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Beowulf – zweite Diskussion


Empfohlene Beiträge

Geschrieben (bearbeitet)

Willkommen im GTL zum

 

Beowulf.

 

Hier soll nach der Reclam-Ausgabe Lehnerts

Zeile 86-319 (allnächtlicher Angriff Grendels und Ankunft Beowulfs im zweiten Kapitel)

diskutiert werden.

 

Der allgemeine Besprechungsthread ist hier http://www.tolkienfo...f-und-die-edda/ zu finden.
 

Grundsätzlich haben wir uns auf die Übertragung von Lehnert aus dem Jahr 1986 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18303) geeinigt. Solltet Ihr eine andere Übertragung verwenden, wäre es hilfreich, wenn Ihr hierauf jeweils hinweisen würdet, weil Abweichungen in der Wortwahl bestehen können. Manche Übertragungen geben der wortgetreuen Übersetzung den Vorrang, manche scheinen mehr erläuternd dem Sinn oder der flüssigen Lesbarkeit den Vorrang zu geben.

 

Und auch hier wieder auf ein schönes Diskutieren und Austauschen. :-)

Bearbeitet von seregthaur
Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben (bearbeitet)

Weil sich seit Öffnung des zweiten Diskussions-Threads noch niemand gemeldet hat, werfe ich hier meinen Hut in den Ring...

 

Der aktuelle Textabschnitt ist ja grundsätzlich gut verständlich und wirft wenig Fragen auf.

 

Der Abschnitt enthält mit den Versen 175 bis 188 jedoch einen (für die Forschung) sehr wichtigen Abschnitt, den Standop (nach Lehnert 1939) als "Heiden-Exkurs" betitelt. Während das Leben am Hof der Schildinger (Scyldingas) ansonsten durchaus christlich geprägt dargestellt wird (z.B. Verse 90b-98) und auch die Herrschaft und Reichtum der Scyldingas im ersten Abschnitt vom christlichen Gott abgeleitet werden (z.B. Verse 12-17. 71-73), werden die Dänen in den Versen 175 bis 188 als Heiden dargestellt, die sich der Teufelsanbetung hingeben, um von dort Befreiung von Grendel zu erlangen. Dies bewegt die Wissenschaft offenbar seit dem 19. Jahrhundert und es haben sich hierzu verschiedene Erklärungsversuche herausgebildet, die von Standop (nach Lehnert 1939) in einem Anhang IV (Seiten 202 ff. des bereits im ersten Diskussions-Abschnitt zitierten Buchs) übersichtlich umrissen werden. Dabei setzt sich Standop / Lehnert u.a. auch mit dem bekannten Essay von Tolkien (abgedruckt etwa in 'Gute Drachen sind rar', Cotta's Bibliothek der Moderne 30, Klett-Cotta 1984, S. 141, 203 ff.) auseinander, der sich im Anhang lit. c mit diesen Versen befasst. Tolkien sieht in dieser Diskrepanz "eine für das ganze Gedicht entscheidende Frage" (a.a.O., S. 204). Tolkien, dem wir hier besondere Beachtung schenken sollten, sieht in diesen Versen die aus dem Gedicht als ganzen ebenfalls ableitbare Aussage, dass sich die Dänen in der Notlage von Gott abwandten und die Gefahr des Höllenfeuers in Kauf nehmen.

 

Für die, die sich hierfür interessieren ... Standop (nach Lehnert 1939) verweist auf folgende Theorien:

 

Die Interpolationsthese, die (auch hier) von dem Zusammenwirken mehrerer Autoren insbesondere durch nachträgliche Veränderung ausgeht, was zu der inkonsequenten Charakterisierung der Dänen als Heiden in den Versen 175 bis 188 geführt habe. Tolkien neigte dieser Ansicht zu. Standop hält diese These in Bezug auf den Heiden-Exkurs offenbar für widerlegt.

 

Die These der partiellen Apostasie, wonach die Erklärung in einem Rückfall der Dänen vom Christentum in das Heidentum unter dem Eindruck der Heimsuchung durch Grendel liegen soll, ähnlich dem Volk Israel, das um das Goldene Kalb tanzt.

 

Die These von den Dänen als gerechten Heiden, die darauf hinweist, dass in dem Beowulf-Epos die Dänen nie eindeutig als Christen bezeichnet werden, und in dem Schöpfungshymnus (Verse 90-98) nicht zwingend eine Ableitung der christlichen Schöpfungsgeschichte sehen. Danach soll der Dichter die Dänen tatsächlich für Heiden gehalten haben, stellte sie lediglich als Gute, 'gerechte' Heiden dar, die auch christlich wirkende Züge trugen. Dies war wohl auch Tolkiens Auffassung.

 

Die These von den Dänen als primitiven Christen, die lediglich eine graduelle Abwandlung der vorgenannten These darstellt.

 

Die Extensionstheorie hält die Verse für eine Verallgemeinerung, mit der eine Gruppe unerleuchteter Heiden bezeichnet wurde, die also - so wie ich es verstanden habe - annimmt, der Dichter sei von einem Nebeneinander christlicher und heidnischer Dänen ausgegangen.

 

Die These von der unleugbaren Inkonsequenz nimmt an, der Dichter sei sich wie seine Zuhörer der Tatsache bewusst gewesen, dass die Dänen zur Zeit des Geschehens Heiden waren, weswegen der Dichter an dieser Stelle seine Fiktion des christlichen Dänen - vorübergehend realistisch - offen eingestanden habe.

 

Ich hoffe, die Thesen vorstehend zutreffend wiedergegeben zu haben.

 

 

Ansonsten ist mir natürlich das "schaumhalsige, einem Schwan gleichende Schiff" aufgefallen, welches an den Abschied der Gefährten aus Lórien erinnert. Aber das Bild dürfte wohl eher als weit verbreitet anzusehen sein, so dass mir ungewiss erscheint, ob Tolkien an diesen Vers 218 des Beowulf dachte, als er das entsprechende Kapitel des HdR schrieb.

Bearbeitet von Joran aus den Schatten
Geschrieben (bearbeitet)

Neben Jorans Heiden-Exkurs finde ich andere Dinge in diesem Textabschnitt noch interessanter.

Hier wird nämlich die nordische mit der biblischen Mythologie (sage ich jetzt mal, ohne potentielle Christen verärgern zu wollen, wobei ich Fundamentalisten und Kreationisten eh nicht für voll nehme) verbunden, indem Grendel als ein Troll ähnliches Wesen auf eine Abstammung Kains zurückgeführt wird:
"Nicht erfreute sich Kain der Fehde, denn Gott verfemte ihn weit weg, | Der Allmächtige, von der Menschheit wegen dieses maßlosen Verbrechens. | Von daher haben alle Unholde ihre Abkunft. | Arglistige Riesen und Alben und Ungeheuer, | Wie auch Giganten, die gegen Gott kämpften | Sehr lange Zeit. Er zahlte ihnen den Lohn dafür." (V. 109-114)

Unholde, Riesen, Alben sind Geschöpfe der nordischen Mythologie - wobei ich die Giganten nicht einordnen kann (griechische Mythologie?) - und werden hier als Nachfahren Kains benannt, der ja seinen Bruder Abel als quasi zweite (große) Sünde erschlagen hat. Hier findet also eine ziemliche Vermischung der Mythologien statt. Grendel ist somit nicht in irgendeiner Art und Weise mit dem Teufel verwandt, sondern wird auf (!) einen Menschen zurückgeführt. Ich frage mich, warum ausgerechnet auf einen Menschen und nicht auf gefallene Engel, den Teufel etc. 
Geht es nur prinzipiell darum, Grendels Bosheit durch Kain zu verdeutlichen, oder hat dieser Bezug noch eine andere Tiefe?

