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Mythopoeia II [lines 9-28]


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Geschrieben (bearbeitet)

At bidding of a Will, to which we bend

(and must), but only dimly apprehend,

great processes march on, as Time unrolls

from dark beginnings to uncertain goals;

and as on page o'erwritten without clue,

with script and limning packed of various hue,

an endless multitude of forms appear,

some grim, some frail, some beautiful, some queer,

each alien, except as kin from one

remote Origo, gnat, man, stone, and sun.

God made the petrous rocks, the arboreal trees,

tellurian earth, and stellar stars, and these

homuncular men, who walk upon the ground

with nerves that tingle touched by light and sound.

The movements of the sea, the wind in boughs,

green grass, the large slow oddity of cows,

thunder and lightning, birds that wheel and cry,

slime crawling up from mud to live and die,

these each are duly registered and print

the brain's contortions with a separate dint.

Mit Zeilennummern:

9 At bidding of a Will, to which we bend

10 (and must), but only dimly apprehend,

11 great processes march on, as Time unrolls

12 from dark beginnings to uncertain goals;

13 and as on page o'erwritten without clue,

14 with script and limning packed of various hue,

15 an endless multitude of forms appear,

16 some grim, some frail, some beautiful, some queer,

17 each alien, except as kin from one

18 remote Origo, gnat, man, stone, and sun.

19 God made the petrous rocks, the arboreal trees,

20 tellurian earth, and stellar stars, and these

21 homuncular men, who walk upon the ground

22 with nerves that tingle touched by light and sound.

23 The movements of the sea, the wind in boughs,

24 green grass, the large slow oddity of cows,

25 thunder and lightning, birds that wheel and cry,

26 slime crawling up from mud to live and die,

27 these each are duly registered and print

28 the brain's contortions with a separate dint.

9 Nach Vorgabe eines Willens, dem wir uns beugen

10 (müssen), den wir aber nur schemenhaft begreifen,

11 schreiten grosse Prozesse voran, wenn sich die Zeit entfaltet

12 aus dunklen Anfängen hin zu ungewissen Zielen;

13 und wie auf einer Seite, ahnungslos überschrieben,

14 mit Schrift und Zeichen überfüllt in mancherlei Schattierung,

15 erscheint eine endlose Vielzahl an Formen,

16 einige düster, einige zerbrechlich, einige wunderschön, einige sonderbar,

17 alle einander fremd, bis auf die Verwandschaft in einem

18 fernen Ursprung, eine Mücke, ein Mensch, ein Stein, und die Sonne.

19 Gott erschuf die steinernen Steine, die baumigen Bäume,

20 irdene Erde, stellare Sterne, und jene

21 menschenmässigen Menschen, welche über den Boden wandern

22 mit Nerven, die prickeln wenn sie von Licht und Geräusch berührt werden.

23 Die Bewegungen des Meeres, der Wind in den Zweigen,

24 grünes Gras, die beträchtlich träge Eigenart der Kühe,

25 Donner und Blitz, Vögel die sich überschlagen und Schreien,

25 Schleim, der aus dem Schlamm herauskriecht um zu leben und zu sterben,

27 diese alle sind ordnungsgemäss registriert und stempeln

28 die Gehirnwindungen mit einer speziellen Prägung.

Bearbeitet von Alatariel
Gast Dunderklumpen
Geschrieben

zu Zeile 9 - 12

9 At bidding of a Will, to which we bend

10 (and must), but only dimly apprehend,

11 great processes march on, as Time unrolls

12 from dark beginnings to uncertain goals;

Hier ist mir eigentilch nur ein Punkt unklar:

"at bidding of":

Mir fehlt da das Gespür dafür, welcher Grad von "Gewalt" da drin liegt.

Die Spanne geht ja von "Angebot" bis "Befehl".

Orald übersetzt mit "nach Vorgabe". Das klingt ja noch sehr mild.

Wie empfinden das "englische Ohren"?

Geschrieben

Mir fehlt da das Gespür dafür, welcher Grad von "Gewalt" da drin liegt.

Die Spanne geht ja von "Angebot" bis "Befehl".

Orald übersetzt mit "nach Vorgabe". Das klingt ja noch sehr mild.

Genau diese Interpretationsspanne ist meinem gefühl nach aber auch darin enthalten. Ich habe damals "Geheiß" benutzt, vielleicht tendieren wir automatisch in die gebieterische Richtung, weil sich das "to which we bend" anschließt?

Ich finde auch das "ahnungslos überschrieben" als Übersetzungsmöglichkeit interessant. Aus dem text geht ja nicht hervor wer hier "without clue" war/ist. Ich habe es so verstanden, dass die Geschöpfe, die sich dem "will" beugen, keine Hinweise mehr finden. Aber Oralds Übersetzung bei der etwas ohne Verständnis/Ahnung überschrieben wurde. Wie habt ihr das intuitiv empfunden?

God made the petrous rocks, the arboreal trees,

tellurian earth, and stellar stars, and these

homuncular men [...]

Orald hat die Pleonasmen ja ganz einfach mit den Adjektiven übersetzt, besonders "irden" gefällt mir gut. :-) Ansonsten gibt es im Deutschen ja leider kaum die Entsprechungen. Ich habe mich damals mit diesen Versen ziemlich schwer getan, denn was es ja gerade so interessant macht, ist der "twist" im letzten Vers, wenn es um die Menschen geht. "Homuncular" ist eben nicht mehr nur noch "menschenartig", ansonsten hätte man ja "hominoid" oder so nehmen können. Bei homunculus hingegen schwingt ja auch diese Konnotation von zwergenhaft und des künstlich-maschinellen Menschen mit. Es betont also wieder die Abhängigkeit von Menschen zu ihrem Schöpfer/creator.

Später mehr...

Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Die Spanne geht ja von "Angebot" bis "Befehl".

Orald übersetzt mit "nach Vorgabe". Das klingt ja noch sehr mild.

Genau diese Interpretationsspanne ist meinem gefühl nach aber auch darin enthalten.

