Gast cuívienen Geschrieben 22. Mai 2009 Geschrieben 22. Mai 2009 (bearbeitet) iemlich vielen hier ist ja klar, dass tolkien den herrn der ringe auch mit einem speziellen hintergrund geschrieben hat und man viele sachen auch auf "unsere welt" beziehen kann. meist mit einem linguistischen und/oder religiösem hintergrund. mir hat sich dann die frage gestellt was der ring eigentlich verkörpern soll? ich würde mal gerne wissen, was ihr so dazu denkt... gruß cuìvienen Bearbeitet 10. Oktober 2011 von Cadrach Zitieren
Rübezahl Geschrieben 23. Mai 2009 Geschrieben 23. Mai 2009 (bearbeitet) iemlich vielen hier ist ja klar, dass tolkien den herrn der ringe auch mit einem speziellen hintergrund geschrieben hat und man viele sachen auch auf "unsere welt" beziehen kann. meist mit einem linguistischen und/oder religiösem hintergrund. mir hat sich dann die frage gestellt was der ring eigentlich verkörpern soll? ich würde mal gerne wissen, was ihr so dazu denkt... Die sogenannten Experten sind sich eigentlich einig, dass eine bestimmte Eigenschaft des Rings auf den "Hintergrund" verweist. Diese Eigenschaft hört auf den Namen: objektivierte Macht, also Macht nicht als abstraktes Kapital eines Herrschenden, sondern als konkretes Objekt, das von Subjekt zu Subjekt wandern kann. Ein solches Objekt ist ein Schlüssel zur Kontrolle von Geist und Materie, kann, als *bewegliches* Objekt, jedem in die Hände fallen, darf aber niemandem in die Hände fallen. Wenn du nun fragst, was dieses Objekt konkret "verkörpern" soll, welches Objekt das Objekt also darstellen soll, kommt ausnahmsweise zu Recht der Einwand, Tolkien habe nicht allegorisch, sondern mythisch geschrieben, d.h.: in den 40ern gab es in Europa einen anderen Ring der Macht als in den 80ern, in den 80ern einen anderen als heute usw., was wiederum bedeuten soll, dass jede neue Generation sich von neuem umschauen muss, um sich zu fragen, wie der Ring der Macht in ihrer Gegenwart aussieht. Der Mythos kann diese Frage nicht beantworten. Er kann sie nur stellen. Bearbeitet 23. Mai 2009 von Rübezahl Zitieren
Murazor Geschrieben 23. Mai 2009 Geschrieben 23. Mai 2009 Es gab Leute, die den Ring als Allegorie der Atombombe interpretiert haben, weil der Ring auf seine Art eine Massenvernichtungswaffe sein sollte. Aber Tolkien hat sich wohl eher von den Ring- Motiven der nordischen Sagas und Mythen inspirieren lassen. Allegorien auf spezifische Dinge der Gegenwart findet man bei Tolkien eher selten oder gar nicht. Oder kennt jemand eine? Zitieren
Rübezahl Geschrieben 23. Mai 2009 Geschrieben 23. Mai 2009 Aber Tolkien hat sich wohl eher von den Ring- Motiven der nordischen Sagas und Mythen inspirieren lassen. Das (vermutet und) sagt sich so leicht, in den entsprechenden sekundärliterarischen Analysen habe ich bisher aber nur das Gegenteil gefunden, nämlich dass Tolkiens Ring der Macht in älteren Texten kein Pendant habe, dass die objektivierte Macht als globales Steuerungsmedium sonst nirgendwo zu finden sei. Ich selbst kann mich auch nicht an Texte erinnern, in denen sowas mal vorgekommen sein könnte. (Und leider kann ich mich auch nicht mehr an die Titel der Sekundärliteraturen erinnern, in denen die Neuartigkeit der Ringe schön ausführlich dargelegt ist, und habe gerade keine Zeit, die Bücher zu wälzen. Vielleicht haben andere ein paar Titel parat.) Die Elbenringe verwendete Tolkien jedenfalls nach eigener Aussage wegen der Janusköpfigkeit der Technologie, im folgenden Zitat zwar als "'allegory'" bezeichnet, aber dann doch wieder nicht, sondern als "'allegory' if you like", was die Unangemessenheit des Terminus betont: "The particular branch of the High-Elves concerned, the Noldor or Loremasters, were always on the side of 'science and technology', as we should call it: they wanted to have the knowledge that Sauron genuinely had, and those of Eregion refused the warnings of Gilgalad and Elrond. The particular 'desire' of the Eregion Elves - an 'allegory' if you like of a love of machinery, and technical devices - is also symbolised by their special friendship with the Dwarves of Moria." (Letter No. 153 - - - To Peter Hastings [draft], September 1954) Der Ring der Macht ist mit diesen Ringen verwoben, gehört aber wohl nicht vollständig dazu, da er als Steuerungsmedium über ihnen steht, was man beim Analysieren und Anwenden bedenken müsste. Das Stichwort "technology" kennzeichnet hier die Beweggründe des Autors. Was für den individuellen Leser im Mai 2009 seiner Ansicht nach unser Ring der Macht ist, ist, auf Plattdeutsch, sein Bier. Also keine Allegorie, sondern Mythos. Zitieren