Desweiteren finde ich es interessant, dass in Vers 185 das Fegefeuer erwähnt wird. Das heißt, dass es diesen absurden Gedanken einer Strafe Gottes schon vor dem Mittelalter gegeben haben muss. Das Fegefeuer ist ja letzten Endes nichts, was mit dem Christentum zu tun hat (zumindest vom Protestantismus ausgehend). Daher vermute ich, dass der Dichter christliche und pseudochristliche Besonderheiten (hier das Fegefeuer) vermischt hat und es einfach - wie anscheinend der Großteil der mittelalterlichen Welt - nicht besser wusste.

Ab Vers 194 wird dann endlich der Held des Epos, Beowulf, eingeführt. Ich finde, diese Einführung sagt eig. schon alles wichtige über diesen Menschen:
"Er war von allen Menschen der Mächtigste an Kraft | An dem Tag dieses Lebens, | Edel und groß." (V. 196-198)

Hier wird er imho schon ziemlich übercharakterisiert, ein Held ohne Schwächen, wie im Bilderbuche eben. Ein idealer Mensch also, fehlt eig. nur noch die Erwähnung einer Abstammung vom biblischen König David, um das der Abstammung Grendels gegenüberzustellen. Hier hätte der Dichter noch mehr rausholen können. :anonym:
Aber mal im ernst: wieso den biblischen Bezug bei Grendel, aber nicht beim Helden der Geschichte?

 

Die These der partiellen Apostasie, wonach die Erklärung in einem Rückfall der Dänen vom Christentum in das Heidentum unter dem Eindruck der Heimsuchung durch Grendel liegen soll, ähnlich dem Volk Israel, das um das Goldene Kalb tanzt.

Hmm, das volk Israel hat nie den Teufel um Hilfe gebeten, wie die Dänen das hier tun, sondern immer nur Götter/Götzen. Das gesamte Alte Testament ist eig. nur eine Art 'Kreuzzug' gegen den Polytheismus der damaligen Zeit und eine Abrechnung mit diesem. Die Dänen sind hier aber keine Polytheisten, sondern eher so was wie 'Satanisten'. Insofern verstehe ich die Verbindung zum Volk Israel nicht.

 

Ansonsten ist mir natürlich das "schaumhalsige, einem Schwan gleichende Schiff" aufgefallen

Mich würde eher mal interessieren, warum ein Schiff für 15 Krieger (Beowulf und seine 14 Gefährten) mit einem Schwan verglichen wird. Ist es also kein typisches Kriegsschiff, sondern eher einfach nur ein schnelles Schiff? Und was genau ist die erwähnte "Schwanenstraße"? (Vgl. V. 200)

Bearbeitet von seregthaur
Geschrieben

Das kommt daher, dass es im Origlínaltext OE swanrade heißt (eigentlich wörtlich eher Schwanenreise, wenn ich mich nicht irre).

 

Ich habe weder Zeit noch Energie um richtig mitzudiskutieren, aber ich würde gerne ein paar Dinge anmerken:

1. es ist nicht sinnvoll jedes Wort überzuinterpretieren - vor allem wenn man kein linguistisches Hintergrundwissen hat. Manchmal ist eine Zigarre einfach eine Zigarre. Damit will ich nicht sagen, dass Interpretation schlecht ist, aber oft ist es einfacher als man denkt.

2. Verallgemeinerungen helfen glaube ich auch nicht weiter. Ich habe keine Ahnung von Dänen im frühMA, deswegen würde ich mir eher nicht trauen, etwas zu ihren religiösen Praktiken zu sagen. Ich glaube mich erinnern zu können, dass solche Vermischungen von heidnischem Dämonenglauben und christlicher Ursünde gar nicht so ungewöhnlich sind. Beweisen kann ich es nicht, aber irgendwie spukt mir im Hinterkopf herum, dass ich das auch woanders schon gelesen habe.

3. Der Beowulf besteht aus Stabreimen, die dazu gedacht waren vorgetragen zu werden. Im Zweifelsfall hat der Autor/haben die Autoren sich deshalb manchmal für ein und gegen ein anderes Wort entschieden, weil es den richtigen/falschen Anfangsbuchstaben hatte.

4. Altenglisch war eine sehr kreative Sprache mit viel Raum für Neologismen (insbesondere urch Zusammensetzungen). Wörter wie swanrad und middangeard gibt es zuhauf.

 

Ich hoffe, dass das evtl. weiterhilft. Wenn nicht, dass vergesst es einfach!

Und jetzt wünsche ich noch viel Spaß.

Geschrieben (bearbeitet)

Hallo, beadoleoma. Ich denke schon, dass Dein Beitrag (zumindest mir) weiterhilft. Schade, dass Du keine Zeit für einen weiteren Austausch hast. Dennoch gehe ich mal auf Deine Punkte ein, jmd. anderes kann mir dann vllt entsprechend antworten.

zu 1:
Okay, ich vermute dann doch eher, dass in Grendels Abstammung von einem Menschen nichts weiterführend hineinzuinterpretieren ist und es wirklich 'nur' um den Versuch geht, Grendels absolute Bosheit zu begründen. Wahrscheinlich sind generell im Beowulf keine tiefen Metaebenen zu suchen und zu finden.

zu 2:
Was ist hier mit "christlicher Ursünde" gemeint?

Schwanenreise finde ich aber noch verwirrender als Schwanenstraße. Kann mir darunter nichts vorstellen.

Bearbeitet von seregthaur
Geschrieben (bearbeitet)

Schwanenreise finde ich aber noch verwirrender als Schwanenstraße. Kann mir darunter nichts vorstellen.

 

Musst du auch nicht. Es gibt in der OE Dichtung viele mehr oder weniger poetische Begriffe für ganz greifbare oder gar banale Dinge. Das ist zum einen ein rhetorisches Stilmittel (bei dem z.B. eine Sache mehrmals mit verschiedenen Begriffen benannt wird), zum anderen kann es auch vom Stabreim her kommen. In der Schwanenstraßen-Passage sieht das so aus :

 

...........................         Het him yðlidan

godne gegyrwan,        cwæð, he guðcyning            

ofer swanrade           secean wolde,

mærne þeoden,         þa him wæs manna þearf.

 

http://www8.georgetown.edu/departments/medieval/labyrinth/library/oe/texts/a4.1.html

 

Damit das Metrum stimmt muss der Autor für 'Meer' einen Begriff verwenden, der 3 Silben hat. Es gibt zwar das Wort , oder brim oder einige andere, die Meer bedeuten, sie sind aber alle zu kurz. Irgendjemand (und das muss nicht der Verfasser des Beowulf gewesen sein, ist aber möglich) hat sich dann die Tatsache zunutze gemacht, dass OE - wie im übrigen Deutsch - Zusammensetzungen zu lässt. Jetzt braucht er nur noch ein wenig Phantasie und Poesie und schon kommt so was wie swanrade raus. Ich schätze mal im Sinne von, das wo die Schwäne hireisen. Ich vermute auch, dass der Übersetzer wusste, dass das nicht viel Sinn gibt und es deshalb in Schwanenstraße geändert hat. Oder aber ich liege falsch und rade kann auch Straße heißen (wass nicht abwegig wäre, da man mit etwas Phantasie ja schon das moderne road darin erkennen kann).

Gerade für das Meer gibt es eine Menge solche Begriffe - verständlich, da es sicher im Leben der Angelsachsen eine wichtige Rolle gespielt hat.

