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Richard Wagners Opern und Musik


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Geschrieben (bearbeitet)
vor 6 Stunden schrieb Torshavn:

Welche Inszenierung hörst du denn?

 

Damals waren es noch Schallplatten, und die erste Gesamtaufnahme, die ich mir gekauft hatte, war der "Jahrhundertring", mit Pierre Boulez als Dirigent. Wichtig waren mir dabei nur Dirigent und Sänger, da ich die Inszenierung - von Patrice Chéreau - ja so nicht zur Kenntnis bekam. Zur Kenntnis bekam ich sie erst jetzt bei youtube. 

Ich hab mir dann später noch zwei - oder gar drei - weitere Gesamtaufnahmen gekauft; ich hatte damals wohl vor, Wagner zum Spezialgebiet zu machen. Es wurde dann allerdings nicht Wagner, sondern Tolkien.  :-)

Möglicherweise werde ich das bei Wagner jetzt aber nachholen. 

Ich bin, glaube ich, eigentlich noch immer mehr aufs Hören denn aufs Sehen fixiert. Gerade bei Wagners Ring:

denn es sind ja mythische Vorgänge, die da ablaufen, die gleichzeitig  in realen Personen verkörpert sind.  Und wenn ich die Stimmen nur höre, dann kann ich genau das auch wahrnehmen, was auf der Bühne selber dann oft nicht vorhanden ist. 

Wenn ich mir jetzt Einspielungen bei youtube ansehe oder anhöre, dann sind es gerne die Aufnahmen mit dem Dirigenten Christian Thielemann; denn seine Probenarbeit mit dem "Ring" - wie sie sich in der von mir verlinkten Serie darstellt - hat mich sehr überzeugt. 

Überhaupt ist die verlinkte Serie darum für mich so toll, weil sie so bunt gemischt ist und viele Interpreten und Fachleute zu Wort kommen lässt. Ich fühlte mich da wirklich gut informiert, um den neuesten Stand der Wagner-Sicht kennenzulernen.

Allerdings: die wirklichen Wagner-Gegner kamen da nicht zu Wort; das muss man sich dann noch von woanders holen, wenn man  wirklich die Gesamtsicht von heute haben möchte.

Stephan Mösch ist vielleicht noch der kritischste unter ihnen, was er allerdings in den dortigen Interviews nicht sagt. https://de.wikipedia.org/wiki/Stephan_Mösch

Bearbeitet von Alsa
Geschrieben (bearbeitet)
vor 24 Minuten schrieb Alsa:

 

gelöscht von mir, doppelt.

Bearbeitet von Alsa
Geschrieben
Am 9.10.2013 um 23:11 schrieb Torshavn:

Die eigentliche Begeisterung packte mich dann, als ich Peter Hofmann als Siegmund in der Walküre sah. Ein wunderbarer Sänger und Schauspieler. Er hat lange Zeit meine Vorstellung vom Heldentenor geprägt.

 

Peter Hofmann habe ich tatsächlich auch als Siegmund in der Walküre gesehen. :-) 

Das war in Stuttgart, unter dem Regisseur Jean-Pierre Ponnelle. Ponnelle war damals für mich ein Vorbild für gute Musiktheater-Regie.

Was ich vorher an Wagner-Vorstellungen auf der Opernbühne gesehen habe, hat mich oft erschreckt. Parzival rollte wie ein fetter Klops auf die Bühne und sang: "Im Fluge treff' ich, was fliegt."  :grummel:

Was Ponnelle aber machte, war glaubwürdig. Als Sieglinde hatte er Jeannine Altmeyer geholt, und Hofmann und Altmeyer waren schauspielerisch so toll und ergreifend, dass ich es endlich für möglich hielt, dass man auch bei Wagner auf der Bühne nicht beide Augen zudrücken muss.

 

Geschrieben
Am 29.1.2018 um 11:43 schrieb Alsa:

ich hatte damals wohl vor, Wagner zum Spezialgebiet zu machen. Es wurde dann allerdings nicht Wagner, sondern Tolkien.  :-)

Was hat dich denn von Wagner als Spezialgebiet abgehalten? Wagner wäre ja auch neben Tolkien möglich gewesen.

 

Am 29.1.2018 um 11:43 schrieb Alsa:

Ich bin, glaube ich, eigentlich noch immer mehr aufs Hören denn aufs Sehen fixiert. Gerade bei Wagners Ring:

denn es sind ja mythische Vorgänge, die da ablaufen, die gleichzeitig  in realen Personen verkörpert sind.  Und wenn ich die Stimmen nur höre, dann kann ich genau das auch wahrnehmen, was auf der Bühne selber dann oft nicht vorhan

Das kann ich schon nachvollziehen. Manchmal passt eine Inszenierung irgendwie nicht zum Text und zur Musik. Dann stört das Bild eher. Außerdem schwingt bei der Inszenierung ja auch immer schon Interpretation mit.

Manchmal passt es aber auch gut zusammen und dann gibt die Iszenierung gute Impulse (neue) für eine Interpretation. So ging es mir vor zwei Jahren (??) mit der Parzifal Inszenierung in Bayreuth mit Klaus Florian Vogt (einer meiner Lieblingssänger der Gegenwart) in der Titelrolle, die ich damals im Livestream gesehen habe (jetzt ist sie auf DVD erschienen). Das war und ist ein beeindruckendes Erlebnis.

Am 29.1.2018 um 11:43 schrieb Alsa:

Wenn ich mir jetzt Einspielungen bei youtube ansehe oder anhöre, dann sind es gerne die Aufnahmen mit dem Dirigenten Christian Thielemann; denn seine Probenarbeit mit dem "Ring" - wie sie sich in der von mir verlinkten Serie darstellt - hat mich sehr überzeugt. 

Thielemann mag ich auch. Er ist aber auch ein überall sehr präsenter Wagner Dirigent. Man gewinnt schon fast den Eindruck, es gäbe keine anderen. Ich fand auch seine Autobiographie spannend.