Gast cuívienen Geschrieben 24. Mai 2009 Geschrieben 24. Mai 2009 allerdings müsste man dann ja wiederrum sagen das ja tolkien den herrn der ringe einfach so aus der hand geschrieben hat. nicht wie z. b. c.s.lewis, der sich erst die ganze geschichte grob aufgeschrieben hat und erst dann wirklich mit dem buch angefangen hat. so mit denke ich, dass der ringe vllt doch eine sogenannte atombombe ist, zwar keine die real ist, aber auch keine nicht real ist, wenn ihr versteht was ich meine... so eine verbindung zwischen mystik und realität. Zitieren
Rübezahl Geschrieben 26. Mai 2009 Geschrieben 26. Mai 2009 wenn ihr versteht was ich meine Also, ich jedenfalls nicht. Angesichts der seiend-nichtseienden A-Bomb-Mystiker finde ich es aber auch gar nicht so verkehrt, es nicht zu verstehen. Nicht jede Formulierung, die gut klingt, ist auch gut. Vielleicht kannst du das noch mal anders formulieren. Zitieren
Gast cuívienen Geschrieben 27. Mai 2009 Geschrieben 27. Mai 2009 zu mir da oben....der hat ja das meiste vom herrn der ringe in den schützengräben geschrieben... aber es gibt einfache verschiedene meinungen. nicht jeder kann jeden verstehen...das sollten ja auch nur ideen und und keine von diesen "aber der hat doch da dies gemacht also heiste das jetzt das was der da gemacht hat das ist - diskussionen werden. nicht das das hier noch zur eskalation kommt. höhö Zitieren
Fangli Geschrieben 27. Mai 2009 Geschrieben 27. Mai 2009 (bearbeitet) der hat ja das meiste vom herrn der ringe in den schützengräben geschrieben... Öhm...nö. Als Tolkien begann den Herrn der Ringe zu schreiben, war der 1.Weltkrieg längst vorbei und im 2. Weltkrieg lag er nicht mehr in den Schützengräben. Ich denke du verwechselst das mit den "Book of Lost Tales"-Texten, da wurde meines Wissens mal erwähnt, dass einige dieser Texte im oder direkt nach dem 1.Weltkrieg entstanden sind, z.B. "Der Fall von Gondolin". Bearbeitet 27. Mai 2009 von Fangli Zitieren
Gast cuívienen Geschrieben 28. Mai 2009 Geschrieben 28. Mai 2009 ne,ne,ne der hatte die meisten ideen im 1. weltkrieg... auch zu den lost tales und silmarillion... Zitieren
Fangli Geschrieben 28. Mai 2009 Geschrieben 28. Mai 2009 (bearbeitet) ne,ne,ne der hatte die meisten ideen im 1. weltkrieg... Sagt wer? Belege bitte, das wäre mir nämlich neu. Sicher wurde er vom 1. Weltkrieg beeinflusst, aber er wurde auch von anderen Erlebnissen und Erfahrungen in seinem Leben beeinflusst und inspiriert, das kann man nicht alles an einem Punkt festmachen. Außerdem hast du oben behauptet, er hätte "das meiste vom herrn der ringe in den schützengräben geschrieben", was de facto falsch ist. Jetzt erzählst du, er hätte dort die meisten Ideen her. Langsam verstehe ich nicht mehr, worauf du eigentlich hinaus willst bzw. was du nun überhaupt meinst. :ka: Bearbeitet 28. Mai 2009 von Fangli Zitieren
SonOfTheDark Geschrieben 29. Mai 2009 Geschrieben 29. Mai 2009 (bearbeitet) Tolkien war ja bekanntlich gegen Allegorien, es ist ziemlich offen für Interpretation. Ich bin der Meinung, dass sich Tolkien bezüglich des Rings zumindest teilweise vom Beowulf-Epos und wohl auch von Wagners Nibelungen-Zyklus inspirieren ließ. In Beowulf, in nordischer/germanischer Literatur und in der angelsächsischen, feudalen Kultur ansich spielten Ringe eine durchaus wichtige Rolle. Im Gedicht wird ein König immer wieder auch als "ring giver" bezeichnet. Goldene Ringe wurden an Krieger und Könige verteilt, um sie an größere Könige durch Lehnstreue zu binden. Das hört sich doch irgendwie vertraut an und wenn man dann zu dem Ring auch noch magische Fähigkeiten dazunimmt, ähnlich wie es Wagner getan hat (z.B. Unsichtbarkeit), dann lässt sich da schon eine große Ähnlichkeit zum Herrn der Ringe erkennen. Es gibt natürlich Unterschiede, aber es lässt sich doch recht gut erahnen wie Tolkien auf die Idee kam. Bearbeitet 29. Mai 2009 von SonOfTheDark Zitieren