 

PS: Christliche Ursünde bezieht sich natürlich strenggenommen nur auf die Geschichte mit dem Apfel. Ich bin mir recht sicher, dass ein Theologe über meine Verwendung des Begriffs (für Kains Brudermord) weinen würde. Das was ich im Hinterkopf habe (wo es sich immernoch versteckt) ist aber eben so was wie eigentlich mythische Monster, die von einem der alttestamentarischen Übeltäter abstammen.

 

edit, weil es den Beowulf ganz zerwürfelt hat

Bearbeitet von beadoleoma
Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben (bearbeitet)

Zum "Teufel":

 

Lehnert übersetzt die Verse 175-188 in der Übertragung von 1939 (Standop nach Lehnert 1939, S. 51) noch auf eine wortgetreue Übersetzung abzielend wie folgt:

 

"Zuweilen gelobten sie in Götzentempeln

Götzenverehrung, baten mit Worten,

dass ihnen der Geist-Töter Hilfe brächte

gegen die Volksbedrohung. Das war ihre Sitte,

das Denken der Heiden. An die Hölle dachten sie

in ihrem Sinn; den Schöpfer kannten sie nicht,

den Richter der Taten, noch wussten sie [etwas] vom Herren Gott,

noch verstanden sie es, den Schützer des Himmels zu preisen,

den Walter der Herrlichkeit. Wehe ist dem, der muss

wegen schlimmer Bosheit [seine] Seele stoßen

in des Feuers Umarmung, [der] auf Hilfe nicht hoffen darf,

irgendetwas [zu] ändern. Wohl ist dem, der darf

nach dem Todestag den Herrn aufsuchen

und in des Vaters Umarmung Schutz erflehen."

 

Das Wort Teufel taucht im angelsächsischen Originaltext also nicht direkt auf. Der "gāstbona" (Geist-Töter) wird lediglich als Teufel interpretiert, was aus Sicht des Dichters auch m.E. nicht fernliegend ist. Die Dänen, die nichts vom Herren Gott wussten, dürften umgekehrt auch nichts vom Teufel gewusst haben ("An die Hölle dachten sie in ihrem Sinn"). Für den christlichen Dichter hingegen war jede Götzenverehrung vermutlich "Teufelswerk". Deswegen müssen die Dänen meines Erachtens keine "Satanisten" gewesen sein, die konkret den Teufel anbeteten. Das wäre meines Erachtens eine überzogene Vorstellung. Ich denke, es ging eher um die Anbetung der alten heidnischen Götter.

 

Was ich bislang über Religion der Angelsachsen gelesen habe, hatten diese offenbar eine recht pragmatische Vorstellung im Sinne von Zug-um-Zug-Leistungen ("Ich gebe, damit Du gibst."), was die Zuwendung zu anderen Göttern recht einfach machte, wenn die Gegenleistung der alten Götter ausblieb.

 

Indem Grendel als einen Abkömmling des Menschengeschlechtes gekennzeichnet wird, als ein freudloser/unseliger Mann, als Feind aus der Hölle, fehlt für mich hier eigentlich der Bezug zur nordischen Mythologie nahezu vollständig. Grendel entspricht vor allem den alttestamentarischen / christlichen Vorstellungen eines Dieners des Bösen. Lehnert (1986) erteilt auf Seite 182 in der Anmerkung V. 106-114a folgenden Hinweis: "In Anlehnung an die Genesis der Bibel (1. Mose 4, 8 ff.) wurde Kain, der seinen Bruder Abel erschlug, im Mittelalter als Stammvater aller Unholde, bösen Geister und Riesen sowie der durch die Sintflut vernichteten Gigangen angesehen. Vgl. V. 1261b ff." Riesen, Unholde und böse Geister gabe es nicht nur in der nordischen Mythologie.

 

Daher sehe ich hierin nicht zwingend den Versuch einer Verbindung nordischer und christlicher Mythologie.

 

Allerdings halte ich es für naheliegend, dass die Vorstellung der Zuhörer des Beowufl-Epos von solchen Wesen noch sehr stark durch die auf der nordischen Mythologie basierenden Epen, Erzählungen, Überlieferungen etc. geprägt war und dies auch dem zeitgenössischen Dichter klar war.

Bearbeitet von Joran aus den Schatten
Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben

Zum "Schwanenschiff" (insbes. Vers 218):

 

Mit der 'Schwanenstraße' sprecht ihr die Verse 188-201 an.

 

Ich meinte den Vers 218. Die Übersetzungen fallen auch hier unterschiedlich aus.

 

Standop nach Lehnert 1939:

"das schaumhalsige Schiff dem Vogel 'am ähnlichsten' (gleich)"

 

Lehnert 1986:

"Das Schiff schaumhalsig, einem Schwan gleichend,"

 

Simrock:

"Da flog über Flut, einem Vogel vergleichbar,

das schaumhalsige Schiff, ...."

 

Der Vergleich des Schiffes mit einem Vogel entstammt - denke ich - dem Originaltext. Der Bezug zum Schwan liegt nahe (Vers 200).

 

Aber ich gebe Dir recht, beadoleoma, dass man diese Textstelle nicht überinterpretieren darf, was ich auch nicht wollte. Hier ist wohl kein Schiff gemeint, dass wie ein Schwan gebaut ist, sondern eher ein (romantisches) Bild von dem Schiff mit seinem/seinen weißen Segel(n). Ich wollte mit meinem knappen Hinweis nur andeuten, dass ich mich an das Schiff Galadriels erinnert fühlte, nicht mehr.

 

Geschrieben

Das Schwanenschiff hatte ich mit überinterpretieren gar nicht gemeint (Der Bug kann ja tatsächlich an einen Schwanenhals erinnern - damit wäre es einfach eine Metapher). ;) Nur generell: nicht alles was so ähnlich ist wie Tolkien kann man eindeutig als DIE EINE Inspiration auslegen.

Ich wollte mit meinen Übersetzungsübungen vor allem seregthaur mit der Frage helfen, was denn mit dieser ominösen Schwanenstraße gemeint sei.

In Vers 218 steht allerdings nur famiheals, also schaumhalsig (wie NE foam und NHD Hals), oder?

 

Ich finde es übrigens gut, dass du mehrere Übersetzungen zu Rate ziehst, weil so eher zu sehen ist, dass im Original evtl. etwas ganz anderes steht, d.h. dass ein Wort oder ein Vers, and dem man sich dumm und dusselig interpretieren könnte, im Original ganz anders heißt.

 

MAl sehen wie eure Lektüre weitergeht - ich werde sicher immer mal wieder reinschauen.

Geschrieben (bearbeitet)

@ beadoleoma

Danke für die Ausführungen zu swanrade. Kannst Du angelsächsisch?

Zur christlichen Ursünde:
Deshalb habe ich nachgefragt, da das theologisch, christlich, pseudochristlich etc. alles ziemlich verworren ist.

Ich bin mir recht sicher, dass ein Theologe über meine Verwendung des Begriffs (für Kains Brudermord) weinen würde.

Das würde er. :-O

Das was ich im Hinterkopf habe (wo es sich immernoch versteckt) ist aber eben so was wie eigentlich mythische Monster, die von einem der alttestamentarischen Übeltäter abstammen.

Also einen Fachbegriff dafür, den Du nicht (wieder) gefunden hast?

@ Joran

Zu den Dänen:

Okay, dann liegt es eher an der vorliegenden Übersetzung, in die ich wohl nicht zuviel einseitigerweise hineininterpretieren darf. Denn bei Lehnert steht ja tatsächlich "Teufel" (vgl. V. 176).
Bei Götzenverehrung und Heidentempeln kann man das dann aber doch mit dem Volk Israel vergleichen.

