Cadrach Geschrieben 4. Februar 2011 Geschrieben 4. Februar 2011 (bearbeitet) Moin, wir besprechen im Rahmen der Leserunde 'Gemeinsam Tolkien lesen' (GTL) hier im Forum The Legend of Sigurd and Gudrún (Übersetzung von Hans-Ulrich Möhring: Die Legende von Sigurd und Gudrún) von J.R.R. Tolkien. in diesem Thread soll der Abschnitt Upphaf (Beginning) (Übersetzung: Upphaf - Eingang besprochen werden. Allgemeine Informationen zur Aktion "Gemeinsam Tolkien lesen" an sich finden sich hier, speziell zur Leserunde über The Legend of Sigurd and Gudrún gibt es hier weitere Informationen. Neue Diskussionsteilnehmer sind jederzeit willkommen! Das Moderatorenteam wünscht viel Spaß bei der Diskussion :-) Bearbeitet 7. Februar 2011 von Cadrach Zitieren
Alatariel Geschrieben 7. Februar 2011 Geschrieben 7. Februar 2011 (bearbeitet) Dann mache ich hier mal den Anfang: Meine Fragen beziehen sich zwar hauptsächlich auf den Hintergrund der Mythologie, aber vielleicht haben wir ja einen Experten hier, der mir beim Verständnis weiterhelfen kann. 1) Strophe 7: "deeply pondered, how fate should be fended" Weiß jemand zufällig wie sich das Schicksal im allgemeinen in der nordischen Mythologie darstellt? Ich hatte bsiher immer den Eindruck, dass doch vieles prädestiniert sie. Dieser Vers klingt jedoch, als ob es sich mit Willenskraft, Einfallsreichtum oder Stärke noch verändern lässt. Wie stark ist also der Schicksalsgedanke? (Auch ein paar Verse später bei der Beschreibung der ragnarök ist ja ein Beigeschmack von "wenn nicht doch..." dabei) 2) In Strophe 8 steht: "Thór the mighty flung among them, felled and sundered." aber in Strophe 9 geht es dann weiter mit: "In fear then fled they, foes immortal." Ist das "immortal" also eher metaphorisch gedacht bzw. soll einfach die Stärke und Widerstandskraft der Feinde betonen? Mir wäre jedenfalls nicht bekannt, dass jǫtunn (Jotunne? Jotunns?) unsterblich sind... :kratz: Bearbeitet 7. Februar 2011 von Alatariel Zitieren
Cadrach Geschrieben 7. Februar 2011 Autor Geschrieben 7. Februar 2011 So, nachdem ich am Wochenende leider keine Zeit hatte, starte ich heute endlich mit der Diskussion Der erste Abschnitt beschreibt ja die Erschaffung der Welt - ich habe mir mal Beschreibungen/Titel/was auch immer für jede einzelne Strophe überlegt. Einerseits, um mir selbst klarzumachen, worum es jeweils geht; andererseits, um abzustimmen, ob Ihr das überhaupt genauso seht. Durch die sehr knappe Sprache ist teilweise für mich nicht 100%ig klar, ob ich alles verstanden habe. Hier also mein Handlungsüberblick: 1 Leere 2 Erschaffung der Welt durch die Götter 3 Bau einer Festung für die Götter 4 Erschaffung der Menschen 5 Das Böse dringt in die Welt ein 6 Krieg zwischen Riesen und Göttern 7 Beratung der Götter 8 Thórs Hammer wird geschmiedet 9 Flucht der Feinde * 10 Die Seherin berichtet von der Ragnarök 11 Die Vision der Wölwa: Heimdalls Horn und der Fenriswolf 12 Die Vision der Wölwa: Surrt und die Midgardschlange 13 Die Vision der Wölwa: Kampf zwischen Ferner und Ódin, Frey und Surrt, Thór und der Midgardschlange 14 Die Vision der Wölwa: Ein Sterblicher rettet die Welt 15 Die Vision der Wölwa: Beschreibung des Auserwählten * 16 Erneuerung der Sonne und Erschaffung des Mondes 17 Bepflanzung der Erde 18 Ódin durchstreift die Erde 19 Ódin erschafft Walhall 20 Feier in Erwartung des Auserwählten Insbesondere bei Strophe 