 

vor 13 Stunden schrieb Alsa:

Peter Hofmann habe ich tatsächlich auch als Siegmund in der Walküre gesehen. :-) 

Beneidenswert. Ich kenne ihn fast nur von Höraufnahmen. Jetzt suche ich mir einige Inszenierungen auf DVD zusammen. Er war zu seiner Zeit auch sehr präsent im TV. Da habe ich auch einiges gesehen. Aber leider nie live.

Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb Torshavn:

Was hat dich denn von Wagner als Spezialgebiet abgehalten? Wagner wäre ja auch neben Tolkien möglich gewesen.

 

Tolkien kam erst später.

Was mich bei Wagner abgehalten hat, habe ich in den letzten Tagen versucht zu ergrübeln. Irgend etwas ließ mich auf Abstand halten. 

Es war eher der Verstand, der mir sagte: Beschäftige dich mit Wagner, er hatte doch ganz grundsätzliche künstlerische und philosophische Fragestellungen, die geben dir vielleicht Antworten.

Aber ich hab mich immer gedrückt. Vielleicht war es sein Antisemitismus, außerdem aber wohl ein gewisses "Etwas" in seiner Musik, das mich vorsichtig sein ließ.

Dieses gewisse "Etwas" finde ich aber noch nicht in seinem "Fliegenden Holländer", diese Oper habe ich mir auf der Bühne mehrmals und gerne angesehen. Sie läuft für mich noch unter "romantischer Oper", und die romantische Kunst - die ich als dem Surrealismus verwandt emphinde - ist voll mein Dingen. 

Der "Ring" aber ist da anders, Ich hab bei dem schon erwähnten Ponnelle bei der Inszenierung seiner "Götterdämmerung" ab zweitem Drittel etwa täglich den Proben beigewohnt, ich war da grad nach Stuttgart gezogen.

Und bei diesen Proben kriegte ich diesen "Ring-Klang" ins Ohr gebrannt, bei dem ich heute noch immer in irgendeiner Ecke von mir auf Abstand gehe. Es ist vielleicht die ständige Weltuntergangsstimmung und das Klagende dabei,  dem ich etwas misstrauisch gegenüberstehe. 

 

Zitat

Manchmal passt es aber auch gut zusammen und dann gibt die Iszenierung gute Impulse (neue) für eine Interpretation. So ging es mir vor zwei Jahren (??) mit der Parzifal Inszenierung in Bayreuth mit Klaus Florian Vogt (einer meiner Lieblingssänger der Gegenwart) in der Titelrolle, die ich damals im Livestream gesehen habe (jetzt ist sie auf DVD erschienen). Das war und ist ein beeindruckendes Erlebnis.

Bei youtube gibt es einen Trailer von der Aufführung, den habe ich mir eben angesehen. Sieht vielversprechend aus.

 

Zitat

Thielemann mag ich auch. Er ist aber auch ein überall sehr präsenter Wagner Dirigent. Man gewinnt schon fast den Eindruck, es gäbe keine anderen. Ich fand auch seine Autobiographie spannend.

Er soll der beste Wagnerdirigent überhaupt heutzutage sein. Du beschäftigst Dich ja ganz schön mit alldem. 

Meinst Du mit "Autobiographie" sein "Mein Leben mit Wagner"?  Dieses Buch zumindest werde ich lesen, das steht schon lange fest.

 

 

 

Geschrieben

Wer wie ich Wagner rein von der Musik her anzugehen versucht und jegliche Inszenierung außen vor lässt (auch wenn es einige hervorragende gibt), also den Zugang über CD oder Schallplatte sucht, für den habe ich ein paar gute Tipps.

Anscheinend hört ihr hier hauptsächlich neuere Aufnahmen. Da gibts sicher auch viel gutes, aber die wirklichen Schätze findet man in der Vorgriegszeit. Um nur ein Beispiel zu geben: Wer Wagner _hören_ will kommt am 1. Akt der "Walküre", aufgenommen unter Bruno Walters Dirigat 1935, nicht vorbei. Ein Musterbeispiel, was gesanglich möglich ist. Lauritz Melchior als Siegmund, Lotte Lehmann als Sieglinde, Emanuel List als Hunding. Sänger, die heute vermutlich niemand mehr kennt, der kein Gesangsenthusiast ist. Sicher, man wird sich erst reinhören müssen, weil die Art des Gesangs so fremd ist im Vergleich zu heute. Aber Stimmen wie diese hat es seither nicht mehr gegeben. Diese Sänger _singen_ die Regieanweisungen, sie sind in der Lage kleinste Regungen stimmlich auszudrücken, man braucht keine Bühneninszenierung um in der Vorstellung zu sehen was passiert. Wenn Lauritz Melchior (der einzige wirkliche Heldentenor, den es nach einhelliger Meinung aller Gesangskritiker je gegeben hat) seinen Monolog über seine Lebensgeschichte singt, wenn er mit "Nun weißt du, fragende Frau, warum ich Friedmund nicht heiße" schließt, ist das eine Offenbarung. Lotte Lehman genauso: keine helle, junge Stimme wie heute üblich, sondern ein Mezzosopran, dem man abkauft, dass hier eine lebensgeprüfte Frau dargestellt wird (und für mich der beste Mezzosopran, den es je gegeben hat). Wenn sie "Der Männer Sippe saß hier im Saal..." singt, _hört_ man Regungen, die auf der Bühne gar nicht darstellbar sind. Ich wiederhole mich: eine Offenbarung. Das Duett dieses Dreamteams steht gesanglich hoch über allem, was moderne Sänger zu leisten in der Lage sind. Emanuel List mit seiner dunklen, fast schon brutalen Stimme, singt einen Hunding, den es so seither ebenfalls nicht gegeben hat. Solltet ihr die Möglichkeit haben, hört euch diesen Ersten Akt der Walküre unbedingt an. Wer Melchior als Siegmund, Lehmann als Sieglinge, Kirsten Flagstad als Brünnhilde, Friedrich Schorr als Wotan gehört hat, kann sich nur wundern, woran wir uns gesanglich heutzutage gewöhnt haben. Ihr findet die Aufnahme hier: 

 

Geschrieben

Vielen Dank für den Link @Berenfox.:-). Wunderbar interpretiert.