Rübezahl Geschrieben 29. Mai 2009 Geschrieben 29. Mai 2009 Ich bin der Meinung, dass sich Tolkien bezüglich des Rings zumindest teilweise vom Beowulf-Epos und wohl auch von Wagners Nibelungen-Zyklus inspirieren ließ. Das Wort "teilweise" möchte ich hier mal unterstreichen. Im Gedicht wird ein König immer wieder auch als "ring giver" bezeichnet. Goldene Ringe wurden an Krieger und Könige verteilt, um sie an größere Könige durch Lehnstreue zu binden. Ja, aber symbolische Akte und die Lehenstreue der "retainers" spiegeln den Ring der Macht und dessen Funktionsweise nicht wider. Das ist das Problem. Es gibt natürlich Unterschiede, aber es lässt sich doch recht gut erahnen wie Tolkien auf die Idee kam. Kann man das erahnen? Die Frage ist doch, wie Tolkien auf einen Machtspeicher, von dessen Schalten, Walten und Existenz andere Ringe (denen zudem die Technikphobie des Autors zugrundeliegt) und damit ganze Gesellschaften unentrinnbar abhängig sind, kam. Wenn ich Zeit finde, werde ich wohl mal in der Sekundärliteratur suchen. Viele gehen nämlich davon aus, dass der ganze Gedankengang, auf dem diese Struktur beruht, modern ist. Zitieren
Thrándil Geschrieben 29. Mai 2009 Geschrieben 29. Mai 2009 Als Tolkien gelebt hat gab es noch Könige und Kaiser, deshalb könnte ich mir denken dass er damit auch andeuten wollte das die Macht auf der Welt sehr ungerecht verteilt ist. Darauf deutet er immer wieder hin den wenn jemand Mächtiges etwas ganz Besonderes herstellt (wie der Ring oder die Sillmarillon) es ein schlechtes Ende nimmt=Auch in unsrer Zeit lehnt sich der Mensch immer wieder zu weit aus dem Fenster und behauptet er könnte die Natur bändigen Außerdem hat Tolkien einen ganzen Krieg miterlebt und selbst als Infanterist gekämpft. Das prägt sicher auch sehr seine Schreibweise. Er könnte damit also auch meinen das er es ungerecht finde wenn ein Politiker (in diesem Fall ein König) einem Land den Krieg erklärt, selbst aber nicht ins Schlachtfeld zieht sondern andere für sich sterben lässt. Ich glaube das prägt jeden der das miterlebt sehr!! Zitieren
Rübezahl Geschrieben 29. Mai 2009 Geschrieben 29. Mai 2009 Als Tolkien gelebt hat gab es noch Könige und Kaiser, deshalb könnte ich mir denken dass er damit auch andeuten wollte das die Macht auf der Welt sehr ungerecht verteilt ist. Naja, das kann in dieser Form wohl leider nicht sein, denn Tolkien war überzeugter Antidemokrat und Monarchist. Dazu ein sehr interessantes Zitat, das zufällig wie angegossen zum Thema passt, weil Tolkien den demokratischen Gesellschaften hier in Aussicht stellt, irgendwann von einem Ork mit einem Ring der Macht versklavt zu werden: "I am not a 'democrat' only because 'humility' and equality are spiritual principles corrupted by the attempt to mechanize and formalize them, with the result that we get not universal smallness and humility, but universal greatness and pride, till some Orc gets hold of a ring of power – and then we get and are getting slavery." (Letter No. 186 - - - From a letter to Joanna de Bortadano [drafts], April 1956) Aber andererseits kommen manche Machthaber in seinen Texten in der Tat schlecht weg. Wird dadurch nicht weniger die Machtverteilung als vielmehr eine bestimmte Art der Machtverwendung kritisiert? Meinst du nicht eher konkret diese Machtverwendung? Darauf deutet er immer wieder hin den wenn jemand Mächtiges etwas ganz Besonderes herstellt (wie der Ring oder die Sillmarillon) es ein schlechtes Ende nimmt=Auch in unsrer Zeit lehnt sich der Mensch immer wieder zu weit aus dem Fenster und behauptet er könnte die Natur bändigen Ja, gut möglich, dass dieser Aspekt mit den Ringen zusammenhängt, denn mit ihnen wird Natur aufgehalten und konserviert: Elbenringe => Flora; der Eine Ring => Verhältnis von hroa und fea (= verlängert Menschenleben künstlich). Außerdem hat Tolkien einen ganzen Krieg miterlebt und selbst als Infanterist gekämpft. Das prägt sicher auch sehr seine Schreibweise. Er könnte damit also auch meinen das er es ungerecht finde wenn ein Politiker (in diesem Fall ein König) einem Land den Krieg erklärt, selbst aber nicht ins Schlachtfeld zieht sondern andere für sich sterben lässt. Ich glaube das prägt jeden der das miterlebt sehr!! Ich denke, das ist ein extrem wichtiger Aspekt, denn Tolkien stellt ja im Ringkrieg die beiden Herrschertypen gegenüber, auf die du anspielst: die (in der angelsächsischen Kultur hochgeschätzten) Heldenkönige (Théoden, Aragorn), welche Seite an Seite mit dem niedrigsten Knappen kämpfen, und die, die sich zurückziehen und andere das Massaker erledigen lassen (evtl. Denethor, ganz bestimmt Sauron). Viele meinen, in der Art, wie Sauron und Mordor agieren, zeichne sich in der Tat die Erfahrung des Ersten Weltkriegs, der als erster anonymer, mechanisierter, un-menschlicher Krieg gilt, ab. Aber ist dieser Aspekt nicht ein anderes Thema? Oder wo siehst du konkrete Bindeglieder zwischen dem Ring und dem anonymen, un-menschlichen Krieg, der mit dem Erlangen von Ruhm und Ehre nichts mehr zu tun hat? Irgendwo in dem weiten Geflecht der Inhalte wird es solche Bindeglieder sicher geben. An welche Verbindungen denkst du? Zitieren