Dann wäre es gut, man würde eine deutsche Entsprechung finden - die auch die ganze Spanne enthält.

vielleicht tendieren wir automatisch in die gebieterische Richtung, weil sich das "to which we bend" anschließt?

Glaube ich auch, aber das wäre schade. Man kann sich ja auch einer Bitte "beugen".

Testversuch:

9 Auf Veranlassung eines Willens, dem wir uns beugen

10 (und beugen müssen), aber nur schemenhaft (oder: dunkel) erkennen,

11 kommen gewaltige Prozesse voran, so wie die ZEIT

12 sich aus dunklen Anfängen zu ungewissen Zielen wälzt;

Gast Dunderklumpen
Geschrieben

zu Zeile 13 - 18

Ich finde auch das "ahnungslos überschrieben" als Übersetzungsmöglichkeit interessant. Aus dem text geht ja nicht hervor wer hier "without clue" war/ist.

Konkret nicht. Aber ich empfinde Zeile 13 ff als parallel gebaut zu Zeile 9-12. Da ist ja auch ein verbindendes "and".

Zeile 9-12 sagt, dass wir - quasi unbewusst - einem Willen gehorchen, den wir aber kaum verstehen.

Und genauso, wie auf einer (Papier-)Seite, die sozusagen vollgepinselt ist mit Nuancen, ist man ahnungslos über das, was da als Ursprung steht.

Der Grundgedanke ist mir irgendwie klar, aber die Satzstruktur von 13-18 noch nicht. Das liegt im Moment an Zeile 18 ->

18 remote Origo, gnat, man, stone, and sun.

Vor allem das Fettgedruckte kann ich nicht recht zuordnen. Sind das Bespiele für "Origo" (Ursprung)? Kann ich mir aber nicht so denken. Sind sie also Beispiele für "alien"?

Ich habe es so verstanden, dass die Geschöpfe, die sich dem "will" beugen, keine Hinweise mehr finden. Aber Oralds Übersetzung bei der etwas ohne Verständnis/Ahnung überschrieben wurde. Wie habt ihr das intuitiv empfunden?

Ein "nicht mehr" lese ich da eigentlich nicht heraus. Es wird nicht gesagt, dass es einmal anders war.

Zusammenfassend vielleicht:

Wir gehorchen unbewusst einem Gesetz, das wir nicht oder kaum verstehen. Wir verstehen es darum nicht, weil wir dieses Gesetz mit einer Vielzahl von Farben und Schriften zupinseln quasi. Dadurch entsteht zwar eine unglaubliche Vielfalt an Formen, aber den Ursprung dieser Formen erfassen wir nicht - obwohl wir diesem Ursprung notgedrungen folgen.

Insgesamt aber habe ich noch Strukturprobleme, kann den gesamten Gedankengang nicht komplett erfassen, vor allem wegen der erwähnen unklaren Zeile 18.

Ebenfalls ist mir der Anschluss der zweiten Strophe an die erste noch im Dunkeln. Und solange mir das im Dunkeln ist, versehe ich insgesamt die Argumentation Tolkiens hier nicht. Und dann kriege ich auch die Einzelzeilen nicht auf die Reihe.

Geschrieben

Wir verstehen es darum nicht, weil wir dieses Gesetz mit einer Vielzahl von Farben und Schriften zupinseln quasi. Dadurch entsteht zwar eine unglaubliche Vielfalt an Formen, aber den Ursprung dieser Formen erfassen wir nicht - obwohl wir diesem Ursprung notgedrungen folgen.

Wie kommst du zu der Ansicht, dass wir da etwas zupinseln? Ich sehe nur, dass manigfaltige Formen da sind und Beispiele dafür, wie sie da sind.

Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Wir verstehen es darum nicht, weil wir dieses Gesetz mit einer Vielzahl von Farben und Schriften zupinseln quasi. Dadurch entsteht zwar eine unglaubliche Vielfalt an Formen, aber den Ursprung dieser Formen erfassen wir nicht - obwohl wir diesem Ursprung notgedrungen folgen.

Wie kommst du zu der Ansicht, dass wir da etwas zupinseln? Ich sehe nur, dass manigfaltige Formen da sind und Beispiele dafür, wie sie da sind.

"overwritten" - das hast Du doch selber als "überschrieben" übersetzt. Etwas ist durch die viele Schrift überdeckt worden, und zwar, ohne es zu merken (ahungslos). Und weil auch von Farben die Rede ist: "übermalt".

Geschrieben

Wir verstehen es darum nicht, weil wir dieses Gesetz mit einer Vielzahl von Farben und Schriften zupinseln quasi. Dadurch entsteht zwar eine unglaubliche Vielfalt an Formen, aber den Ursprung dieser Formen erfassen wir nicht - obwohl wir diesem Ursprung notgedrungen folgen.

Wie kommst du zu der Ansicht, dass wir da etwas zupinseln? Ich sehe nur, dass manigfaltige Formen da sind und Beispiele dafür, wie sie da sind.

"overwritten" - das hast Du doch selber als "überschrieben" übersetzt. Etwas ist durch die viele Schrift überdeckt worden, und zwar, ohne es zu merken (ahungslos). Und weil auch von Farben die Rede ist: "übermalt".

Ok. Ich sehe da nur nicht, wer es überschrieben hat und bin über den Blickwinkel, dass die Menschen das evtl. sein könnten erstaunt. Darauf wäre ich nicht gekommen.

Ich sehe das Ergebnis, also ein beschriebenes Blatt vorzufinden, bloß als Folge der Prozesse, die die beim Ausrollen der Zeit stattfinden.

Gast Dunderklumpen
Geschrieben (bearbeitet)

Ok. Ich sehe da nur nicht, wer es überschrieben hat und bin über den Blickwinkel, dass die Menschen das evtl. sein könnten erstaunt.

Ach so. Das "wir" war fahrlässig von mir geschrieben. Es ist von einem "wir" in Zeile 9 die Rede.