16 bin ich mir unsicher. Vorher wurde nicht erwähnt, dass die Sonne zerstört wurde, in dieser Strophe wird sie aber "rekindled". Habe ich da vielleicht etwas falsch verstanden? Mit dem Mond verstehe ich es hingegen so, dass er vorher nicht existiert hat, doch auch da bin ich mir nicht sicher. Liest jetzt eigentlich einer von Euch parallel in der Edda oder kennt diese bereits gut genug, um alle "mythischen Anspielungen" zu verstehen? Wenn ja, wäre ich sehr an der Bedeutung des Adlers in Strophe 19 interessiert. - Was hat es mit diesem auf sich? Die Sprache finde ich übrigens unglaublich toll: Durch die Verknappung musste ich zwar stellenweise mehrmals nachlesen, um den Inhalt zu erfassen, doch klanglich ist das Versepos bisher wirklich beeindruckend. Die Übersetzung ist ab und zu etwas holprig, aber auch erstaunlich gut gelungen - ich hätte nicht gedacht, dass sich Versepen so gut in eine andere Sprache übertragen lassen - alle Achtung für Möhrings Leistung! (Den ich seit seiner Otherland-Übersetzung ohnehin für einen sehr talentierten Übersetzer halte.) So viel erst einmal - ich freue mich auf Eure Reaktionen und Eindrücke :-) Zitieren
Cadrach Geschrieben 7. Februar 2011 Autor Geschrieben 7. Februar 2011 Dann mache ich hier mal den Anfang: Mist, und ich dachte, ich wäre schneller 2) In Strophe 8 steht: "Thór the mighty flung among them, felled and sundered." aber in Strophe 9 geht es dann weiter mit: "In fear then fled they, foes immortal." Ist das "immortal" also eher metaphorisch gedacht bzw. soll einfach die Stärke und Widerstandskraft der Feinde betonen? Mir wäre jedenfalls nicht bekannt, dass jǫtunn (Jotunne? Jotunns?) unsterblich sind... Hier schafft die Übersetzung Eindeutigkeit: Da flohen vor Furcht die Feinde auf ewig Tolkien verwendet "immortal" hier also wahrscheinlich wie im Deutschen "unsterblich verliebt". Bei Deiner ersten Frage muss ich leider passen. Was ich bei meinem ersten Beitrag ganz vergessen habe, zu schreiben: Tolkien verwendet allein in diesem ersten Abschnitt sehr konsequent Wiederholungen von Wortgruppen. Strophe 7: The Gods gathered on golden thrones, of doom and death deeply pondered Dann in Strophe 10: Of doom and death dark words she spake Und noch einmal in Strophe 16: The Gods were gathered on guarded heights of doom and death deep they pondered. Dadurch prägt sich der Text sehr gut ein, hat in gewisser Weise etwas Mantra-Artiges. Zitieren
Alatariel Geschrieben 7. Februar 2011 Geschrieben 7. Februar 2011 (bearbeitet) Liest jetzt eigentlich einer von Euch parallel in der Edda oder kennt diese bereits gut genug, um alle "mythischen Anspielungen" zu verstehen? Wenn ja, wäre ich sehr an der Bedeutung des Adlers in Strophe 19 interessiert. - Was hat es mit diesem auf sich? Ich kenne mich leider nicht damit aus, aber in der Grímnismál wird der Adler in Strophe 10 auch erwähnt: "There hangs a wolf | by the western door, And o'er it an eagle hovers." Die Anmerkung bei mir sagt*, dass es sich dabei wahrscheinlich um eine Schnitzerei handelt. Worauf diese Annahme beruht, weiß ich leider nicht. Was mythische Anspielungen anbetrifft, so gibt es da sicher mehr als genug. Der Adler auf Yggdrasil, Suttungr in Adlerform, Hræsvelgr, Odin in Adlerform, ... Marjorie Burns schreibt dazu: "The eagle associated with Valhalla has both positive and negative connotations; representing both the power and