Gast Dunderklumpen Geschrieben 26. Juni 2013 Geschrieben 26. Juni 2013 Um ehrlich zu sein finde ich, dass persönliche Weltsicht und Glauben hier nichts verloren haben. Es geht nicht darum was jeder einzelne von uns für ein Gottesbild hat, sondern welches der Beowulf-Autor hatte. Und dazu habe ich mehrfach geschrieben, dass das für mich nicht über theoretische Begriffsanalysen läuft, sondern - in einem literarischen Werk - über das Untersuchen der Handlungsführung und Motivationssuche der konkreten Protagonisten inklusive der Erzählerfigur. Diesen Weg aber hat Berenfox apodiktisch als "zu kurz greifend" erklärt, und damit ist, bei dieser kleinen Besetzung hier, für mich klar, dass ich hier nichts verloren habe. Und da ist es rein historisch sehr wohl interessant, ob sein Gott ein christlicher ist oder nicht, weil es etwas darüber aussagt, wie weit die Christianisierung in dem Gebiet, in dem er lebte, fortgeschritten war. Tolkien hat zutiefst beklagt, dass alle Beowulf-Deuter das Werk lediglich dafür benutzen, Informationen über die historische Zeit zu bekommen und nicht respektieren, dass hier ein literarisches Werk vorliegt, in dem nicht die historische Herkunft der Details den Sinn des Werkes ausmacht, sondern die Funktionalität dieser Details innerhalb des Aufbaus des Ganzen. Das hat er mit seiner berühmten Turm-Allegorie deutlich machen wollen, wo der Turm von den Forschern erst zerbrochen werden muss, um die historische Herkunft der einzelnen Steine bestimmen zu können, statt sich dem Bau des Turmes als Ganzheit und seinem Gefügtsein zu widmen. Ich bin kein Beowuf-Forscher, also kann ich zu der historischen Quellenforschung ohnehin nichts beitragen. Warum kämpft Beowulf gegen jedes Ungeheuer, das ihm nur von weitem begegnet, warum macht er lange Reisen, um Ungeheuer zu erschlagen? Und warum tun die anderen das nicht? Wozu ist es notwendig, sie zu erschlagen? Was hat sich danach geändert? Weil er der Held ist. Das ist das was Helden in solchen Epen tun. Warum fährt Odysseus in der Gegend herum? Warum muss Siegfried den Drachen töten? Die Beowulf-Handlung folgt ebenso Mustern, wie die Handlung in Märchen. Da würdest du ja auch nicht erwarten, dass der zweite Sohn die Prinzessin heiratet. Wenn das stimmen würde, wäre da also auch keine christliche Handlungsführung erkennbar. Zitieren
Berenfox Geschrieben 26. Juni 2013 Geschrieben 26. Juni 2013 Und dazu habe ich mehrfach geschrieben, dass das für mich nicht über theoretische Begriffsanalysen läuft, sondern - in einem literarischen Werk - über das Untersuchen der Handlungsführung und Motivationssuche der konkreten Protagonisten inklusive der Erzählerfigur. Diesen Weg aber hat Berenfox apodiktisch als "zu kurz greifend" erklärt, und damit ist, bei dieser kleinen Besetzung hier, für mich klar, dass ich hier nichts verloren habe. Ich glaube, da haben wir ziemlich weit aneinander vorbei geredet. Denn genau das habe ich nicht als zu kurz greifend erklärt (und schon gar nicht apodiktisch, immerhin habe ich begründet, was ich sagen wollte). Im Gegenteil stimme ich da mit dir völlig überein. Es ging mir um etwas anderes. Ich versuche es noch einmal ganz kurz zusammenzufassen: Ich bin über einen Begriff gestolpert, der die Vermutung nahelegte, dass der "Beowulf" in irgendeiner Weise (die ich gar nicht näher bestimmen wollte und konnte) in Berührung mit dem Christentum gekommen sein könnte. Das war alles. Ob das tatsächlich der Fall ist, muss an der Handlungsführung und den Motiven der Protagonisten etc. untersucht werden, mit literarischen Methoden. Das ist überhaupt keine Frage! Der Begriff hat mich aber überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht. Das war im Grunde genommen alles. Tolkien hat zutiefst beklagt, dass alle Beowulf-Deuter das Werk lediglich dafür benutzen, Informationen über die historische Zeit zu bekommen und nicht respektieren, dass hier ein literarisches Werk vorliegt, in dem nicht die historische Herkunft der Details den Sinn des Werkes ausmacht, sondern die Funktionalität dieser Details innerhalb des Aufbaus des Ganzen. Dennoch hat Tolkien ebenfalls Aussagen über die historische Zeit, den christlichen Glauben des Autors etc. gemacht. Er hielt die Methode der früheren Beowulf-Deuter nämlich nicht grundsätzlich für falsch, sondern beklagte, dass sie sich ausschließlich auf diese sekundären Dinge gestürzt haben. Denn diese Details haben durchaus eine Aussagekraft, wenn es um die Deutung eines Textes geht - solange sie nicht zum primären Interesse werden und dienende Funktion haben. Wenn ich mit einem Bibeltext arbeite, fehlt mir etwas, wenn ich nicht die Frage stelle, wann und wo er entstanden ist, wer ihn für wen geschrieben hat und so weiter. Tragisch wird es, wenn der Text dadurch zerfleddert und zerbrochen wird, weil man den Sinn des Textes auf diese Dinge reduziert... Zitieren