Zu Grendel:

 

Riesen, Unholde und Alben sind aber keine Geschöpfe der biblischen Mythologie, sodass ich diese der nordischen zugeschrieben habe. Natürlich gibt es Riesen und Co auch z.B. in der griechischen Mythologie, aber der Bezug zur nordischen liegt ja beim Beowulf näher. Natürlich muss es dennoch nicht darauf bezogen sein, was hat es dann aber mit den Riesen, Unholden und Alben auf sich und was soll dann Grendel sein?
Das hier verstehe ich aber nicht:

Grendel entspricht vor allem den alttestamentarischen / christlichen Vorstellungen eines Dieners des Bösen.

Inwiefern passt Grendel in die alttestamentliche Welt?

Zum Schwanenschiff:
 

Ich wollte mit meinem knappen Hinweis nur andeuten, dass ich mich an das Schiff Galadriels erinnert fühlte, nicht mehr.

Im HdR sieht es aber tatsächlich wie ein Schwan aus. :-O

Sie fuhren um eine scharfe Biegung des Flusses, und ein riesengroßer, stolzer Schwan kam ihnen flussabwärts entgegengeschwommen. [...] Musik schallte über den Fluss, als der Schwan näher kam, und nun erkannten sie erst, dass es ein Boot war, von geschickten Elbenhänden zum Ebenbild des Vogels geschaffen. [Die Gefährten, Zweites Buch, Abschied von Lórien, S. 481-482, 14. Auflage, 2003, übersetzt von Wolfgang Krege]

Bearbeitet von seregthaur
Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben

@ seregthaur:

 

Natürlich denkt wir bei Riesen, Unholden und Alben heute leicht an die nordische Mythologie. In der Sekundärliteratur zum Beowulf habe ich das nicht bestätigt gefunden. Ich habe zunächst in die gleiche Richtung wie Du gedacht, wurde dann aber zunehmend durch die in eine andere Richtigung weisenden Anmerkungen bei Lehnert, Standop etc. ins Zweifeln gebracht.

 

Ich habe noch ein wenig – im Rahmen meiner Möglichkeiten – recherchiert und bin mir in diesem Punkt unsicher. Für mich sprechen Argumente für beide Sichtweisen und vielleicht liegt die Wahrheit ja auch in der Mitte, wie die Christianisierung der Angelsachsen zu Zeit der mutmaßlichen Entstehung des Beowulf-Epos ja auch noch nicht abgeschlossen war und vermutlich Einflüsse beider Religionen unvermeidbar (bewusst oder unbewusst) Einfluss auf die Hörer und vermutlich auch den Dichter hatten.

 

1.

Der Begriff „onwōcon“ (wird offenbar von „on-wæcnan“ abgeleitet, vgl. awaken) in Vers 111 bedeutet offenbar soviel wie „erwachen“ oder „geboren werden“ und wird in allen mir vorliegenden Übertragungen mit „Unholde“ übersetzt.

 

Hierbei scheint es sich m.E. um eine verallgemeinernde Umschreibung für solche bösen Wesen zu handeln, womit Gestalten der nordischen oder der christlichen Mythologie gleichermaßen gemeint sein könnten.

 

2.

Das Alte Testament benennt als Riesenvölker und Feinde des Volkes Israel z. B. die Rafaiter, Anakiter und Emiter. Zu den Rafaitern gehörte Goliath, dessen Größe mit bis zu sechs Fuß und eine Handbreit (ca. 3 Meter) angegeben wird.

 

Die Riesen der nordischen Mythologie wurden vor den Menschen erschaffen und stellten ein eigenes Geschlecht dar. Sie waren also insbesondere keinesfalls Kainskinder.

 

Der Begriff „eotenas“ kommt nach einer Fußnote in Standop (nach Lehnert 1939) zu Vers 112 offenbar überhaupt nur im Beowulf (auch Verse 421 und 883) vor, so dass eine eindeutige Zuordnung dieses Begriffs schon aus diesem Grund Schwierigkeiten bereiten könnte.

 

3.

Der Begriff der Alben ist, meine ich, nicht ganz präzise umschrieben. Hierunter kann man in der nordischen Mythologie / im germanischen Sagenkreis wohl verschiedene Naturgeister bzw. Lichtgestalten verstehen. Die heutige Vorstellung von Elfen wird ihr kaum gerecht. Das indogermanische Wort „albh“ bedeutet „glänzend“, deswegen soll es wohl eher körperlose Wesen, also „Lichtgestalten“, beschreiben.

 

Allerdings verwendet der Dichter des Beowulf in Vers 112 das Wort „ylfe“, so dass schon die Übersetzung „Alben“ vielleicht nicht ganz präzise ist, wenngleich die Worte verwandt zu seien scheinen.

 

Der Begriff „ylfe“ ist derjenige, der sich für mich am ehesten eindeutig mit der nordischen Mythologie verknüpfen ließe.

 

4.

Der dritte Begriff in Vers 112 ist „orcnēas“, wird bei Standop (nach Lehnert 1939) mit „Höllengeister“, bei Lehnert 1986 mit „Ungeheuer“ und von Simrock mit „Orken“ übertragen.

 

In Standops Wörterbuch wird das Wort „orc-nēas“ mit „böse Geister“ übersetzt, das germanische Wort „orc“ mit „Höllendämon“.

 

Die Bibel kennt jedenfalls ebenfalls (unreine) Geister und Dämonen.

 

5.

Die im Vers 113 bezeichneten Giganten können der nordischen Mythologie jedenfalls nach dem aus dem Griechischen (über das Französische oder Lateinische) entlehnten Wort nicht zugeordnet werden, wie Du selbst bereits angeführt hast.

 

Hier wird vielleicht einfach ein anderes Wort für Riesen gesucht, um Wiederholungen zu vermeiden oder dem Versmaß zu genügen. Auch dies lässt dann aber keine eindeutige Zuordnung zur nordischen Mythologie zu (s.o.).

 

 

 

Geschrieben

Wow - sehr fleißig! :D

 

1.

Der Begriff „onwōcon“ (wird offenbar von „on-wæcnan“ abgeleitet, vgl. awaken) in Vers 111 bedeutet offenbar soviel wie „erwachen“ oder „geboren werden“ und wird in allen mir vorliegenden Übertragungen mit „Unholde“ übersetzt.

Hierbei scheint es sich m.E. um eine verallgemeinernde Umschreibung für solche bösen Wesen zu handeln, womit Gestalten der nordischen oder der christlichen Mythologie gleichermaßen gemeint sein könnten.

 

4.

Der dritte Begriff in Vers 112 ist „orcnēas“, wird bei Standop (nach Lehnert 1939) mit „Höllengeister“, bei Lehnert 1986 mit „Ungeheuer“ und von Simrock mit „Orken“ übertragen.

In Standops Wörterbuch wird das Wort „orc-nēas“ mit „böse Geister“ übersetzt, das germanische Wort „orc“ mit „Höllendämon“.


5.

Hier wird vielleicht einfach ein anderes Wort für Riesen gesucht, um Wiederholungen zu vermeiden oder dem Versmaß zu genügen.

 

zu 1. Das verstehe ich nicht ganz - wieso wird onwocon mit Unholde übersetzt und nicht untydras? Das gibt nicht so richtig Sinn...

 

þanon (daraus) untydras (böse Nachkommenschaft)    ealle (alle) onwocon (erwachten)

(Die Wortstellung ist anders als im NHD!)