Thrándil Geschrieben 29. Mai 2009 Geschrieben 29. Mai 2009 (bearbeitet) Aber ist dieser Aspekt nicht ein anderes Thema? Oder wo siehst du konkrete Bindeglieder zwischen dem Ring und dem anonymen, un-menschlichen Krieg, der mit dem Erlangen von Ruhm und Ehre nichts mehr zu tun hat? Irgendwo in dem weiten Geflecht der Inhalte wird es solche Bindeglieder sicher geben. An welche Verbindungen denkst du? Ich denke da eher daran das Tolkien besonders in seinen vorgeschichten wie Feanors Fluch,... die kriege immer als etwas ganz Schreckliches sieht, er aber gleichzeitig bei seinen HdR immer wieder gerne von den Heldentaten spricht. Ich glaube das er so die schrecklicne Ereignisse von diesem Krieg verarbeiten wollte, in dem er sich sagte dass man in Krieg und Kampf großen Ruhm erlangen könne. Außerdem hat sich Tolkien in seiner Welt die Böse und Gute Seite ganz klar gekennzeichnet, denn fast jeder der das buch liest ist bald der überzeugung das Orks und andre Geschöpfe durch und durch schlecht sind (da schließe ich mich nicht aus). Daswar vielleicht auch eine Hilfe seine Erlebnisse zu verarbeiten. Zitat repariert. viator Bearbeitet 30. Mai 2009 von viator Zitieren
Rübezahl Geschrieben 29. Mai 2009 Geschrieben 29. Mai 2009 Ach so, ja, die Gesichtspunkte, die du damit jetzt ansprichst, sind: 1) Gegenüberstellung von schmutzigem, anonymem Metzelkrieg (Orkhorde, Sauron) und idealisiertem Kriegerethos (z.B. Éomer). 2) Orks als überzeichnetes Paradebeispiel für Menschen, die (nach Tolkiens Ansicht) dafür sorgen, dass die Welt vor die Hunde geht. Solchen Menschen ist Tolkien im Krieg sicher begegnet, und man könnte es so sehen, dass die Überzeichnung bei der Verarbeitung hilft. Ich fragte mich aber eher, wie das, was du oben meintest, konkret mit dem Ring der Macht zusammenhängt. Es geht hier im Thread ja um das Wesen, die Quellen und die möglichen Bedeutungen des Rings, nur des Rings. Sicher hängen viele andere Teilthemen mit dem Ring zusammen. Daher fragte ich mich, welchen Zusammenhang (Bild des Krieges bei Tolkien etc. <=> Ring) du nun genau meinst. Zitieren
Thrándil Geschrieben 30. Mai 2009 Geschrieben 30. Mai 2009 Ich meine damit das Tolkien bestimmt auch manchen Menschen die Schuld an diesem Krieg gegeben hat und das er diese in seinem Buch als den Ring einbringt, wegen dem es viele Kriege gegeben hat (und weiter gäbe wenn er noch existierte). Aber ich glaube das niemand Tolkiens wahre Absicht im Bezug auf den Ring herausfinden könnte, weil er den Ideen des Lesers im Bezug auf dieses Kleinod veil Freiheit gelassen hat Zitieren
Rübezahl Geschrieben 30. Mai 2009 Geschrieben 30. Mai 2009 Ah, danke fürs Klären. Aber indem du den Ring jetzt nur im Licht der Kriegsschuld betrachtest, wird er auf nur eine seiner n-zig Eigenschaften reduziert. Was ist denn mit den anderen Eigenschaften? Ich fasse die wichtigsten mal zusammen: Der Ring sieht verlockend aus, ist sehr begehrt, manche bekommen in seiner Nähe Visionen und Anfälle von Größenwahn, der Ring enthält und verleiht Macht, stoppt (genauer gesagt: verlangsamt) natürliche Prozesse, beherrscht andere Ringe, von denen Gesellschaften abhängen, und kann nur scheinbar und nur eine begrenzte Zeit lang fürs Gute eingesetzt werden; am Ende werden die durch ihn erwirkten Werke böse sein. (Hoffentlich habe ich keine vergessen. ) Wenn man sich fragt, was Tolkien sich gedacht hat, müsste man wenigstens diese wichtigsten Eigenschaften in die Überlegung einbeziehen, weil man den Ring sonst simplifiziert. Das gilt auch, wenn man den Mythos z.B. dazu verwendet, die politische Landschaft zu strukturieren, indem man ein bestimmtes Parteiprogramm als "Ring der Macht" bezeichnet. Genau dazu, zur Horizontbegrenzung in der Außenwelt, sind Mythen zwar leider da, aber wenn man einen Mythos schon seiner Bestimmung zuführt, müssen alle seine wesentlichen Eigenschaften in den Strukturen der Außenwelt gespiegelt und, sozusagen, nachweisbar sein. Sonst passen "Mythos" und "Welt" nicht zusammen, und die Zusammenführung der beiden endet fruchtlos. Zitieren