Ich sehe das Ergebnis, also ein beschriebenes Blatt vorzufinden, bloß als Folge der Prozesse, die die beim Ausrollen der Zeit stattfinden.

Im Moment sehe ich da keine Folge, sondern eine Parallelschalzutng. Die beiden "as" scheinen mir zwei parallele Beispiele einzuleiten.

Aber im Grunde bin ich komplett am Schwimmen. Vor allem weiß ich nicht, ob das "you" der ersten Strophe - jemand redet einen anderen mit "you" an oder meint damit uns alle ("man" ) - mit dem "we" der zweiten Strophe identisch ist.

Solange ich nicht erkennen kann, wer da überhaupt mit wem redet, bekomme ich überhaupt keinen Boden unter die Füße.

Ich hoffe, hier bringen noch ein paar andere Überlegungen ein?

Bearbeitet von Dunderklumpen
Geschrieben

Ich bin mir nicht sicher, ob wir das klären wird können. Einerseits mag mit dem "you" Lewis gemeint sein, ich tendiere aber eher zum "man". Das "we" in der zweiten Strophe würde ich auf die Menschen bzw. eher die Leser/Hörer münzen, was dem "man" letztlich Nahe kommt.

Warum ich eine Folge sehe, wo nur eine Parallelisierung formal vorhanden ist, führt glaub ich an dieser Stelle noch etwas weit bzw. ist wohl noch etwas zu früh zu vertiefen; da kommen wir sicher noch drauf zu sprechen.

Was mich an deinem Übersetzungsvorschlag verwirrt hatte ist ja nun geklärt. Ich hatte vermutet, dass du meinst, wir würden dieses Blatt mit all den Formen vollschreiben, das wäre dann vielleicht eine Weichenstellung, wo wir den Text völlig anders aufzufassen begonnen hätten. Das scheint ja aber nicht der Fall zu sein.

Gast Dunderklumpen
Geschrieben (bearbeitet)

Ich habe noch einmal nachgedacht über das Pensum, das wir pro Woche durchnehmen wollen.

In der ersten Woche haben wir 8 Zeilen gehabt. Das war gut zu schaffen.

Die zweite Strophe hat hingegen 20 Zeilen.

Obwohl ich diese Woche Ferien habe, werde ich das nicht schaffen.

Ich meditiere die Texte durch, schlafe drüber, greife sie wieder auf, mache Übersetzungsversuche, stelle Fragen an die Mitdiskutanten, schlafe wieder drüber etc. Das darf nicht in Hetze ausarten.

Die dritte Strophe ist noch länger, sie hat 24 Zeilen. Da habe ich keine Ferien mehr, kann das noch weniger schaffen.

Den anderen wird es nicht viel besser gehen.

Insofern halte ich es für sinnvoller, das Pensum in etwa an der Zeilenzahl festzumachen, nicht an den Strophen. Insgesamt gibt es 149 Zeilen.

Wenn man die langen Strophen - wie zum Beispiel Strophe 2 - in zwei Teile teilt, dann kommt man wieder klar.

Das würde dann heißen:

Für diese Woche wäre dieses Pensum zu durchdenken:

9 At bidding of a Will, to which we bend

10 (and must), but only dimly apprehend,

11 great processes march on, as Time unrolls

12 from dark beginnings to uncertain goals;

13 and as on page o'erwritten without clue,

14 with script and limning packed of various hue,

15 an endless multitude of forms appear,

16 some grim, some frail, some beautiful, some queer,

17 each alien, except as kin from one

18 remote Origo, gnat, man, stone, and sun.

Es gibt auch kurze Strophen, aber bei den langen würde ich immer eine Teilung empfehlen.

Was meinst Du, Orald? Und was meinen die anderen?

Bearbeitet von Dunderklumpen
Geschrieben (bearbeitet)

In der Hoffnung, dass nicht hier auch viele Posts zu Administrativem entstehen ein Vorschlag: Bei längeren Strophen (über 10 Zeilen) bleibt der Thread 2 Wochen auf. Das müsste eigentlich reichen, da es ja nicht um eine wissenschaftliche Arbeit geht, sondern um eine Gruppenbesprechung zum gemeinsamen Verständnis eines fremdsprachigen Textes ;-)

Bearbeitet von Orald
Geschrieben

Ich fände es auch gut, den Text nicht "hastig" anzugehen. Vor allem, da ich nebenher noch 3 Hausarbeiten schreiben muss. Ich poste deswegen auch hier leider noch selten. Ich lese mir die Strophe heute nachmittag oder abend mal durch, wenn ich es schaffe, und versuche dann, dazu Ideen zu posten.

LG

Eldanor

Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Ich füge jetzt mal meine Übersetzungsideen ab Zeile 1 - soweit mein Stand bis jetzt ist - zusammen:

1 Du schaust Bäume an und etikettierst sie genau so,

2 (denn Bäume sind *Bäume', und Wachsen ist 'wachsen');

3 du begehst die Erde und beschreitest in feierlichem Gang

4 einen der vielen kleineren Globen des Weltalls:

5 ein Stern ist ein Stern, ein wenig Materie in einem Ball,

6 zu mathematischen Abläufen gezwungen,

7 mitten in dem Reglementierten, Kalten, Sinnleeren,

8 wo vorbestimmte Atome in jedem Moment erschlagen werden.

1 You look at trees and label them just so,

2 (for trees are 'trees,' and growing is 'to grow');

3 you walk the earth and tread with solemn pace

4 one of the many minor globes of Space:

5 a star's a star, some matter in a ball

6 compelled to courses mathematical

7 amid the regimented, cold, Inane,

8 where destined atoms are each moment slain.

9 Auf Veranlassung eines Willens, dem wir uns beugen

10 (und beugen müssen), aber den wir nur vage erkennen,

11 kommen gewaltige Prozesse voran, so wie die ZEIT

12 sich aus dunklen Anfängen zu ungewissen Zielen wälzt;

13 und wie auf Papier ahnungslos überschrieben,

14 mit Schrift und Bild in vielfältiger Nuancierung vollgepackt,

15 erscheint eine endlose Menge an Formen,

16 einige düster, einige zerbrechlich, einige wunderschön, einige seltsam,

17 jede fremd, bis auf die Verwandtschaft aus einem gemeinsamen

18 fernen Ursprung, Mücke, Mensch, Stein, und Sonne.