Das sind ja alles Superlative mit denen du um dich wirst;-). Von den frühen Inszenierungen kenne ich tatsächich nicht viel. Aber Lotte Lehmann und Kirsten Flagstad sind mir ein Begriff. Früher war es auch nicht immer ganz einfach an Aufnahmen zu kommen (heute gibt's ja viel auf youtube). Da habe ich mich an Sänger und Sängerinnen gehalten die mir näher waren. Und irgendwie war mir das bisher meist genug.:-).

vor 21 Stunden schrieb Alsa:

Es war eher der Verstand, der mir sagte: Beschäftige dich mit Wagner, er hatte doch ganz grundsätzliche künstlerische und philosophische Fragestellungen, die geben dir vielleicht Antworten.

Das war und ist bei mir anders. Wagner hat mich eher auf der Gefühlsebene angesprochen, und mich tief bewegt. Und das tut seine Musik heute immer noch. Ich habe erst später angefangen meinen Kopf einzuschalten und mir Biographisches und ein bißchen Theoretisches zu Leben und Werk anzueignen.

 

vor 21 Stunden schrieb Alsa:

Dieses gewisse "Etwas" finde ich aber noch nicht in seinem "Fliegenden Holländer", diese Oper habe ich mir auf der Bühne mehrmals und gerne angesehen. Sie läuft für mich noch unter "romantischer Oper", und die romantische Kunst - die ich als dem Surrealismus verwandt emphinde - ist voll mein Dingen. 

Den Holländer mag ich auch sehr. Mein Wagnerinteresse liegt beim Ring, dem Hölländer, Parzifal und Lohengrin.

Die romatische Kunst dem Surrealismus verwandt? Interessant. Kannst du das hier bitte ein bißchen erläutern?

vor 21 Stunden schrieb Alsa:

Der "Ring" aber ist da anders, Ich hab bei dem schon erwähnten Ponnelle bei der Inszenierung seiner "Götterdämmerung" ab zweitem Drittel etwa täglich den Proben beigewohnt, ich war da grad nach Stuttgart gezogen.

Wie bist du denn dazu gekommen, regelmäßig Proben beizuwohnen?

 

Ich habe heute morgen den ersten Teil der von dir @Alsa verlinkte Ringeinführung geschaut (Rheingold). Sehr beeindruckend und gut gemacht. Ein bißchen aufgesetzt fand ich die 'zwischengespräche' zwischen Elke Heidenreich und Christian Thielemann. Sehr gut fand ich die unterschiedlichen Inszeniierungsbeispiele. Besonders eindrucksvoll empfand ich die von Harry Kupfer, die ich bisher noch nicht kannte (außer vom Hörensagen).

 

Geschrieben

@Torshavn Eigentlich mag ich Superlative wenig. Aber in diesem Falle ist es angebracht. Auch ich habe mit zeitgenössischen Aufnahmen aus dem Stereo-Zeitalter angefangen. Ein Tipp hat mich dann auf historische Aufnahmen aufmerksam gemacht. Sowohl stimmlich als auch orchestral verbergen sich dort Schätze, die sich zu entdecken lohnen. An Furtwänglers Wagner-Dirigat kommt trotz vieler hervorragender Alternativen einfach niemand heran. Stimmen wie die von Melchior, Lehmann, Flagstad, Schorr, sind so außergewöhnlich, dass es seit fünfzig Jahren nichts vergleichbares mehr gegeben hat - trotz hervorragender Alternativen. Auch wenn die Qialität der damaligen Aufnahmetechnik für moderne Ohren zu wünschen übrig lässt und der Gesangsstil teils sehr altbacken rüberkommt - stimmlich und interpretatorisch verfügten diese Sänger über Mittel, die man heute vergeblich sucht. Es lohnt sich, sich damit auseinanderzusetzen.

Die Inszenierung von Harry Kupfer in Bayreuth mit Daniel Barenboim als Dirigenten kann ich übrigens auch wärmstens empfehlen. Von der reinen Inszenierung her seit zwanzig Jahren mein Favorit.

Geschrieben
vor 7 Stunden schrieb Torshavn:

Wagner hat mich eher auf der Gefühlsebene angesprochen, und mich tief bewegt. Und das tut seine Musik heute immer noch. 

Das sagen ja sehr viele. Christian Thielemann hat das in dem Einleitungsvideo - ich glaube, in dem zu "Rheingold" - so ausgedrückt, dass Wagner quasi jeden einzelnen Teil des Körpers - Mund, Nase, Ohr etc. - anspricht, bedient. 

In einem anderen Interview mit ihm, auch bei youtube auffindbar, wird von der Verführung durch Wagner, dem ihm Verfallensein - oder so ähnlich - gesprochen.

Thielemann sagt dazu, dass er zugebe, dass es ihm genauso gehe. ABER: er habe inzwischen gelernt, während des Dirigierens Abstand zu halten.

Obwohl ich so ganz grundsätzlich Musik ebenfalls als etwas wahrnehme, das etwas ganz anderes als den Verstand anspricht und oft gar nicht geahnte Tiefenschichten aktiviert: gerade bei Wagners Ring geht es mir nicht so. Da bin ich auf "Hab-acht-Stellung."

Mit einer Ausnahme, oder vielleicht inzwischen zwei. Das erste ist das Walhall-Motiv, das mich sofort in andere Sphären katapultiert.  Für mich ist das Utopie pur: stellt in mir schlagartig einen Ort her, in dem Leute nach Wahrheit oder Weisheit suchen (ähnlich wie in Sarastros "In diesen heilgen Hallen aus Mozarts "Zauberflöte").