 

zu 4. Höllendämon ist wahrscheinlich nicht schlecht. Laut Bosworth-Toller (http://www.bosworthtoller.com) ist orc die Hölle (von Orkus) und -neas heißt Einwohner von XY. Orcneas wären dann also Höllenbewohner.

 

zu 5. Denke ich auch. Wie ich schon sagte gibt es soche Aufzählungen von Dingen, die eigentlich das gleiche sind, öfter. Wer Latein in der Schule hatte kennt das sicher noch! :D

Auch im Altenglischen wird so etwas eingesetzt um etwas hervorzuheben. Statt einfach nur übersinnliche Wesen heißt es dann eben Trolle und Drachen und Unholde und Feen.

 

@seregthaur: vor vielen Jahren, als die Welt noch jung war, habe ich mal Altenglisch studiert. Viel ist leider nicht hängengeblieben, aber ich weiß noch ungefähr nach was ich suchen muss, wenn ich nachschaue. ;)

 

 

 

 

 

Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben

@ beadoleoma

 

Was "untydras" angeht, hast Du recht, denke ich. Das war mein Anfänger-Fehler.

 

"un-tydre" wird in in Standops Wörterbuch (nach Lehnert 1939) mit Missgeburt übersetzt. "tydran" bedeutet altenglisch "hervorbringen".

 

Aber auch dann bleibt es bei einer verallgemeinernden Umschreibung, die sich nicht entweder der nordischen oder christlichen Mythologie zuordnen lässt, sondern sich auf beides beziehen kann.

 

 

(Zu Deiner letzten Anmerkung: Unter den Blinden ist der Einäugige König. Und wir sind hier ziemlich blind! Also nicht Dein Licht unter den Scheffel stellen! ;)

Ich hoffe noch auf viele Erleuchtungen in der Fortsetzung dieses GTL-Projektes und erkläre Dich, meine Forums-Oma, hiermit zu meinem Leitstern in den unsicheren Gewässern des Altenglischen! Nicht dass Du wieder den mentalen Rollstuhl rausholst.... Du erinnerst Dich sicher... :-O )



Schlussbemerkung:

 

Mir macht das hier unerwartet viel Spaß. Hat etwas von einem Detektivspiel, wenn man so wenig Vorkenntnisse hat wie ich. Wenn's jemandem auf den Wecker geht, wie ich hier vorgehe, sagt es mir bitte, dann halte ich mich künftig mit meinen Beiträgen mehr zurück!

 

Vielleicht fehlt uns jemand, der als Gegengewicht den Blick von den Details mehr auch einmal auf die das Gesamtbild (die Sprache der Übertragung, die Geschichte ansich etc.) lenkt?

Geschrieben (bearbeitet)

          Schlussbemerkung:

 

Mir macht das hier unerwartet viel Spaß. Hat etwas von einem Detektivspiel, wenn man so wenig Vorkenntnisse hat wie ich. Wenn's jemandem auf den Wecker geht, wie ich hier vorgehe, sagt es mir bitte, dann halte ich mich künftig mit meinen Beiträgen mehr zurück!

Raus aus dem Forum, verschwinde und komm nie wieder! :-O;-) *

Zu Deinen Punkten:

zu 1:

Beim Wort "Unhold" denke ich an Grabunhold oder an einen nicht geheuren Menschen. Aber das liegt dann wieder an der Übersetzung des Wortes "onwōcon" zu "Unhold". Wie Du schon angeführt hast, scheint es sich bei einem Unhold um einen Bösewicht zu handeln (nach wikipedia z.B.).

zu 2:

 

Achja, ich vergaß, bei der Erkundung des Landes Kanaan berichten die zurückgekehrten Kundschafter von riesenartigen Menschen, was wohl die Rafaiter, Anakiter und Emiter sind. Dies lässt einen Großteil des Volks Israel an einer Eroberung zweifeln, sodass sie wieder in die Wüste geschickt werden. (Muss meine Bibelkenntnise wohl mal wieder auffrischen. -.- :anonym: )

Das Land, das wir durchzogen haben, um es zu erkunden, ist ein Land, das seine Bewohner frißt; und alles Volk, das wir darin gesehen haben, sind Leute von hohem Wuchs; auch haben wir dort die Riesen gesehen, die Söhne Enaks von den Riesen; und wir waren in unseren Augen wie Heuschrecken, und so waren wir auch in ihren Augen.

Da erhob die ganze Gemeinde ihre Stimme und schrie; und das Volk weinte in jener Nacht. Und alle Söhne Israels murrten gegen Mose und gegen Aaron [...] [Numeri, Kapitel 13, Vers 32, 33 u. Kapitel 14, Vers 1, 2; Elberfelder Übersetzung - revidierte Fassung, 5. Sonderauflage 2000]

 

zu 3:

Ich verbinde mit dem Begriff Alben auch nicht Elfen/Elben, Feen oder ähnliches, sondern böse Geister, die einem in Träumen heimsuchen <- Albtraum.

Wobei sie nach Wikipedia schon synonym für Elfen/Elben eingesetzt werden.

Alben kommt aber auch in der Snorra-Edda vor, sodass es der Begrif "Alb" imho der nordischen Mythologie zugeordnet werden kann.

zu 5:

Lehnert sagt auch, dass der Dichter gerne synonyme Begriffe verwendet, um sich nicht zu wiederholen. Von daher können die Giganten hier einfach synonym für Riesen stehen.

Fragt sich aber, inwiefern der Dichter mit den Riesen einen Bezug zur biblischen Mythologie herstellen wollte.

Obig zitierte Bibelstelle interpretiere ich nämlich eher so, dass damit aufgezeigt werden soll, inwiefern das Volk Israel Gottvertrauen besitzt und es nicht wirklich um tatsächliche Riesen geht. Das Volk wendet sich hier also von Gott ab und wird als Strafe wieder in die Wüste geschickt, weil es mehr Angst vor den Erzählungen der Kundschafter als Gottvertrauen hat.

Insofern bezweifle ich, dass der Dichter des Beowulfs sich auf diese 'Riesen' aus der Bibel bezieht. Aber da ich kein Theologe bin, ist meine Interpretation vllt eh nicht so das wahre.

 

 Wer Latein in der Schule hatte kennt das sicher noch! :D

Hier, hier!

Keine falsche Bescheidenheit, es ist gewiss vieles hängengeblieben. ;) Auf jeden Fall danke für die altenglischen Erklärungen. :-)

 

 

Unter den Blinden ist der Einäugige König. Und wir sind hier ziemlich blind!

Dachte immer, ich sei allwissend. :bengel::he::=(:-D

* Falls das wer doch falsch auffasst, ist natürlich Ironie...

Bearbeitet von seregthaur
Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben

Ich stimme Dir zu, dass Alben nicht mit der Bibel, sondern mit der nordischen Mythologie in Verbindung zu bringen sind.

 

Ob albh (bzw. unser heutiges Verständnis von diesem Begriff) aber tatsächlich identisch mit dem ae ylfe ist, erscheint mir weiterhin zweifelhaft. Ist ylfe lediglich das Wort für eine Geist im Sinne einer Lichtgestalt, so kann man eine eindeutige Zuordnung nicht vornehmen. :ka:  

 

Du hast hier vielleicht sozusagen Dein "Midgard"-Äquivalent gefunden, von dem ich mich ja auch noch immer nicht ganz trennen kann... :-O

Geschrieben (bearbeitet)

So, ich bin endlich auch dazu gekommen den naechsten Abschnitt zu lesen. Hier also einige Anmerkungen von meiner Seite:

1. Christentum/Heidentum



Für die, die sich hierfür interessieren ... Standop (nach Lehnert 1939) verweist auf folgende Theorien [...]

