergänge des Onael waren gesichert, aber niemand wusste, wie weit sich die Angreifer zurückgezogen hatten. Morgen würden sie vielleicht wieder in Scharen am Fluss stehen. Es war eine Dummheit des Not- Feldherrn gewesen, die Schlacht in den Bergen und nicht am Fluss zu suchen. Diese Dummheit hatte tausenden Kriegern das Leben gekostet. Am Fluss hatten sie die Angreifer abwehren können. Das kalte Wasser hatte sehr viel Blut gekostet. Die beiden Alburgen waren stolz darauf. Othric hatte vier Buganden getötet, Aemal einen. Sie erinnerten sich grimmig daran, als sie ihre großen Alburgenpferde den Weg zu den Quellen hinauftrieben, aber dann schreckte sie ein Krächzen auf und Aemal hielt an. „Hir haes ban sonthang.“, rief er- „da war etwas“. Othric hielt sein Pferd an und hielt den Speer fester. „Wo?“, fragte Othric in der Alburgensprache. „Da unten am Hang!“, antwortete Aemal und wies mit seinem Speer auf das leicht abfallende Gelände links von ihnen. Sie trieben ihre Pferde an. Vor ihnen öffnete sich eine Senke. Der Boden war von altem Schnee und von den braunen, halb verfaulten toten Blättern aus dem letzten Herbst bedeckt. „Hast du es erkannt?“, fragte Othric. „Es war ein Mensch.“, antwortete Aemal „Und er hat sich versteckt.“ Othric ließ seinen Blick über die Senke gehen. Er erkannte jetzt die Toten, die dort zwischen den Felsbrocken und den Baumstämmen lagen. Es waren etwa sechs. Mit einer Handbewegung bedeutete er Aemal hinunterzureiten. Die Alburgenpferde gingen mühelos hinunter. Die Reiter bemerkten einen Vogel- es war eine Nebelkrähe- der auf einem kahlen Buchenzweig saß und sie beobachtete. „Vielleicht sind hier ja Späher.“, sagte Aemal. Othric schüttelte den Kopf. Ihm war schon etwas anderes aufgefallen. Einer der Toten zwischen den Baumstämmen. Er lag hinter einem Baumstamm und keine Verletzung war sichtbar. Ein Ohr war zu sehen. Es sah aus, als würde der Tote noch leben. Othric deutete auf den Toten, Aemal verstand. „Ein Gefangener wäre nicht schlecht.“, sagte Othric nur, reichte Aemal seinen Speer, ließ seinen schweren Schild auf den Boden fallen, und ritt mit einem Schnalzen los. Der Tote war nicht so dumm noch auf seine Tarnung zu vertrauen. Sie war aufgeflogen. Er sprang sofort auf und rannte weg, als der Alburge auf seinem schweren Schlachtpferd donnernd näher kam. Othric hatte schon erkannt, dass es kein Mann, sondern nur ein Junge war, der da voller Angst vor ihm weglief. Ein Junge in gewöhnlichen, aber zerschlissenen Bauernkleidern, was aber nichts bedeuten musste. Wichtig war nur, dass er schnell war und flink über umgefallene Baumstämme hinwegsprang, was Othric seinem Pferd in diesem schwierigen Gelände nicht zumuten wollte. Der Alburge hielt sein schnaubendes Pferd an, sprang aus dem Sattel, zog sein Langschwert und rannte dem Jungen hinterher, über Baumstämme und tote Leiber hinweg. Wäre der Junge nicht durstig und halb verhungert gewesen und wäre er nicht auf einmal vor einer Felswand gestanden, so wäre er vermutlich entkommen. Aber dann stand der Alburge hinter ihm, packte seine Haare, riss den Kopf nach hinten und legte seine Schwertklinge an den Hals des Jungen, der den Blick des Alburgen mit einem eigenartigen Trotz und einer verblüffenden Härte erwiderte. „Casha!“, befahl Othric-„ komm!“ Es war eins der wenigen Dinge, die er in der Sprache der Chori sagen konnte. Der Junge schien den Befehl annähernd verstanden zu haben, denn er leistete keinen echten Widerstand. Othric ging, während er das Kopfhaar des Jungen brutal gepackt hielt, mit ihm zu seinem Pferd zurück. Dabei betrachtete er den Jungen. Er war vielleicht dreizehn Jahre alt- Othric hatte ein Auge für das Alter anderer Leute- und schien aus der Gegend zu kommen. Was ihn überraschte, war, dass er in den Augen des Jungen die sonst erkennbare Angst vermisste, die selbst Jungs zeigten, die nicht von ihm als Gefangene herumgeführt wurden. Ebenso überraschte ihn, dass der Junge von seinem Aussehen her völlig verwahrlost war. Er hatte sicher seit einigen Wochen nichts Anständiges mehr gegessen und war ungewaschen. Das konnte man zwar von fast jedem Bengel in den Bergdörfern behaupten, aber zahlreiche Schrammen und verschorfte Wunden im Gesicht des Jungen und Blutflecken auf der Kleidung zeigten, dass es diesen hier irgendwie sehr hart getroffen hatte. Aemal wartete bei seinem und Othrics Pferd, die er beide am Zügel hielt. Neugierig musterte er den Jungen. „Der sieht nicht gerade aus wie ein Krieger.“, sagte er. „Nein. Das ist er nicht.“, antwortete Othric. „Er wird auch kein Späher sein.“, sagte Aemal. „Ach, sei ruhig und hilf mir mit dem Strick!“ Aemal reichte Othric, während er die Zügel in der Hand behielt, einen festen Garnstrick, nahm die Zügel um seinen Arm, riss die Hände des Jungen an sich- die Finger der Unterarm waren sehr dünn, bemerkte er- und fesselte sie mit dem Strick. Das andere Ende des Stricks band Othric an seinen Sattel. Sie saßen wieder auf, zurück zu der Stelle, wo noch Othrics Schild lag. Die Nebelkrähe über ihnen schien den beiden Reitern und ihrem Gefangenen zu folgen. „Das ist doch nur ein Bauernbengel.“, sagte Aemal leise zu Othric. „Vielleicht haben die Buganden oder die Trottel unter unseren Leuten sein Dorf niedergebrannt. Und wenn er jetzt halb verhungert irgendwo Aufnahme braucht, zerren wir ihn hinter uns her.“ Othric brummte ungehalten. „Das kann uns egal sein. Wir haben Befehl, jeden gefangen zu nehmen, der sich hier in den Bergen herumtreibt. Bei denen haben ja auch welche gekämpft, die noch nicht ausgewachsen waren und nie auswachsen werden, weil sie tot den Fluss runtergespült wurden. Also- wieso sollte der nicht einer von denen sein?“ „Vielleicht weil er nicht wie ein Krieger, sondern wie ein halb verhungerter Bauernjunge aussieht?“ „Und? Wenn wir unsere Waffen und die Rüstungen wegwerfen würden, würden wir auch wie Bauern aussehen. Obendrein mag der uns nicht- ich sehe es an seinem Blick. Und seine Wunden wird er sich auch nicht beim Spazieren gehen geholt haben.“ „Du willst ihn zum Sklaven machen, weil er halb irre vor Angst vor ein paar wahnsinnigen Orks in die Wälder fliehen musste!“ „Genug!“, sagte Othric. „Wenn er ganz harmlos wäre, hätte er ja einfach den Hang hinuntergehen und sich den Trotteln von Chori- Hilfstruppen vorstellen können. Unsere lieben Verbündeten“ -er spuckte voller Verachtung aus- „aus Aeldun sind ja von hier. Wenn er einer von denen wäre, hätte er nichts zu befürchten und könnte runtergehen. Na also! Irgendwas muss ja mit ihm sein und deswegen nehmen wir ihn jetzt mit runter ins Lager.“ Er sprang kurz aus dem Sattel, um wieder seinen Schild vom Boden aufzuheben. Dann ritt er voran und trieb sein Pferd zu einem schnellen Schritt an, sodass der ausgemergelte, halb verhungerte Junge immer wieder stolperte und fast mehr gezogen wurde als mitging. Dabei musste er sich einige Verletzungen zuziehen. Aemal sah sich einige Male um, aber auch wenn der Junge große Schmerzen hatte, sagte er kein Wort. Aemal glaubte trotzdem nicht, dass er stumm war. Er sagte nichts mehr zu Othric. Sie ritten wieder den Weg zurück, den sie gekommen waren. Die Wachen an den Quellen würden noch eine Weile warten müssen. Der Junge wehrte sich nicht und musste trotzdem immer wieder stolpern, trotzdem sagte er nichts. So geriet Mirhin in Gefangenschaft der Alburgen. Zitieren
Yoshimo Geschrieben 16. Dezember 2008 Geschrieben 16. Dezember 2008 Leicht verwirrend ist das mit den Völkern schon aber insgesamt wieder klasse geschrieben. Die wenigen Schreibfehler mal außen vor gelassen Bin schon gespannt wie es weitergeht. Zitieren
Murazor Geschrieben 16. Dezember 2008 Autor Geschrieben 16. Dezember 2008 Also soll ich eine Karte schreiben? Zitieren
Murazor Geschrieben 16. Dezember 2008 Autor Geschrieben 16. Dezember 2008 Mirhin wurde unsanft in den Dreck gestoßen, als sie ihn in das Lager gebracht hatten. Seine Hände waren noch immer mit dem Strick gefesselt und die Haut war wund gescheuert. Um ihn herum waren einige ebenso verwahrloste Gestalten und haufenweise Krieger mit Rundschilden und Wurfspeeren, die sich Brot kauend und dünnes Bier trinkend ausruhten. Er befand sich in einem Vorpostenlager am Südufer des Onael. Das Lager war eine hastig errichtete Ansammlung von Hütten, die von einer Palisade umgeben waren. Ein Tor gab es nicht, durch das Othric und Aemal hätten durchreiten können, der Eingang wurde nur von einigen Fußsoldaten mit Spießen bewacht. Drinnen roch es nach Suppe. Die dringend gebrauchte Verpflegung war endlich aus dem Hinterland eingetroffen. Die Söldner und die Chori aus Aeldun hatten zwei Tage lang gehungert. Jetzt waren die Kämpfe beendet, zumindest einigermaßen, und die Karren mit der Verpflegung konnten über den Fluss. Die Truppen hier- Chori und einige Alburgen- hatten diesen Brückenkopf erfolgreich, wenn auch unter schweren Verlusten gehalten und zwei Tage lang hatte niemand die Furten überqueren können. Auf den gelbbraunen Feldern beiderseits des Flusses war man immer noch damit beschäftigt die Toten zu beseitigen. Unweit des Lagers brannte ein großer Scheiterhaufen und ein Geruch, der die Krieger, wenn sie nicht ausgehungert gewesen wären, vom Essen abgehalten hatte, ging durch das Tal. Mirhin schaute sich um und sah zwei andere Alburgen auf sich zukommen. Wie die beiden hinter ihm trugen sie Kettenhemden, Armschienen, Eisenhelme mit Nasenbügeln und Langschwerter. Ohne weiter nachzudenken, gab ihm einer der beiden einen Tritt in die Seite. Stöhnend krümmte er sich vor Schmerz, rappelte sich aber auf, denn das hatte der Alburge, der Mirhins Sprache wohl nicht sprechen konnte, wohl mit seinem Tritt bezweckt. „Wo habt ihr den Burschen denn aufgeschnappt?“, fragte der Alburge, der Mirhin den Tritt gegeben hatte. Er hieß Faenar. Er musterte den abgemagerten Jungen vor ihm. „Oben, unterhalb vom Wachposten bei den Quellen.“, antwortete Othric. „Sieht aus wie ein kleiner Bauernbursche.“, meinte der vierte Alburge neben Mirhin, er hieß Grunrich. „Sanft bist du ja nicht mit ihm umgegangen.“ „Wir können mit diesen Leuten nicht sanft umgehen.“, antwortete Othric, der es leid war sich schon wieder auf ein neues Gespräch um diese Frage einzulassen. „Ein ganz gewöhnlicher Bauerjunge ist er nicht, das könnt ihr schon an seinen Augen sehen. Der hasst uns.“ „Da ist er nicht der einzige.“, entgegnete Faenar mit einem rauen Lachen. „Auf jeden Fall haben wir ja Befehle.“, sagte Othric weiter. „Wir sollen jeden, der nicht einer von unseren Leuten ist und sich südlich vom Fluss rumtreibt, gefangen nehmen und hierher bringen. Und selbst wenn er ungefährlich ist: Ich habe keine Lust, mich von den Oberen in die Mangel nehmen zu lassen, weil ich Gefangene laufen lasse.