Ich WEISS aber, dass solche Orte in unserer Realität oft korrumpiert sind, dass dann im Namen der Wahrheitssuche sublime und psychische Gewalt ausgeübt wird. - Ich kenne solche Orte aus meiner Kindheit - und vielleicht ist das der Grund für meine "Hab-acht-Stellung". Ich misstraue jeglicher Suggestion. Die im übrigen bei Sarastros Hallenarie nicht von der Musik betrieben wird, anders als bei Wagner, nach meiner Wahrnehmung.

Andererseits: die Operntetralogie selber, nimmt man den Text dazu, lädt ja nun gerade nicht dazu ein, der göttlichen Wotan-Familie zu verfallen.  - Die Musik spricht also anders als der Text. Der Text widerspricht der Musik, vielleicht.

Stephan Mösch - in dem Einführungsvideo zum "Rheingold" - thematisiert etwas Ähnliches. Darauf möchte ich vielleicht noch ein andermal zu sprechen kommen.

 

Zitat

Die romantische Kunst dem Surrealismus verwandt? Interessant. Kannst du das hier bitte ein bißchen erläutern?

Ich versuch es. 

Ich teile erst mal die dichterische Literatur ein in realistische und nicht-realistische Literatur. Das hat sich so eingebürgert, und meist weiß man, was damit gemeint ist. Realistische Literatur thematisiert das, was in unserer Welt passiert: in der Familie, in der Gesellschaft etc. 

Die nicht-realistische Literatur thematisiert unter anderem unser Unbewusstes und personifiziert Figuren aus dem Unterbewussten, die der Autor dann nicht selten so herumlaufen lässt, als seien es reale Figuren. 

Wenn dann eine reale Figur einer anderen Figur begegnet, die aussieht, als sei sie real, in Wirklichkeit aber nicht real ist, dann knallt es meist. In der literarischen Romantik kommt das andauernd vor. Diese nicht-realen Figuren haben meist etwas Unheimliches, aber wahnsinnig Suggestives. Sie ziehen einen an. Entweder negativ oder positiv. 

Ich nenne das mal "subreal" - unterhalb der Realität, wie eben das "Unter-Bewusste". 

 

"Surreal" heißt übersetzt  "über-real", ist also auch kein Bereich der Realität. Darum thematisieren beide Richtungen - die Romantik und der Surrealismus - Bereiche der Nicht-Realität. Bei google habe ich folgende Definition für den Surrealismus gefunden:

"Kunstrichtung, die das Traumhafte, das Unbewusste künstlerisch gestaltet" https://www.google.de/search?q=surrealismus&rlz=1C1CHBD_deDE754DE754&oq=surrealismus&aqs=chrome..69i57j0l5.7230j0j7&sourceid=chrome&ie=UTF-8

Genau das tut die künstlerische Romantik auch - wenn auch mit anderen Stilmitteln und anderer Sichtweise. Dazu gibt es übrigens ein Buch von Marianne Thalmann mit dem Titel "Das Märchen und die Moderne. Zum Begriff der Surrealität im Märchen der Romantik", 1961.

Als ich dieses Buch entdeckte, war ich echt happy, weil es untermauerte, was ich davor nur angenommen hatte. 

 

Zitat

Wie bist du denn dazu gekommen, regelmäßig Proben beizuwohnen?

Ich habe den Regisseur (Jean-Pierre Ponnelle) einfach angerufen und gefragt, ob ich das darf. Ich durfte. Und zeitlich ging es, weil ich damals mein Geld mit Kursen an Abenden verdiente.

Ich habe viel und oft schon lange davor immer in irgendwelchen Proben gesessen; während der Studentenzeit im Sprechtheater, später in Konzerten. Ich brauchte das, und es wurde mir eigentlich immer gestattet. 

 

Zitat

Ich habe heute morgen den ersten Teil der von dir @Alsa verlinkte Ringeinführung geschaut (Rheingold). Sehr beeindruckend und gut gemacht. Ein bißchen aufgesetzt fand ich die 'zwischengespräche' zwischen Elke Heidenreich und Christian Thielemann. Sehr gut fand ich die unterschiedlichen Inszeniierungsbeispiele. Besonders eindrucksvoll empfand ich die von Harry Kupfer, die ich bisher noch nicht kannte (außer vom Hörensagen).

Ja, Heidenreich ist so 'ne Sache. Die brauchten wohl einen Zwischenansager, der etappenweise die story erzählte. Und außerdem flapsig darauf war. Mich stört sie auch, aber man kann ja die paar Minuten den Ton abdrehen. :bengel:

Geschrieben

Interessant ist ja, dass viele Hörer des Rings tatsächlich Wotan als eigentlichen Helden der Geschichte halten und ihn als den "Guten" wahrnehmen. Das habe ich oft erlebt. Ich glaube auch, dass das unter anderem an der Musik liegt. Einer der preußischen Kaiser hatte sich übrigens das "He-da, He-do"-Thema Donners als Melodie für die Hupe seines Autos ausgesucht. Krasse Fehldeutung, heftiges Missverständnis des Werkes.

Geschrieben
vor 12 Stunden schrieb Berenfox:

Interessant ist ja, dass viele Hörer des Rings tatsächlich Wotan als eigentlichen Helden der Geschichte halten und ihn als den "Guten" wahrnehmen. Das habe ich oft erlebt. Ich glaube auch, dass das unter anderem an der Musik liegt.

 

Das heißt, dass da ein Spannungsfeld zwischen Text und Musik liegen könnte!

Dass die nicht einfach beide dasselbe sagen, sondern - im besten Fall  :-) - in einem gewissen Widerspruch zueinander stehen, oder auch nur- wenn man sie voneinander löst - Unterschiedliches sagen. 