beadoleoma Geschrieben 26. Juni 2013 Geschrieben 26. Juni 2013 (bearbeitet) Zitat Und da ist es rein historisch sehr wohl interessant, ob sein Gott ein christlicher ist oder nicht, weil es etwas darüber aussagt, wie weit die Christianisierung in dem Gebiet, in dem er lebte, fortgeschritten war. Tolkien hat zutiefst beklagt, dass alle Beowulf-Deuter das Werk lediglich dafür benutzen, Informationen über die historische Zeit zu bekommen und nicht respektieren, dass hier ein literarisches Werk vorliegt, in dem nicht die historische Herkunft der Details den Sinn des Werkes ausmacht, sondern die Funktionalität dieser Details innerhalb des Aufbaus des Ganzen. Da mag der innere Historiker durchgekommen sein. Für mich ist ein so altes literarisches Werk immer auch eine historische Quelle. Ich stimme zu, dass man Literatur nicht auf die Quellenfunktion reduzieren sollte, aber man darf den historischen Kontext auch nicht ausblenden. Jedes literarische Werk steht in einer Tradition und jeder Autor ist ein Kind seiner Zeit. Wenn das stimmen würde, wäre da also auch keine christliche Handlungsführung erkennbar. Habe ich auch nie behauptet. Allerdings denke ich, dass man in ein mittelalterliches Epos nicht zu viel Motivation der Handelnded reininterpretieren kann, weil der Autor bestimmte "Regeln" befolgt. Die Struktur des Beowulf und das was ich über seine Entstehungszeit weiß lassen mich vermuten, dass er nicht zum lesen sondern zum vortragen gedacht war. Ein Vortragender braucht aber auch Zuhörer und die erwarten bestimmte Muster. Genauso wie wir heute, wenn wir ins Kino gehen. Ich erwarte, dass der Held den Drachen tötet genauso wie ich erwarte dass die 13. Fee böse ist und dass der junge Mann in der romantischen Komödie am Ende schnallt, dass seine nette, wenn auch unscheinbare Nachbarin viel besser zu ihm passt, als das hohle Supermodel auf das er so scharf ist. Als Held folgt Beowulf somit bestimmten literarischen Regeln, er hält sich aber auch an die gesellschaftlichen Erwartungen seiner Zeit, indem er zum Beispiel nicht versucht, mit Grendel zu verhandeln, sondern den Kampf sucht und auch indem er sich ehrenhaft verhält (das war ja schon mal diskutiert worden). Bearbeitet 26. Juni 2013 von beadoleoma Zitieren
raukothaur Geschrieben 26. Juni 2013 Autor Geschrieben 26. Juni 2013 Als Held folgt Beowulf somit bestimmten literarischen Regeln Literatur hat keine Regeln. Es gibt doch nur viel Literatur, die sich in diversen Mustern sehr ähnlich verhält. Und auch der Beowulf scheint wohl dem bekannten Muster zu folgen, dass der Held (wie Du schon sagtest) nunmal die jeweiligen Antagonisten oder hier besser Bösewichte besiegt. Gibt es aber nicht auch eine differenziertere Begründung zu Dunderklumpens Fragen: Warum kämpft Beowulf gegen jedes Ungeheuer, das ihm nur von weitem begegnet, warum macht er lange Reisen, um Ungeheuer zu erschlagen? Und warum tun die anderen das nicht? Wozu ist es notwendig, sie zu erschlagen? Was hat sich danach geändert? Zitieren
beadoleoma Geschrieben 26. Juni 2013 Geschrieben 26. Juni 2013 Deswegen hatte ich Regeln ja auch irgendwo in Anführungszeichen gesetzt. Nennen wir es einfach Muster, denn auch wenn theoretisch alles möglich ist, ist doch in der Regel vorhersehbar, wie sich eine bestimmte Art von Charakter in einer bestimmten Situation verhält, oder was passiert. (nebenbei: das macht ja die Game of Thrones-Serie so erfrischend, dass Martin keine Hemmungen hat, Hauptfiguren zu ermorden, oder dass er eine Figur als Bösewicht/Held aufbaut und sie sich dann völlig entgegen der erwarteten Muster verhalten lässt.) Es mag eine differenziertere Antwort auf die Fragen geben, aber wenn man völlig außer Acht lässt, dass diese literarischen Konventionen existieren und dass allem Anschein nach der Beowulf-Autor sich daran gehalten hat, dann interpretiert man nicht das Werk, sondern in das Werk hinein. Und manchmal ist eine Pfeife einfach eine Pfeife. Zitieren
raukothaur Geschrieben 26. Juni 2013 Autor Geschrieben 26. Juni 2013 Zum nebenbei (das kommt jetzt vllt klugscheißend rüber, aber als Eis und Feuer-Purist muss ich das leider berichtigen ): Nö, aber A Song of Ice and Fire und dort gibt es weder Hauptfiguren noch Helden noch Bösewichte, sondern nur mehr oder weniger wichtigere POV-Charaktere, die alle das Recht haben, irgendwann den Löffel abzugeben. Game of Thrones ist nur ein schwacher Abklatsch des Meisterwerks, wo Charaktere abgeflacht und beschönigt werden - so als ob die Regisseure den Zuschauern kein eigenes Denken zutrauen würden. Zitieren
beadoleoma Geschrieben 26. Juni 2013 Geschrieben 26. Juni 2013 (nochmal off-topic: Ich meinte schon die Buch-Serie. Aber ich bin kein Purist, deswegen ist mir Wurscht, ob der Name für die Serie im ganzen jetzt so oder anders heißt. Und du kannst NICHTS dagegen tun. Heehee! Außerdem gibt es sehr wohl Hauptfiguren - nur eben sehr viele.) Zitieren
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