the threat of war and the power of transference between spiritual states or world." Ob wir damit nun mehr wissen? *Ich nutze die Übersetzung von Henry Adams Bellows. Tolkien verwendet "immortal" hier also wahrscheinlich wie im Deutschen "unsterblich verliebt". Ah, danke für diesen Hinweis. Übersetzungen können also doch manchmal zu etwas Nutze sein. Mit der Bedeutung "nie endend" im Sinne von "ewige Feindschaft" kann ich mich anfreunden. "Immortal" wird ja auch anderorts auf diese Art und Weise verwendet, z.B. in Antony and Cleopatra von Shakespeare: "I have immortal longings in me." Danke für die Aufklärung! Bearbeitet 7. Februar 2011 von Alatariel Zitieren
Torshavn Geschrieben 8. Februar 2011 Geschrieben 8. Februar 2011 (bearbeitet) Insbesondere bei Strophe 16 bin ich mir unsicher. Vorher wurde nicht erwähnt, dass die Sonne zerstört wurde, in dieser Strophe wird sie aber "rekindled". Habe ich da vielleicht etwas falsch verstanden? Mit dem Mond verstehe ich es hingegen so, dass er vorher nicht existiert hat, doch auch da bin ich mir nicht sicher. Cadrach, Du hast es nur überlesen. Die Sonne erlischt in Strophe 6, wo es heißt: "...schwarz ward die Sonne". Der Mond war allerdings vorher noch nicht da. Ich sehe ihn eher symbolisch. Mit dem Krieg der Riesen gegen die Götter, kam die dunkle Seite in die Welt. Wahrscheinlich gibt es deshalb jetzt die Nacht, deren Symbol der Mond ist. Liest jetzt eigentlich einer von Euch parallel in der Edda oder kennt diese bereits gut genug, um alle "mythischen Anspielungen" zu verstehen? Wenn ja, wäre ich sehr an der Bedeutung des Adlers in Strophe 19 interessiert. - Was hat es mit diesem auf sich? Die Bedeutung des Adlers ist mir auch nicht ganz klar. Aber Alatariels Antwort hilft sehr weiter. Der Adler als Bote zwischen den Welten. Wäre dann hier Midgard, Welt der Menschen, und Asgard, Welt der Götter. Der Adler ist auch der mächtigste (Raub)- Vogel. Und hier vielleicht einfach ein Symbol für Odin, den Göttervater. Das heißt der Adler würde in Strophe 19 seine Halle, sein Zuhause und damit die Halle der gefallenen Krieger kennzeichnen. Danke Cadrach für die Handlungsübersicht. Ich finde sie sehr hilfreich. Ein Gedanke bzw. eine Frage kam mir beim Lesen. Die Götter bleiben bei der "ersten" Erschaffung der Welt anonym. Sie treten erst namentlich, und da auch nur Thor, im Krieg gegen die Riesen (Strophe 6-9) auf. Erst mit der Prophezeiung der Seherin kommen Namen ins Spiel und Zuordnungen. Zuerst zu Ragnarök: Thor gegen die Midgardschlange, Odin gegen Fenris usw. Und die "Zweiterschaffung" der Welt wird personifiziert. Hat jemand eine Vorstellung, warum das so ist? Auch mich hat der Text von Anfang an in seinen Bann geschlagen. Die kurzen knappen Strophen, anspielungsreich und voller Gedanken, berühren mich sehr. Bearbeitet 8. Februar 2011 von Torshavn Zitieren
Alatariel Geschrieben 8. Februar 2011 Geschrieben 8. Februar 2011 Ein Gedanke bzw. eine Frage kam mir beim Lesen. Die Götter bleiben bei der "ersten" Erschaffung der Welt anonym. Sie treten erst namentlich, und da auch nur Thor, im Krieg gegen die Riesen (Strophe 6-9) auf. Erst mit der Prophezeiung der Seherin kommen Namen ins Spiel und Zuordnungen. Zuerst zu Ragnarök: Thor gegen die Midgardschlange, Odin gegen Fenris usw. Und die "Zweiterschaffung" der Welt wird personifiziert. Hat jemand eine Vorstellung, warum das so ist? Ich