9 At bidding of a Will, to which we bend

10 (and must), but only dimly apprehend,

11 great processes march on, as Time unrolls

12 from dark beginnings to uncertain goals;

13 and as on page o'erwritten without clue,

14 with script and limning packed of various hue,

15 an endless multitude of forms appear,

16 some grim, some frail, some beautiful, some queer,

17 each alien, except as kin from one

18 remote Origo, gnat, man, stone, and sun.

Ich vermute, dass ich da noch gravierende Fehler drin habe. Aber erst mal liegt was vor.

Da auch hier Tolkien sehr viele gedankliche Lücken lässt - und ich mich davor hüten möchte, sie mit meinem eigenen Gedankengut zu stopfen -, ist es vielleicht besser, ich lasse das gedanklich auch offen. Dadurch aber schwimme ich nach wie vor, da ich den Zusammenhang zwischen Strophe 1 und 2 noch immer nicht sehe oder erspüre.

Dennoch werde ich die Grundauffassung nicht los: dass es darum geht, dass wir den Ursprung darum nicht verstehen - auch wenn wir ihm unbewusst folgen -, weil wir vor allem die vielfältigen Formen wahrnehmen.

Also fast sprichwörtlich "den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen".

Geschrieben (bearbeitet)

Hallo Leute,

ich hab leider nicht so viel beizutragen, weil ich grade nicht durchblicke. Aber dafür ist dieser Thread ja auch da.

9 At bidding of a Will, to which we bend

Um wessen Will geht es hier? Um den Willen Gottes? Oder um den Willen von Wissenschaftlern, die uns die Welt "verrationalisieren" wollen? Ich glaubte erst, es muss der Wille Gottes sein, doch ich bin mir nicht so sicher. Auch

10 (and must), but only dimly apprehend,

scheint mir dafür zu sprechen, dass es tatsächlich Wissenschaft sein könnte. "We" sind die Nichtnaturwissenschaftler, die nur staunend, aber nicht verstehend zuhören können. Dazu passt das "and must" nicht ganz so gut. Vielleicht bedeutet das, dass es eine gute Idee ist, auch auf die Wissenschaft zu hören? Das wäre dann eine Einschränkung der ersten Strophe, so wie ich sie bisher verstanden hatte. (oder glaubte, sie zu verstehen)

Das würde heißen: Es gibt Wissenschaft, wir verstehen nicht alles davon, sollten ihnen aber trotzdem AUCH zuhören und sie nicht zu 100 % ablehnen.

Ich finde diese These selbst sehr gewagt. Was sagt ihr dazu?

Die offensichtliche andere Möglichkeit nur in aller Kürze:

Der Wille ist der Gottes. Wir beugen uns ihm, weil er allmächtig ist, wir haben keine Wahl ("and must"), deswegen würde ich auch "bend" als "seiner Gewalt beugen" verstehen. Ob man das in einer letztgültigen Übersetzung so schreiben würde, steht auf einem anderen Blatt.

Wir verstehen diesen Willen auch nur kaum, oder glauben ihn zu verstehen. Das liegt allerdings dieses Mal auch an Gottes Unbegreiflichkeit.

Mir persönlich gefällt meine erste Interpretation besser, ich weiß aber nicht, ob Tolkien das meinte.

Erst mal soweit. Den Rest möchte ich jetzt wegen der Uhrzeit und eines gewissen Nachlassens in der Konzentration nicht mehr genauer unter die Lupe nehmen. Dazu komme ich dann hoffentlich morgen.

Ich bin gespannt auf eure Anmerkungen. :-)

Liebe Grüße

Eldanor

PS: OMG, ganze zwei Zeilen habe ich da interpretiert :-O Aber vielleicht ist es auch wirklich besser, das nach und nach anzugehen? Wir werden sehen...

Bearbeitet von Eldanor
Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Hallo Leute,

Hallo Leut, ;-)

ich selber verfolge die Methode - auch wenn ich da manchmal fahrlässig bin und mich später korrigieren muss -, erst mal keine Schlüsse aus einem Text zu ziehen, wenn der Text selber dazu nicht den Anhalt bietet.

Der Text sagt uns nicht, wessen "Will" das ist. Er sagt uns auch nicht, wer in der ersten Strophe gemeint ist. Insofern muss ich offen bleiben und erst mal die Informationen sammeln, die wir vom Text her geliefert bekommen. Weder kann ich davon ausgehen, dass in der ersten Strophe Naturwissenschaftler gemeint sind, noch in der zweiten, dass hier etnweder von Gott oder den Natuwissenschaftlern die Rede ist.

Bezogen auf "Will":

wir erfahren, dass Tolkien das Wort groß geschrieben hat, und wir erfahren, dass auf Veranlassung dieses Willens "great processes march on".

Das lässt auf jeden Fall auf eine Wahnsinnsmacht schließen. Aber diese Wahnsinnsmacht muss nicht "Gott" sein. Es kann eine Naturgewalt sein. Oder noch etwas anderes.

Deine Überlegung, ob es die Wissenschaft ist, deren Willen wir uns beugen, könnte in dem Moment mit meiner Deutung zusammenpassen, wo Du das wissenschaftliche Gesetz oder das Gesetz der Natur meinst.

Aber dass dieser Wille verursacht, dass "great prcesses march on", scheint mir syntaktisch einzig richtig zu sein.

Andere Bezüge - vor allem die mit "as" eingeleiteten Sätze - scheinen mir nicht eindeutig zu sein.

Von einer "Allmacht" kann ich in dem Text bislang nichts sehen. In der ersten Strophe ist von den Sternen die Rede, die einem mathematischen Kurs folgen müssen.