Gast cuívienen Geschrieben 3. Juni 2009 Geschrieben 3. Juni 2009 ich hab zwar geschriben "alles" meinte aber nur grobe inspirierungen. und klar hat er sich durch gewisse werke inspirieren lassen. aber eigentlich kann man so ziemlich alles aus dem ring machen was man will. naja, so ist das halt wenn man diskutiert. jeder hat seine meinung. im endeffekt ist alles aber auch nichts richtig. jetzt haben wir über den "einen ring" diskutiert, aber was sollen denn dann die anderen 3, 7, und 9 ringe bedeuten. und warum genau diese anzahl? Zitieren
Fangli Geschrieben 3. Juni 2009 Geschrieben 3. Juni 2009 (bearbeitet) aber eigentlich kann man so ziemlich alles aus dem ring machen was man will. Genau das kann man ja eben nicht, denn dann läuft man, wie Rübezahl schon gesagt hat, Gefahr, den Ring zu simplifizieren oder ihn auf eine seiner Eigenschaften zu reduzieren. Wobei es in unserer Welt mMn sowieso nichts gibt, bei dem man genau sagen könnte: "Das ist der Ring, genau das wollte Tolkien mit dem Ring darstellen!" Es gibt vllt. gewisse Übereinstimmungen und manche Eigenschaften des Ringes, von denen man Analogien in unserer Welt findet oder die allegorisch verwertbar sind, aber letztendlich wird einfach keine dieser ganzen Möglichkeiten ( Der Ring ist die Atombombe usw.) dem Ring als Ganzes wirklich gerecht. jetzt haben wir über den "einen ring" diskutiert, aber was sollen denn dann die anderen 3, 7, und 9 ringe bedeuten. und warum genau diese anzahl? Nun, alle diese Zahlen sind ja mythisch oder religiös belegt und haben besondere Bedeutungen. Die 3: Dreifaltigkeit, generell gilt sie als göttliche bzw. heilige Zahl...Gottessymbol usw. Die 7: Erschaffung der Welt in 7 Tagen, die Woche hat 7 Tage, die 7 Zwerge ( ) usw. Symbol des Menschlichen. Die 9: Zahl der Vollkommenheit, ebenfalls religiös/ mythisch belegt, usw. Tolkien war sich des Bedeutungsgehaltes dieser Zahlen sicherlich bewusst, warum er sie gewählt hat und ob er sich überhaupt etwas Besonderes dabei gedacht hat...wer kann das wissen. :ka: Bearbeitet 3. Juni 2009 von Fangli Zitieren
Rübezahl Geschrieben 3. Juni 2009 Geschrieben 3. Juni 2009 (bearbeitet) jetzt haben wir über den "einen ring" diskutiert, aber was sollen denn dann die anderen 3, 7, und 9 ringe bedeuten. Siehe oben. Da habe ich bereits einen ersten Anknüpfungspunkt zitiert (Elbenringe => Technik [+ Attribut: "negativ"]). Die Frage, was XY bedeuten soll, ist aber von Anfang an die falsche Frage. Leider trichtern die Schulen ihren Welpen die "Was-will-uns-der-Autor-damit-sagen"-Scherzfrage ein. Damit wird im Deutschunterricht das Reflexionsvermögen geschult und auf Trapp gehalten, Literatur kann man damit aber nicht beleuchten, weil die Frage auf unbegründeten Unterstellungen beruht, welche die Literatur mystifizieren und den Literaturbenutzer verwirren. Die deutlichste Unterstellung ist die, dass das Gesagte in der Literatur stets und kategorisch nicht dem Gemeinten entspreche. Die Frage müsste lauten: Warum schreibt der Autor eigentlich "XY" (und nicht etwa "ST")? Denn in unserer Welt von Ursache und Wirkung gibt es auch dann eine Ursache, wenn ein Autor gar nichts sagen und meinen will, sondern nur eine visuell-ästhetische Freude an bestimmten Buchstabenkombinationen hat. Genau das kann man ja eben nicht, denn dann läuft man, wie Rübezahl schon gesagt hat, Gefahr, den Ring zu simplifizieren oder ihn auf eine seiner Eigenschaften zu reduzieren. Wobei es in unserer Welt mMn sowieso nichts gibt, bei dem man genau sagen könnte: "Das ist der Ring, genau das wollte Tolkien mit dem Ring darstellen!" Es gibt vllt. gewisse Übereinstimmungen und manche Eigenschaften des Ringes, von denen man Analogien in unserer Welt findet oder die allegorisch verwertbar sind, aber letztendlich wird einfach keine dieser ganzen Möglichkeiten ( Der Ring ist die Atombombe usw.) dem Ring als Ganzes wirklich gerecht. Also, da möchte ich trotzdem mal vorsichtig nachhaken, denn wenn ich dich beim Wort nehme ("letztendlich wird einfach keine dieser ganzen Möglichkeiten [...] dem Ring als Ganzes wirklich gerecht"), hat das, was du sagst, zur Folge, dass Tolkien letztlich über realitätsferne Gefahren geschrieben hat. Dazu würde ich dreierlei sagen: 1) In dem Fall hätte er als Mythenschreiber versagt. 