Die These der partiellen Apostasie, wonach die Erklärung in einem Rückfall der Dänen vom Christentum in das Heidentum unter dem Eindruck der Heimsuchung durch Grendel liegen soll, ähnlich dem Volk Israel, das um das Goldene Kalb tanzt.

Das erscheint mir angesichts der Verse "den Schöpfer kannten sie nicht/ den Richter der Taten, noch wussten sie [etwas] vom Herren Gott" eher fuer unwahrscheinlich. Aber das nur am Rande. Insgesamt stimme ich beadoleoma zu, dass wir aus unserer heutigen Perspektive wahrscheinlich mehr Widersprueche und Trennlinien zwischen heidnischem und christlichem Glauben sehen, als es die damalige Bevoelkerung getan haette. Dazu unten mehr.

2. swanráde

beadoleome hat dazu ja eigentlich schon alles gesagt. Interessant ist nur, dass dieser potentielle Neologismus(?) von anderen Dichtern aufgegriffen wird und zum Beispiel auch wieder im Andreaslied aus dem Vercelli Buch auftaucht (Z. 194-198):
"ðæt mæg engel þin         eað geferan,
halig of heofenum         con him holma begang,
sealte sæstreamas         ond swanrade,
waroðfaruða gewinn         ond wæterbrogan,
wegas ofer widland."
Wir koennen uns also nicht ganz sicher sein, ob dieses Wort einepoetische Neuschoepfung war, oder vielleicht schon laenger als feste Vokabel in der Sprache verankert war.
 
3. Grendel und die Ungeheuer:



Riesen, Unholde und Alben sind aber keine Geschöpfe der biblischen Mythologie, sodass ich diese der nordischen zugeschrieben habe. Natürlich gibt es Riesen und Co auch z.B. in der griechischen Mythologie, aber der Bezug zur nordischen liegt ja beim Beowulf näher. Natürlich muss es dennoch nicht darauf bezogen sein, was hat es dann aber mit den Riesen, Unholden und Alben auf sich und was soll dann Grendel sein?

Auch hier halte ich den Ansatz fuer falsch diese Wesen wieder eindeutig der einen oder anderen Kategorie (biblisch vs. nordische Mythologie) zuordnen zu wollen. Diese Kategorien wird es damals gar nicht so gegeben haben, sondern in vielen Kulturen wurde der 'neue' Gott nach der Christianisierung einfach in die bestehende Kultur integriert. Man muss nur mal mit etwas wachsamen Augen durch eine Kirche laufen um zu sehen wie praesent die vorchristliche Symbolik ist und wie nahtlos verschiedenste Ueberzeugungen und Glaubensrichtungen miteinander verbunden wurden. Im 'Utrecht Psalter' findet sich sogar die Abbildungen eines von Elf-Pfeilen verwundeten Mannes. Aber nun ist es eben der neue, christliche Gott und das Psalmengebet, das dagegen schuetzen kann. ;-)
 
Fuer mich ist der biblische Bezug der erwaehnten Geschoepfe und Ungeheur in Z. 111-114 allerdings nur schwer zu leugnen. Der Hinweis auf Grendels Abstammungslinie (Kain) ist naemlich nicht nur ein kurzer Einwurf, bei dem das Ungeheuer in Beziehung zu einem biblischen Boesewicht gesetzt und somit auch fuer christlich-orinetierte Leser daemonisiert werden soll. (Da gaeb es in der Bibel naemlich sicher viel bessere Boesewichte als Kain.)
Der Kernhinweis ist hier der Bezug zu Genesis 6,1-5:
"Als sich aber die Menschen zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, sahen die Söhne Gottes, daß die Töchter der Menschen schön waren und nahmen sich von allen diejenigen zu Weibern, welche ihnen gefielen. Da sprach der HERR: Mein Geist soll den Menschen nicht ewig darum strafen, daß auch er Fleisch ist, sondern seine Tage sollen hundertundzwanzig Jahre betragen!Die Riesen waren auf Erden in jenen Tagen, und zwar daraufhin, daß die Söhne Gottes zu den Töchtern der Menschen kamen und diese ihnen gebaren. Das sind die Helden, die von alters her berühmt gewesen sind. Als aber der HERR sah, daß des Menschen Bosheit sehr groß war auf Erden und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse allezeit, da reute es den HERRN, daß er den Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen."
 
Diese Verse, eingeworfen zwischen Stammbaeumen und der Sintfluterzaehlung, haben unter AT-Forschern schon zu einigen Spekulationen gefuehrt. (Ich habe vor ein paar Jahren mal einen Artikel dazu geschrieben, bei Interesse also gerne mehr,) aber hier ist die Kurzfassung, bzw. die Punkte, die fuer die Einordnung innerhalb des Beowulf relevant sein koennten:
Eine grosse Debatte rankt sich um die Identitaet der 'Soehne Gottes', zu der es drei grosse Theorien gibt: 1. Es handelt sich um goettliche oder engelsgleiche Wesen. [Die germanisch/nordische Mythologie kennt sowohl das Modell der Anthropogonie, als auch Ethnogonie - die Idee dass die Ungeheuer aus Verbdinungen von Menschen und Goettern entstanden sind, waere also hiermit vereinbar.] 2. Es handelt sich um Monarchen oder andersartig hierarchisch-hoeherstehende Menschen, die deshalb den Titel 'Goettersoehne' verdienen. Und am wichtigsten fuer unsere Zwecke ist die dritte Theorie: 3. Die Gottessoehne sind die gottesfuerchtigen Nachfahren Seths, die mit den suendigen Toechtern/Nachfahren Kains juxtaposiert werden.
Insbesondere ist anzumerken, dass die zweite Theorie erst relativ 'jung' ist und sich hauptsaechlich auf die Ergebnisse komparativer Linguistik, waehrend die Kain-Theorie bereits seit dem 4. Jahrhundert nach Christus Verbreitung fand und somit auch dem Verfasser von Beowulf bekannt gewesen sein koennte.
Diese Geschichte wird im apokryphen Hennochbuch interessanterweise noch weiter ausgefuehrt und hier beginnen besagte Riesen nun die Menschen zu vertilgen: "Dann nahmen sie Weiber, ein jeder wählte sich; ihnen begannen sie sich zu nahen und ihnen wohnten sie bei, lehrten sie Zauberei, Beschwörungen und das Teilen von Wurzeln und Bäumen. Und die Weiber empfingen und gebaren Riesen, deren Länge dreihundert Ellen betrug. Diese verschlangen allen Erwerb der Menschen, bis es unmöglich wurde, sie zu ernähren. Da wandten sie sich gegen Menschen, um sie zu essen [...]" (Kapitel 7).
Besonders ueberzeugend ist vielleicht, dass im mittelirischen Sex Aetates Mundi (gleiche Zeit wie der Beowulf) explizit erwaehtn wird, dass Kains verfluchte Linie ueber Noahs Sohn Ham weiterlebt und dass von ihm (Ham) die Fomoraig (irische version der Riesen) abstammen.

Dazu laesst sich bestimmt noch viel mehr sagen und recherchieren, aber ich habe momentan leider nur wenig Zeit.
 
In Zeile 114 bin ich mir allerdings unschluessig auf wen sich das “hé” bezieht. Gott? Ist mit der ‘Belohnung’ dann Rache/Vergeltung gemeint? Oder Grendel, der die Ungeheuer dafuer bezahlt, dass sie gegen Gott kaempfen?
 