denke das hat ganz praktische Gründe. Bei dem Kampf gegen die Riesen werden die Götter einfach als Kollektiv "the gods" erwähnt. Es würde ja auch viel zu weit gehen jeden einzeln aufzuzählen. Und der Autor geht schleißlich davon aus, dass der Leser mit den Identitäten der Götter vertraut ist. Bei der Visison von der Ragnarök hingegen werden ja die Zweikämpfe erwähnt; da lässt sich eine namentliche Benennung kaum vermeiden. Aber was genau meinst du mit einer "Personifizierung" der Zweiterschaffung der Welt. Wo liest du das? Zitieren
Torshavn Geschrieben 8. Februar 2011 Geschrieben 8. Februar 2011 Aber was genau meinst du mit einer "Personifizierung" der Zweiterschaffung der Welt. Wo liest du das? Es gibt doch die Erschaffung vor dem Krieg gegen die Riesen (Strophen 1-4) "Die großen Götter begannen zu bauen die gewaltige Welt", und die Erschaffung nach der Weissagung. Da werden den Göttern Aufgaben zugeteilt, wie z.B. "Frey und Freya pflanzten gedeihliches..." Das finde ich ist schon ein bemerkenswerter Unterschied. Oder, was meint Ihr? Zitieren
Cadrach Geschrieben 8. Februar 2011 Autor Geschrieben 8. Februar 2011 Insbesondere bei Strophe 16 bin ich mir unsicher. Vorher wurde nicht erwähnt, dass die Sonne zerstört wurde, in dieser Strophe wird sie aber "rekindled". Habe ich da vielleicht etwas falsch verstanden? Mit dem Mond verstehe ich es hingegen so, dass er vorher nicht existiert hat, doch auch da bin ich mir nicht sicher. Cadrach, Du hast es nur überlesen. Die Sonne erlischt in Strophe 6, wo es heißt: "...schwarz ward die Sonne". Der Mond war allerdings vorher noch nicht da. Ich sehe ihn eher symbolisch. Mit dem Krieg der Riesen gegen die Götter, kam die dunkle Seite in die Welt. Wahrscheinlich gibt es deshalb jetzt die Nacht, deren Symbol der Mond ist. Ah, dankeschön. Aber der Mond wird ja auch von den Ásen in die Welt gesetzt - an ein Zeichen des Bösen glaube ich daher eher nicht. Auf jeden Fall macht der Anfang des neuen Wölsungenliedes neugierig auf die nordische Schöpfungsgeschichte. Vor langer Zeit (zumindest gemessen an meinem Alter ) habe ich einmal eine Kinderbuch-Ausgabe der nordischen Mythen gelesen, kann mich aber kaum mehr daran erinnern. Gibt es Eurerseits eine Werkempfehlung, um sich über die Inhalte zu informieren? Es geht mir tatsächlich nur um den reinen Inhalt, eine klare Sprache (und entsprechend wohl eher kein Versmaß) wäre also am sinnvollsten. Aber was genau meinst du mit einer "Personifizierung" der Zweiterschaffung der Welt. Wo liest du das? Es gibt doch die Erschaffung vor dem Krieg gegen die Riesen (Strophen 1-4) "Die großen Götter begannen zu bauen die gewaltige Welt", und die Erschaffung nach der Weissagung. Da werden den Göttern Aufgaben zugeteilt, wie z.B. "Frey und Freya pflanzten gedeihliches..." Das finde ich ist schon ein bemerkenswerter Unterschied. Oder, was meint Ihr? Bereits in Strophe 8, also noch im ersten Abschnitt, vor dem ersten *, wird Thór namentlich erwähnt. In der Weissagung der Wölwa tauchen dann alle anderen Namen (bis auf Freyja) auf. Und auch im letzten Abschnitt, in Strophe 16, werden die Götter als Kollektiv genannt. So gesehen stellt sich mir der Bruch als nicht ganz so extrem dar wie Du ihn schilderst. Alas Erklärung reicht mir entsprechend völlig: Immer, wenn die Götter einzeln genannt werden, ist ihre Nennung an bestimmte Taten geknüpft: Thór kämpft, Ódin