“ „Ist schon gut.“, meinte Faenar. „Er sieht wirklich sehr mager aus. Egal. Sie werden ihn mit den anderen nach Norden treiben. Sie brauchen Sklaven und Hörige. Bedarf haben sie immer.“ „Das überlebt er aber nicht lange.“, sagte Aemal leise. „Kann mir egal sein.“, antwortete Faenar. „Wir kämpfen für die und sie geben uns Befehle. Und die Befehle lauten, dass wir Gefangene machen sollen. Das kann uns egal sein, solange sie nicht Leute aus unserem Volk zu Hörigen machen. Los, beweg dich!“, sagte er zu Mirhin. Er zog sein Schwert und hielt es dem Jungen an den Kopf. Das Merkwürdige war, dass der Junge nicht mal mit der Wimper zuckte, als die Klinge vor seinem Auge war. Egal. Faenar wollte keine Zeit verschwenden. Er stieß dem Jungen an die Schulter und trieb ihn von den drei anderen Alburgen weg. „Bekommen wir nicht eine Belohnung?“, fragte Othric, der den beiden hinterher sah. „Nicht für den kleinen Burschen.“, antwortete Grunrich und schüttelte den Kopf. „Für einen gefangenen Anführer bekommst du zehn Silberstücke, aber für den mageren Jungen wirst du nichts bekommen.“ „Was?“, rief Othric. „Sollen sie dich dafür belohnen, dass du einen Jungen, der nur noch aus Haut und Knochen besteht, angeschleppt hast? Der nur einen Teil von den Vorräten vertilgen und dann auf dem Marsch nach Norden verrecken wird.“ Gleichzeitig stieß Faenar den Jungen weiter hinten, wo auch die anderen Gefangenen gefesselt untergebracht waren, noch einmal in den Dreck, um dann grinsend zurückzukommen. Othric sah Grunrich wütend an. „Dann hätten wir ihn ja gleich laufen lassen können.“ Grunrich zuckte kurz mit den Schultern. „Deine Sache. Hast du erwartet, dass die Oberen großzügig sind?“, fragte er und Othric schüttelte den Kopf. „Ein Fresser mehr.“, meinte Faenar, der wieder neben ihnen stand. „Ich hoffe, dass wir jetzt in nächster Zeit Ruhe haben werden. Ein paar Tage in einem gemütlichen Lager wären jetzt nicht schlecht.“ Othric war jetzt nicht in guter Stimmung. „Ihr habt es gut. Ihr habt hier euer gemütliches Lager. Wir müssen die Trottel da oben verstärken und dürfen uns am Berghang den Hintern abfrieren.“ Faenar sah ihn kurz an. „Tja. Pech gehabt.“, sagte er und wandte zusammen mit Grunrich den beiden den Rücken zu. Mirhin richtete sich auf und wischte sich mit dem Ärmel den flüssigen Dreck aus dem Gesicht. Er war genauso verdreckt und verlaust wie die anderen Gefangenen. Er sah sie sich an. Ein Dutzend anderer Gefangener, alle mit gefesselten Händen und damit mühsam Suppe aus Tonkrügen löffelnd, saßen auf dem nackten Erdreich, wo nur noch wenige grüne Grashalme aus dem Schlamm herauswuchsen. Die Füße und Hufen hatten die Wiesen am Fluss zertrampelt. Die Gefangenen waren von Wachposten umgeben, die lässig miteinander schwätzten. Von irgendwoher war Geschrei zu hören. Drei Gefangene standen vor einem großen Suppenkessel aus Bronze- es war ein großer Kessel, wie es sie nur bei den Chori- Völkern gab- und baten mit ihren Tonschüsselchen um Suppe. Mirhin stand sofort auf und ging hin. Nach einigem Warten mit einem vor Hunger knurrenden Magen bekam er eine Tonschüssel und sie wurde ihm mit einer wässrigen Brühe gefüllt. Es war besser als gar nichts und besser als alles, was er in den letzten Tagen gegessen hatte. Wie lange war er schon auf der Flucht? Schwer zu sagen. Vielleicht schon zwei Monate. Anfangs war er für eine Weile bei Saena- Hirten untergekommen, die in den Bergen auf Jagd waren. Die Saena hatten ihn eine Weile bei sich geduldet, weil er ihnen ihren besten Hund, der weggelaufen war, zurückgebracht hatte. Diese Sache mit dem Hund, der halb verhungert war und sich deswegen jedem Menschen anschloss, der ihm ein paar tote Mäuse geben konnte, war der Grund, wieso sie ihn etwa eine Woche aufnahmen. Und es war sein Glück gewesen. Wäre er nicht auf die Saena gestoßen, die jeden Winter in den Tälern auf Jagd gingen, wäre er sicher verhungert. Der Winter dauert lange in den Bergen und Mirhin war dem Ende oft nahe gewesen. Er erinnerte sich an das ewige Gehen durch zugeschneite Wälder, bei Tag und bei Nacht, um nicht zu erfrieren. Ihm war kein Körperteil erfroren, denn er hatte dicke Winterkleider mit Fellen und dicken Stiefeln getragen, als er aus seinem Dorf fliehen musste. An die Flucht aus dem Dorf erinnerte er sich sehr viel besser als an all die gleichen Nächte, wo er irgendwo in einer Grube im Wald gesessen und gebetet hatte, dass das Wolfsgeheul nicht noch näher kam. Aber er hatte überlebt und das war mehr, als man jemals von ihm erwartet hätte. Jemand, der seit dem Tag, der sein Schicksal verändert hatte, am Anfang des Winters, sein Freund war, hatte ihm geholfen und vielleicht hatte auch ein guter Gott eingegriffen. Er hatte die Hoffnung nicht verloren und vielleicht war da auch ein wenig Hass dabei, der ihn antrieb und ihn nicht einschlafen ließ, während er unablässig weiter ging. Er war nach Nordosten gegangen. Die Menschen in den Bergdörfern wussten nichts von der Welt, aber sie hatten zumindest gewusst, dass in Richtung der Täler ein Volk lebte, das mit ihrem Stamm mehr oder weniger verwandt war und das auch dieselbe Sprache benutzte. Die Saena waren sein Glück. Eine Woche lang blieb er bei ihnen und half ihnen dabei Hirsche zu häuten. Aber er war ein schlechter Jäger und irgendwann wusste er, dass ihre Dankbarkeit für die Rettung des Hundes an ihre Grenzen gekommen war. Immerhin hatte er immer großen Hunger. Also verabschiedete er sich von den Jägern und sie erklärten ihm, wie er am besten in Richtung des niedrigeren Berge kam. Er war gewandert und hatte die Spuren der Zerstörung gesehen, deren Grund er mittlerweile kannte. Eine Kette von Dörfern der Bergbewohner war verwüstet worden und von den Bewohnern war nichts mehr zu sehen. Das war ihm nicht neu, sonst hätte er schon früher versucht zu einem anderen Dorf zu kommen. Zumindest fand er ein bisschen Brot und einmal sogar ein bisschen Pökelfleisch in den Trümmern. Sein Weg führte von da an in Richtung Flachland, von wo man erzählte, dass es dort sehr viele Menschen gab, die mit den Bewohnern der Berge stammesverwandt waren. Und immerhin hatte er auch gewusst, dass man im Flachland auf viele verschiedene Gestalten treffen konnte, darunter auch auf viele Zwerge, die von Dorf zu Dorf zogen, um ihre Arbeit als Schmiede anzubieten, oder um Waren zu verkaufen. Das und die Tatsache, dass er als vollkommen vogelfreier Waisenjunge keine andere Möglichkeit hatte, waren der Grund, wieso er versucht hatte sich ins Flachland durchzuschlagen. Er hatte es ja geschafft, zumindest zum Teil. Nur sah es im Flachland ein wenig anders aus, als er es erwartet hatte. Er hatte vor allem nicht erwartet, dass sein Weg in ein Gebiet führte, wo es von Not- Truppen und ihren Verbündeten nur so wimmelte. Er hatte die dünne Suppe ausgelöffelt. „Wo kommst du her, Kleiner?“, fragte ihn jemand in seiner Sprache, aber mit einem starken Dialekt. Er drehte sich um und sah einen Gefangenen mit struppigem braunem Bart, der ihn angesprochen hatte. „Aus den Bergen.“, sagte er mit dünner, rauer Stimme. Der Braunbart nickte und musterte ihn. Genauso wie einige andere. „Ein Chori?“ Mirhin nickte. Er war ja mehr oder weniger ein Chori, auch wenn er erst vor etwa zwei Wochen von einem verirrten Flüchtling erfahren hatte, wer die Chori waren. Ein Chori zu sein bedeutete nichts. Es gab Chori wie Sand am Meer, es gab sie als Gegner und Diener Notrons, sie besiedelten alle Länder, die man innerhalb eines Monats erreichen konnte. So viel hatte er von dem verirrten Flüchtling erfahren, den er in den Trümmern eines von Not- Söldnern verwüsteten Handelsplatzes an einem kleinen Lagerfeuer gefunden hatte und der sich mit Mirhin lange unterhalten hatte, weil er einsam war. Ein Chori war nur durch das Volk, zu dem er gehörte, und zu dem Stamm, zu dem seine Sippe gehörte, etwas wert. Und diese Tatsache machte Mirhin gerade sehr traurig, denn er inzwischen weder einen Stamm noch eine Sippe. „Welcher Stamm, welche Sippe?“, fragte der Braunbart weiter. Das war die Frage, die genau beschrieb, wieso Mirhin alleine war. Er schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Stamm und keine Sippe mehr.“ Es war merkwürdig, dass der Braunbart keinesfalls überrascht wirkte, sondern nur nickte. „Da bist du nicht der einzige. Sie haben reihenweise Dörfer niedergebrannt, als hier gekämpft wurde. Ich nehme mal an, dass dein Stamm einer von denen war, die geglaubt haben, dass es mit Notron bergab geht, wenn die Zwerge nicht mehr mitmachen, oder?“ Mirhin antwortete nichts, der Braunbart lachte auf eine grausame Art, was er selbst nicht zu bemerken schien: „Da waren sie nicht die einzigen. Aber mach dir keine Gedanken. Du wirst schon bald nicht mehr allein sein.“ Als Mirhin ihn weiter verwundert ansah, antwortete der Braunbart: „Sieh bringen alle ihre Gefangenen nach Norden. Sie haben im Norden Dörfer von Hörigen, die für Notron arbeiten müssen. Als Bauern oder in den Bergwerken, um diese Halunken hier zu versorgen. Da wirst du nicht mehr lange alleine sein.“ Mirhin antwortete nichts. Er dachte nach. Wie hatte er nur denken können, dass er sich bis nach Amrohoc durchschlagen könnte? Er wusste noch nicht einmal, wo Amrohoc überhaupt lag. Er konnte keine Sprache von den vielen anderen Völkern auf der Welt sprechen, er kannte keine Wege, konnte nicht kämpfen, hatte keine Verpflegung und wusste überhaupt nichts. Jetzt saß er hier in diesem Lager und sie würden ihn nach Norden verschleppen. Wenn er in den Wäldern allein wäre, würde er schon entwischen können, aber er war nicht allein, sondern in einem von Not- Truppen streng bewachten Lager in einer Gegend, wo es von Söldnern und Alburgen nur so wimmelte. Er sah sich um. Die Alburgen blieben auch im Lager unter sich. Die zwei, die ihn in Empfang genommen hatten, hatten irgendwie ein Fass mit Bier in die Hände bekommen und waren dabei es mit zehn anderen Alburgen zu leeren. Neben ihnen waren noch etwa fünfzig Chori- Söldner im Lager. Wie alle Chori trugen sie Äxte, Spieße, mehr oder weniger lange Schwerter und große Rundschilder. Ein paar besaßen Helme. Ihre Bewaffnung war uneinheitlich, aber sie wurden angehalten möglichst dunkle Mäntel und Waffenröcke zu tragen. Diese Söldner saßen nebeneinander auf dem Boden oder auf umgefallenen Holzstücken und plauderten. Mirhin sah sich nun seine Mitgefangenen an, mit denen er die nächsten Tage wohl zusammen verbringen musste. Es waren zwanzig. Alle sahen deutlich mitgenommen aus und hatten ihre Hände gefesselt. Fünf waren Frauen. Zwei von den Männern waren gefährlich verwundet worden, der eine hatte eine blutende Wunde am Arm, der andere eine am Bein. Mirhin wollte sich nicht ausdenken, was mit den beiden, die schon sehr blass aussahen, noch geschehen würde, aber er konnte es sich schon unfreiwillig gut vorstellen. Sie schienen alle Chori zu sein, der Braunbart gehörte dazu, fünf waren aber keine Chori, dazu gehörten die zwei Verwundeten. „Sind das Buganden?