Ich zitiere mal aus der verlinkten Rheingold-Einführung, was Friedrich Dieckmann zum Ring-Text sagt.  In meinem Beitrag von vorgestern habe ich das mit Stephan Mösch verwechselt bzw. beide vermengt. ->

 

Zitat

1:14:51 ff:

Der Ring ist primär eine Dichtung, Wie auch daraus hervorgeht, dass Wagner ihn zunächst, bevor er komponiert war, oder nur im Ansatz komponiert war, in Zürich an mehreren Abenden vorlas, vor Publikum - und auch drucken ließ: bevor die Komposition vollendet war. Also er selbst hatte den Primat seiner eigenen Dichtung hervorgehoben. 

1:15:31 ff:

Das Befremden der Zeitgenossen und das parodistische Erstaunen über Wagalaweia und diese Dinge, die ja geradezu etwas Surrealistisches haben, etwas Avantgardistisches, als Lautmalerei: das hat inzwischen nachgelassen, weil man begriffen hat: es sind tatsächlich Dichtungen. 

 

Das würde mich nun brennend interessieren, ob diese Texte, die Wagner da in Zürich vorgelesen hat, genauso aussahen wie unsere Textbücher - die ja Szenenanweisungen enthalten, die möglicherweise - wie das wahrscheinlich auch bei Shakespeare war - aus der Probensituation entstanden sind: also nachträglich eingefügt wurden. 

Hätte man diese ersten Fassungen, könnte man die Komposition derselben als "Deutung" auffassen, auch wenn es derselbe Mensch war. 

Und man könnte die ersten Fassungen auch als Schauspiel aufführen - vielleicht sehr modern, "avantgardistisch", wie Dieckmann oben schreibt: surreal oder dadaistisch. :-)

Geschrieben

Sagt er nicht auch in diesem Zusammenhang ganz explizit, dass zwischen Musik und Text Gegensätze existieren, die ausgehalten werden müssen (oder so ähnlich)?

Um nochmal auf die Sänger zurückzukommen: den meisten Hörern ist wahrscheinlich nicht bewusst, dass sich für Wagners Opern gamz neue Sängerkategorien heraus entwickelt haben. Der Heldentenor zum Beispiel. Den gibt es nur bei Wagner. Das liegt an den sehr speziellen Anforderungen, die Wagners Opern an Sänger stellen. Die Partien des Siegmund oder Siegfried zB sind gar nicht besonders hoch (Verdis Tenöre müssen sehr viel höher singen und werden oft an ihre Grenzen getrieben). Sie liegen eher im mittleren Bereich. Gleichzeitig müssen sie aber gegen ein unverhältnismäßig großes Orchester ansingen, was im mittleren Bereich ungleich schwieriger ist als mit scharfen Höhen. Daher braucht man Sänger mit sehr voluminösen und kräftigen Stimmen, die es schaffen, unangestrengt diese Aufgabe zu bewältigen. Das können nur ganz, ganz wenige. Die meisten fangen schnell an zu schreien (merke: voluminös ist nicht gleich laut!). Lauritz Melchior und Jon Vickers waren mit ihren gewaltigen Stimmen, mit denen sie mühelos ein Opernhaus gegen ein großes Orchester beschallen konnten, Ausnahmeerscheinungen. Melchiors Stimme war so groß, dass er auf keiner bekannten Aufnahme je schreien musste. Gleichzeitig zeichnen sich solch voluminöse Stimmen dadurch aus, dass sie umso betörender klingen, wenn sie in leisen Partien zurückgenommen werden. Sowohl Melchior als auch Vickers zeichnen sich gerade in solchen Passagen aus und sind in den leisen Partien unerreicht. Im Bariton verhält es sich ähnlich: der für den Wotan geforderte Heldenbariton ist eine Killerpartie, an denen sich viele Sänger die Stimme kaputt gemacht haben. Teilweise (so zB in der Kupfer-Inszenierung in Person von John Tomlinson) wird der Wotan sogar von Bässen gesungen, die sich die erforderlichen Höhen noch zusätzlich erarbeitet haben. Insgesamt muss man sagen, dass es in den letzen hundert Jahren nur sehr wenige Sänger gab, die diesen besonderen Ansprüchen gewachsen waren. Meistens müssen Dirigenten mit Sängern arbeiten, die große stimmliche Probleme in der Bewältigung der Rollen haben (das hört man zB in den Proben mit Christian Thielemann in den Dokus jedem einzelnen Sänger an). Leider werden die Orchester auch immer lauter (auch wenn Aufnahmen aus den 1930er und 30er Jahren nicht viel leiser klingen) und die historische Aufführungspraxis ist noch nicht bei Wagner angekommen...

Geschrieben

@Proben: Da ich selber im Konzertbetrieb arbeite kann ich nur empfehlen: Wer sich für eine bestimmte Probe interessiert und nachfragt ist fast immer willkommen. Zudem gibt es oft auch öffentliche Proben, die man besuchen kann.

Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb Berenfox:

Sagt er nicht auch in diesem Zusammenhang ganz explizit, dass zwischen Musik und Text Gegensätze existieren, die ausgehalten werden müssen (oder so ähnlich)?

 

Das war Stephan Mösch, der das sagte, und er bezog es auf das Verhältnis von Regie und Musik/Text. Genau das hatte ich in der Erinnerung eben auch verwechselt. Über das Verhältnis von Text und Musik hat leider keiner was gesagt.

Was die "Heldenpartien" bei Wagner betrifft: 

da gibt es so manche Tragödie, Du hast es angedeutet. Bei Peter Hofmann zum Beispiel - dem Heldentenor, der in der ganzen Welt gastierte - war mir irgendwann aufgefallen, dass er nur noch Rockkonzerte gab, mit Mikrophon. Und dann im Musical "Das Phantom der Oper" auftrat.

Irgendwann kam mir die Idee, dass seine Stimme kaputt gegangen sein könnte und er überhaupt keine Opern mehr singen könnte. Meines Wissens hat sich meine Vermutung bestätigt. 