Und so ähnich sehe ich dann - vielleicht - auch die zweite Strophe, wo man diesem "Willen" notgedrungen folgen muss. Weil man eben in diesem System enthalten ist, das sozusagen als inneres Gesetz hat.

Darauf hast aber erst Du mich gebracht, Eldanor, mit Deinen Einwürfen. Darum schätze ich diese Art Gespräch so sehr, weil man sich gegenseitig auf die Sprünge hilft, oft auch unbeabsichtigt.

Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Zu Zeile 19 - 22

19 God made the petrous rocks, the arboreal trees,

20 tellurian earth, and stellar stars, and these

21 homuncular men, who walk upon the ground

22 with nerves that tingle touched by light and sound.

19 Gott erschuf die steinernen Steine, die baumigen Bäume,

20 irdene Erde, stellare Sterne, und jene

21 menschenmässigen Menschen, welche über den Boden wandern

22 mit Nerven, die prickeln wenn sie von Licht und Geräusch berührt werden.

God made the petrous rocks, the arboreal trees,

tellurian earth, and stellar stars, and these

homuncular men [...]

Orald hat die Pleonasmen ja ganz einfach mit den Adjektiven übersetzt, besonders "irden" gefällt mir gut. :-) Ansonsten gibt es im Deutschen ja leider kaum die Entsprechungen. Ich habe mich damals mit diesen Versen ziemlich schwer getan, denn was es ja gerade so interessant macht, ist der "twist" im letzten Vers, wenn es um die Menschen geht. "Homuncular" ist eben nicht mehr nur noch "menschenartig", ansonsten hätte man ja "hominoid" oder so nehmen können. Bei homunculus hingegen schwingt ja auch diese Konnotation von zwergenhaft und des künstlich-maschinellen Menschen mit. Es betont also wieder die Abhängigkeit von Menschen zu ihrem Schöpfer/creator.

Das, was ich bei Dir, Ala, fettgedruckt habe, scheint mir entscheidend zu sein.

Das Gleiche nämlich findet sich auch bei den anderen Attributen.

Ich fette sie hier mal:

19 God made the petrous rocks, the arboreal trees,

20 tellurian earth, and stellar stars, and these

21 homuncular men,

Die fettgedruckten Attribute sind alles ursprünglich griechische oder lateinische - wenn auch verenglischte - Begriffe. Sie werden den originär englischen Substantiven beigesellt. Insofern sind es keine Pleonasmen, denke ich. Die Attribute bieten Neuinformationen.

petros (griech.), aber auch petra (lat,) - Fels

arbor (lat.) - Baum

tellus (lat.) - Erde

homunculus (lat.) - kleiner Mensch

Für mich sind diese lateinischen Begriffe typisch für naturwissenschaftliche Benennung, vor allem in der Botanik.

Tolkien scheint diese Adjektive aber teilweise neu gebildet zu haben, und das müsste man im Deutschen wohl teilweise auch tun. Auf jeden Fall muss die lateinische Herkunft erkennbar sein.

Orald hat dies teilweise gemacht, teilweise nicht. Ich selber möchte dies konsequent tun, denn sonst würde ich befürchten, Tolkiens Komposition - und Sinngebung - an dieser Stelle zu zerstören.

Von diesen fünf Adjektiven kann man drei im Deutschen nachahmen, ohne dass man Verständnisprobleme hat:

tellurische Erde, stellare Sterne, homunculare Menschen.

Schwierig ist:

the petrous rocks, the arboreal trees,

Diese Adjektive sind wohl auch im Englischen eher Neubildungen.

In expressionistischen Gedichten konnte man solche Neubildungen locker machen, und manchmal erscheint mir "Mythopoeia" auch expressionistisch. Jedenfalls weiß ich im Moment keine andere Lösung.

"petrous" erinnert ja an Petrus, der Fels - ist also nicht so ganz unbekannt. -> 'Petrischer Fels'? *Petronischer Fels'?

Beim letzten würde ich einfach schreiben: 'arboreale Bäume'. Nachschlagen im Lateinlexikon muss man auch in der englischen Fassung.

Dieses "homuncular" <- homunculus erinnert wohl auch an "Faust", da gibt es einen künstlichen Menschen mit Namen Homunculus. Allerdings ist dieser Homunculus bei Goethe sehr anrührend, nichts Albtraumhaftes.

Insgesamt:

19 Gott machte die petranischen Felsen, die arborischen Bäume,

20 die tellurische Erde, und stellare Sterne, und jene

21 homuncularen Menschen, die auf dem Boden gehen,

22 mit Nerven, die erzittern, wenn sie von Licht und Ton berührt werden.

19 God made the petrous rocks, the arboreal trees,

20 tellurian earth, and stellar stars, and these

21 homuncular men, who walk upon the ground

22 with nerves that tingle touched by light and sound.

Puh. Spannender Text. Die Attribute scheinen auf das Naturgesetzliche - oder gar Maschinierte - der dazugehörigen Substantive hinzuweisen.

Geschrieben

Nur kurz...

Das Gedicht ist ja überschrieben mit "Philomythos zu Misomythos".

In so fern ist für mich die Frage nach den Personalpronomen nicht allzu schwer: Der Mythenliebende (oder Verdeidiger des Mythos) spricht zum Mythenablehnenden. Wo er von wir spricht, beziehe ich es auf die Gemeinsamkeit, die beide als Menschen haben.