“, fragte er den Braunbart, der freundlich aussah. „Mm? Ja, das sind Buganden. Arme Schweine. Sie wurden in den Bergen gefangen genommen. Die zwei werden sowieso verrecken, denen wird nicht geholfen. Die Wachen sind nicht gerade freundlich zu ihnen, sie haben ja ordentliche Verluste durch die Buganden gehabt. Diese Bastarde!“ Anscheinend meinte er damit die Wachen. „Die Söldner stehen schon hinter Notron?“, fragte er. Der Braunbart würde antworten. „Die Alburgen sicher. Wenn die einen Eid schwören, dann halten sie sich auch daran. Bei den anderen ist das nie ganz sicher. Bei denen, die wie wir Chori sind, können wir uns aber sicher sein, dass sie das bisschen Silber, was sie bekommen, höher halten als das Leben anderer Chori. Ihre Leute daheim werden von Notron ausgepresst, da gehen sie ins Heer und verdienen wenigstens mehr als wenn sie Steuern zahlen.“ Der Braunbart erzählte gern und viel. Aber Mirhin wollte ja auch viel wissen. Er beobachtete trübsinnig das Treiben um ihn herum. Die Berge südlich des Onael waren mit ihren Hängen hinter Dunst und Nebel verborgen. Schnee hielt sich dort noch. Irgendwo war ein Hornstoß zu hören und Alburgen ritten am Lager vorbei, wie er an den Stimmen hören konnte. Dann flog eine Nebelkrähe ins Lager und setzte sich neben Mirhin auf den Boden. „Ich habe dich vermisst.“, sagte Mirhin leise zu der Nebelkrähe. Sie sah ihn verständnisvoll an. „Ein schönes Tier.“, sagte jemand anders hinter ihm. Mirhin drehte sich um und sah einen Gefangenen, den er vorher unter den anderen neunzehn gar nicht richtig wahrgenommen hatte, obwohl er in seiner Nähe saß. Er war rothaarig und sein Gesicht war von Sommersprossen übersät, er war groß und wirkte trotzdem dünn und schlaksig. Er erinnerte an einen Fuchs und sah auf den ersten Blick jünger aus als er tatsächlich sein konnte. Mirhin hätte ihn zuerst auf zwanzig Jahre schätzen können, auf den zweiten Blick schätzte er ihn auf mindestens vierzig Jahre ein. Aus den braunen Augen sprachen gleichzeitig Erfahrung und ein Stück Härte, auf den ersten Blick hatte Mirhin darin Verspieltheit gesehen. Die gefesselten Hände ruhten lässig auf den Knien und er musterte Mirhin wie ihn die Alburgen gemustert hatten. „Ja.“, sagte Mirhin und strich mit seinen Fingern über das weiche Gefieder der Nebelkrähe, die den Fuchsmenschen misstrauisch ansah. „Ich heiße Danair.“, sagte der Fuchsmensch. „Ich heiße Mirhin.“, sagte sein Gegenüber, um sich bald darauf zu fragen, wieso es überhaupt geantwortet hatte. „Der Rabe fliegt mit dir?“, fragte Danair mit einem kecken Blick. Mirhin wusste nicht, was er unter dieser Frage verstehen sollte. Danair lächelte. „Wie haben sie dich geschnappt?“, fragte er. „Ich war am Berg unterwegs. Sie haben mich gesehen, als sie den Weg raufgeritten sind.“, antwortete Mirhin. „Wie haben sie dich geschnappt, Danair?“ „Ich habe mich ihnen ergeben.“, lautete die knappe Antwort. Mirhin wusste darauf nichts zu erwidern. Wenn er sich freiwillig ergeben hatte, konnte man kaum viel von ihm halten, dachte er. Neben ihm brummte der Braunbart, dessen Name er noch nicht wusste. „Du bist ein Feigling Danair.“, sagte er. „Und dumm bist du obendrein. Wer sich denen ergibt, obwohl er fliehen oder kämpfen kann, ist feige und dumm gleichzeitig. Mich haben sie erst gekriegt, als sie mich im Wald umzingelt hatten und ich mich nicht wehren konnte, mit Fäusten allein geht das ja nicht.“ Danair sah zum Braunbart hin. „Du hättest dich ja töten lassen können, Burnos.“ Der Braunbart, der Burnos hieß, brummte wütend. „Nach dem, was ich erfahren habe, sind sie an deinem Versteck im Wald vorbeigekommen und du bist einfach vorgetreten und hast dich ergeben. Schande über dich!“ „Das war das Beste, was ich tun konnte.“ „Wenn jeder so handeln würde wie du, wären wir schon alle als Hörige im Norden.“ „Da werden wir vielleicht bald sein.“ Das „Vielleicht“ verwunderte Mirhin. „Woher kommst du?“, fragte er Danair. „Vom Stamm der Baenir.“, sagte Danair. „Wir siedeln ein Stück weit östlich von hier, weiter in den Bergen drinnen, südlich des Flusses.“ „Die Baenir, pah!“, Burnos spuckte aus. „Ein Stamm von Schwächlingen seid ihr. Ihr seid ja noch fast Ureinwohner, Nunae- Geisteranbeter. Ihr seid keine echten Chori.“ „Hier in den Bergen sind doch alle Mischlinge.“, entgegnete Danair. „Die ganzen Muthan sind Mischlinge von eingewanderten Chori und Nunae.“ „Mein Stamm, die Cuthas, sind mutige Krieger. In uns fließt noch das Blut unserer Vorväter, die das Nunae- Volk einst unterworfen haben. Deswegen haben wir bis zuletzt gekämpft, deswegen haben wir uns selbst mit Stöcken gewehrt, als sie unsere Dörfer angegriffen haben. Ihr aber habt euch gleich unterworfen, Schande über euch!“, rief Burnos wütend und es war fast ein Brüllen. „Ruhe!“, rief einer der Wachen. „Jaja.“, sagte Burnos leise, Danair schwieg. Mirhin schwieg, weil er ohnehin nur verwirrt war. Er verstand rein gar nichts von dem, was die beiden gesagt hatten. Zitieren
Murazor Geschrieben 17. Dezember 2008 Autor Geschrieben 17. Dezember 2008 Am Fürstenhof von Aeldun „Er ist tot, er ist tot…“, hallte es durch die Hallen. Das konnte nicht sein, dachte sich Saefin. Meinten sie wirklich den alten Fürsten? Er war doch auf dem Weg der Besserung gewesen und er war sicher gewesen, dass er in einigen Tagen wieder auf den Beinen sein würde. Wie konnte er jetzt tot sein? Der etwa fünfzigjährige Schreiber erhob sich von seiner Arbeit. Er war dabei in einer mit Eichenholz getäfelten Kammer, die zur Burg gehörte, eine Chronik über die Fürsten von Aeldun, über die zehn wirklichen und die zehn halb sagenhaften Anführer des Muthan- Volkes, anzufertigen. Der alte Fürst hatte ihn damit beauftragt, endlich die Geschichte der Fürsten und des Volkes auf edles Pergament zu bringen, denn Saefin war schon lange Schreiber am Fürstenhof von Aeldun, seine Schrift war sehr schön- das sagten die, die selbst nicht schreiben konnten- und sein Schreibstil war angenehm- das sagten die, die noch nie ein Buch gelesen hatten- und er war bekannt für seine Begeisterung für die Geschichte der Muthan, die noch nie jemand schriftlich festgehalten hatte, was er sich als Lebensaufgabe vorgenommen hatte. Aber jetzt konnte er nicht mehr länger die Geschichte fortschreiben. Er hatte in diesen Tagen mehr als jemals zuvor das Gefühl, dass die wichtigen Ereignisse und Taten schneller vorübergingen als er mit der Feder hinterherkam. Und jetzt war auch noch der alte Fürst gestorben, obwohl er nicht tot sein konnte. Er stürzte aus der Kammer heraus. Er betrat einen großen, genauso getäfelten und mit schönen Wandteppichen behängten Flur. Auf der linken Seite waren Fenster, durch die Sonnenstrahlen hineinkamen und den Flur mit der Vertäfelung und den Teppichen beleuchteten. Auf der rechten Seite waren schwere Türen. Sie führten zu anderen Kammern, in denen Saefins Untergebene, Ratgeber des Fürsten, seine Sippenmitglieder und andere Mitglieder des Hofes saßen, oder auch zu anderen Gängen. Die Burg des Fürsten von Aeldun war ein gewaltiger Bau für einen Mutha, auch wenn es vielleicht noch größere Häuser auf der Erde gab. Jetzt jedenfalls war der Flur voll von aufgeregten Menschen, von Dienern und vornehm gekleideten Männern und Frauen. Saefin schritt entschlossen voran. „Er ist tot…“, wimmerte irgendwer in dem Gewimmel. Immer wieder. Saefin fragte sich, wer das sein mochte. Eine von den Dienerinnen. Er bog nach rechts, an drei verwirrten Wachen vorbei, in den Gang ab, der zum Schlafgemach des Königs führte. Es war ein langer, dunkler Gang, auch wenn er ebenso vertäfelt und geschmückt war wie fast alle anderen Räume im oberen Teil des Fürstensitzes. Hier waren einige Menschen, alles Diener, die nicht zu wissen schienen, was sie machen sollten. Wenn etwas geschah, waren die allermeisten Menschen verwirrt und wussten nicht, was sie machen sollten. Saefin war aber nicht verwirrt. Er ging weiter, vorbei an fünf Wachen, die gerade drei Dienerinnen davon abhielten ins Schlafgemach zu stürmen. Der alte Fürst hatte selbst im Alter einige Geliebte gehabt. Einem Fürsten der Muthan hatte man das noch nie übel genommen. Die Wachen ließen ihn vorbei, als er kurz ein „Erkennt ihr mich nicht, Jungs?“ sagte. Die Leibwachen des Königs in ihren stählernen, von Zwergen gemachten Schuppenpanzern, waren so verwirrt, wie es gerade Wachen niemals sein sollten. Der Schreiber Saefin ging hingegen entschlossen ins Schlafgemach hinein. Dort begegnete er der Frau, die mit ihrem Geschrei die ganze Burg um ihre Ruhe gebracht hatte. Sie saß in einer Ecke und weinte jämmerlich. Die Tränen kullerten ihre Backen in den braunen Dienerinnenkittel hinunter. Eine Wache stand über ihr und wollte sie wegholen, aber die Frau- es gab vielleicht Frauen, die in schwierigen Augenblicken Stärke bewiesen, aber sie gehörte nicht dazu- war so verunsichert, dass sie sich nicht bewegen wollte. Es hatte sich auch noch kein anderer zum Bett gewagt. So kam es, dass Saefin als erster dorthin kam. Und er sah als zweiter nach der Dienerin, dass Fürst Mogal, Herr der Muthan, tot war. Er lag auf seinem mit Bärenfellen gepolsterten Bett in der Mitte des großen Schlafraumes, neben dem glimmenden Feuer im Kamin. Der Raum war mit Teppichen verziert. Durch ein geöffnetes Fenster kamen kalte Luft und Sonnenlicht hinein. Kein anderer Mutha schlief so herrlich und Mogal würde nun ewig schlafen. Saefin trat an seinen Herrn heran. Die Krankheit hatte Mogal ausgezehrt, die Wangen des zur linken Seite hin geneigten Kopfes waren hohl und die auf die Haare der Felldecke starrenden Augen tief in ihren Höhlen. Der graue Bart, der dem Kranken ein wenig geschnitten worden war, war zerzaust. Ein Speicheltropfen hing im Mundwinkel. Mogal war zweiundsechzig Jahre alt geworden, älter als die meisten Muthan wurden, aber er war vor seiner Zeit gestorben, wie Saefin traurig bemerkte. Er hatte seinen Fürsten immer verehrt und geachtet, denn er war für ihn eine Art von Vertrauter gewesen, der mehr erledigt hatte als nur die Schreibarbeit, sondern den Fürsten auch in einigen Dingen erwartet hatte. Saefin trat an den Leichnam heran. Es war traurig anzusehen, dass der Tod anscheinend in einem kurzen Anfall gekommen war. Der Fürst war nie ein Mann mit schwacher Gesundheit gewesen, aber vor vier Tagen hatte er sich erbrochen, hatte Fieber bekommen und wirres Zeug geredet. Das war überraschend gekommen, aber wenn man krank wurde, ließ sich das kaum vermeiden, besonders bei Menschen, die trotz aller Stärke ihre besten Lebensjahre schon hinter sich hatten. Der Anfall musste kurz und schnell tödlich gewesen sein, denn die Decken waren noch ordentlich. Saefin streckte den Arm aus, um dem Toten die Augen zu schließen. Es war traurig, dass er für seinen Herrn und Freund wenig mehr würde machen können. Seine Finger berührten die kalte Haut des Toten. Saefin fürchtete sich nicht davor, er hatte schon genug Tote sehen und berühren müssen. Die Augenlider gingen nicht sofort zu. Als der Fürst aussah, als würde er schlafen, zog Saefin seine Hand zurück und berührte dabei eines der mit Federn gepolsterten Kissen. Es fiel auf die Rückseite und dabei wurde eine dünne Speichelspur sichtbar. Zitieren