2) Kann doch eigentlich gar nicht sein, oder? Denn geht man nach dem, was die Leser des "Herrn der Ringe" immer wieder über den Ring sagen und schreiben, dann fühlen sich sehr viele (alle?) vom Ring-Konzept anscheinend unmittelbar angesprochen. Das Ring-Konzept dürfte vielen daher nur allzu vertraut sein. (Das Problem ist an dieser Stelle natürlich wieder, dass man meistens nicht erkennen kann, wieviele Eigenschaften des Rings von diesen Lesern überhaupt berücksichtigt werden. Geht man davon aus, dass die meisten Leser immer nur ein-zwei Eigenschaften berücksichtigen, verabschiedet sich mein Punkt 2 auf die Ersatzbank. Geht man davon aus, dass die meisten alle wichtigen Eigenschaften berücksichtigen, hat mein Punkt 2 den entgegenhumpelnden Libero lässig umdribbelt.) 3) Tolkien selbst warnt vor dem Ork mit dem Ring der Macht. Vielleicht ist deine Aussage aber auch nur die Konsequenz aus der Herangehensweise, die bereits der Thread-Eröffner hier installiert hat. "Das ist der Ring, genau das wollte Tolkien mit dem Ring darstellen!" Purrlease, forget it, folks! Die Frage "Welches ST soll mit XY dargestellt werden?" ist eine sprachliche Sichtblende, welche den literatischen Text von Beginn an als Chiffrensprache interpretiert und den Literaturbenutzer in seinen Methoden einschränkt. Liegt keine Chiffrensprache vor, ist die Frage noch nicht einmal theoretisch beantwortbar. Als Alternative gäbe es z.B. folgende Fragestellungen: 1) Warum schreibt der Autor über einen Ring mit den gegebenen Eigenschaften? 2) Der Ring ist mit seinen Eigenschaften Teil eines Beziehungsgeflechts. Finden sich deckungsgleiche oder wenigstens 99%ig ähnliche Strukturen in der Nicht-Fiktion? Beide Fragen sind hinreichend beantwortbar. Die Beantwortung dürfte allerdings mindestens 29 ½ 200seitige Abhandlungen erfordern. Hier könnte man daher nur Teilaspekte sammeln und diskutieren, aber das wäre besser als nichts. :) Bearbeitet 3. Juni 2009 von Rübezahl Zitieren
Fangli Geschrieben 4. Juni 2009 Geschrieben 4. Juni 2009 Eigentlich habe ich genau darauf angespielt: 2) Der Ring ist mit seinen Eigenschaften Teil eines Beziehungsgeflechts. Finden sich deckungsgleiche oder wenigstens 99%ig ähnliche Strukturen in der Nicht-Fiktion? Auf das Beziehungsgeflecht und die ähnlichen Strukturen. Ich wollte nicht sagen, dass die Eigenschaften des Rings realitätsfern wären, denn dann würden sie den Leser ja eher langweilen und eben nicht ansprechen. Ich meinte man könne ähnliche Strukturen finden, die mehr oder minder mit den Eigenschaften des Ringes übereinstimmen, aber nicht 100% mit jeder Eigenschaft des Ringes deckungsgleich sind. Der Ring vereint sozusagen verschiedene Eigenschaften und symbolisiert so verschiedene Aspekte, die uns aus der Realität bekannt sind. Ein Beispiel: In einer Rezension zum Herrn der Ringe habe ich letztens folgende Aussage gefunden: Dort hieß es, der Ring sei eine "überdeutliche Analogie auf jegliche Sucht, die dem Menschen erst Schönheit suggeriert, ihn schleichend verändert, dann korrumpiert und letztendlich völlig beherrscht." Diese Analogie kann man sehen, aber sie deckt auch nur einen Teilaspekt des Ringes ab, nämlich seine "suchtbildende" Wirkung. Womit wir wieder bei der Reduzierung auf gewisse Eigenschaften wären... Genau das meinte ich, jeder wird verschiedene Dinge finden, die für ihn in ihren Eigenschaften dem Ring ähneln, manche werden mehr Ähnlichkeit aufweisen, manche weniger... Die Frage im Threadtitel scheint aber anzudeuten, das es auf diese Frage genau eine Antwort gibt die 100% passt, und dass wollte ich eben ausdrücken, dass es so leicht eben nicht geht. Sonst wäre die Antwort hier schon lange gegeben worden und es gäbe nichts zu diskutieren. Im Prinzip meinen wir glaube ich das Gleiche... :kratz: Zitieren
Rübezahl Geschrieben 4. Juni 2009 Geschrieben 4. Juni 2009 (bearbeitet) Im Prinzip meinen wir glaube ich das Gleiche... Nee, leider nicht. Auf das Beziehungsgeflecht und die ähnlichen Strukturen. Ich wollte nicht sagen, dass die Eigenschaften des Rings realitätsfern wären, denn dann würden sie den Leser ja eher langweilen und eben nicht ansprechen. Ich meinte man könne ähnliche Strukturen finden, die mehr oder minder mit den Eigenschaften des Ringes übereinstimmen, aber nicht 100% mit jeder Eigenschaft des Ringes deckungsgleich sind. Der Ring vereint sozusagen verschiedene Eigenschaften und symbolisiert so verschiedene Aspekte, die uns aus der Realität bekannt