Der "Will" ist mE göttlicher Natur, nicht nur weil er groß geschrieben ist, sondern auch, weil ich eine parallele Struktur zwischen dem Willen, nach dem sich die Zeit ausrollt sehe und später der Erwähnung Gottes als Schöpfer (God made). Der erste Teil der Strophe beschreibt aus mE aus heutiger menschlicher Betrauchtungsweise das, was wir vorfinden wenn wir uns in der Welt umsehen, der zweite Teil sagt, wer dies geschaffen hat. Dabei wird strukurell der Positivismus der ersten Strophe aufgegriffen und um meine ganze Reihe an Attributen erweitert. Inhaltlich sehe ich das so, dass der Nominalismus/Positivismus als Ansatz dargestellt wird, der auf das reagiert, was man an der Oberfläche wahrnimmt. Wie ich schon sagte, sehe ich dort (in der ersten Strophe) schon den Kontrast zwischen materialistischem Anspruch und emotionalem "Einhaltenkönnen". Hier geht der Text weiter und erklärt einerseits, wie man auf diese Sicht des Nominalismus kommen kann (nämlich indem man sich in den Formen verliert, deren Ursprung man nicht mehr im Blick hat) und zeigt im weiteren auf, wie man dem entkommen kann (nämlich indem man auf den Ursprung im Vielen verweisst, auf Gott, in dem letztlich als Ursprung alles zusammen kommt).

Auf diese Weise erkläre ich mir auch den Willen, an den wir gebunden sind: Wir stehen in einer Relation zum Urgrund der Schöpfung - wir sind nicht identisch mit ihm, aber wir sind auch nicht absolut unverbunden, also vereinzelt. Der Grund ist in der Vielfalt erfahrbar, erspürbar und er trägt sie letztlich.

Besondes interessant finde ich denletzten Vers. Hier sehe ich nämlich auf die herausragende Stellung des Menschen verwiesen, der die Verwandschaft aller Dinge quasi als Stempel in sich trägt. Die Vielheit, in die sich die Schöpfung (das Wort Gottes in seiner mythischen Bedeutung) aufgegliedert hat, kommt im Menschen, in seinem Gehirn wieder zusammen, so dass er auf allein dadurch schon in der Lage ist, auf den Urgrund zu referieren. (Oder an der Oberfläche des Positivismus, i.e. der Vereinzelungen, hängen zu bleiben)

Ich weiss, dass dies ist im Gegensatz zu Dunderklumpens Ansatz durchaus nicht rein am Text orientiert ist, aber es ist das, was ich an Gedanken bei dem Text habe und was ich mit ihm verbinde. Es ist also Interpretation, nicht Übersetzung. ;-)

Geschrieben

Das, was ich bei Dir, Ala, fettgedruckt habe, scheint mir entscheidend zu sein.

Das Gleiche nämlich findet sich auch bei den anderen Attributen.

Ich fette sie hier mal:

19 God made the petrous rocks, the arboreal trees,

20 tellurian earth, and stellar stars, and these

21 homuncular men,

Für mich sind diese Adjektive nicht ganz das Gleiche. Der Hinweis "homuncular" ist für mich ein eindeutiger Bruch mit den vorangegangenen Strukturen. Pleonasmus war vielleicht nicht ganz treffend, natürlich bieten die Adjektive Neuinformationen, und wenn auch nur stilistisch-atmosphärischer Natur. Aber wie ich bereits schrieb, wäre dann das entsprechende Adjektiv zu "men" nicht homuncular, sondern eher "hominoid" oder etwas vergleichbares.

Spannend ist ja auch hier die Parallele zur ersten Strophe - "you look at trees and label them just so": Bäume sind eben Bäume, weil sie baumartig, arboreal sind. Mir schwirrt da noch so etwas im Kopf herum, aber das muss ich erst einmal für mich auseinanderdividieren.

Für mich sind diese lateinischen Begriffe typisch für naturwissenschaftliche Benennung, vor allem in der Botanik.

Tolkien scheint diese Adjektive aber teilweise neu gebildet zu haben, und das müsste man im Deutschen wohl teilweise auch tun. Auf jeden Fall muss die lateinische Herkunft erkennbar sein.[...]Diese Adjektive sind wohl auch im Englischen eher Neubildungen.

Ich wüsste jetzt nicht, welches der Adjektive ein tolkienscher Neologismus sein sollte. IMHO gibt es alle Adjektive im Englischen, auch wenn sie nicht häufig (oder nur in einem bestimmten Kontext) verwendet werden.

Orald hat dies teilweise gemacht, teilweise nicht. Ich selber möchte dies konsequent tun, denn sonst würde ich befürchten, Tolkiens Komposition - und Sinngebung - an dieser Stelle zu zerstören.
Ja, ich würde sie auch gerne passend übersetzen, bin aber momentan etwas ratlos.

Später mehr.

Gast Dunderklumpen
Geschrieben (bearbeitet)

Der "Will" ist mE göttlicher Natur, nicht nur weil er groß geschrieben ist, sondern auch, weil ich eine parallele Struktur zwischen dem Willen, nach dem sich die Zeit ausrollt sehe und später der Erwähnung Gottes als Schöpfer (God made).

So habe ich das ebenfalls vermutet, bin aber nicht sicher. Darum müsste die Übersetzung das offenlassen, tut es aber auch sowohl bei Dir als bei mir.

Inhaltlich sehe ich das so, dass der Nominalismus/Positivismus als Ansatz dargestellt wird, der auf das reagiert, was man an der Oberfläche wahrnimmt.

Hier habe ich vermutlich a. ein anderes Verständnis von Kunst als Du, und b. lese ich Tolkien anders als Du.

Konkret: zu b.

Ich bin bei Tolkien noch nie auf Begriffe wie Nominalisumus und seinem Gegenteil Realismus, oder auf den Begriff Positivismus gestoßen. Ich bin der Meinung, dass Tolkien so überhaupt nicht denken kann, dass sein Dichten keine Erläuterung philosophischer Begrifflichkeiten ist. Die Basis seines Dichtens ist nicht die abstrakte Philosophie, sondern die konkrete Wahrnehmung sprachlicher und dinglicher Zusammenhänge.

Konkret zu a.

Ich selber habe in meinem Leben eine Wendung von der Philosophie hin zur Kunst gemacht. Die Philosophie - die ich wie die Literatur- und Sprachwissenschaft studiert hatte -, war für mich irgendwann zu einem Strangulationsmittel geworden. Sie erstickte mich in ihren starren Begrifflichkeiten.

Die Kunst hingegen eröffnete wieder den Kerker, ich erstickte nicht mehr und konnte neue Entdeckungen machen.