Ich haette auch noch eine Bitte an alle, die eine deutsche Uebersetzung lesen (ich lese momentan nur Angelsaechsisch und zwei englische parallel): Wie wird bei euch das Wort ‘freoðo’ In Zeile 188 uebersetzt? Ich habe in meinen Texten ‘Nirvana’ und ‘Freundschaft’ stehen – beides gefaellt mir nicht und das Woerterbuch scheint auch eher in die Richtung Friede/Sicherheit zu gehen.

Bearbeitet von Alatariel
Geschrieben

zu 2. fällt mir da spontan Shakespeare als Vergleich ein. Offiziell hat der auch extrem viele Neologismen in die englische Sprache gebracht, aber wir wissen heute nicht, ob er sie tatsächlich erfunden hat, oder ob er einfach Dinge aufgegriffen hat, die er auf der Straße hören konnte.

Gast Joran aus den Schatten
Geschrieben (bearbeitet)

Zu Vers 114:

 

Laut Standop (nach Lehnert 1939, Fußnot zu Vers 114) ist mit "hē" wohl Gott gemeint. "Er vergalt ihnen dafür Lohn" soll danach als Anspielung auf die Sintflut zu verstehen sein. Das mag zunächst etwas weit hergeholt wirken. Standop verweist jedoch auf eine andere Textstelle, die dieses Verständnis meines Erachtens stützt: Sehr deutlich wird dieses Thema nämlich vom Dichter in den Versen 1689 bis 1693 nochmals aufgegriffen.

 

 

Zu Vers 188:

 

Die Verse 186b bis 188 werden bei Lehnert 1986 wie folgt Übertragen:

"....   Wohl geschieht denen,

die nach dem Todestag   treten vor Gott,

um im Schoß des Vaters   Schutz erflehen zu können!"

 

Standop (nach Lehnert 1939), der meist etwas wortgetreuer bleibt, übersetzt:

"....   Wohl ist dem, der darf

nach dem Todestag den Herrn aufsuchen

und in des Vaters Umarmung Schutz erflehen."

 

Im Glossar von Standop wird freoðo, frioðu übersetzt mit "Friede, Schutz" (altsächsisch: "friðu, freðo"). Weiter findet man dort den Hinweis auf "freoð-burh", was Friedens- oder Schutzburg bedeuten soll.

 

Das entspricht ziemlich genau Deinem Verständnis des Wortes.

 

Die grunsätzlich etwas freiere, aber sehr schöne und poetische Übertragung von Simrock 1859 lautet:

"....    Wohl ihm, der da darf

nach des Hingangs Tag   den Herren suchen,

und Frieden finden    an Vaters Busen!"

Bearbeitet von Joran aus den Schatten
Geschrieben (bearbeitet)

zu 2. fällt mir da spontan Shakespeare als Vergleich ein. Offiziell hat der auch extrem viele Neologismen in die englische Sprache gebracht, aber wir wissen heute nicht, ob er sie tatsächlich erfunden hat, oder ob er einfach Dinge aufgegriffen hat, die er auf der Straße hören konnte.

Wir wissen auch gar nicht mehr, ob Shakespeare selbst das alles geschrieben hat.  :anonym:  Oder ist es sicher, dass er es auf jeden Fall nicht war?

 

(Da gaeb es in der Bibel naemlich sicher viel bessere Boesewichte als Kain.)

M. E. gehört er schon zum Kreis der bösen Bösewichte. Oder an wen denkst Du da z.B.?

(Zum Rest Deiner Ausführungen, Alatariel, fällt mir erst mal nicht viel ein, vllt später irgendwann (z.B. morgen).)

Bearbeitet von seregthaur
Geschrieben

 

zu 2. fällt mir da spontan Shakespeare als Vergleich ein. Offiziell hat der auch extrem viele Neologismen in die englische Sprache gebracht, aber wir wissen heute nicht, ob er sie tatsächlich erfunden hat, oder ob er einfach Dinge aufgegriffen hat, die er auf der Straße hören konnte.

Wir wissen auch gar nicht mehr, ob Shakespeare selbst das alles geschrieben hat.  :anonym:  Oder ist es sicher, dass er es auf jeden Fall nicht war?

 

Mein aktueller Kenntnisstand ist, dass derzeit die Shakespeareforschung besagt, dass tatsächlich Shakespeare Shakespeare geschrieben hat. Aber das hilft uns mit Beowulf auch nicht weiter... ;-)

  • 2 Wochen später...
Gast Dunderklumpen
Geschrieben

Während das Leben am Hof der Schildinger (Scyldingas) ansonsten durchaus christlich geprägt dargestellt wird (z.B. Verse 90b-98) und auch die Herrschaft und Reichtum der Scyldingas im ersten Abschnitt vom christlichen Gott abgeleitet werden (z.B. Verse 12-17. 71-73)

 

Das Interessante daran ist, dass das gar nicht stimmt. Schon Tolkien wies in seinem Beowulf-Aufsatz darauf hin, dass es sich ncht um den christlichen, sondern um den alttestamentlichen Gott handelt: Und in dieser Seminarsarbeit  "Beowulf - Quellen und Analogien" http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/30710.html schreibt der Autor, dass im gesamten "Beowulf nur das Alte Testament zitiert wird.

 

Kain und die Ungeheuer:

Die Legenden, dass die Nachfahren des Brudermörders Kain Ungeheuer wurden, ist eine Erfindung der (katholischen) Kirche im Mittelalter. Sie sind ebenfalls dem Neuen Testament wesensfremd, und meines Wissens spielen sie auch im heutigen Katholizismus überhaupt keine Rolle mehr.

Ich las in o.g. Examensarbeit, dass die Kirche sich möglicherweise bei dieser Art Legenden viel auf das "Buch Henoch" stützte, das zu den Apokryphen gehört und in der Bibel nicht enthalten ist.

 

Überhaupt ist ja die frühe Kirche stark mit der spätmystischen (nicht etwa -mythischen!) Antike verbandelt, sehr blutsträchtig, und der Dämonenglaube samt Bluttrinken stammt da auch her.

 

Der Kampf Beowulfs gegen diesen ganzen Sumpf (=Morast) geschieht im Namen des eher nordischen Heidentums, das der Beowulf-Autor laut Tolkien nicht untergehen lassen, sondern bezüglich gewisser Tugenden durch sein Werk retten wollte.

 

 

  • 4 Wochen später...
Geschrieben

Während das Leben am Hof der Schildinger (Scyldingas) ansonsten durchaus christlich geprägt dargestellt wird (z.B. Verse 90b-98) und auch die Herrschaft und Reichtum der Scyldingas im ersten Abschnitt vom christlichen Gott abgeleitet werden (z.B. Verse 12-17. 71-73)

 

Das Interessante daran ist, dass das gar nicht stimmt. Schon Tolkien wies in seinem Beowulf-Aufsatz darauf hin, dass es sich ncht um den christlichen, sondern um den alttestamentlichen Gott handelt: Und in dieser Seminarsarbeit  "Beowulf - Quellen und Analogien" http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/30710.html schreibt der Autor, dass im gesamten "Beowulf nur das Alte Testament zitiert wird.

Ich muss sagen, dass ich hier bei meiner eigenen Wortwahl gar keine bewusste Grenze gezogen habe. Wie genau wuerdest du den AT-Gott vom christlichen unterscheiden? Koenntest du mir eine Definition geben? Ich habe zwar eine vage Vorstellung davon, was gemeint ist, aber es reicht nicht aus um die Begriffe scharf genug fuer eine praezise Nutzung zu trennen.

Und wie erklaerst du dir dann, dass Tolkien Beowulf einen "Christian poem" nennt?