Murazor Geschrieben 21. Dezember 2008 Autor Geschrieben 21. Dezember 2008 „Der Fürst ist tot.“, rief jemand auf dem Gang. „Lasst mich ihn sehen!“ Saefin trat schnell zur Seite. Gorig, Sohn Mogals und somit wohl der neue Fürst, trat, flankiert von drei Begleitern, in das Schlafgemach seines Vaters. Hinter ihm drängten sich die Wachen und Diener in den Raum. Saefin hatte sich an die dem Bett gegenüberliegende Wand gestellt, als Gorig an den Leichnam seines Vaters trat und ihn mit ausdruckslosem Gesicht musterte. Gorig war seinem Vater ähnlich, er hatte dieselbe nach vorne zeigende Nase, dieselben tiefen Augenhöhlen und dasselbe runde Kinn. Aber er war seinem Vater in gewissen Dingen auch unähnlich. Sein gestutzter und unten geflochtener Bart war rot, Magols Haar war blond gewesen, bevor es ergraute. Und überhaupt kam Gorig mit seiner schmeichlerischen und gleichzeitig aufbrausenden Art mehr nach seinem Onkel Graegir als nach seinem Vater, er war auch kleiner. Saefin kannte den Fürstensohn schon seit dessen Geburt, war ihm aber nie so vertraut wie Magol geworden. Er wusste nicht, was er von Gorig als neuem Fürsten halten konnte. Magol war auch kein Herrscher wie in den alten Zeiten gewesen, zu vorsichtig im Umgang mit Freunden und Feinden und zu hintertrieben, um seinem Volk ein starker Führer zu sein. Wie es mit Gorig aussehen würde, konnte Saefin nicht ahnen. Aber er wusste, dass die Herausforderungen an den neuen Fürsten groß sein würden. Im Land der Muthan herrschte Krieg. Gorig sah sich im Raum um und sein Blick blieb an Saefin haften, der ihn unverwandt ansah. „Hast du den Tod meines Vaters miterlebt?“, fragte Gorig mit misstrauischem Blick. „Nein, die Dienerin hat ihn zuerst tot gesehen. Ich bin aus der Schreibstube gekommen.“, antwortete Saefin ruhig. Gorig hatte eine ewig misstrauische Art. Das musste nicht unbedingt ein Nachteil für den angehenden Fürsten sein. Misstrauen war in diesen Zeiten eher angebracht als blindes Vertrauen. Einer der Begleiter Gorigs räusperte sich. Er war ein Hauptmann der Wachtruppen in Aeldun, auch wenn er diese Stellung seiner Verwandtschaft mit dem Königshaus und weniger seinen Fähigkeiten als Anführer verdankte. „Vielleicht lag es am kalten Wind. Jemand hat das Fenster offen gelassen.“ Gorig sah zu dem Fenster hinüber. Draußen konnte man die schroffen Berghänge im Norden von Aeldun und davor einen aus ungleichen Steinen gebauten Wachturm sehen, auf dem ein Wachposten auf und ab ging. „Wer das Fenster offen gelassen hat, muss bestraft werden.“, sagte er leise, fast flüsternd. „Befragt die Dienerschaft. Es darf nicht sein, dass mein Vater gestorben ist, weil man ihn der Kälte ausgesetzt hat.“ Dann wandte er sich wieder seinem toten Vater zu. Sein Gesicht war und blieb ausdruckslos. Saefin konnte ihn nicht durchschauen. Aber er wusste genug von Gorig um zu wissen, dass er sich lange danach gesehnt hatte Fürst von Aeldun zu werden. Und ob er den Tod seines Vaters wirklich betrauerte, konnte er auch nicht abschätzen. Immerhin waren sich die beiden zeitweise sehr entfremdet gewesen. „Ihr seid nun der Fürst.“, sagte auf einmal ein alter Mann mit Stock. Gorig nickte und Saefin erkannte einen Zug der Zufriedenheit in seinem Gesicht. Er hatte lange darauf gewartet Fürst zu werden, schon als noch sein älterer Bruder lebte und er eigentlich kein Anrecht auf den Thron hatte. Und dass Fürst Magol seinem ersten Sohn Maerig bis zu dessen Tod vor drei Jahren weit mehr Aufmerksamkeit und Liebe geschenkt hatte als seinem zweiten Sohn, hatte dazu beigetragen, dass Gorig einerseits seinem Vater und seinem älteren Bruder entfremdet wurde und andererseits ein brennendes Verlangen nach der Fürstenwürde entwickelte. Saefin wusste kaum etwas über das nähere Verhältnis von Vater und Sohn, glaubte aber, dass sie sich in den letzten drei Jahren wieder einander angenähert hatten. Magol hatte immer gewusst, dass er einen starken Nachfolger als Fürsten von Aeldun brauchte. Es gab zu viele Adelige, die Fürst werden wollten, und zu viele Schwächlinge in der Fürstensippe. „Dann werden wir Euch hier jetzt ausrufen müssen.“, sagte der Hauptmann der Wachtruppen und zog sein Schwert, um es hochzuheben, wobei die Klinge an die Decke stieß. Alle anderen hoben ebenfalls ihre Schwerter. Gorig stand einfach da und schien diesen Augenblick zu genießen. Als die Männer ihre Hochrufe brüllten, dreimal, viermal, zehnmal, sah Saefin abwechselnd zum Leichnam und zum Fenster hin. Zitieren
Murazor Geschrieben 21. Dezember 2008 Autor Geschrieben 21. Dezember 2008 (bearbeitet) II. Die Söldner hatten den Befehl bekommen, keine Zeit zu verschwenden und sie gehorchten. Hundert Gefangene wurden aus den Feldlagern am Onael zusammengetrieben und dann ließ man sie nordwärts marschieren, bewacht von fünfzig Chori- Kriegern, die mürrisch neben den Gefangenen her stampften und sie bei jeder Kleinigkeit mit Ruten schlugen. Am Onael rauchten noch immer die Trümmer von niedergebrannten Dörfern, als sie über die Furten auf das Nordufer kamen. Schon dort, gleich hinter dem Lager, starb schon der erste Gefangene, als er mit gefesselten Händen stolperte und im kalten Wasser ertrank. Aber sie wurden weitergetrieben. Im Norden wurde auf die Gefangenen gewartet. Die Söldner wussten das. Die Lebensbedingungen in den Bergwerken und den Hörigendörfern, aus denen sie selbst ernährt wurden, ließen keinen Hörigen lange leben. Deswegen wurde ständig Nachschub gebraucht, denn Notron hatte ein großes Heer im Feld, das versorgt werden wollte. Mirhin sagte dabei kein Wort. Hin und wieder sah er zum Himmel auf, aber nicht um die Götter um Gnade anzuflehen, wie einige andere Gefangene. Nein, er suchte nach seinem Gefährten auf dieser Reise. Aber der ließ sich nicht blicken. Er hatte anderes zu tun. Also hörte Mirhin den Gesprächen der anderen Gefangenen zu. Danair sagte nichts, er ging mit gesenktem Kopf, aber ohne untertänig zu wirken, mit. Burnos unterhielt sich aber mit drei Mitgefangenen, die wohl aus demselben Stamm kamen und leise über die Söldner schimpften. Mirhin wusste nicht, was in der Zeit, in der er durch die Berge geirrt war, genau geschehen war. Aber langsam erhellten sich ihm einige Dinge. Der letzte von den fünf Zwergen, die zu Beginn des Winters in seinem Dorf aufgetaucht waren, hatte es anscheinend wirklich bis in das Zwergenreich geschafft. Die Zwerge hatten deswegen mit dem Krieg begonnen und Notron hatte schwere Verluste erlitten. Denn das schien zumindest der Grund dafür zu sein, dass sich einige Stämme gegen Notron und die von Notron abhängigen Herrscher erhoben hatten. Und nach dem, was Burnos erzählte, hatten die Aufständischen dabei sogar zeitweise großen Erfolg gehabt. „Wir hätten uns niemals von Aeldun zurückziehen dürfen.“, schimpfte Burnos. „Im Gegenteil. Wenn wir uns nicht gleich zurückgezogen hätten, hätten sie uns alle getötet. Wir konnte es nicht mehr schaffen. Sie waren ja nur noch einen halben Tagesmarsch weit weg und die Alburgen hingen uns ja schon an der Gurgel.“, sagte einer der drei anderen. „Wir hätten sie besiegen können. Es war feige, dass wir uns zurückgezogen haben.“ „Es war die einzige Möglichkeit. Wenn wir uns nicht davongemacht hätten, wären wir jetzt alle tot.“ „Das sind wir vielleicht schon.“ Irgendetwas war schief gegangen. Anscheinend hatten die Aufständischen die Macht Notrons einfach unterschätzt und geglaubt, dass es niemals gleichzeitig mit den Zwergen kämpfen und die Aufständischen niederwerfen könnte. „Und die Buganden sind zu spät gekommen.“, sagte einer von den drei. „Wir hatten geglaubt, dass sie viel früher kommen. Aber sie haben sich aufhalten lassen. So hatten diese Bastarde genug Zeit, mit uns fertig zu werden.“ Die Sache war nicht schwer zu verstehen. Jedenfalls hatte Notron gesiegt und sie wurden jetzt als Gefangene nach Norden gebracht. Sie befanden sich nördlich des Onael und ein Stück weit östlich von Aeldun, der Hauptstadt der Muthan. Die Gefangenen und ihre Wärter gingen über Waldpfade. Fest angelegte Wege gab es hier nicht mehr. Das Kennzeichen der Muthan war niemals das Anlegen von Straßen, befestigten Wegen und ein Zurückdrängen von Wäldern und Sümpfen gewesen. Die Muthan waren wie eigentlich alle Chori- Völker eher ein loser Verband von Stämmen, die mehr oder weniger eng verbunden in den Tälern in den Wolkenbergen und im Vorgebirge wohnten, als eine feste Menschengruppe mit einheitlichen Gesetzen und Regeln. Nur Aeldun, der einzige Ort in diesem Land, der Stadt genannt werden konnte, stand für Ordnung und fürstliche Pracht. Es war seit alters her üblich, dass in Aeldun ein Fürst herrschte, und meist war dieser auch der Herr aller Muthan. Seit nun schon zwanzig Jahren waren die Muthan mit Notron verbündet und hatten für den Schwarzen Thron dessen Südflanke gesichert. Weiter südlich lebten Menschenvölker, die Notrons offene und selten von Posten gesicherte Südgrenze unsicher machten, wie die Buganden und die Gaelser. Dazu kamen die Elben, die weiter südlich einst ein Großreich gehabt hatten. Nun gab es sie nur noch in Restgruppen, aber sie waren eine Bedrohung. Denn vor allem in den Bergen konnten umherstreifende Aufständische oder Kriegshaufen, die unbemerkt über die Pässe weiter südlich gekommen waren, erst sehr spät entdeckt werden. Deswegen wurden die Muthan von Notron gebraucht, besonders jetzt. Mirhin erfuhr aus den Gesprächen von Burnos und den drei Mitgefangenen, dass die Not- Truppen wohl gerade einen neuen Großangriff vorbereiteten. „Sie bekommen immer mehr Verstärkung. Über die steinerne Straße kommen immer mehr Kolonnen von Söldnern. Und bei Aeldun sollen haufenweise Alburgen unterwegs sein. Es sind angeblich tausende. Und sie haben noch schlimmere Kämpfer bei sich.