sind. Ja, klar. Ich meinte nicht, du hättest damit gesagt, die einzelnen Eigenschaften wären (jede für sich) realitätsfern, sondern der Ring insgesamt. Wenn es sowas wie den Ring (insgesamt) nicht gäbe, wäre er ein Supermonster, und wer nimmt schon ein Supermonster ernst? Okay, vielleicht ist es übertrieben zu sagen, das Wiedererkennen einzelner Eigenschaften sei wenig wert, nur der Ring insgesamt zähle, und wenn der Ring insgesamt kein Pendant hätte, könnte man ihn nicht ernst nehmen, aber das war eben das, was ich oben meinte. Ein Beispiel: In einer Rezension zum Herrn der Ringe habe ich letztens folgende Aussage gefunden: Dort hieß es, der Ring sei eine "überdeutliche Analogie auf jegliche Sucht, die dem Menschen erst Schönheit suggeriert, ihn schleichend verändert, dann korrumpiert und letztendlich völlig beherrscht." Diese Analogie kann man sehen, aber sie deckt auch nur einen Teilaspekt des Ringes ab, nämlich seine "suchtbildende" Wirkung. Womit wir wieder bei der Reduzierung auf gewisse Eigenschaften wären... Genau das meinte ich, jeder wird verschiedene Dinge finden, die für ihn in ihren Eigenschaften dem Ring ähneln, manche werden mehr Ähnlichkeit aufweisen, manche weniger... Naja, der Eindruck kommt vielleicht nur durch die knappe Ausdrucksweise in der Rezension zustande, aber selbst bei dieser knappen Ausdrucksweise sehe ich in dem Satz mehr als nur das Suchtbildende, denn etwas, das "Schönheit suggeriert" und einen "schleichend verändert", kann doch direkt mit Größenwahn, Machtzuwachs, dem Beherrschen von anderen, dem Aufhalten natürlicher Prozesse und dem eigenen Ruin zusammenhängen. Man müsste dazu nur noch konkrete Beispiele aus Politik, Wirtschaft, Philosophie etc. suchen und finden. Vielleicht gibt es Hunderte von passenden Beispielen. Es dürfte sogar Tausende geben, denn da die Horizontbegrenzung die Funktion von Mythen ist, ist es die Aufgabe des Mythenprojektors (also, des Lesers, der den Mythos über die "Welt" legt), die "Welt" so weit zu simplifizieren, bis sie passt. Editiert: Ein Beispiel: Ein Antikapitalist würde das dicke Geld zum Ring der Macht erklären: Wer Kohle hat, der meint, er wäre King Karl, er könnte jetzt alles ("I'm...too s*xy for my shirt...too s*xy for my shirt...so s*xy it huuurts"). Wer Kohle hat, wird noch kohlegeiler und kommt ohne nicht mehr aus. Wer Kohle hat, hat Macht. Wer Kohle hat, stellt als erstes sicher, dass er später stirbt als der Kassenpatient. Wer Kohle hat, kann hinter den Kulissen Politiker schmieren bzw. erpressen und Städte, Counties, Staaten (mit-)lenken. Wer Kohle hat, glaubt für eine gewisse Zeit, er wäre glücklich, wird aber innerlich von seiner Geilheit aufgefressen. Passt doch. :kratz: Bearbeitet 4. Juni 2009 von Rübezahl Zitieren
Aduidal Geschrieben 6. Juni 2009 Geschrieben 6. Juni 2009 Betrachten wir doch mal die Ringe als Gesamtkomplex. In erster Linie sind die Ringe ja "Bewahrer". Galadriel bringt ja deutlich zum Ausdruck, dass zumindest die Elbenringe von ihr und Elrond in erster Linie dafür sorgen, dass Rivendell und Lothlórien die Zeit als Abbild der alten Reiche Beleriands überdauern. Sie sind also "gute" Bewahrer, vor allem, weil sie nicht durch Sauron besudelt wurden. Die anderen dagegen, zumindest die Menschenringe und der Meisterring, haben ihren Besitzern nichts als Verdruß gebracht. Sie funktionieren auch als Bewahrer, aber in welcher Hinsicht? Die Menschenringe halten ihre Besitzer in einem Schwebezustand zwischen Leben und Tod gefangen und haben ihr Wesen verdorben. Der Meisterring bewahrt das Leben und zieht es in die Länge, aber auch nicht im Sinne von Elben-Unsterblichkeit, sondern im Sinne von ewigem Schmerz in Hassliebe mit dem Ring verbunden. Die Bewahrung alter Schönheit und Hassliebe sind uralte Motive literarischer Erzählepik. Darüber hinaus ist diese "Früher war alles besser" Haltung - vor allem jene der Noldor - natürlich sehr "romantisch", wie hier ausgeführt wird. Dort wird aber auch die Nähe zu Allegorien gesucht, die Tolkien ja bestreitet. Ich sehe das ziwespältig: Einerseits glaube ich Tolkien, dass er keine bewusste Allegorie geschrieben hat, vor allem keine auf ihrgendeinen Weltkrieg. Andererseits sind meines Erachtens selbstverständlich persönliche weltanschauliche Dinge in sein Werk eingeflossen, die von der wahren Welt beeinflusst sind. Ich denke da an seine Liebe zur Natur und seine Abneigung gegen lärmende moderne