Heinz Kruse, als eine Art Gegenbeispiel, ein Hamburger Tenor, der viele lyrische Partien sang: der konnte plötzlich auch Wagner singen! Still und heimlich hat sich seine Stimme zum Voluminösen entwickelt. Das war an der Hamburger Staatsoper die Überraschung des Jahres gewesen. Er sprang als Ersatz für Siegfried, glaube ich, ein, weil der ursprüngliche Sänger ausgefallen war. 

Seitdem war Kruse nun auch in der ganzen Welt mit Wagner unterwegs. Aber: er konnte vermutlich keine wirklich leisen Rollen mehr singen, also Kammermusikalisches. Jedenfalls hat er selber mal die Befürchtung geäußert. Da wäre dann wahrscheinlich der Saal zusammengebrochen, wenn er wagnermäßig einen leisen Schubert geschmettert hätte... ;-)

Ich denke aber, dass ein Sänger, der sich nicht verheizen lässt, sich ständig von einem guten Musikpädagogen beraten lässt und die innere Kraft hat, "nein" zu sagen zu den noch so attraktiven Angeboten an großen Häusern - also nicht ständig nur Wagner singt -, seine Stimme bis ins hohe Alter erhalten kann. Dafür gibt es ja Beispiele. 

 

 

Geschrieben

Ja, Hofmann war einer der tragischen Fälle. Da fällt mir auch gleich wieder die von mir als Sieglinde empfohlene und hoch verehrte Lotte Lehmann ein. Als sie im Mezzosopran eine feste Größe geworden war, traten immer wieder Dirigenten an sie heran, um sie als dramatischen Sopran zu etablieren, als Isolde zB. Lehmann selbst hätte (so sagte sie mal in einem Interview) alles gegeben, um einmal die Isolde singen zu können, ihre Traumpartie. Aber ihre Kollegen, allen voran Lauritz Melchior, rieten ihr dringend davon ab. Sie wussten, alle Versprechen der Dirigenten, das Orchester möglichst leise zu halten etc, waren nur Floskeln, und sie hätte ihre einzigartige Stimme damit ruiniert. So blieb sie ein Mezzosopran.

Geschrieben (bearbeitet)

Nun muss ich in eigener Sache (und zugegeben mit etwas Stolz) berichten, dass ich vor fünf Minuten René Kollo höchstpersönlich begegnet bin - dem originalen Siegfried aus dem Jahrhundert-Ring von Boulez / Chéreau (der im letzten Jahr, in dem die Filmaufnahme entstand, leider ersetzt wurde). Er gastiert heute in Hamburg.

Bearbeitet von Berenfox
Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Berenfox:

Er gastiert heute in Hamburg.

Und Du hast eine Karte?

Ja, in Hamburg kann man wirklich, wenn man sich lange genug in der Stadt aufhält ;-), diversen weltbekannten Persönlichkeiten auf der Straße begegnen.

 

Noch eine Nachbemerkung zu den beiden Wagnertenören, die ich oben erwähnt habe: Peter Hofmann und Heinz Kruse:

Beide hatten wirklich ein tragisches Schicksal:

Peter Hofmann hatte nicht nur seine Opernstimme verloren, sondern bekam fünfzigjährig Parkinson, die ihn ab einem bestimmten Punkt nicht mehr auftreten ließ. 16 Jahre später verstarb er.

Heinz Kruse wurde durch einen Schlaganfall "schlagartig" aus seiner steilen Karriere gerissen und konnte ebenfalls nicht mehr auf die Bühne.  8 Jahre später verstarb auch er. 

Geschrieben

Nein, ich habe keine Karte, ich war beruflich in der Laeiszhalle, und er kam quasi gerade an als ich gehen wollte.

 

Geschrieben

Wir haben uns auch ein paar Minuten unterhalten. Er war sehr nett. Aber alt ist er geworden...

Geschrieben
Am 31.1.2018 um 07:53 schrieb Berenfox:

Lauritz Melchior als Siegmund, Lotte Lehmann als Sieglinde, Emanuel List als Hunding. Sänger, die heute vermutlich niemand mehr kennt, der kein Gesangsenthusiast ist. Sicher, man wird sich erst reinhören müssen, weil die Art des Gesangs so fremd ist im Vergleich zu heute. Aber Stimmen wie diese hat es seither nicht mehr gegeben. Diese Sänger _singen_ die Regieanweisungen, sie sind in der Lage kleinste Regungen stimmlich auszudrücken, man braucht keine Bühneninszenierung um in der Vorstellung zu sehen was passiert. Wenn Lauritz Melchior (der einzige wirkliche Heldentenor, den es nach einhelliger Meinung aller Gesangskritiker je gegeben hat) seinen Monolog über seine Lebensgeschichte singt, wenn er mit "Nun weißt du, fragende Frau, warum ich Friedmund nicht heiße" schließt, ist das eine Offenbarung. Lotte Lehman genauso: keine helle, junge Stimme wie heute üblich, sondern ein Mezzosopran, dem man abkauft, dass hier eine lebensgeprüfte Frau dargestellt wird (und für mich der beste Mezzosopran, den es je gegeben hat). Wenn sie "Der Männer Sippe saß hier im Saal..." singt, _hört_ man Regungen, die auf der Bühne gar nicht darstellbar sind. Ich wiederhole mich: eine Offenbarung. Das Duett dieses Dreamteams steht gesanglich hoch über allem, was moderne Sänger zu leisten in der Lage sind.

Da kann ich dir nur beipflichten! Aber es ist auch richtig, dass man sich an den Vortragsstil erst gewöhnen muss... genau wie an die Klangqualität. Was, wenn man wie ich, häufig Schellacks hört, um einiges leichter fällt.