“, sagte einer der drei. „Und was wollen die?“, fragte Burnos. „Sie wollen nach Süden vorstoßen.“, antwortete der Mitgefangene. „Notron hat noch nie eine Niederlage hingenommen. Die werden sich nicht damit abfinden, dass ihnen, als sie mit ihren Riesenheeren schon weit gekommen waren, im Norden die Zwerge in den Rücken fielen.“ „Das gibt es nicht.“, sagte ein anderer. „Sie hatten angeblich hunderttausend Krieger da unten. Und dieses Heer hat sich ja ganz aufgelöst, als die Zwerge den Krieg begonnen haben. Wo holen die so viele Kämpfer her?“ „Die hunderttausend Krieger sind natürlich nicht alle von den Buganden, Gaelsern und Elben umgebracht worden. Die haben sich nur davongemacht, weil sie kein Futter und keinen Sold mehr bekamen. Die Zwerge hatten ja die ganzen Nachschublager geplündert. Aber jetzt hat Notron wieder genug Silber zusammengeschafft, um einen neuen Feldzug bezahlen zu können.“ Burnos schüttelte nur stumm den Kopf. Der Gefangenentrupp wanderte jetzt durch einen dunklen Birkenwald. Die Sonne war schon untergegangen, aber die Söldner hatten Befehl ihre Gefangenen innerhalb einer bestimmten Frist bis zur Sammelstelle zu bringen. Es dauerte nicht lange nach dem Sonnenuntergang, bis die Gefangenen froren. Mirhin musste die Marschgeschwindigkeit ausgewachsener Männer mithalten, fror, hatte an diesem Tag bis auf eine wässrige Suppe nichts zu essen bekommen und seine gefesselten Handgelenke waren blutig von dem Seil, das an der Haut scheuerte. Je später es wurde, desto unruhiger wurden die Söldner und schlugen auf die Gefangenen ein, um noch möglichst weit zu kommen, bevor es zu dunkel wurde um weiterzumarschieren. „Gibt es hier noch Aufständische?“; fragte Mirhin leise Danair, dem die Strapazen nicht anzumerken waren. Danair dachte nach. „Das ist nicht sicher.“, sagte er nur. „Pass auf!“ Mirhin stieß mit den Beinen an einen umgefallenen Baumstamm, den er in der Dunkelheit nicht rechtzeitig gesehen hatte. Er fiel in den alten Schnee, der zwischen toten Blättern und Zweigen am Boden lag. Mirhin taten Bauch und Beine weh, er fühlte sich wie im Inneren verbrannt. „He du da!“, hörte er von hinten die Stimme eines Söldners. „Beweg dich oder ich mach‘ dir Beine!“ Der Mann ließ seine schwere Rute an einen Baumstamm knallen, als er sich Mirhin näherte. Mirhin nahm sich zusammen und stand auf. Er blickte sich um. Der Söldner mit der Rute, in der Dunkelheit nur ein sich bewegender Schatten unter vielen, brummte missmutig. Mirhin ging weiter, bemerkte aber kurz darauf, dass ihm etwas unter seinem Hemd fehlte. Er hatte es so gut versteckt und jetzt war es ihm beim Sturz aus dem Hemd rausgefallen. Er sah sich um. Der kleine Beutel, in dem er das Stück versteckt hatte, lag noch im Schnee. Er hätte ihn nicht bemerkt, wenn der Inhalt ein Stück weit raus geglitten wäre und silbern gefunkelt hätte. „Was ist das?“, sagte jemand. Mirhin verstand schnell, drehte sich um und kniete schnell nieder. Die Finger seiner gefesselten Hände berührten den kalten Altschnee, kantige Steine, Zweige… „Was machst du da?“, rief der Söldner und ließ wieder seine Rute knallen. Ein lautes Krächzen war in der Nähe zu hören und lenkte den Söldner ab. Dieser eine Augenblick reichte Mirhin, um die silberne Fibel in die Finger zu bekommen und schnell wieder in der Masse der marschierenden Gefangenen zu verschwinden, während sich der Söldner wunderte, wo er war. Mit einem leichten Lächeln- er lächelte zum ersten Mal seit vielen Wochen- verstaute er die Fibel wieder hastig knapp oberhalb seines Gürtels. Die müden Gefangenen neben ihm bemerkten nichts. Als es so dunkel geworden war, dass man kaum mehr die eigenen Hände sehen konnte, tönten die Befehle der Söldner halt zu machen durch den Wald. Nach einem leichten Knacken war Feuerschein zu sehen. Die Söldner hatten Feuersteine zwergischer Art mitgenommen. Selbst feuchte Zweige fingen schnell Feuer und die Söldner begannen mit dem Aufschichten von Holz für große Lagerfeuer. Die Gefangenen hatten sich gesetzt, während um sie herum ihre Bewacher die Feuer anzündeten. Mirhin saß neben Danair und Burnos. Die Söldner gingen um ihre Gefangenen herum und zählten sie. Am Ende stellte sich heraus, dass es zwanzig weniger waren. Nun war die Hoffnung auf Essen verloren, denn die Söldner waren wütend und stritten miteinander. Um die graubraune Masse der Gefangenen herum war lichter Birkenwald. Durch das blätterlose Zweigedach war der tiefdunkelblaue Himmel zu sehen. Kein Stern war zu erkennen. Der braune Waldboden wurde vom Feuerschein gelb beleuchtet. Irgendwo waren Vogelschreie, darunter ein Krähen, zu hören. „Wie stark sind sie?“, flüsterte Mirhin zu Danair. „Sie sind nicht allmächtig.“, sagte Burnos. „Es gibt noch immer Mächte, die sie noch nicht zerstören konnten.“, sagte Danair. „Was haben sie mit den Zwergen gemacht?“, fragte Mirhin. „Ich habe gehört, dass hier mal viele Zwerge unterwegs waren.“ „Die haben sie alle eingesackt und zu ihren Bergwerken im Norden weggeschafft.“, sagte Burnos. „Sie bekommen keine Waffen mehr aus Amrohoc und das freut mich. Was wären Notrons Heere ohne Wurfgeschütze und Stahlschwerter? Also tun sie alles, um sich Ersatz für die fehlenden Lieferungen zu beschaffen.“ „Ihnen fehlt auch Getreide.“, fügte Danair hinzu. „Ja, das ist eine andere Schwachstelle. Je mehr Getreide ihnen fehlt, desto mehr plündern sie die Bauern aus.“, sagte Burnos. „Und deswegen ist die Gegend für sie so wichtig. Wenn unser dummer Fürst in Aeldun es nicht mit Notron halten würde, hätten die keine Möglichkeit ihre Truppen zu füttern.“ „Wieso?“, fragte Mirhin. „Das ganze Getreide wird durch das Land der Muthan zum Not- Heer geschafft.“, sagte Burnos. „Und sie beschaffen sich hier auch ihr Getreide. Deswegen haben ja viele Stämme den Aufstand geprobt.“ Die Söldner waren gerade dabei Bier zu trinken und holten die Frauen unter den Gefangenen zu sich rüber. Die Männer schwiegen dazu eisern und hörten weg, wenn Geschrei zu hören war. Die allermeisten dachten darüber nach zu fliehen. Nur war der Wald im Umkreis von den Lagerfeuern hell erleuchtet. „Gibt es hier noch Aufständische?“, fragte Mirhin leise. Die beiden dachten nach. „Es gibt noch einen, der sich noch in den Bergen rumtreibt. Aber von dem ist nicht sicher, auf welcher Seite er steht.“, sagte Burnos. Danair nickte. „Er heißt Gorch und kommt aus Burchain. Aber von dem ist nichts zu hoffen. Ich habe erfahren, dass er gerade mit den Notrai darüber verhandelt, wie viel ihnen ein Waffenstillstand mit ihm wert ist.“ „Wer sind die Notrai?“, fragte Mirhin. Die beiden sahen betreten aus. „Halb Mensch, halb Dämon.“, sagte Burnos leise. Danair schüttelte den Kopf. „Es sind Menschen, aber sie haben Zugang zu Kräften, die böse Zauberei genannt werden. Sie sind schwarz gekleidet und tragen das Zeichen des Dämonensterns. Sei froh, wenn du sie noch nicht kennst, Junge.“ Mirhin meinte, dass er sie schon kannte, aber er sagte es nicht. „Wir müssen hier doch rauskommen.“, flüsterte Burnos. „Schlag dir das aus dem Kopf. Bevor du im Gebüsch verschwinden kannst, hast du einen Speer im Rücken.“, sagte Danair. „Das geht nicht, wenn es dunkel ist.“ „Eine andere Antworte habe ich von einem von den Baenir nicht erwartet.“, schnauzte Burnos Danair an. „Du siehst aus wie eine Frau, also biete dich denen doch an, dann kommst du ja raus.“, spottete er. Danair sagte nur: „Lass uns warten.“ Bearbeitet 21. Dezember 2008 von Murazor Zitieren
Murazor Geschrieben 22. Dezember 2008 Autor Geschrieben 22. Dezember 2008 Und sie warteten. Mirhin fror erbärmlich. Er legte sich mit dem Rücken auf den Boden und versuchte am Himmel die Sterne zu erkennen, aber entweder durch Wolken, durch die Zweige oder durch eine Macht, die er selbst nicht beschreiben konnte, waren die Sterne nicht sichtbar. Um ihn herum flüsterten die Mitgefangenen. Burnos unterhielt sich mit einem über die Möglichkeiten auszubrechen, aber Danair sagte noch einmal, dass er warten solle. Die Feuer der Söldner prasselten und von ihnen war Gelächter zu hören. Ein betrunkener Söldner schlug einen Gefangenen blutig, weil er glaubte, er wollte weglaufen. Mirhin konnte nicht einschlafen, einerseits wegen der Kälte, die ihn wach hielt, andererseits wegen dem, was Danair gesagte hatte: Er sollte warten. Darunter konnte er sich nichts Genaues vorstellen, fragte aber nicht. Trotzdem dachte er bald an ganz andere Dinge, nämlich an sein zerstörtes Dorf in den Bergen, an seine Familie, an seine Freunde, an das, was zu Beginn des Winters geschehen war, und dabei musste er leise weinen. Aber irgendwann bemerkte er, wie Danair irgendetwas leise in einem tiefen, leisen Ton murmelte und unruhig in die Wälder hinausschaute. Und als Mirhin sich wieder aufsetzte und den dunklen Wald beobachtete, fühlte er einen dunklen Schauer durch sich hindurchgehen. Eine andere Macht war in diesem Waldstück erschienen und war schon bei ihnen. Unweigerlich standen ihm sofort die Haare zu Berge. Danair hörte auf zu murmeln. Auch die anderen Gefangenen waren aufgeschreckt worden und die Söldner standen von ihren Plätzen an den Feuern auf. Burnos sah sich unruhig um und blickte dann Danair um. „Das glaube ich nicht.“, sagte er. „Da ist sie!“, rief einer, in Panik. Erneut ging ein kalter Schauer durch Mirhin, als er für einen kurzen Augenblick zwischen den Birkenstämmen eine hoch gewachsene Frauengestalt in einem braunen Mantel erkannte- oder war es nur eine Täuschung? Von den Gefangenen standen jetzt etliche auf. Die Söldner griffen nach ihren Waffen. „Abergläubische Dummköpfe!“, brülle einer mit erhobenem Spieß. „Die gibt es gar nicht. Und jetzt setzt euch hin, sonst pieke ich euch mal!“ Erneut ging ein kalter Schauer durch Mirhin und durch die ganze Menge. „Sie kommt!“, schrie einer. „Maul halten!“, brüllte der Söldner, langte nach seiner Rute und schlug wahllos in die Menge hinein. Seine Kameraden standen jetzt aber mehrheitlich mit den Waffen nach außen und versuchten verstört sich selbst und die Gefangenen ruhig zu halten. Aber es war ihnen deutlich anzusehen, dass sie große Angst hatten. Wieder war eine Frauengestalt kurz zu erkennen und Gefangene schrien auf, sogar einer von den Söldnern fiel auf die Knie. „Tu uns nichts!“, schrie er. „Steh auf, Trottel!