Errungenschaften, mindestens einmal ist er ja deswegen umgezogen. Um mal zum Ring zurück zu kommen: Ich denke einfach, dass der Ring ein tolles Mittel ist, um Bosheit und Macht zu vergegenstandlichen. In erster Linie ist das immer noch Fantasy und im wahren Leben gibt es sowas einfach nicht. Wir können keinen Ring in einen Vulkan werfen, damit die Husseins und Kim Jong Ils dieser Welt mitsamt ihrem Militär zusammen klappen. Wenn man mich also fragen würde, was der Ring konkret symbolisiert, würde ich sagen: Eigentlich gar nichts, er ist eher eine Art MacGuffin, der alles um sich herum beeinflusst, auch wenn er natürlich eine konkrete Funktion hat. Es kommt auf seine Umwelt an, nicht auf ihn selbst. Zitieren
Rübezahl Geschrieben 7. Juni 2009 Geschrieben 7. Juni 2009 (bearbeitet) Betrachten wir doch mal die Ringe als Gesamtkomplex. In erster Linie sind die Ringe ja "Bewahrer". Galadriel bringt ja deutlich zum Ausdruck, dass zumindest die Elbenringe von ihr und Elrond in erster Linie dafür sorgen, dass Rivendell und Lothlórien die Zeit als Abbild der alten Reiche Beleriands überdauern. Sie sind also "gute" Bewahrer, vor allem, weil sie nicht durch Sauron besudelt wurden. Mit der Attributierung wäre ich vorsichtig, denn die Elbenringe zeigen, dass das, was in der Theorie gut funktioniert, in der Praxis noch lange nicht gut funktionieren muss. Es ist gut und schön, seine Existenz durch die Abhängigkeit von der Maschine zu verschönern. Was aber, wenn die Meistermaschine, derer man selbst nicht Herr werden kann, aus dem Winterschlaf erwacht bzw. ihren Geist aufgibt und somit durch die mechanische Verkettung der eigenen Existenz den Saft abdreht? Eben, es ist schlecht, sich an gute Bewahrer zu klammern, wenn man keinen Plan B haben kann. Um mal zum Ring zurück zu kommen: Ich denke einfach, dass der Ring ein tolles Mittel ist, um Bosheit und Macht zu vergegenstandlichen. In erster Linie ist das immer noch Fantasy und im wahren Leben gibt es sowas einfach nicht. Wir können keinen Ring in einen Vulkan werfen, damit die Husseins und Kim Jong Ils dieser Welt mitsamt ihrem Militär zusammen klappen. Wie zitiert, sieht Tolkien das anders, was zeigt, dass du Mythen, insbesondere Tolkiens, anscheinend missverstehst. Du liest im Buch über ein Ding, das man anfassen kann, und suchst nun hier neben dem Buch ebenfalls nach einem Ding, das man anfassen kann. So ist die mythische Qualität des Buch-Dings aber nicht gemeint, denn Mythen konnte man noch nie anfassen. Suche neben dem Buch doch mal nicht nach Sachen, sondern z.B. nach Abstrakta wie ethischen Einstellungen. Wenn man es schafft, beispielsweise einer unliebsamen Ideologie, welche die Menschenrechte missachtet, das Fundament zu entreißen, fällt das Regime, das auf der Dachterrasse der Ideologie sitzt, vertikal durch die Einbauküche im Erdgeschoss in den (schon halb mit Grundwasser gefüllten) Keller. Dann hat man also einen Ring der Macht in einen Vulkan geworfen. Wobei man, wenn man sich an Tolkiens Weltanschauung hält, aber davon ausgehen muss, dass man selbst nicht in der Lage sein wird, den Wurf zu tätigen. Das Übel wird aufgrund seiner Schwäche und Deplaziertheit in der Welt von selbst über den Rand kippen. Doch man selbst muss dringend auch etwas tun: es auf den Weg bringen und ihm so lange in den Arsch treten, bis es den freien Fall vor sich hat. Wenn man mich also fragen würde, was der Ring konkret symbolisiert, würde ich sagen: Eigentlich gar nichts, er ist eher eine Art MacGuffin, der alles um sich herum beeinflusst, auch wenn er natürlich eine konkrete Funktion hat. Es kommt auf seine Umwelt an, nicht auf ihn selbst. Auch das sieht Tolkien offensichtlich anders. Er sieht den Ring nicht als hitchcockschen Aufhänger, sondern als Backförmchen, dessen konkrete Füllung sich dem individuellen Küchenpersonal ganz individuell zeigen wird, wenn sie ihm begegnet. Die Form des Backförmchens soll dem küchenpersönlichen Individuum anscheinend einen Leitfaden an die Hand geben, auf welche Schattenrisse es bei seinem Reality-Scan besonders achten sollte. Beim Gedanken an das Förmchen fühle ich mich gerade übrigens halb an das Begriffspaar "Stoff und Form" aus der aristotelischen Seelentheorie erinnert. Ob ich mich ganz daran erinnert fühlen sollte, muss ich mir noch mal überlegen. Bearbeitet 7. Juni 2009 von Rübezahl Zitieren
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