Kennst du die CD-Box "100 Jahre Bayreuth auf Schallplatte"? Das sind Aufnahmen aus den Jahren 1900-1930. Da ist das ein oder andere Schmanckerl dabei... und auch befremdliches. ;-)

Geschrieben
Am 30.1.2018 um 19:15 schrieb Alsa:

Und bei diesen Proben kriegte ich diesen "Ring-Klang" ins Ohr gebrannt, bei dem ich heute noch immer in irgendeiner Ecke von mir auf Abstand gehe. Es ist vielleicht die ständige Weltuntergangsstimmung und das Klagende dabei,  dem ich etwas misstrauisch gegenüberstehe.

Kannst du das Gefühl fassen und genauer formulieren? Ich habe eine Ahnung, was du meinst, ich habe etwas ähnliches, das ich aber nach all den vielen Jahren immer noch nicht richtig zu fassen bekomme. Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit Wagner und seiner Musik und liebe sie! Kurioserweise war ausgerechnet Wagner vor rund 30 Jahren mein Einstieg in die Welt der Oper, über einen Tonträger (Tannhäuser/Karajan u.a. mit Frick, Beirer, Wächter, Brouwenstijn und Ludwig). Ab da war es um den 15jährigen Alex geschehen... :smile:

Wagner stellt an seinen Hörer ungeheure Ansprüche und wer genau zuhört, dem geht sie bis ins Mark... jaja, ich weis, das klingt arg pathetisch, aber ich kann es nicht anders formulieren. Die Musik macht etwas mit einem und das wird besonders deutlich beim Tristan. Ich bin nach jedem hören fix und fertig, die Musik zehrt von mir und höhlt mich aus. Aber bitte nicht falsch verstehen, das klingt Negativer als es gemeint ist. Du merkst, auch hier ringe ich um Worte, weil es mir schwerfällt es adäquat auszudrücken. Ich hatte vor vielen Jahren (ich glaube es war 2007) das Glück der Glyndebourne-Inszenierung des Tristan in Baden-Baden beizuwohnen,mit Robert Gambill, Nina Stemme, Katarina Karnéus, Stepahn Gadd, Bo Skovhus und Stephen Milling. Das war großartig, aber ich war danach am Ende meiner Kräfte - und da rede ich nicht von der Spieldauer! Wie schon gesagt, die Musik macht etwas mit einem und ich kann es nur schwer in Worte fassen. Das ist bei den späteren Werken ausgeprägter als bei den frühen. Der Holländer, der Lohengrin, von Rienzi ganz zu schweigen, sind da wesentlich leichter zu verdauen.

Geschrieben (bearbeitet)

@Berenfox Das freut mich, dass Ihr miteinander geredet habt. 

Ich hatte mir vorhin ein Gesprächsvideo angesehen, das vor zwei Monaten in Hamburg mit ihm gemacht wurde: da konnte ich auch schon sehen, dass er "alt" geworden ist.  http://www.ardmediathek.de/tv/DAS/DAS-mit-René-Kollo/NDR-Fernsehen/Video?bcastId=33031952&documentId=47978790

Früher mochte ich ihn nicht, wahrscheinlich wegen seines Operettengeschmetters. Aber später dann hörte ich sehr viel und oft auf einer Schallplatte seinen Max im "Freischütz", und da hat mich sein Gesang tief bewegt. Seitdem bin ich ihm zugetan. 

Was er so alles an Wagner-Partien, erst in Bayreuth, danach auch woanders, gesungen hat, erfährt man u.a. in einem Gespräch mit August Everding - beliebter und bekannter Intendant und Regisseur. Das kommt alles ziemlich gleich am Anfang: 

 

 

Bearbeitet von Alsa
Geschrieben
vor 55 Minuten schrieb Aelfwine:

Kannst du das Gefühl fassen und genauer formulieren? Ich habe eine Ahnung, was du meinst, ich habe etwas ähnliches, das ich aber nach all den vielen Jahren immer noch nicht richtig zu fassen bekomme.

 

Erlebst Du das als positiv oder negativ?

Ich nenn' mal ein Bonmot, das am Theater gilt: 'Nicht der Schauspieler soll weinen, sondern der Zuschauer.'

Und im "Ring" weint bereits die Musik - scheint mir. 

Ich bring mal als Gegenbeispiel eine Passage aus Tolkiens "Herrn der Ringe", die nun wirklich herzzerreißend und schicksalsträchtig ist: als die führenden Elben und Frodo und Bilbo die Erde für immer verlassen und in das Schiff steigen, das sie in eine nicht-irdische Welt bringt. 

Hier hat die Jackson-Verfilmung etwas Grandioses hingekriegt: Der uralte, total zerbrechliche und andauernd einschlafende Bilbo rennt plötzlich krückenlos auf das Schiff und ist munter und überselig. Am Ufer aber heulen Merry und Pippin und Sam. Und auf seinem Stuhl der Leser. 

Hier hat der Leser - oder Zuschauer - die Chance bekommen, dialektisch zu denken und eben auch zu fühlen. Es kann also als Scheitern aufgefasst werden - wie auch ich es ewig aufgefasst habe -, es kann aber auch als Utopie aufgefasst werden, als Teil eines Happyends bzw. einer Eukatastrophe.

Es ist in den Einführungsvideos der Pianist Stefan Mikisch, der mir durch seine Musikanalysen die Möglichkeit eröffnet hat, dass auch in Wagners "Ring" das Weltgeschehen dialektisch dargelegt wurde. Mikisch spricht von "Transformationen", die bereits eine Utopie andeuten.  

Es könnte sein, dass Du und andere hier, die Wagner lieben, das viel mehr schon kapiert haben als ich - weil ich Wagner letztlich nicht mal im Ansatz richtig kenne. Bei Tolkien hat es bei mir ca 15 Jahre gedauert, bis ich die Vielschichtigkeit seiner Werke überhaupt erst mal wahrgenommen habe: dass man also nicht nur auf der Ebene des Inhalts die Grundaussage finden kann, sondern das man miteinbeziehen muss, wie sich diese Grundaussage durch die Erzählperspektive erneut bricht und zu einer anderen wird. 