wandert durch die Welt, Frey und Freyja begrünen die Erde - immer, wenn alle Ásen gleichermaßen gemeint sind, verwendet Tolkien hingegen "the gods". Was auch sehr interessant ist, ist ja, dass der Text überhaupt mit der Schöpfungsgeschichte beginnt. Bevor ich mit dem Lesen begonnen habe, war ich ganz klar davon ausgegangen, eine Variante der Tötung Fáfnirs durch Sigurd vor mir zu haben. Wozu also der Schöpfungsmythos, der mit der eigentlichen Handlung (zumindest meines Wissens) nichts weiter zu tun hat? Der einzige Grund, der mir einfällt, liegt in der Änderung Tolkiens in Bezug zur originalen Edda: Die Wölwa spricht von einem Sterblichen, der das Schicksal zum Guten wenden wird - dieser Sterbliche ist natürlich Sigurd. Soll mit "Upphaf" also "nur" gezeigt werden, wie wichtig Sigurd ist, oder gibt es noch andere Gründe für diesen Prolog? Zitieren
Torshavn Geschrieben 9. Februar 2011 Geschrieben 9. Februar 2011 Gibt es Eurerseits eine Werkempfehlung, um sich über die Inhalte zu informieren? Es geht mir tatsächlich nur um den reinen Inhalt, eine klare Sprache (und entsprechend wohl eher kein Versmaß) wäre also am sinnvollsten. Wenn es Dir nur um den Inhalt geht, Cadrach, leicht aufzunehmen und zu lesen, würde ich Dir "Nordische Götter- und Heldensagen" aus dem Ensslin- Verlag empfehlen. Ein sehr gutes Jugendbuch. Zitieren
Eriol Geschrieben 9. Februar 2011 Geschrieben 9. Februar 2011 Dann will ich mal das Trio zum Quartett erweitern. Leider bin ich erst eben dazu gekommen, Eure Beiträge zu lesen und muss mich auch nochmal intensiv in den Text einarbeiten. Ich bin aber aufs angenehmste Überrascht, auf welch hohem Niveau hier diskutiert wird. Ich hoffe, das ich mit Euch (jungem Gemüse ) mithalten kann. Andererseits war die nordische Mythologie schon ein Thema meiner Kindheit und die Nibelungensage(n) habe ich so mit etwa 10 Jahren erstmals gelesen. Ich habe eine deutsche Übersetzung der Edda beim Lesen zu Hand. Ich verwende die Fassung von Karl Simrock aus dem Jahr 1851, vielleicht nicht mehr ganz 'zeitgemäß' aber sprachlich unschlagbar. Die kurze prägnante Sprache ist für uns heute ungewohnt, ich finde sie aber sehr 'kraftvoll' und dem Gesamtstoff angemessen. Insgesamt zwingt das Versmaß zur 'Verknappung' der Worte Bevor ich in den nächsten Tagen in den Text einsteige ein paar Anmerkungen zur Symbolik. Der Adler kann durchaus für mehrere verschiedene Personen stehen. So wird er, wie bereits beschrieben, als Symbol für Odin gewählt, aber auch für Hräswelgr oder andere. Insgesamt wird der Adler in der nordischen Mythologie vielfach als dunkles, finsteres Symbol verwendet. Er ist insgesamt nicht so positiv besetzt, wie er das heute üblicherweise ist und wie Tolkien ihn in seinem sonstigen Werk verwendet. Das Schicksal bestimmen in der nordischen Mythologie die Nornen. Es gibt unterschiedliche Interpretationen ihrer 'Macht'. Einige sehen das von den Nornen vorgesehen Schicksal als unabänderlich. Es gibt aber auch Stimmen, die davon ausgehen, das die Nornen 'gutes' und 'schlechtes' Schicksal zuteilen und man damit zurechtkomemn muss. In diesen Fällen könnte das Schicksal auch gewendet werden. Ich persönlich bin kein Anhänger des Karmagedankens und würde daher hier wie Alatariel davon ausgehen, dass das Schicksal durch Karft und Stärke aber vielleicht auch durch List - Loki läßt grüßen - gewendet werden kann. Ich freue mich jedenfalls auf die nächsten Wochen intensiven Gedankenaustauschs Eriol - kein Fachmann aber ein geneigter Leser Zitieren