Aus beiden Gründen reduziere ich vor allem Poesie nicht auf abstrakte Begrifflichkeiten. Poesie drückt für mich genau das aus, wozu Philosophie nicht in der Lage ist.

Der Witz ist nur, dass Du das zwar expressis verbis tust, aber dann immer wieder auch offene Zusammenhänge formulierst, die mit meiner Wahrnehmung übereinstimmen. Insofern bin ich nicht sicher, ob ich diese abstrakten philosophischen Richtungen - die Deinen Worten nach von Tolkien illustriert oder abgehandelt werden - so wörtlich nehmen sollte.

Weiter:

Die erste Strophe spricht von Benennung, Etikettierung. Tolkien erwähnt also die Funktion der Sprache innerhalb der Wahrnehmung. Insofern sehe ich Tolkiens Gedicht erst mal von Tolkien in diese Marschrichtung gebracht.

Der Gedanke wird in der zweiten Strophe weiter verfolgt durch die Worte overwritten - script - limning.

Dass die Vielheit der Formen und der Ursprung thematisiert werden, sehe ich genauso. Nur kann ich noch nicht entscheiden, welche Rolle "Gott" dabei zugesprochen wird.

Was ich im Text lese, ist: dass Gott diese Vielheit schafft. Dass er gerade diese Möglichkeit der wissenschaftlichen Benennungen schafft.

An der Stelle denke ich, dass Du, indem Du "petrous rocks" mit "steinerne Steine" etc. übersetzt, Tolkien veränderst. Er wird sich dabei etwas gedacht haben, dass er nicht "rocky rocks" schrieb. Wenn Du das veränderst, kommt ein anderer Sinn beim Leser an.

Übersetzen ist zwar notgedrungen immer auch Deutung, weil es nicht für alle Nuancen der Originalsprache Entsprechungen gibt. Aber hier haben wir ja die Möglichkeit, Entsprechungen zu suchen.

Der Grund ist in der Vielfalt erfahrbar, erspürbar und er trägt sie letztlich.

Jau, und das ist wieder toll gesagt. Letztendlich halte ich dies auch für etwas, das durchtönen könnte. Aber noch bin ich ja nicht am Ende des Gedichtes. Nur: das, was Du da sagst, ist jenseits aller philosophischen Richtungen wie Nominalismus und Realismus.

Ich weiss, dass dies ist im Gegensatz zu Dunderklumpens Ansatz durchaus nicht rein am Text orientiert ist, aber es ist das, was ich an Gedanken bei dem Text habe und was ich mit ihm verbinde. Es ist also Interpretation, nicht Übersetzung. ;-)

Die "reine Textorientierung" ist für mich eine lange lange Zeit notwendig. Aber ein Mensch kann sich nie nur am Text orientieren. Ich lebe in einem Umfeld, habe vorgeprägte Auffassungen. Die habe ich zwar nach Möglichkeit abzulegen, wenn ich einen Diichter in einem anderen Kulturraum bekannt machen möchte, aber es gelingt nie ganz.

Bearbeitet von Dunderklumpen
Geschrieben

Ich selber habe in meinem Leben eine Wendung von der Philosophie hin zur Kunst gemacht. Die Philosophie - die ich wie die Literatur- und Sprachwissenschaft studiert hatte -, war für mich irgendwann zu einem Strangulationsmittel geworden. Sie erstickte mich in ihren starren Begrifflichkeiten.

Die Kunst hingegen eröffnete wieder den Kerker, ich erstickte nicht mehr und konnte neue Entdeckungen machen.

Aus beiden Gründen reduziere ich vor allem Poesie nicht auf abstrakte Begrifflichkeiten. Poesie drückt für mich genau das aus, wozu Philosophie nicht in der Lage ist.

Der Witz ist nur, dass Du das zwar expressis verbis tust, aber dann immer wieder auch offene Zusammenhänge formulierst, die mit meiner Wahrnehmung übereinstimmen. Insofern bin ich nicht sicher, ob ich diese abstrakten philosophischen Richtungen - die Deinen Worten nach von Tolkien illustriert oder abgehandelt werden - so wörtlich nehmen sollte.

Mein Zugang mag da halt ein anderer sein. Ich sehe die Philosophie als Magd der Theologie, wie man traditionell so schön sagte ;-)

Für mich dient die Philosophie dazu, gewisse Ansätze bzw. Weltanschauungen griffig zu benennen. Mit einer solchen Definition ist eine Weltanschauung zwar nicht bis ins letzte be-"griffen", aber sie bietet mir durchaus einen praktischen Anhaltspunkt von dem aus ich weiter gehen kann. Vieleicht kann man so etwas mit einem Podest auch vergleichen.

Kunst ist natürlich weiter gefasst, aber auch weniger griffig. Sie ist viel allgemeiner und bezieht den Betrachter darum auch in viel tierferer Weise mit ein, so dass sie auch viel schwerer zu vermitteln ist. Tolkiens Mythopoeia sehe ich als eine Art Zwischenstellung - als Lehrgedicht. (Auch wenn Tolkien derartiges (später wohl) nicht mehr mochte.)

Die ersten Zeilen der ersten Strophe des Gedichtes sind für mich mit die beste Erklärung für das, was ein (klassischer) Nominalist tut, die ich kenne. Also nenne ich das beim Namen. Als Künstler hat Tolkien diese (ihm allein durch seine Schulbildung damals notwenderweise bekannten!) Begriffe nicht verwendet, er hat oft aber eigene gefunden oder eben erklärt, was es mit ihnen auf sich hat, ohne sie zu nennen.