Meine neueste Idee ist ja, dass vielleicht der Text in einem kontrastreichen Verhältnis zur Musik steht und umgekehrt. 

 

Zitat

Die Musik macht etwas mit einem und das wird besonders deutlich beim Tristan. Ich bin nach jedem hören fix und fertig, die Musik zehrt von mir und höhlt mich aus.

Ich habe mir Tristan noch nie angehört. So wie ich mich auch dem Buch "Im Westen nichts Neues" oder dem "Tagebuch der Anne Frank" sehr, sehr lange verweigert habe. Ich werde wahrscheinlich auch nie eine KZ-Gedenkstätte besuchen. 

Die erwähnten Bücher aber habe ich irgendwann endlich gelesen, als ich mich stark genug dafür fühlte. 

Ich habe einmal - was vielleicht Deinem Beschriebenen nahe kommt - ein Konzert von einem modernen Komponisten oder einer modernen Musikgruppe gehört mit dem Titel "Dantes Inferno" oder so ähnlich.

Als die zu spielen begannen, wurde mir schon komisch. Es war eine Art psychischer Klaustrophobie, die sich da in mir breit machte; die Musik suggerierte dermaßen deutlich eine psychische Hölle, die ich gezwungen war mitzuempfinden, dass ich den Konzertsaal verlassen musste. Ich saß auch noch in der Mitte einer Reihe, sodass die halbe Reihe aufstehen musste, aber ich bin regelrecht geflüchtet. 

Ich weiß nicht, ob das, was Dich da so fertig macht, mit dem verwandt ist. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass jemand, der unter Drogeneinfluss steht, bei Wagner durchdreht. 

Wie Christian Thielemann schon sagte: Wagner nimmt von allen Sinnen des Hörenden Besitz. Falls der Hörende sich fallen lässt. 

 

Zitat

Wie schon gesagt, die Musik macht etwas mit einem und ich kann es nur schwer in Worte fassen. 

Es kann sein, dass man gleichzeitig - mit dem Hören - psychisch etwas abarbeitet. Wenn man von der Musik gepackt ist, dann ist sofort die Psyche und das Unterbewusste mit einbezogen. Wenn man sich dann öffnet und nicht verschließt - wie ich meist -, dann ist das vielleicht eine Art Katharsis. Die macht einen sicherlich fertig und laugt einen aus. Aber sie heilt einen auch.

 

 

Geschrieben

@Aelfwine Oh, du hörst Schellackplatten? Da beneide ich dich. Ich habe zwar eine große Menge alter Schellack-Aufnahmen auf CD, aber keine Schellackplatten.

Ja, die Reihe kenne ich. Mich faszinieren diese alten Aufnahmen insgesamt sehr. Eben weil sie so befremdlich sind und das Ohr für Neues öffnen. Aber auch weil die Sänger einfach grandios gut sind.

 

@Alsa Ich mag Kollo auch nicht uneingeschränkt. Aber sein "Lohengrin" unter Karajan war eine meiner ersten Opernaufnahmen und gefällt mir bis heute. Sie hat mich unter anderen Aufnahmen ins Operngenre eingeführt. Als besonderes Schätzchen habe ich eine Aufnahme von Korngolds "Die Tote Stadt" mit Kollo, die ich sehr liebe.

 

@Wagner: Ich habe, als ich etwa zehn Jahre alt war, eine Aufnahme des Trauermarschs aus der Götterdämmerung gehört - und war instantan total von den Socken. Niemand konnte mir sagen, was das für Musik war und ich war jahrelang  wie ein Verrückter auf der Suche danach, habe CDs gewälzt und alles angehört was irhendwie in den Zusannenhang passte. Wagner hatte mich total infiziert. Leider ohne Erfolg. Erst mit 16 geschah es, dass mich ein Freund aufklärte. Er sagte, das Stück sei aus Wagners "Ring", und er war so clever, mir eine Ring-Gesamtaufnahme in die Hand zu drücken, statt mir zu sagen wo ich das Stück finde. So musste ich den kompletten Ring durchhören, und als ich nach knapp 16 Stunden das gesuchte Stück endlich gefunden hatte, war ich schon gepackt von Wagner. Ich war erst 16, verstand nur die Hälfte vom Text und hatte nie zuvor eine Oper gehört - und doch ist genau das passiert, was Thielemann in der Doku sagt. Die Musik hat zugeschlagen und dazu geführt, dass ich mich tiefer damit auseinandersetze.

Wagner tut bei mir das Gleiche wie Tolkien. Er verzaubert mich und reißt mich in die Faërie. Was Tolkien mit Worten tut, tut Wagner mit Musik, aber das Ergebnis ist - bei mir zumindest - genau das Gleiche. Ich kann mich dem auch nicht entziehen, beide treffen einfach punktgenau meinen "Knopf" und ich werde hineingezogen. Die Geschichten, die beide erzählen, und die Art und Weise, wie sie es tun, treffen mich auf so vielen Ebenen, dass ich mich seit Jahrzehnten daran abarbeite, ohne dass die Quelle versiegen würde. 

 

@Tristan: Ich kann gut verstehen, Alsa, dass du "Tristan und Isolde" vermeidest. Mich hat es innerlich zerschmettert beim Hören. Ich war 18 und unglücklich verliebt, eine denkbar ungünstige Konstellation. Wagner hatte Recht als er einmal sagte, dass diese Oper verboten gehört. Schon mittelmäßige Inszenierungen sind schlimm. Die beiden Referenz-Aufnahmen mit Melchior und Vickers hingegen sind schlicht unerträglich; ein Kritiker schrieb mal, er könne keinen höheren Tribut an die Gesangsleistung zollen, er wolle das aber nie wieder hören müssen. Es ist eine Tour de force der Emotionen, und zumindest für mich ist es nahezu unmöglich, nicht sofort hineingerissen zu werden und einen Blick von außen darauf zu werfen.

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