viator Geschrieben 9. Februar 2011 Geschrieben 9. Februar 2011 (bearbeitet) Ein wenig spät, aber doch, habe ich jetzt endlich die Muße gehabt, den Abschnitt in Ruhe zu lesen. Ich bin fasziniert. Gestern habe ich nur die Übersetzung überflogen und mich dann etwas skeptisch gefragt, worauf ich mich da eingelassen habe. Das englische Original, das ich heute in Ruhe gelesen habe, hat mich aber tief bewegt und fasziniert. Trotzdem bin ich um die zweisprachige Ausgabe froh, weil ich doch manchmal auf die Übersetzung schielen musste. Vor langer Zeit (zumindest gemessen an meinem Alter ) habe ich einmal eine Kinderbuch-Ausgabe der nordischen Mythen gelesen, kann mich aber kaum mehr daran erinnern. Gibt es Eurerseits eine Werkempfehlung, um sich über die Inhalte zu informieren? Es geht mir tatsächlich nur um den reinen Inhalt, eine klare Sprache (und entsprechend wohl eher kein Versmaß) wäre also am sinnvollsten. Ich habe mehrere Ausgaben der Edda, aber noch keine gelesen. Leider. Auch Bücher über die germanische Mythologie habe ich, ebenfalls noch ungelesen, daheim: Jacob Grimm, Deutsche Mythologie (vollst. Ausgabe in zwei Bänden) Wolfgang Golther, Germanische Götter- und Heldensagen Wolfgang Golther, Handbuch der Germanischen Mythologie Einfach mal so zum Lesen sind diese sehr umfangreichen und komplexen Werke allerdings nicht. Das Werk von Jacob Grimm ist alles andere als ein Kinderbuch, was man vielleicht vermuten könnte, sondern eines der umfangreichsten und historisch wichtigsten Werke zum Thema. Golthers Bücher sind moderner und faszinieren allein vom Umfang her, sind aber auch eher komplex. Vielleicht sollte ich mich bei dieser Gelegenheit auch darin vertiefen. Liest jetzt eigentlich einer von Euch parallel in der Edda oder kennt diese bereits gut genug, um alle "mythischen Anspielungen" zu verstehen? Wenn ja, wäre ich sehr an der Bedeutung des Adlers in Strophe 19 interessiert. - Was hat es mit diesem auf sich? Im Wikipedia-Artikel über Walhall steht: Das Sparrengerüst Walhalls wird von Speeren gebildet, Brünnen zieren die Bänke, und erleuchtet wird die Halle durch den Glanz der Schwerter. Über dem westlichen Tor hängt ein Wolf, darüber schwebt ein Adler - die Tiere, die den Schlachtengott auf die Walstatt begleiten. Tolkien schreibt, dass dort viel Eberfleisch gegessen wird. Im selben Wikipedia-Artikel steht dazu: Der Koch Walhalls, Andhrimnir (Rußgesicht) hat ein schwarzes Gesicht, da er tagelang in den Kessel schaut, in dem der Eber Sæhrímnir jeden Abend aufs neue zubereitet wird. Saehrimnir wird jeden Tag wieder lebendig und erneut verzehrt. Odin jedoch isst nie vom Fleisch des Ebers, sondern gibt seinen Anteil grundsätzlich seinen Wölfen. Er selber begnügt sich mit dem Met. Ich bezweifle jetzt, dass man dieses Werk ohne genauere Kenntnis der nordischen Mythologie nur halb verstehen kann. Bearbeitet 9. Februar 2011 von viator Zitieren