“, schnauzte ihn ein anderer Söldner an, gab ihm einen Fußtritt und riss ihn wieder hoch. Gleichzeitig versuchten fünf Gefangene wegzulaufen und Mirhin hörte die Sterbensschreie von dreien, als sie von den Speeren der Söldner getroffen wurden. „Lasst uns frei!“, forderte einer die Söldner auf, bekam aber keine Antwort. Mittlerweile war es dunkler und kälter geworden und die Feuer brannten weniger stark, sodass sie die Menge der Gefangenen und Söldner und den Wald herum nur noch schwach und undeutlich beleuchteten. Mirhin zitterte. Jetzt konnte er zwischen den Birken ganz deutlich einen hochgewachsenen Schatten sehen. Und es schien eine Frau zu sein, die sich langsam der vor Angst tobenden Menge näherte. Danair war sitzen geblieben und beobachtete das Treiben mit einer Ruhe, die jedem anderen Gefangenen fremd war. Burnos war aufgestanden und war anscheinend hin- und hergerissen zwischen Angst und dem Mut sich rauszukämpfen. „Ich hätte nicht geglaubt, dass du so etwas machen kannst.“, sagte er leise zu Danair. „Ihr Baenir glaubt ja noch an die alten Götter, aber trotzdem war das nicht zu erwarten.“ Da rastete ein Söldner aus und schlug mit seinem Speerschaft auf die Gefangenen ein. Aber die wichen nicht zurück, sondern verwickelten ihn in ein Handgemenge, in dem er am Ende am Boden lag und seine Kameraden es nicht wagten ihm zu Hilfe zu kommen, weil sie selbst panische Angst hatten. Die Gefangenen machten sich an dem um sich schlagenden Söldner zu schaffen. Mirhin, der in der Nähe saß, bemerkte, wie Danair anscheinend das Messer des Söldners geschnappt hatte und sich damit die Handfesseln aufschnitt. Dann schnitt Danair auch Mirhins Fesseln durch. Diesen Gefallen tat er auch Burnos, der dankbar brummte. In dem Getümmel ging unter, wie die Schreie des am Boden liegenden Söldners erstarben. Und dann stand sie bei ihnen. Mirhin zitterte am ganzen Leib. Es war eine hochgewachsene Frauengestalt mit braunem Fellmantel und blauem Kleid, edel und schrecklich zugleich anzusehen. Goldener Schmuck lag an ihren Händen und an ihrem Hals. Sie hatte langes blondes Haar, blasse, fast weiße Haut, und ihre Augen strahlten wie ein böser Stern die Menschen vor ihr an. Danair nickte ihr nur zu, wie Mirhin bemerkte. Die anderen sagten nichts und zitterten panisch. Dann versuchten zwei Söldner die Frau mit ihren Spießen anzugreifen. Mit Geschrei gingen sie auf die Frau los, von zwei Seiten. Die Frau drehte sich um und auf ihrem Gesicht war ein Ausdruck von blankem Hass. Mit einem Kampfschrei, der hoch und schauerlich klang, machte sie eine schnell Handbewegung in die eine Richtung. Sie berührte den einen Angreifer nicht, aber ihn hob es in die Luft, Blut spritzte und der Spieß zerbrach in zwei Teile. Dasselbe tat sie in die andere Richtung und diesmal konnte Mirhin sehen, wie sich im Gesicht des Söldners Wunden öffneten und Knochen zersplitterten. Beide Söldner fielen tot auf den Boden und rührten sich nicht mehr. Dann war um Mirhin herum nur noch Unordnung. Die Gefangenen und die Söldner versuchten gleichermaßen von diesem Ungeheuer wegzukommen und Mirhin wurde kurz zu Boden gestoßen, dann hob ihn aber Burnos wieder auf und er rannte in die Dunkelheit hinein. Aus den Augenwinkeln sah er, wie einige Söldner mit der Frau kämpften und wieder Blut spritzte. Der Rest der Söldner versuchte sich in Sicherheit zu bringen. Die Feuer flackerten nur noch ein bisschen und sonst bewegten sie sich durch völlige Dunkelheit, in der es schwer war, Bäume von Menschen zu unterscheiden. Mirhin glaubte, neben Danair zu laufen, als hinter ihm die Frau ein markerschütterndes Wutgeschrei ausstieß und erneut ein dunkler Schauer durch den Wald ging. „Damit habe ich nicht gerechnet.“, hörte Mirhin Danair leise neben sich sagen. Ein großes Angstgeschrei erhob sich und trotz der Unordnung erkannte Mirhin, dass noch jemand in diesem Wald hinzugekommen war und sich in den Kampf einmischte. Und es war keine gute Macht. Die Schatten der fliehenden Gefangenen waren gerade dabei sich im Wald zu zerstreuen, als einige der Söldner kehrt machten und vor ihnen eine Reihe von gezückten Spießen aufbauten. Von irgendwoher war Hufgetrampel zu hören. „Stehen bleiben.“, rief ein Söldner nur wenige Schritte vor Mirhin, der ihn in der Dunkelheit nicht schnell genug erkannt hatte. Der Mann zog sein Schwert und ging dann auf die Gefangenen los. Aber einer der Gefangenen- Mirhin glaubte, dass es Burnos war- schlug dem Söldner seine Faust so kräftig ins Gesicht, dass er umfiel und das Schwert verlor. Um Mirhin herum versuchten die Gefangenen zu entkommen und vielen war das schon gelungen, aber die Söldner hielten wieder zusammen, auch wenn sie es in der Dunkelheit unmöglich schaffen konnten die Gefangenen aufzuhalten und die Frau zu besiegen. Durch den Wald hallten Sterbensschreie und es war nicht klar, ob es ein Söldner war, den diese Frau getötet hatte, oder ein Gefangener, der von einem Söldner erschlagen wurde. Aber dann sah Mirhin deutlich die Umrisse eines Reiters und hinter ihm kamen noch andere. „Verdammt!“, rief Burnos. „Rennt!“, rief Danair. „Haltet diese Gefangenen fest!“, befahl jemand und Mirhin glaubte, die Stimme wieder zu erkennen. Er wusste nicht genau, aber während er mit den anderen um sein Leben rannte, kam eine dunkle Ahnung in ihm auf. Ein Zittern ging durch die Birkenzweige und ein Rascheln über den Waldboden, als die Frau erneut mit einem Haufen von Söldnern zusammenstieß, dann waren wieder Schmerzensschreie zu hören. Mirhin und die anderen- er wusste selbst nicht mehr, wie viele sie eigentlich noch waren- schauten nicht zurück, sondern schlugen sich durch Gestrüpp, wo ihnen Dornen die Kleidung und die Haut aufrissen. Gleichzeitig schossen Pfeile durch die Luft und gleich neben Mirhin sank ein Mann tödlich getroffen zu Boden. Ein Geschoss verfehlte Mirhin knapp und blieb zitternd in einem Baumstamm stecken. „Stehen bleiben!“, brüllte jemand und dann sah Mirhin, dass vor ihnen fünf Krieger mit Schwertern standen und ihnen den Weg versperrten. Er glaubte schon, dass es aus war, aber dann nahm jemand von den Gefangenen einen schweren toten Ast auf und warf ihn auf die Söldner. Der Ast traf einen von ihnen und Mirhin konnte an den Bewegungen der schimmernden Schwertklingen erkennen, dass die Söldner zurückwichen. Gleichzeitig fühlte Mirhin ein erneutes Schaudern und meinte hinter sich wieder die Frau zu erkennen, diesmal aber viel näher. Die fliehenden Gefangenen liefen wieder weiter, denn die Söldner hatten panische Angst vor der Frau. Nach nur wenigen Schritten waren wieder nur schwach in der Dunkelheit erkennbare Gestalten zu sehen, aber es waren Söldner und sie waren von ihnen umzingelt. Ein Flüchtling stieß mit einem Söldner zusammen, der ihm sein Schwert in den Bauch stach. Die Söldner waren entschlossen ihre fliehenden Gefangenen allesamt umzubringen. Eine Hand packte Mirhin am Hemd. „Lauft einfach mit!“, flüsterte Danair. Mirhin fühlte, wie er sich veränderte, wie sein Körper schrumpfte und seine Kleider mit der Haut zu einem schnell wachsenden Fell verschmolzen, während um ihn herum die Söldner auf die Flüchtigen einschlugen. Der Lärm und die Schreie waren für ihn fast gar nicht mehr zu hören, während er im Gestrüpp verschwand und auf kleinen Pfoten wieder den kalten Boden zu spüren bekam. Er begriff erstaunlich schnell, dass sein Körper nicht mehr menschlich war und er sich in ein kleines Raubtier verwandelt hatte. Neben sich, zwischen Zweigen, die bedrohlich hoch wirkten, war ein anderer Fuchs mit hellrotem Fell und daneben einer mit etwas braunerem. Der bräunliche sah sich verwundert um, aber der ganz rote lief sofort los und Mirhin, der in der Dunkelheit viel besser sehen konnte als vorher, folgte ihm. Mirhin sprang schnell zwischen verrottenden Holzstämmen, Bäumen, Zweigen, Altschneehaufen und Steinen hin und her, seine Pfoten federten auf dem kalten Boden ab. Er folgte dem ganz roten Fuchs und lief so schnell er konnte zwischen den Füßen der Menschen hindurch. Schlammverdreckte Stiefel traten knapp vor seinem Kopf auf den Boden. Vor sich sah er in der Dunkelheit einen toten Mann mit einer blutigen Kopfwunde am Boden liegen. Er blieb kurz vor ihm stehen und sprang dann doch über ihn hinweg. Dann hörte er ein Pferd schnauben und im nächsten Augenblick war das große Tier wiehernd und mit den Hufen auf den Boden stampfend über ihm. Es war ein großes schwarzes Tier und der Reiter trug Stiefel mit stählernen Sporen. Einen Augenblick erstarrte Mirhin vor Angst, dann sprang er mit einem Satz aus der Reichweite der Hufen heraus. Für einen Augenblick sah er den Reiter und bekam entsetzliche Angst. Er trug einen schwarzen Helm, eine schwarze Stahlrüstung und auf seinem schwarzen Mantel war das Zeichen des Dämonensterns. Uronai sah nur noch drei Füchse in den Wald hineinrennen, während hinter ihnen Blut floss. Zitieren
Murazor Geschrieben 25. Dezember 2008 Autor Geschrieben 25. Dezember 2008 Als die Morgendämmerung begann und der Birkenwald grau aus der Dunkelheit herauskam, war sein Boden von den Leichen erschlagener und erschossener Menschen bedeckt. Birkenstämme waren von einer gewaltigen Kraft erfasst und in Teile zerstückelt worden. Felsbrocken lagen an einem anderen Platz und große Furchen durchzogen den noch immer gefrorenen Boden. Aber nun war der Wald ruhig und durch die kahlen Zweige der Birken war zu sehen, wie sich die Wolken hinter dem nächsten Bergkamm schon weiß färbten. Doch das Gezwitscher der Vögel, die sonst die ersten Sonnenstrahlen begrüßten, fehlte. Die Göttin hatte sich zurückgezogen und das Feld den drei Notrai überlassen, die sie zum Kampf herausgefordert hatten. Uronai war von seinem Pferd abgesessen. Es hatte die Nacht nicht überlebt. Er fühlte sich matt und erschöpft, aber er war nicht am Ende und mit einem grimmigen Lächeln ging er über die grausam zugerichteten Leichen von Gefangenen und Söldnern hinweg. Ein Söldner lag in einer besonders eindrucksvollen Verrenkung zwischen zwei dicht nebeneinander liegenden Birkenstämmen. Es war wohl der Narr, der versucht hatte alleine die Göttin von hinten mit seiner Lanze anzugreifen. Armer Narr. Die Göttin hatte ihn durch die Luft geschleudert und Uronai sah ihn erst jetzt wieder. Er war in zwei Teile geteilt worden, in Ober- und Unterkörper. Mit blassen, aber offenen Augen sah er Uronai an. Merkwürdigerweise schlossen Menschen, die durch Magie ums Leben kamen, nur selten ihre Augen. Nicht einmal Uronai wusste, wieso. Keiner der sechzig Söldner, die den Kampf gegen die Göttin nicht überlebt hatten, weil sie diese mächtige Gegnerin selbst angegriffen hatten oder weil sie von den Notrai für ihre Feigheit bestraft worden waren, hatte die Augen geschlossen. Dazu kamen noch haufenweise andere Tote, Gefangene, die auf der Flucht erschlagen worden waren, und Söldner, die sie eigentlich hatten bewachen sollen, das aber nicht überlebt hatten. Es war keine schlechte Unterhaltung gewesen das Treiben der Gefangenen und ihrer Wächter zu beobachten. Die Wächter hatten sich auch dumm angestellt. Geschadet hatte das aber nur ihnen selbst und genützt hatte es kaum einen der Gefangenen. Sie waren fast alle den Notrai und ihrem Gefolge in die Arme gelaufen. Uronai bemerkte hinter sich einen Reiter. Es war Scaros. Er saß mit einem Gesicht im Sattel, dass man meinen konnte, er hätte ein Fass Essig getrunken. Von den drei Notrai hatte es ihn im Kampf am schlimmsten erwischt. Sein rechter Arm hing herab und war wohl gebrochen. Sie hatte ihn unschön gegen einen Baumstamm geschleudert. Er hatte auch eine hübsche große Wunde auf der Brust. Seine Rüstung war in der Mitte aufgerissen worden. „Wo ist Arcasar?