 

Kain und die Ungeheuer:

Die Legenden, dass die Nachfahren des Brudermörders Kain Ungeheuer wurden, ist eine Erfindung der (katholischen) Kirche im Mittelalter.

Das wuerde ich bestreiten. (Auf die Wortwahl 'Erfindung' moechte ich an dieser Stelle nicht im Detail eingehen, aber ich denke nicht, dass man sich da so weit aus dem Fenster lehnen sollte - auch wenn es vielleicht bestimmte Gruende gab, warum die Verbindung zwischen Kain und den Ungeheuern im Mittelalter mehr Zuhoerer gefunden hat.)

Mein eigentlicher Punkt waere aber: Die Assoziationen zwischen Kain und Ungeheuern gab es schon sehr viel frueher; insbesondere die Vemrutung, dass Kain halb-Engel/Geistwesen, halb-Mensch gewesen sein soll, findet sich in vielen fruehen Texten. So schrieb beispielsweise Quintus Septimius Florens Tertullianus, dass Kain ein gefallener Engel sei woraufhin spaeter interpretiert wurde, dass er somit ein 'Nephilim' gewesen sein koennte. In dem Apokryphon des Johannes (2. Jhd.) wurde Eva von Jaldaboth verfuehrt und gebar daraufhin Kain - nun ebenfalls Halb-Mensch.

Die These, dass in Genesis 6 Kains und Seths Nachkommen gemeint sind, findet sich auch schon in aelteren juedischen Quellen. Sie wird unter anderem vertreten von Simeon bar Yochai (1. Jd.) und ist bis heute fuer das orthodoxe Judentum gueltig (siehe die kommentare von Rashi und Moses ben Naḥman Girondi).

Wenn man etwas weiterschaut, wird ebenfalls klar, dass diese Position nicht spezifisch-katholisch ist - John Calvin vetrat sie ebenso.

Mir erscheint es deshalb eher so, als ob diese Thesen und Spekulationen allgemeines Gedankengut - ueber Jahrhunderte hinweg und in verschiedenen Kulturkreisen - war, dessen der Beowulf Autor sich hier eventuell (bewusst oder auch unbewusst) bedient.

 

Sie sind ebenfalls dem Neuen Testament wesensfremd, und meines Wissens spielen sie auch im heutigen Katholizismus überhaupt keine Rolle mehr.

Was man mit 'keine Rolle mehr spielen' meint, ist mir nicht ganz klar. Die Frage nach der Identitaet der Gestalten in Genesis 6 ruehrt nicht an zentrale Glaubensinhalte (und ich wuerde behaupten, dass dies im Mittelalter auch nicht anders war), aber das heisst ja nicht, dass sich (katholische) theologen nicht mehr mit dieser Frage befassen.

 

Ich las in o.g. Examensarbeit, dass die Kirche sich möglicherweise bei dieser Art Legenden viel auf das "Buch Henoch" stützte, das zu den Apokryphen gehört und in der Bibel nicht enthalten ist.

Den besagten Abschnitt aus dem Hennochbuch habe ich ja weiter oben bereits zitiert.

 

Überhaupt ist ja die frühe Kirche stark mit der spätmystischen (nicht etwa -mythischen!) Antike verbandelt, sehr blutsträchtig, und der Dämonenglaube samt Bluttrinken stammt da auch her.

Das wird nun etwas OT, aber da du es hier auffuehrst: Was genau meinst du mit 'Daemonenglaube'?

Und ich nehme an, dass du dich mit 'frueher Kirche' auf das Mittelalter, nicht aber auf die Urkirche beziehst?

 

Der Kampf Beowulfs gegen diesen ganzen Sumpf (=Morast) geschieht im Namen des eher nordischen Heidentums, das der Beowulf-Autor laut Tolkien nicht untergehen lassen, sondern bezüglich gewisser Tugenden durch sein Werk retten wollte.

Dazu muss ich mich erst einmal weiter in den Beowulf einarbeiten. Im Moment erscheint mir das alles noch sehr bruchstueckhaft und durcheinander.
Geschrieben

Ich muss sagen, dass ich hier bei meiner eigenen Wortwahl gar keine bewusste Grenze gezogen habe. Wie genau wuerdest du den AT-Gott vom christlichen unterscheiden? Koenntest du mir eine Definition geben?

Der christliche Gott definiert sich durch Christus, der AT-Gott ist der undefinierbare Gott des Judentums, da er einen Prozess darstellt: "Ich bin, der ich bin/sein werde."

 

Geschrieben

Der christliche Gott definiert sich durch Christus, der AT-Gott ist der undefinierbare Gott des Judentums, da er einen Prozess darstellt: "Ich bin, der ich bin/sein werde."

Mh, natuerlich ist mir klar, dass das NT die einschneidende Veraenderung fuer die Abrenzung des Christentums vom Judentum sein muss. Aber mir ist nicht ganz klar, wie genau sich hier Gottesvorstellungen klar trennen lassen. Zum einen kann Jesus als Inkarnation Gottes nicht die einzige Gottesvorstellung des Christentums sein - da muss es doch noch mehr Facetten geben, die sich auch auf die Darstellung Gottes im AT beziehen. Zum anderen ist ja auch der "AT Gott" (wenn man ihn so nennen mag) keineswegs eine 'homogene' Gestalt - die auch ueber die Jahrhunderte hinweg von verschiedenen Gruppierungen immer wieder anders empfunden und interpretiert wurde. Und deinen Hinweis auf den AT Gott als etwas Undefinierbares (?) - sich im Wandel Befindendes - verdeutlicht dies. Der hebraeische Ausdruck אֶהְיֶה אֲשֶר אֶהְיֶה jedenfalls laesst eine Uebersetzung mit "Ich bin, der Ich bin" oder "Ich bin, der Ich sein werde" genauso zu wie "Ich werde sein, der Ich sein werde" und noch vieles mehr. Also ich bin da irgendwie nicht schlauer.

Und eigentlich moechte ich hier auch keine grosse theologische Diskussion anzetteln, aber da nun einmal aufgeworfen wurde, dass man die Kultur und die Darstellungen im Beowulf nicht 'christlich' nennen sollte, wuerde ich fuer mich diese Dinge doch gerne besser differenzieren koennen. Und ich bezweifle zum Beispiel, dass Dunderklumpen mit ihrer Aussage, dass dass es sich nicht um den christlichen, sondern um den alttestamentlichen Gott handelt, den juedischen AT Gott gemeint hat, den du hier dem christlichen gegenueberstellst (ob man das ueberhaupt machen kann, ist wieder eine andere Frage).

Tolkien setzt Hrothgar mit den alttestamentlichen Patriarchen in Verbindung und zieht einen Vergleich zwischen den Daenen und den Israeliten (waehrend der Zeit der Richter?), die - obgleich auserwaehlt - in Zeiten der Versuchung gelegentlich Goetzendienst veruebten. Mir wird vor diesem Hintergrund immer noch nicht ganz klar, warum der Hinweis auf ein 'christlich' gepraegtes Leben der Scyldingas nicht valide ist.

 

 

Geschrieben (bearbeitet)

Um mich mal ganz kurz einzumischen und eine wichtige Sache in aller Kürze klarzustellen:

 

Für einen Christen ist der alttestamentliche Gott der selbe Gott wie der christliche, es ist der selbe Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist. Ein christlicher Autor kann somit durchaus sein eigenes Gottesbild illustrieren, indem er ausschließlich auf alttestamentliche Texte zurückgreift. Georg Friedrich Händel hat seine (christlichen) Oratorien fast ausschließlich mit alttestamentlichen Texten versehen, selbst den "Messias".

Bearbeitet von Berenfox

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