Torshavn Geschrieben 11. Februar 2011 Geschrieben 11. Februar 2011 Was auch sehr interessant ist, ist ja, dass der Text überhaupt mit der Schöpfungsgeschichte beginnt. Bevor ich mit dem Lesen begonnen habe, war ich ganz klar davon ausgegangen, eine Variante der Tötung Fáfnirs durch Sigurd vor mir zu haben. Wozu also der Schöpfungsmythos, der mit der eigentlichen Handlung (zumindest meines Wissens) nichts weiter zu tun hat? Der einzige Grund, der mir einfällt, liegt in der Änderung Tolkiens in Bezug zur originalen Edda: Die Wölwa spricht von einem Sterblichen, der das Schicksal zum Guten wenden wird - dieser Sterbliche ist natürlich Sigurd. Soll mit "Upphaf" also "nur" gezeigt werden, wie wichtig Sigurd ist, oder gibt es noch andere Gründe für diesen Prolog? Ich glaube, das es nicht nur um die Wichtigkeit Sigurds geht, der ja auch namentlich nicht einmal erwähnt wird. In meinen Augen soll diese Schöpfungsgeschichte das Schicksalsband verdeutlichen das Menschen und Götter zusammenhält. Die Götter, die die Welt geschaffen haben und die Menschen, die sie bewohnen und aufgerufen sind nach ihrem Tod in Walhalla auszuharren, um an der Seite der Götter zu kämpfen um Ragnarök zu gewinnen. Zitieren
Cadrach Geschrieben 12. Februar 2011 Autor Geschrieben 12. Februar 2011 Wenn es Dir nur um den Inhalt geht, Cadrach, leicht aufzunehmen und zu lesen, würde ich Dir "Nordische Götter- und Heldensagen" aus dem Ensslin- Verlag empfehlen. Ein sehr gutes Jugendbuch. Danke für den Tipp, Torshavn Ein wenig spät, aber doch, habe ich jetzt endlich die Muße gehabt, den Abschnitt in Ruhe zu lesen. Ich bin fasziniert. Gestern habe ich nur die Übersetzung überflogen und mich dann etwas skeptisch gefragt, worauf ich mich da eingelassen habe. Das englische Original, das ich heute in Ruhe gelesen habe, hat mich aber tief bewegt und fasziniert. Trotzdem bin ich um die zweisprachige Ausgabe froh, weil ich doch manchmal auf die Übersetzung schielen musste. Ja, so nutze ich die Übersetzung auch, und im Fall von "immortal" hat die Übersetzung hier ja auch schon eine mögliche Interpretation ins Spiel gebracht, die zumindest Ala und mir beim Lesen der entsprechenden Stelle im Original nicht gekommen wäre. Aber auch sonst erweist sich die Übersetzung als gute Hilfe, wenn man mal eine Vokabel nicht kennt oder auch einen ganzen Vers nicht versteht. Was stört Dich denn an der Übersetzung? Ich finde sie erstaunlich gut, hätte vorher nicht gedacht, dass sie so gut funktionieren würde. Ende letzten Jahres habe ich mich mit Helmut Pesch über The Legend of Sigurd and Gudrún unterhalten und sein Kommentar zur Übersetzung war: "Ich hätte es nicht besser machen können." Jacob Grimm, Deutsche Mythologie (vollst. Ausgabe in zwei Bänden) Wolfgang Golther, Germanische Götter- und Heldensagen Wolfgang Golther, Handbuch der Germanischen Mythologie Einfach mal so zum Lesen sind diese sehr umfangreichen und komplexen Werke allerdings nicht. Das Werk von Jacob Grimm ist alles andere als ein Kinderbuch, was man vielleicht vermuten könnte, sondern eines der umfangreichsten und historisch wichtigsten Werke zum Thema. Golthers Bücher sind moderner und faszinieren allein vom Umfang her, sind aber auch eher komplex. Vielleicht sollte ich mich bei dieser Gelegenheit auch darin vertiefen. Wenn diese Bücher sehr umfangreich sind, sind sie für mich momentan wohl leider eher ungeeignet, da ich momentan kaum Zeit übrig habe Allerdings klingt Golther für mich sehr interessant, wobei ich das erste Buch zumindest bei amazon nicht finden kann. Wenn Du mal die Zeit finden solltest, in die Bücher reinzulesen, wäre ich auf jeden Fall an Deiner Meinung/Einschätzung interessiert. Ich bezweifle jetzt, dass man dieses Werk ohne genauere Kenntnis