“, fragte Uronai. „Schaut sich an, wie der Rest von unseren Leuten aussieht.“, antwortete Scaros. Sie hatten hundertfünfzig Kämpfer vom Lager am Onael mitgenommen, um dem Gefangenentrupp unauffällig zu folgen. Sie hatten Gaenrai- Krieger mitgenommen. Gaenrai gehörten zu den besseren Söldnern Notrons. Sie suchten nicht so schnell das Weite und waren nicht so schwach wie manche ausgehungerten Chori. Die Gaenrai zählten zu den wenigen Kämpfern, denen man zutrauen konnte, dass ihre Phalanx selbst dann zusammen hielt, wenn sie von vier Seiten von Feinden zusammengedrückt wurde. Und deswegen hatten sie die hundertfünfzig Gaenrai mitgenommen. Wenn man gegen eine Gottheit antrat, musste man belastbar sein. Nur hatten lediglich siebzig von hundertfünfzig Kriegern den Zusammenstoß überlebt. Um die Chori, die hier überall tot auf dem Waldboden lagen, war es nicht schade, um die Gaenrai schon. „Gaethros wird es nicht gefallen, dass sich die ganzen Verluste nicht gelohnt haben.“, sagte Uronai und meinte damit den Feldherr der Not- Truppen in der Gegend. „Dabei war die ganze Sache ganz gut geplant.“, schob er noch hinterher. „Rascor hatte herausgefunden, dass unter unseren Gefangenen ein Zauberer ist oder war.“, leierte Scaros herunter. „Ein Zauberer, der die alten Götter herbeirufen kann. Und natürlich würde er einen davon herrufen, wenn unsere Leute ihn nach Norden verschleppen wollen. Da kamen wir auf den wunderbaren Einfall, doch hinterher zu reiten und zu waren, bis die Göttin kam.“ Uronai nickte grimmig. Immerhin hatte er ja auch zur Planung beigetragen. Und der Plan war eigentlich gut gewesen, hatte nur zu nichts Gutem geführt. „Sie ist doch viel stärker, als wir gedacht haben.“, sagte er und sein Blick glitt dabei über die furchtbar entstellten Leichen der Söldner. Einmal blieb er an einem Mann hängen, dem die Göttin mit einer kleinen Handbewegung den Kopf abgetrennt hatte. „Eine Göttin ist keine Wildsau.“, sagte Scaros. „Du hast sie unterschätzt. Es war dein Fehler.“ „Gaethros selbst wollte nicht mehr als drei von uns den Gefangenen hinterherschicken.“, sagte Uronai und verschränkte die Arme. „Also wende dich an ihn, wenn du dich beschweren willst.“ Scaros Atem zischte. Er hatte die Zähne zusammengebissen. „Wo ist eigentlich der Zauberer?“, fragte er dann und sah sich um. Uronai sah sich ebenfalls um, als ob für ihn diese Frage überraschend wäre. „Ich habe ihn nicht gesehen. Ist er nicht wie die anderen getötet worden, bevor sich das Frauchen davongemacht hat?“ Scaros zischte wieder und es war nicht klar, ob das eine Art von Lachen sein sollte. „Ein Zauberer soll einfach so niedergemacht worden sein? Scherzt du?“ „Ich bin kein Dummkopf. Ich kenne mich aus mit Zauberern.“, sagte Uronai und fügte hinzu: „Arcasar könnte sich um ihn gekümmert haben.“ „Davon hat er nichts gesagt.“, erwiderte Scaros. „Glaubst du, dass er entwischt ist?“ Uronai dachte nach. „Vielleicht. Aber ich glaube nicht. Wie bei uns braucht es nur einen Pfeil an einer ungünstigen Stelle in einem ungünstigen Augenblick und der Zauberer ist hin. Und hier war ja ein ziemliches Getümmel.“ Er fühlte sich seinen rechten Unterarm. Ein verwirrter Söldner hatte ihn im Dunkeln für einen entlaufenen Gefangenen gehalten, ihm eine Schürfwunde verpasst und diese mit dem eigenen Leben bezahlt. „Einer der Söldner hat mir erzählt, dass hier Füchse rumgesprungen sind.“, sagte Scaros und stellte damit eine Frage an Uronai. Uronai dachte nach und sagte nach einer Pause: „Ich habe keine Füchse gesehen. Wieso?“ „Stellst du dich jetzt dumm?“, sagte Scaros giftig. „Du meinst, dass er sich verwandelt hat?“, sagte Uronai und schüttelte den Kopf. „Nein. Denn dann wäre es ja nur ein Fuchs gewesen. Vielleicht ist hier ja ein Fuchsbau und die Tiere haben bei dem Lärm Panik bekommen. Jedenfalls habe ich keine Füchse gesehen.“ Scaros zischelte unruhig. Von irgendwoher war das Wimmern eines Sterbenden zu hören, aber die beiden Notrai achteten nicht darauf. Ein Söldner sammelte Waffenstücke von Gefallenen auf. Uronai sagte noch etwas: „Wenn ein Zauberer schnell entwischen will, wird er sich doch nicht in einen Fuchs verwandeln, oder? Wohl schon eher in einen kleinen Vogel.“ Scaros zog seine Lippe an einer Seite hoch und zeigte Uronai so wohl, was bei ihm ein Lächeln war. „Siehst du irgendwo einen Vogel?“, fragte er entnervt. Uronai zuckte mit den Schultern und sah sich um. Als er seinen Blick auf eine weit entfernte Baumkrone richtete, verschob sich der Standpunkt seines Blicks und so scharf, als wäre die Baumkrone gleich vor seinen Augen, sah er einen Spatz zwischen den aufgehenden Knospen umher hüpfen, während die Ränder seines Blickfeldes wie schimmerndes Eis waren. Sein Blick schweifte weiter, bis zum Gipfelgrat des gegenüber liegenden Berges. Dort sah er eine Dohle auf einem Stein. Es war ein Blick, wie ihn nur wenige Wesen auf der Erde besaßen und am ehesten bei Greifvögeln vorkam. Er besaß ihn. „Ich sehe einige Vögel.“, sagte er ausdruckslos. „Witzbold.“, zischte Scaros und trieb seine Fersen in den Bauch seines Pferdes, das lostrabte und seinen Reiter zwischen den Bäumen und den Toten hindurch trug. Uronai blieb stehen und sein Blick schweifte weiter zwischen den Bäumen, ihren Zweigen und aufgehenden Blättern hindurch. Im Halbdunkel sah er totes Laub, Zweige, Baumstämme, kleine Bäche, Gerinnsel, die sich ihren Weg durch Rinnen im Waldboden suchten. Sein Blick folgte einem dieser Gerinnsel und sah die Spuren von Pfoten. Es waren Fuchspfoten. Er folgte den Pfoten, sah, dass die Füchse ihren Weg gerade und gemeinsam gegangen waren. Und die Spuren führten nur in eine Richtung: Weg von dem Ort, wo Uronai gerade stand. Die Spuren verschwanden mehr als eine Meile von Uronai entfernt kurz hinter einer kleinen Erhebung und Uronai musste sich anstrengen, um trotzdem einen Blick in das steinige Flussbett dahinter zu werfen. Da sah er drei Gestalten am schäumenden Wasser. Ein Fisch mit silbern glänzendem Schuppenkleid sprang aus dem Wasser heraus und eine der Gestalten fing ihn auf, dann machten sich alle drei über den zappelnden Fisch her. Uronais Pupillen, die gerade eben im schimmernden Schwarz seiner Augen gar nicht mehr sichtbar gewesen waren, erschienen wieder und die Augen nahmen wieder den Anblick vom Blick eines gierigen Raubtieres an. Zitieren
Murazor Geschrieben 5. Januar 2009 Autor Geschrieben 5. Januar 2009 (bearbeitet) Der Fisch zappelte und versuchte in den kleinen Fluss zurückzuspringen. Aber Mirhin, der auf den Knien am steinigen Ufer saß, griff so schnell und geschickt zu, dass es entweder an seinem gewaltigen Hunger oder daran lag, dass noch etwas von einem schnellen Fuchs in ihm steckte. Die Forelle zappelte, aber Mirhin tat dasselbe, was auch Burnos und Danair getan hatten: Er nahm einen Stein und schlug einmal zu. Mirhin war noch benommen von dem, was er erlebt hatte. Aber der Hunger war zu groß, als dass er groß darüber gegrübelt hätte, wie er bis vor wenigen Augenblicken ein Fuchs sein konnte und wie Danair mit einer Handbewegung in der Luft drei Forellen aus dem Wasser herausgeschleudert hatte. Hätte Mirhin keinen Hunger gehabt, hätte er es vermutlich beängstigend gefunden mit einem Zauberer zu reisen. Aber solange ihm dieser Zauberer Fische aus dem Fluss holte und ihn vor dem Hungertod bewahrte, war ihm das recht. Die Bewegungen fielen ihm ein wenig schwer. Sein Körper war auf einen Zauberspruch Danairs hin schnell wieder menschlich geworden, aber hin und wieder musste er sich davon überzeugen, dass er nicht mehr auf allen Vieren unterwegs sein durfte. Im Getümmel war das leichter gegangen. Nur Burnos regte sich ein wenig auf, weil Danair ihn gegen seinen Willen verwandelt hatte. Aber noch mehr regte er sich auf, weil er der Meinung war, dass er noch immer viel zu viele Haare am Körper hätte als ein gewöhnlicher Mensch. „Nicht doch.", sagte Danair, als Mirhin seinen Fisch schon roh essen wollte. „Wir sollten uns lieber Holz suchen." „Wieso? Zauber uns doch welches her!", sagte Burnos. „Auch Zauberer sind nicht allmächtig.", sagte Danair trocken und stand schon auf, um zwischen den Bäumen nach Ästen und Stöcken zu suchen. Burnos und Mirhin schauten ihre toten Fische an, dann folgten sie ihm, auch wenn Mirhins Magen vor Hunger polterte. „Du hast die Göttin Ethael gerufen.", sagte Burnos schließlich leise. „So etwas hätte ich nie für möglich gehalten. Du bist ein Diener der alten Götter. Ich hätte das nicht für möglich gehalten." „Es ist möglich.", sagte Danair und hob einen Stock auf. Er trug schon ein ganzes Bündel unter seinem Arm. „Wie viele gibt es noch von euch?" „Nicht mehr viele. Ich kenne zwölf." „Woher kannst du das?" „Man hat es mich gelehrt.", sagte Danair. „Mein Meister hat es mich gelehrt. Aber der ist jetzt tot. Die Notrai haben ihn getötet. Die Notrai sind unsere ewigen Feinde, sie hassen uns und unsere Götter und wo sie die alten Heiligtümer zerstören, verlieren wir unsere Macht. Wir haben genug Holz." Sie gingen zum Fluss zurück und legten das Holz zusammen. Die toten Fische warteten darauf gebraten zu werden, das hieß, die drei Fischer warteten darauf sie endlich zu essen. Mirhin hatte seit Tagen nichts Anständiges mehr gegessen. „Wir haben keine Feuersteine.", brummte Burnos. „Wozu kann ich zaubern?", sagte Danair, machte eine schnelle Handbewegung und zwischen den Ästen entstand eine helle Glut, die sich ausbreitete. Die drei Fischer nahmen ihre Forellen, spießten sie mit Zweigen auf und hielten sie dann über das Feuer. Das graue Schuppenkleid wurde langsam dunkler. Sie hatten alle großen Hunger, die drei Fische im langsam wieder grün werdenden Buchenwald am munter sprudelnden Fluss. „Wieso hast du dich gefangen nehmen lassen?", fragte Burnos weiter, die Augen ständig auf den Fisch gerichtet. „Du kannst jeden Feind mit einer Handbewegung wegfegen und du kannst sogar die Göttin Ethael rufen." Danair wirkte nachdenklich. „Nicht immer. Und oft wage ich es nicht, einfach um nicht andere zu gefährden. Die Notrai sind stark. Ich hätte die Göttin niemals gerufen, wenn ich gewusst hätte, dass sie uns folgen. Und ich kann nur dort kämpfen, wo noch die Macht der alten Götter besteht." Mirhin hörte zu und war ein wenig verwirrt. Sicher, es gab Geister. Er hatte selbst früher welche gesehen. Damals, im Baringdorf. Die Erinnerung ließ ihn schlucken und half ihm kurz den Hunger zu vergessen. Noch nie hatte er eine Gottheit gesehen oder jemanden, der einen Gott heraufbeschwören konnte. Im Baringdorf hoch in den Bergen hatten sie die Götter und die Geister angebetet, dass sie das Gemüse wachsen und die Rinder nicht verenden ließen. Aber viel zu oft hatte es nichts bewirkt. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich eine Göttin selbst ins Kampfgetümmel wirft. Jetzt, wo das Schlimmste einigermaßen überstanden war, konnte er wieder über solche Dinge nachdenken. „Ich habe so etwas gehört. Von einem Priester. Nicht von einem der alten Götter, sondern von einem Priester des Himmelsstürmers Curnos. Die Zauber wirken nur dort, wo die Götter Macht haben." „Und die Götter haben nur dort Macht, wo man sie anbetet.", ergänzte ihn Danair. „Ich denke, die Fische sind fertig." Schnell wurden die Fische vom Feuer genommen und gierig verzehrt. Mirhin und die anderen rissen den Fisch so schnell von den Gräten, dass Mirhin glauben musste, wieder in ein Tier verwandelt worden zu sein. Das war gut. Endlich wieder eine gute Mahlzeit „Verwandel uns doch in Fischotter, dann schwimmen wir bis in alle Ewigkeit im Wasser und niemand kann uns verfolgen oder gefangen nehmen.", sagte Mirhin und Fischstücke hingen an seinen Wangen. Er hatte die Forelle schnell gegessen. Jetzt waren nur noch der Kopf und die Gräten übrig, die er wieder in den Fluss zurück warf. Danair dachte nach. „Sicher, das kann ich. Aber dann müssen wir in diesen Gewässern hier bleiben, denn sonst erlischt der Zauber, dann sind wir entweder wieder Menschen oder bleiben Fischotter, mit allen Nachteilen. Und die Notrai wissen, wie man verwandelte Menschen findet. Man ist nicht so sicher, wie man glaubt." „Dieser eine hat uns gesehen und uns laufen lassen.", sagte Burnos und wischte sich den Mund ab. „Der eine Notra auf dem Pferd, an dem wir vorbeigelaufen sind." „Das war Glück.", sagte Danair und schüttelte den Kopf. „Wenn er es nicht mit der Göttin zu tun gehabt hätte, hätte er uns Füchsen die Felle abgezogen." Burnos wirkte nachdenklich. „Naja. Ich mag es nicht verwandelt zu werden, aber du hast uns das Leben gerettet. Ich habe aber noch Hunger. Kannst du uns noch Fische herzaubern?" Danair erhob sich. „Ich zaubere sie nicht her. Der Fluss schenkt sie uns. Der Wassergeist, der in diesem Fluss wohnt, schenkt sie uns." „Dann hoffe ich, dass er noch einmal so großzügig sein wird.", sagte Burnos. „Der eine Fisch hat mich nicht satt gemacht." „In Ordnung.", sagte Danair und stellte sich ans Ufer. Er machte eine lockere Handbewegung und das Wasser spritzte hoch und Mirhin ins Gesicht. Als die Wassertropfen wieder hinuntergefallen waren, waren keine Fische herausgekommen. „Da sind keine Fische.", sagte Burnos. „Mach, Zaubermeister. Sonst mache ich das mit meinen eigenen Händen." Danair ging nicht weiter darauf ein, sonder machte mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck dieselbe Bewegung noch einmal und murmelte dazu einen Zauberspruch. Der Wasserstand hob sich und das Wasser spritzte teilweise hoch. Kurz sprang eine Forelle aus dem Fluss raus, verschwand dann aber wieder im Wasser. „Das ist vorher viel schneller gegangen.", sagte Mirhin enttäuscht. Danair wirkte nun sehr angestrengt und aus seinem Murmeln wurde ein lautes Rufen. „Nomânisch!", rief er und machte eine schwungvolle Armbewegung. Daraufhin spritzte das Wasser hoch und fünf Fische wurden aus dem Fluss geschleudert. Sie fielen ins Gras und auf die Steine auf ihrer Uferseite Mirhin und Burnos machten sich daran die Fische aufzusammeln und totzuschlagen. „Das hat eine Weile gedauert, Zaubermeister.", sagte Burnos und schlug mit einem Stein auf den Kopf einer Forelle. „Aber es ist ganz nützlich, dass wir einen wie dich bei uns haben, auch wenn ich euch eigentlich nicht leiden kann. Jetzt hast du uns schon die Söldner vom Hals geschafft und uns eine anständige Mahlzeit beschert." Mirhin, der sich gerade nach einer zappelnden Forelle duckte, sah sich nach Danair um und sah, dass der Zauberer die Fische nicht einmal ansah, sondern mit nachdenklichem Gesichtsausdruck in den Fluss starrte. Auch Burnos bemerkte das. Mirhin sah sich nach allen Seiten hin um. Ein leichter Wind ging durch die kahlen Baumkronen am Fluss. Der Fluss plätscherte. Eine Forelle zappelte noch. Jetzt war klar zu erkennen, dass Danair Angst hatte. Dann traf sie ein leichter Windstoß von hinten und ging über das Wasser hinweg. Danair drehte sich zu Burnos und Mirhin um und in seinen Augen spiegelte sich nackte Angst. „Weg hier! Schnell!" „Was?", fragte Burnos. „Weg hier! Flussabwärts! Schnell sonst kriegen sie uns!", rief Danair. Er drehte sich schnell um und streckte seine Hand nach dem prasselnden Feuer aus. Es gab einen Windstoß in Richtung des Feuers. Die brennenden Äste und Steine aus dem Flussbett wurden durch die Luft geschleudert, das Feuer wurde gelöscht. Dann rannte Danair, während Mirhin und Burnos noch dabei waren die Forellen mitzunehmen. Mirhin steckte zwei in seinen Gürtel. Er sah noch einmal in den Wald hinein, während Burnos und Danair schon weit voraus waren. Da wusste er, dass sie entdeckt waren. Bearbeitet 23. Januar 2009 von Murazor Zitieren
Yoshimo Geschrieben 23. Januar 2009 Geschrieben 23. Januar 2009 (bearbeitet) Bin leider erst jetzt dazu gekommen,hier weiterzulesen. Wie immer wunderbar geschrieben,schöne Story! Liest sich echt super,auch wenn manche Völkernamen mich ab und zu nochmal verwirren,wer jetzt genau wer war Hoffe es gibt bald mehr davon :) Bearbeitet 23. Januar 2009 von Yoshimo Zitieren
Murazor Geschrieben 24. Januar 2009 Autor Geschrieben 24. Januar 2009 Ich habe eine Art von Glossar der Völkernamen erstellt, damit sich die Verwirrung ein wenig mindert . Da wird später sicher noch mehr dazukommen, ich hoffe aber, dass es fürs erste genug erklärt, damit ihr weiterlesen könnt. Chori: Die Chori sind eine weit gefächerte Gruppe von Völkern mit verschiedenen Siedlungsgebieten und Teilvölkern ohne ein zusammenhängendes Reich. Mirhin ist ein Chori, allerdings von einer Stammesgruppe, die in den Bergen siedelnd von anderen Gruppen weit entfernt ist. Vor Jahrhunderten verließen große Chori- Gruppen die alte Heimat im Norden und besiedelten Länder weiter im Süden, wobei sie die einheimischen Völker unterwarfen, sich aber mit ihnen vermischten, sodass am Ende auch solche Menschen Chori genannt wurden, die einst von den ursprünglichen Einwanderern unterworfen worden waren. Die Haltung der Chori zu Notron ist unterschiedlich: Einerseits sind viele Stämme wegen der Unterdrückung mit Notron verfeindet, andererseits rekrutiert Notron den Großteil seines menschlichen Fußvolkes aus den Chori. Muthan: Die Muthan sind ein Volk, das zu der Obergruppe der Chori gehört. Ihr Oberhaupt ist in der Regel der Fürst von Aeldun, der mit Notron verbündet ist und letztendlich zu einem Vasallen geworden ist. Ihr Fürstentum erstreckt sich nordöstlich der Wolkenberge, aus denen Mirhin stammt, ihr Gebiet ist größtenteils gebirgig. Die Muthan haben, als sie in die Gegend um Aeldun eingewandert sind, dort einige einheimische Völker unterworfen, die Nunae genannt werden. Größtenteils haben sich Chori und Nunae miteinander vermischt, die Bräuche haben sich größtenteils angeglichen. Die Muthan verehren wie die meisten anderen Chori einen Gott, der „großer Himmelsstürmer“ genannt wird. Ein anderer Gott ist Norno, der Gott des Muts und der Abenteuerlust. Cuthas: Stamm der Muthan. Burnos gehört zu den Cuthas. Sie sind stolz darauf vor hunderten von Jahren zum harten Kern der kriegerischen Einwanderer ins Land der Nunae gehört zu haben. Nach der Schwächung Notrons durch den Krieg mit den Zwergen von Amrohoc haben sich die Cuthas gegen Notron gestellt, um die jahrelange Unterdrückung zu beenden, was letztlich in einer Niederlage endete. Baenir: Stamm der Muthan. Die Baenir sind bekannt dafür, dass sie von einem Nunae- Stamm abstammen, der sich verhältnismäßig wenig mit den Chori- Einwanderern vermischt hat. Deswegen werden sie von anderen Stämmen verachtet. Sie bewahren die Verehrung der alten Götter der Nunae. Die Saena: Ein ganz eigenes Volk von Hirten und Jägern, das in den Wolkenbergen und an dessen südlichen und östlichen Hängen umher zieht. Die Saena sind ein kleines Volk, das sich vom großen Geschehen um sie herum fernhält. Sie gehören aber zu den Menschen, die Nunae genannt werden und noch die alten Götter verehren, wie es teilweise auch einige Muthan tun. Zitieren
Yoshimo Geschrieben 25. Mai 2009 Geschrieben 25. Mai 2009 Habe grad deine neue Story entdeckt und werde sie schnellstmöglich lesen. Du hast ja geschrieben, dass du alte oft unvollendet lässt. Hast du denn an dieser hier weitergearbeitet? Falls ja stell es doch bitte rein. Zitieren
Murazor Geschrieben 13. Juni 2009 Autor Geschrieben 13. Juni 2009 Auch an dieser Geschichte habe ich bisher nicht weitergearbeitet. Hier stecke ich in einem doppelten Dilemma: Erstens entwickelt der Stoff eine eigene Komplexität, die auszuarbeiten einen gewaltigen Aufwand erfordern würde. Weit wichtiger ist die Hauptperson, Mirhin. Er ist ein Junge, kein Erwachsener, noch nicht einmal ein Hauptstarker. Ich habe es ihm als Erzähler zugemutet, dass sein Dorf zerstört wurde, ihm seine Familie, seine Freunde, alles genommen wurde. Die Geschichte, die noch zu schreiben wäre, ist nicht ohne Grausamkeiten. Soll ich ihm das zumuten, einem Jungen, der von dem Erlebten schwer traumatisiert sein muss? Es wäre ein logischer Fehler und ohne psychologisches Gefühl, wenn ich ihn jetzt in die nächste Schlacht tappen ließe, als wäre er ein abgeklärter Krieger. Aus diesem Dilemma komme ich nicht heraus. Deswegen habe ich die Arbeit an dieser Geschichte abgebrochen. Zitieren
Empfohlene Beiträge
Dein Kommentar
Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.