Nebenbei ist das eine ganz klassische katholische Art (man sagt sie eigentlich meist den Jesuiten nach): Um nicht mit Begriffen Scheuklappen beim Zuhörer verschliessen zu lassen, kommt man eher mit Inhalten als mit der herkömmlichen Definition. So hören Leute eher zu und ziehen oft Schlüsse, gegen die sie sich ansonsten wehren würden. Beispielsweise spricht man heute nicht mehr von Dogmen, aber man erklärt durchaus, was Gottessohnschaft für einen Katholiken bedeutet. Vielleicht etwas verständlicher: Es ist in einer Diskussion über christliche Werte eigentlich unumgänglich, die Liebe als den zentralen Begriff anzuführen. Aufgrund des heutigen Verständnis von Liebe tut man das aber oft nicht mehr, um keine falschen Assoziationen zu wecken. Man kann also oft Predigten über das Evangelium hören, ohne ein einziges Mal das Wort Liebe zu hören, es gibt Katechismusstunden in denen das Wort Gott nicht erwähnt wird, etc.

Tolkien geht für seine Begriffe in diesem Gedicht durchaus deutlich vor. Er spricht von Gott, vom Willen an den wir gebunden sind, er zeichnet ein unbeschreiblich plastisches Bild des (englsichen) Empirismus, etc. Aber er nimmt die Worte nicht in den Mund. Würde er zu Lewis gesagt haben: Du bist Nominalist oder Positivist, hätte dieser wohl die Gegenposition eingenommen und sich beleidigt gefühlt. Zeigt er aber die Denkstrukturen auf, kann sich Lewis im Beschriebenen wiederfinden. Zudem will Tolkien ja auch gar nicht auf den Nominalismus hinaus - warum also mit Fachbegriffen eine falsche Spur legen? Viel eher will er ja für eine alternative Sicht werben, und das tut er mit sehr blumiger Sprache.

So, das mal zur Erklärung meines Ansatzes, ich werde das aber jetzt erst mal nicht weiter ausbauen um nicht allzusehr vom Thema weg zu kommen. Sorry für dieses OT.

Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Für mich sind diese Adjektive nicht ganz das Gleiche. Der Hinweis "homuncular" ist für mich ein eindeutiger Bruch mit den vorangegangenen Strukturen.

Es kommt darauf an, welchen Vergleichspunkt man hat. Insofern sehe ich in Deiner Aussage keinen Widerspruch zu der meinen.

Spannend ist ja auch hier die Parallele zur ersten Strophe - "you look at trees and label them just so": Bäume sind eben Bäume, weil sie baumartig, arboreal sind.

Offenbar unterschieden wir uns in dieser Deutung im Moment doch sehr. Ich sehe in dem "arboreal" nicht die Bedeutung von "baumartig", wie ich schon geschrieben habe.

Aber das macht ja nichts. Ich finde mein Verstehen - oder die Ahnung des Verstehens - gerade dadurch, dass andere das so anders sehen.

Allerdings ist mir das Ähnliche zu der ersten Zeile auch aufgefallen, und ich halte es ebenfalls für möglich, dass die erste Zeile hier aufgegriffen wird.

Nur dass ich eben wirklich "tree' (von Tolkien in Anführungszeichen gesetzt) und "arboreal" als sprachliche oder wissenschaftliche Kategorisierung sehe.

Für mich sind diese lateinischen Begriffe typisch für naturwissenschaftliche Benennung, vor allem in der Botanik.

Tolkien scheint diese Adjektive aber teilweise neu gebildet zu haben, und das müsste man im Deutschen wohl teilweise auch tun. Auf jeden Fall muss die lateinische Herkunft erkennbar sein.[...]Diese Adjektive sind wohl auch im Englischen eher Neubildungen.

Ich wüsste jetzt nicht, welches der Adjektive ein tolkienscher Neologismus sein sollte. IMHO gibt es alle Adjektive im Englischen, auch wenn sie nicht häufig (oder nur in einem bestimmten Kontext) verwendet werden.

Das musst Du besser wissen als ich. Darum wollte ich ja auch, dass die, denen Englisch geläufig ist, hier mitschreiben "petrous" hatte ich als einzelnes Adjektiv nicht gefunden.

Ich hätte vielleicht vorsichtiger sagen sollen: die Kombinationen - zwischen Adjektiv und Stubstantiv - sind Neuschöpfungen.

@ Orald

Ich lasse Deine Erklärungen unkommentiert, wenn es recht ist. Meine Sicht hatte ich ja auch schon beschrieben.

Geschrieben (bearbeitet)

@ Orald

Ich lasse Deine Erklärungen unkommentiert, wenn es recht ist. Meine Sicht hatte ich ja auch schon beschrieben.

Natürlich :-)

Bearbeitet von Orald
Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Ich mach schon mal weiter.

zu Zeile 23 - 28

23 The movements of the sea, the wind in boughs,

24 green grass, the large slow oddity of cows,

25 thunder and lightning, birds that wheel and cry,

26 slime crawling up from mud to live and die,

27 these each are duly registered and print

28 the brain's contortions with a separate dint.

23 Die Bewegungen des Meeres, der Wind in den Zweigen,

24 grünes Gras, die beträchtlich träge Eigenart der Kühe,

25 Donner und Blitz, Vögel die sich überschlagen und Schreien,

25 Schleim, der aus dem Schlamm herauskriecht um zu leben und zu sterben,

27 diese alle sind ordnungsgemäss registriert und stempeln

28 die Gehirnwindungen mit einer speziellen Prägung.

23 Die Bewegungen der See, der Wind in Zweigen,

24 grünes Gras, die große langsame Seltsamkeit von Kühen,

25 Sturm und Blitz, Vögel die kreisen und kreischen,

26 Schlick, emporkriechend aus Moder, um zu leben und zu sterben,

27 jeder von ihnen ist ordnunggemäß registriert und sie bedrucken

28 die Konditionen des Gehirns mit einer speziellen Prägung.

Übersetzungstechnisch waren diese Zeilen nicht besonders schwer. Wie immer ist das von mir nur erst ein Versuch.

Frage:

Wessen Gehirn ist in Zeile 28 wohl gemeint?

Das Gehirn des Betrachters? Oder das Gehirn der Wesen, die vorher beschrieben werden?

Habe ich irgendwelche Fehler gemacht?

Was könnte man anders sehen?

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