der nordischen Mythologie nur halb verstehen kann. Meinst Du wirklich? Ich hatte bisher das Gefühl, dass der Text erstaunlich gut ohne Detailwissen funktioniert. Die einzige Frage, die ich inhaltlich hatte, war die nach dem Adler (Danke Euch allen für die Antworten!), und das ist wohl eher als "unwichtiges Detail" einzustufen denn als elementarer Handlungsbestandteil. Alles andere konnte ich mir mit meinem Vorwissen (aus der Kinderbuch-Ausgabe und hier und da aus anderen Quellen) und den Kommentaren Christophers erschließen. Wo genau siehst Du denn Probleme? Ich glaube, das es nicht nur um die Wichtigkeit Sigurds geht, der ja auch namentlich nicht einmal erwähnt wird. In meinen Augen soll diese Schöpfungsgeschichte das Schicksalsband verdeutlichen das Menschen und Götter zusammenhält. Die Götter, die die Welt geschaffen haben und die Menschen, die sie bewohnen und aufgerufen sind nach ihrem Tod in Walhalla auszuharren, um an der Seite der Götter zu kämpfen um Ragnarök zu gewinnen. Aber gehört das wirklich in diese Geschichte? Ich fände es ja auch merkwürdig, wenn The Lord of the Rings mit der "Ainulindale" beginnen würde. Hier stört mich die Aufnahme der Schöpfungsgeschichte nicht, ich finde sie sogar angenehm, doch merkwürdig ist dieser Anfang allemal. Zitieren
Anshelm Geschrieben 17. Februar 2011 Geschrieben 17. Februar 2011 Anmerkungen auch im Anhang von Christopher Tolkien Zitieren
Torshavn Geschrieben 17. Februar 2011 Geschrieben 17. Februar 2011 Anmerkungen auch im Anhang von Christopher Tolkien Worauf beziehst Du Dich gerade? Zitieren
Anshelm Geschrieben 17. Februar 2011 Geschrieben 17. Februar 2011 Anmerkungen auch im Anhang von Christopher Tolkien Worauf beziehst Du Dich gerade? bezogen auf mögliche inhaltliche Fragen Zitieren
Alatariel Geschrieben 17. Februar 2011 Geschrieben 17. Februar 2011 Aber gehört das wirklich in diese Geschichte? Ich fände es ja auch merkwürdig, wenn The Lord of the Rings mit der "Ainulindale" beginnen würde. Hier stört mich die Aufnahme der Schöpfungsgeschichte nicht, ich finde sie sogar angenehm, doch merkwürdig ist dieser Anfang allemal. Ich finde das gar nicht so merkwürdig. Es wird schließlich angenommen, dass das Völsunga Manuskript einiges der Inspiration aus der Poetic Edda zieht. Und innerhalb der Edda nimmt die Völuspá ja keinen unerheblichen Teil ein. Ich interpretiere diesen Anfang also als einen kurzen hat-tip an die Völuspa. Die Parallelen (das Auftreten der Seherin, der Bezug auf die Völuspa-Verse "Of old was the age [...] sea nor cool waves | nor sand there were; Earth had not been, | nor heaven above, But a yawning gap, | and grass nowhere.", ...) sind ja eigentlich nicht zu übersehen. Die Reihenfolge der erwähnten Elemente (sand, sea, heavens, abyss, grass) ist in der Völuspa identisch. Gleichzeitig ist es natürlich auch eine Art "scene setting"; man wird quasi in das Universum und seine Geschichte eingeführt. Auf dem Hintergrund, dass dieses Werk als eine Art Imitation der alten isländischen und germanischen Sagenerzählungen geschrieben wurde, finde ich diesen Anfang auch nicht merkwürdig. Man muss ja auch bedenken, dass die Völsunga Saga keinesfalls mit einem Roman wie dem Herrn der Ringe zu vergleichen ist. Das Konzept in sich geschlossener, kohärenter Romane ist ja eher ein Phänomen der Moderne. Zitieren
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